Erichson, Alfred - Zwingli's Tod und dessen Beurtheilung durch Zeitgenossen - V. Die Oberländer.

Erichson, Alfred - Zwingli's Tod und dessen Beurtheilung durch Zeitgenossen - V. Die Oberländer.

Verlassen wir den schweizerischen Boden, so begegnen wir, im Kreise der Freunde und Gesinnungsgenossen, widerstreitenden Urtheilen über das Schicksal Zwingli's. Einerseits werden ernste Bedenken, sogar Anschuldigungen laut, während anderseits das redliche Bemühen hervortritt, den Todten zu rechtfertigen. Schien es doch in jenen Zeiten, wo der Fortschritt der Reformation von gar mannigfaltigen Umständen abhing, als ob die Unternehmungen Zwingli's der guten Sache einen unersetzlichen Schaden zugefügt hätten. Liest man die zahlreichen Briefe, die über diese Angelegenheit gewechselt worden sind, so kann man nicht im Zweifel darüber sein, was in den Gemüthern überwiegend war, das Interesse an der Verbreitung des Evangeliums oder die Sorge um den persönlichen Ruf und das Andenken des Zürcher Reformators.

Bucer in Straßburg war der Mittelpunkt dieser ganzen Bewegung und weitläufigen Korrespondenz; auf ihn richteten sich die forschenden Blicke, von ihm erwarteten die Freunde in Süddeutschland einen bestimmten Ausspruch über die Frage: Was ist vom Tode Zwingli's zu halten?

Schon am 25. Oktober schrieb der Prediger Konrad Som aus Ulm an ihn: „O mein theuerster Bucer, wie sehr hat uns die Nachricht vom blutigen Tod dieses so frommen, so gelehrten und so tapfern Mannes bestürzt, während die gottlosen Papisten frohlocken! Vor Weinen und Schluchzen kann ich heute nicht mehr schreiben, ja kaum denken. Unser einziger Trost ist die Gewißheit, daß Zwingli selig gestorben ist, denn zu Allem, was er that, trieb ihn die Liebe. Unsere Gegner aber legen alle seine Handlungen boshaft und verleumderisch aus und zerreißen den Todten mit ihren giftigen Zähnen.“

Große Perplexität verräth folgender Brief von Ambrosius Blaurer an Bucer (26. Oktober): „O mein geliebter Bruder! Der brennende Schmerz meiner Seele stellt mir immer vor Augen den Fall unseres Zwingli, dieser unvergleichlichen Säule der Kirche Christi. Sein Tod erfüllt nicht allein alle Frommen und alle Freunde des Evangeliums mit tiefer Trauer, sondern läßt uns auch für unsere christlichen Staaten ein drohendes Unheil ahnen. Wie sehr quälen mich die mannigfachen Gedanken, die in mir aufsteigen! Es hat mir immer mißfallen, ich sage es frei, und mich mit Besorgniß erfüllt, daß dieser Mann bei seiner unbändigen Gesinnung, unaufgefordert, stets für den Krieg gepanzert war, ja sogar in der Schlacht sein und mit dem thörichten Mars sich abgeben wollte. Hierüber legte ich indessen mir doch Schweigen auf, indem ich dachte, es geschehe durch einen unergründlichen Rathschluß Gottes, daß Zwingli mit dem Wort und mit den Waffen, mit der Ermahnung und That die Sache Christi verfechte. Jetzt lehrt aber der Ausgang, daß es ein unglückliches Zeichen ist, wenn ein Bischof die Rüstung eines Kriegers anzieht, obgleich ich nicht daran zweifle, daß der allgütige Vater, dem er mit so großem Eifer gedient, sich seiner erbarmt hat.“

