6) Grebel und andere Schwärmer wenden sich nach St. Gallen

Nicht lange nach diesem Vorfall kam Grebel selbst nach St. Gallen. Alle Feinde der Kindertaufe bezeugten hierüber eine unaussprechliche Freude, weil sie sich jetzt in den Stand gesetzt sahen, ihr Vorhaben, mit welchem sie ein ganzes Jahr schwanger gegangen, endlich einmal ausführen zu können. Sie führten ihn, es war gerade Palmensonntag, mit sich hinaus an die Sitter, um von ihm die Wiedertaufe zu empfangen, luden ihn auf die Weberzunft, und baten ihn um seine Ansichten über die Taufe und Wiedertaufe. Es läßt sich leicht denken, er werde die Kindertaufe verworfen, die Wiedertaufe hingegen, über dieselbe hoch erhoben haben. Auffallend war es, daß er nichts weniger als Einwürfe vertragen, oder Gegengründe anhören wollte; vielmehr entgegnete er allemal, so oft man auch nur einen leisen Widerspruch wagte: Willst du mit mir handeln, so komm zu mir nackend! Dadurch wollte er aber nur alle Einreden ablehnen, und die Leute zum blinden Glauben an sich gewöhnen. Aber dadurch wurden nun viele einfältige fromme Seelen, die in der Meinung standen, er sollte auch Widerrede dulden, und Einwürfe beantworten, bewogen, sich in Zukunft von ihm zu wenden.

Kaum hatte Grebel die Stadt wieder verlassen, welches noch vor Ostern geschah, so erschienen, damit der Eifer nicht sogleich wieder erkalten möchte, mehrere solche schwärmerische Köpfe aus Zollikon, am Zürichsee, welche aus der Gefangenschaft in Zürich, in die sie ihrer Schwärmerei halber gerathen, entronnen waren. Sie verbreiteten das Geschrei, als wenn der Kerker in welchem sie gesessen, sich selbst aufgethan, und sie, wie dort Petrus und Silas, sich hätten ungehindert entfernen können. Bald nachher vernahm man aber, daß sie mit Hülfe eines starken Hebeisens die Thüren gewaltsam aufgesprengt, und sich entfernt hatten. Etliche solcher Ausreisser hatten ihren Weg nach Lachen, im Kant. Schwyz genommen, wo Hypolitus Eberlin, genannt Bolt, ein Schiffer und übrigens gutherziger Mann, seinen Aufenthalt hatte. Anton Kürsiner, Hottinger, so hießen diese Zolliker, und ein Priester, eröffneten ihm wie sie willens wären, zu ihren Glaubensbrüdern nach St. Gallen zu gehen, und beredeten Bolten, mit ihnen zu ziehen, wozu sich dieser sehr leicht verstand, weil er die dortigen Brüder kennen lernen, und das Osterfest daselbst feiern wollte.

Bolt war eigentlich kein Anhänger, sondern viel mehr ein Gegner dieser Sekte, der erst durch Zureden andrer zu ihnen übergetreten, und sich zu St. Gallen hatte taufen lassen. Da er nun einige Belesenheit in der hl. Schrift besaß, und in seinem Umgang viel Angenehmes und Freundliches hatte, so ersuchte man ihn zu predigen, wozu er sich auch bald verstand, und bereitwillig zeigte, wo man wolle. Dies aber, riethen ihm seine Freunde, solle er nicht sagen, sonst möchte man ihn, nach W. Ulmanns Meinung, in den Heiden Tempeln - so nannten sie die Kirchen in der Stadt - zu predigen überreden. Daher führten Sie ihn hinaus vor das Thor, und bestiegen den so genannten Bärlisberg gegen Goßau, wo sich fast die ganze Stadt versammelt, weil jedermann neugierig war, den Bauer von Lachen predigen zu hören. Der Gegenstand den er sich zu behandlen gewählt hatte, betraf die Lehre von dem hl. Abendmahl, über welche er Zwinglis Grundsätze, so wie er dieselben in einer Predigt zu Zürich, kurz vorher angehört hatte, vertheidigte, und die damals zu St. Gallen noch ganz neu und auffallend waren. Denn Pfr. Benedict Burgauer, und seine übrigen Amtsbrüder in St. Gallen, statuirten noch immer Luthers, die Wiedertäufer aber Carlstadts Meinung. Da also Bolt diese ganz neue Lehre vortrug, trat aus der Menge des Volkes der Stadtpfarrer Benedict Burgauer, der sich auch aus der Absicht vor die Stadt begeben hatte, um zu vernehmen, was dieser Mann vorbringen würde, heraus, und da er für seine Gemeinde Nachtheil befürchtete, wenn solche neue Lehren sich verbreiten sollten, so hielt er sich verpflichtet, in einen offenen Kampf gegen Hypolitus und seinen Anhang einzutreten. Da aber eine Spaltung entstand, und die versammelte Menge unruhig ward, mußte man unverrichteter Sache aus einander gehen.

Von diesem Tage an predigte Hypolitus die Osterfeiertage über, und die folgende Woche hindurch alle Tage, in der dortigen Metzge. Wie wohl er in mehrern Glaubensartikeln der heiligen Schrift wohl unterrichtet zu seyn schien, so mußte er gleichwohl immer auf anstiften der Wiedertäufer nur gegen die Kindertaufe eifern, und die Wiedertaufe über alles erheben. Dies ließ er sich denn auch in der That sehr angelegen seyn, rühmte die erhabenen und vortrefflichen Kräfte an, welche sich die Wiedertäufer zu versprechen hätten, und zeigte, wie dadurch alle Begierden und Lüste gegen die Sünde ausgelöscht würden. Wer also das Wasser verlange, sagte er, der möge nur hinzu gehen. Hierauf kamen tagtäglich viele Bürger und Landleute, besonders aus der fürstlichen Landschaft, und dem Appenzellerlande nach St. Gallen, und fragten nur nach dem Taufhaus; sobald sie die Taufe empfangen hatten, begaben sie sich wieder heim, gleichsam als wenn sie, wie sich Keßler ausdrückt, bei dem Barbier gewesen wären!

Hypolitus begab sich nun wieder in seine Heimath; kaum hatte er aber das Schwyzergebiet betreten, so wurde er auch gefänglich eingezogen, und mit dem Priester, in dessen Gesellschaft er sich zu St. Gallen befunden hatte, als ein Ketzer zum Feuer verurtheilt. Mit großer Freudigkeit gleich einem Märtyrer der ersten christlichen Kirche, naheten sich beide dem Scheiterhaufen, und starben gern und mit heiterem Muthe.

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