10) D. Watt und Ulrich Zwingli schreiben gegen sie

Nun aber trat ein Mann auf, von dessen Ansehen und Gelehrsamkeit jedermann in der besten Erwartung stand, er werde dem wiedertäuferischen Unwesen wo nicht ein gänzliches Ende machen, doch einen empfindlichen Stoß geben. D. Joachim v. Watt, damals noch Mitglied des St. Galler Stadtraths, ein Mann, der bey seinen ausgebreiteten juridischen, medizinischen und philologischen Kenntnissen, besonders auch in der hl. Schrift sehr gut begründet war. Dieser erbot sich daher vor dem Stadtrath, er wolle aus der hl. Schrift beweisen, wie die Lehrsätze der Wiedertäufer gänzlich gegen die Lehre der Apostel stritten, und wie sie daraus, ohne einen richtigen Beweis zu führen, ihre Irrthümer gezogen hätten. Er setzte über diesen Gegenstand eine Schrift auf, und theilte sie den Wiedertäufern zum Lesen und Betrachten mit. Diese beantworteten sie mit einem Gegenschreiben. Beide wurden am 5ten Brachm. 1525 dem Gr. Rath vorgelegt und verlesen. Letztere meinten mit ihrer Antwort die Schrift des D. Joachim v. Watt trefflich widerlegt zu haben, und wollten sich also keines Bessern belehren lassen, verharreten nach wie vor in ihrem Irrthume, ja sie bestärkten und befestigten einander so sehr darin, daß man damals 800 Wiedertäufer in St. Gallen zählte.

Zwingli, bekanntlich ein vertrauter Freund D. Watts, war ohne Zweifel von diesen darüber benachrichtiget worden, schrieb sein Büchlein von der Kinder- und Wiedertaufe, eignete es zum Trost und zur Belehrung dem Rathe und der Bürgerschaft von St. Gallen zu, und ließ auch den Wiedertäufern am 27ten März gedachten Jahres ein gedrucktes Exemplar davon überreichen. Als der dasige Pfarrer Dominikus Zili diese Schrift las, wurde er dadurch von dem Nutzen der Kindertaufe so versichert, und im Gegentheil gegen die Wiedertaufe so gestärkt, daß er sich in einer Predigt erbot, er wolle auf einen Abend der ganzen versammelten Gemeinde diese Zwinglische Schrift vorlesen. Zugleich lud er die Wiedertäufer dazu ein, daß sie, - wie Keßler schreibt: „Antwort geben, auf die Gründe, ob sie die (diese Zwinglische Schrift) mit Wahrheit heiliger Geschrift fellen (widerlegen) mögend.“ Auf den Abend versammelten sich Bürgermeister und Rath mit der Gemeinde in der St. Lorenzkirche. Auch die Lehrer der Wiedertäufer nahmen auf der Emporkirche Platz. Als nun Dominikus Zili mehrere Seiten darin vorgelesen hatte, erhob sein Gegner, der berüchtigte Wolf. Ulmann seine Stimme, und rief: “o mich erbarmet das arme, hier gegenwärtige Völklein, welches durch dieses Buch verführet wird! Hör auf zu lesen, und sag uns Gottes, nicht Zwinglis Wort.“ Durch eine solche Sprache wollten sie aber nur die Zuhörer gewinnen, und auf die Seite der Wiedertäufer bringen. Dominikus Zili gab sich daher unsägliche Mühe zu zeigen, daß die Worte die er ihnen hier vorläse, nicht Zwinglis, oder irgend eines Menschen Wort, sondern Gründe aus dem Worte Gottes wären. Aber alles dieß machte auf die starrköpfigen Sectirer durchaus keinen Eindruck, und Ulmann drang immer heftiger in ihn, er sollte das Buch auf die Seite legen.

Da der Lärm immer größer ward, trat der Bürgermeister Christian Studer auf, und befahl Dominiken im Lesen fortzufahren, und den Gegnern auf die in der Schrift enthaltenen Gründe für die Kindertaufe zu antworten. Hierauf erwiederte ein Wiedertäufer: sie wollten sich dies gefallen lassen, aber nächstens würden sie auch eine Schrift von ihrem Bruder Grebel erhalten, und sobald diese erschienen sei, wollten sie jenem daraus schon Antwort ertheilen. Der Bürgermeister, der gern gesehen, wenn sie jetzt ihre Gegengründe vorgetragen hätten, rief ihnen zu: sie möchten doch eben so freudig hier vor ihnen reden, wie sie es vorher bei der Anwesenheit Grebels gethan hätten; - konnte sie aber keinesweges dazu bringen. Endlich zogen die Wiedertäufer einen Brief Grebels an den Bürgermeister und Rath der Stadt St. Gallen hervor, und verlangten, daß dieser verlesen würde, damit Jedermann hören möchte, wie Grebel Zwinglin darin widerlegt. Der Bürgermeister wurde aber darüber entrüstet, daß sie den Brief nicht am gehörigen Orte abgelegt hätten, und schlug ihren Willen ab. - Nachdem dieser Wortwechsel noch einige Weile gedauert hatte, begaben sich die Wiedertäufer mit den Worten hinweg: „habt ihr Zwinglis Worte, so wollen wir Gottes Wort behalten.“

So wurde also mit der Schrift, welche Zwingli hatte ausgehen lassen, in der Hauptsache wenig gewonnen. Doch machte sie in dem Gemüthe des einen oder andern einen guten Eindruck; hie und da wurde auch der eine oder andere bewogen, der Wiedertaufe zu entsagen. Andre lobten Gott, der sie aus solchen Banden erlöset hatte. Doch ihre Zahl war nicht bedeutend, denn die Wiedertäufer beriefen sich gleich jenen auf das pure lautere Wort Gottes, behaupteten den wahren Wortverstand besser als die Evangelischen gefunden zu haben, und setzten den wider sie angezogenen Stellen der Bibel andere entgegen. Hätte freilich die Obrigkeit mit Festigkeit und Nachdruck sich diesem Unwesen entgegen gesetzt, so würde dasselbe nicht immer weiter um sich gegriffen haben; sie fürchtete aber bei der ohnehin eingerissenen dreifachen Spaltung unter den Einwohnern die Auflösung aller bürgerlichen Ordnung und Tumult. Was man that bestand bloß darin, daß man sich 100 Mann treue Bürger versicherte, auf deren Hülfe und Beistand sich der Stadtrath, wenn etwa ein Aufruhr entstehen sollte, verlassen könne.

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