Bestimmter, aber auch für Zwingli ungünstiger ist das Urtheil, welches Geryon Sailer, Arzt und Rathsherr in Augsburg, in einem an Bucer gerichteten Schreiben, vom 31. Oktober 1531, fällte: „Ich kann nicht leicht sagen, mit welchem Schmerz ich die kühne und nichts weniger als evangelische That Zwingli's vernommen habe. Es ist Niemand eine andere Macht gegeben, als die zur Erbauung dient, und nicht zur Zerstörung. Es ist eine große Schande, daß wir durch das eigene Schwert zu Grunde gehen. Wie oft haben wir nicht gegen den Papst und die Seinen den Vorwurf erhoben, daß sie Kriegsunruhen erregen! Wie oft haben wir diese Menschen blutgierige Verbrecher, ehrlose Räuber, Vaterlandsverräther und Gewissens-Tyrannen genannt! Wie oft haben wir es ihnen als Verbrechen angerechnet, daß sie die Ersten im Kampfe seien! Jetzt aber kehrt der Pfeil auf uns zurück. Wäre es nicht besser gewesen, die V Orte und ihre Vogteien ihrer Denkungsart zu überlassen, als durch solch' ein Gemetzel unglücklicher Leute den Schwachen Anstoß zu geben? Welch eine Thorheit, auf diese Weise Christen machen zu wollen! Wenn das ewige Wort, die Predigt vom Kreuz dies nicht vermag, wie könnten es die Waffen ausrichten? Wenn man einmal zum Schwert gegriffen hat, so jammert oft der Sieger und geht der Besiegte zu Grund. Und wenn man überhaupt die Waffen zur Vertheidigung des Nächsten ergreifen darf, so sollen die Diener des göttlichen Wortes dies nicht thun. Ihr Amt besteht darin, durch Wort und Beispiel zum Kreuz zu mahnen. Zwingli stand in großem Ruf auswärts und hat um so Mehreren Anstoß gegeben. Daß noch andere Diener des Wortes dem Treffen beigewohnt haben, ist in den Augen aller frommen Seelen, sowie der Gegner ein Anzeichen großer Kampfgier. Sind deren 16 getödtet worden, wie viel müssen dabei gewesen sein, indem man nicht annehmen kann, daß alle umgekommen sind! Da die Gesinnung des Volkes großentheils durch die Predigten des Geistlichen bestimmt wird, so liegt die Vermuthung nahe, daß diese Letzteren das ganze Gewebe angezettelt und ausgesponnen haben. Für die große Menge, Du weißt es, mein bester Bruder, besteht eine so enge Beziehung zwischen dem göttlichen Wort und seinen Dienern, daß die Vergehen Dieser dem Evangelium zur Schuld gelegt werden. Deshalb wird den Geistlichen niemals dasselbe gestattet sein, was die Laien thun dürfen, und selbst wenn es ihnen erlaubt wäre, würde es nicht frommen. Ich werde immerfort von dem Krieg abmahnen, denn ich sehe, daß die Kirche Christi durch ganz andere Mittel, als durch kriegerische Unternehmungen und Blutvergießen zu fördern ist.“

So äußerte sich ein milder Vertreter der zwinglischen Richtung in Augsburg. Was wird Bucer hierauf antworten?

„Auch ich fürchtete für Zwingli,“ schrieb er am 14. November an A. Blaurer. „Das Evangelium siegt durch das Kreuz. Man täuscht sich, wenn man eine Rettung Israels durch äußere Mittel mit Ungestüm erwartet und durch die Waffen beschleunigen will. Große Gefahren machen zwar Alle gleich und entkleiden einen Jeden seines besonderen Charakters; deshalb ich das Schauspiel eines bewaffneten Bischofs nicht für so unwürdig erachte, wenn auf einen Befehl Gottes der Krieg begonnen worden und es bis zum Aeußersten gekommen ist. Ich befürchte aber, daß diese Sache diesmal ohne den Willen des Herrn angefangen wurde, und es beunruhigt mich sehr, daß unser Zwingli nicht allein den Krieg angerathen, sondern mit Unrecht aufgedrungen hat, wie es ganz den Anschein hat, wenn wir recht berichtet sind. Ich glaube, daß die Waffen das Letzte sein sollen, wozu Christen ihre Zuflucht nehmen dürfen. So wünschte ich, daß man durch alle Zugeständnisse, die ohne Verlegung der Ehre Gottes möglich sind, den Frieden aufrecht erhalten hätte. Die V Orte haben zwar, ich gestehe es, eine Züchtigung durch den Krieg verdient, das konnte jedoch nicht die Aufgabe Derjenigen sein, welche so Manches an sich selber zu strafen versäumten und durch keinen besonderen Befehl Gottes dazu angetrieben waren. Man darf auch das Ungewöhnliche nicht leichtsinnig wagen, das heilige Männer zu ihrem Ruhm gethan haben. Das göttliche Wort lehrt, daß wir alle Beleidigungen ertragen sollen und nur Diejenigen richten dürfen, die Gott in unsere Hand gegeben hat. Darüber hinausgehen ist löblich, wenn ein ausdrücklicher Befehl des Herrn vorliegt; fehlt aber letzterer, so heißt es seiner Ordnung widerstehen und das Schwert, wodurch man selbst umkommt, zur Hand nehmen. Wann werden wir aber in so zweifelhaften Dingen Gewißheit erlangen, die wir in unseren Gebeten so schwach sind? welche verderbliche Kälte liegt in diesen Tagen auf den Herzen der Unsrigen!..“

Das scharfe Urtheil Bucer's mag eine Entschuldigung theils in seinem ängstlichen Gemüth, theils darin finden, daß, wie er am Schlusse obigen Briefes gesteht, „man in Straßburg über diese Ereignisse fast weniger wußte als das Jahr zuvor über den ungarischen Krieg“.

Schon am 13. November hatte Bucer abermals an Margaretha Blaurer geschrieben: „Die Gnad Gottes, christliche, recht liebe jungfraw und schwester. Wyr sind schlachtschaf und der welt schabab.1) Darumb dörffen wyr uns nit so hoch wundern, daß wyr geschlachtet und geschendet werden, wiewol auch schäfflin und yedermans schabab nit so kriegerisch syn sollten, Gott hyeße es denn eygentlich. Nun ist der fehl nit alleyn by denen so ligen, sonder auch by uns und filicht meer by uns; derhalb sollen wyr uns alles lossen zur besserung ursach syn und anleytung zu warer bußfertigkeyt. Gott wirdt und kann uns nit lossen, ließen wyr nur yn nit. Ja er wirdt, dieweyl ers angefangen, uns das auch geben, daß wyr yn nit lossen. Was wöllen wyr mee? Gott mit uns und wyr Gottes kinder. Sterben ist genesen, leben ist hoffnung … Wyr müssen uns warlich nach solichem verlust nahe zusamenthun. Haben wir je gearbeytet, jetzt wurdt es zeyt werden. Ich hoff, der Herr wölle noch weyter unserer buß erwarten, er gebe, daß er nit vergebens warte.“

Bedenken und Beschuldigungen gleicher Art hatten dem Ulmer Prediger Frecht die Feder in die Hand gedrückt und ihn bereits am 29. Oktober an Oekolampad schreiben lassen: „Die Gegner werden ohne Zweifel es als ein herrliches Schauspiel rühmen, daß ein Bischof, und zumal als Vorkämpfer in der Schlacht, umkomme, Viele mit sich in's Verderben reiße und ein seiner Lehre würdiges Ende nehme.“2)

Am 8. November erfolgte die Antwort Oekolampad's, aus welcher wir die wichtigsten Stellen wiedergeben: „Theuerste Brüder, ich kann Euch den ganzen Schmerz nicht verhehlen, der mich ergriff, als ich erfuhr, daß unser Zwingli in die Hände grausamer Feinde gefallen und mit solcher Wuth zerrissen wurde; denn ich weiß wohl, wie sehr die Verbreitung dieser Nachricht der Welt zur wilden, ausgelassenen Freude, den Schwachen zum Aergerniß gereichen wird. Ich sprach mir selber Trost zu, obwohl bald ein Unglück dem andern auf dem Fuße folgte. Auch fiel Zwingli nicht allein, sondern angesehene Männer mit ihm, der Abt von Kappel und der Komthur von Küsnacht, und auf die erste blutige Niederlage folgte eine zweite, um so schmachvoller, weil sie mit der Flucht endigte. Ich gedachte, daß diese Männer, die ja sterblich waren, durch Krankheit oder ein anderes Geschick hätten umkommen können; sie sind ja nur vorangegangen, wir werden folgen, wenn auch durch eine andere Todesart. Wenn niemand Anderes als der große Haufe sich daran ärgerte, das würde mich wenig kümmern, denn ich kenne ihren Glauben und ihre Gottesfurcht und weiß, daß kein eigentliches Uebel ihnen begegnen konnte. Es schmerzt mich aber am meisten, daß überall die Verleumdungen Eingang finden und der Vertheidigung kein Gehör geschenkt wird. Der Tod unserer Brüder ist an sich nicht unehrenhaft. Ist es doch nichts neues in der Schweiz, daß die ersten Geistlichen bewaffnet die Banner in die Schlacht begleiten. Unser Bruder ist nicht als Heerführer ausgezogen, sondern als guter Bürger, als getreuer Hirt, der mit den Seinen sterben wollte. Wer unter seinen Verleumdern hat auch nur eine Unze seines Edelmuths? Auch ist er nicht aus eigenem Trieb in's Feld gezogen: ein Unglück ahnend und verheißend, hatte er sich erbeten, in der Stadt bleiben zu dürfen; der Rath verweigerte es ihm, rücksichtslos bestürmte man ihn, ja riß ihn beinahe fort. Es fehlte auch nicht an Verräthern, die ihm vorwarfen: Er sei feig, wenn er zu Hause bleibe. Zudem war er, wie in anderen weltlichen Dingen, in der Kriegskunst wohl erfahren … Gestützt auf unsere Freundschaft rieth ich ihm wiederholt ab, sich in Geschäfte zu mischen, welche mit dem Evangelium wenig zu thun hätten. Er schrieb mir zurück: Die Sitten seines Volks seien mir wenig bekannt, er sehe das schon gezückte Schwert und werde thun, was eines treuen Wächters Pflicht sei, er handle nicht blindlings. Dies seine letzten Worte. Mag sein, daß dieser Eifer zu unbändig war, warum tadelt man denn nicht auch Diejenigen, welche die Fürsten zu schonungslosem Verfahren gegen aufrührerische Bauern antrieben? Es war sein Plan nie, die Sache zum Krieg kommen zu lassen. Hat er noch so sehr geirrt, was ich nicht gesagt haben will, obgleich ich keineswegs seiner Meinung beistimmte, so war er deshalb noch nicht der Menschen schlechtester. Die Schlechtesten waren es auch nicht, welche der Thurm von Siloah erschlug und deren Blut Pilatus mit dem Opfer mischte. Was ist bekannter, als daß die Gerichte Gottes an seinem eigenen Hause anheben, daß der Vater die Söhne züchtigt, die er liebt, wie nun diese Verleumder und Doktoren der Verzweiflung es auslegen mögen? Es darf aber nicht als der geringste Vortheil angesehen werden, daß unsere Gemüther gedemüthigt worden, und wir gelernt haben, unser Vertrauen nicht auf den fleischlichen Arm, sondern auf Gott zu setzen. Beides lernen die Auserwählten von ihrem Unglück.

Möchten doch die Spötter überlegen, was es den Ammonitern, den Philistern, den Tyreern und Idumäern eingebracht hat, über die Verwüstung Jerusalems geklatscht zu haben! Uns halten sie für die Babylonier; der Herr aber wird's offenbaren. Kein billiger Vertrag war von den V Orten zu erlangen; die Unsrigen begehrten nichts als Frieden; Nothwendigkeit und nicht Kampflust trieb sie zum Krieg. Mit fremden Söldnerscharen hat der Feind zuerst die Grenze überschritten, die Witwen und Kindlein unbarmherzig behandelt, und wir hätten ihn nicht zurückschlagen sollen? Es ist eine grundlose Behauptung, daß die Unsrigen durch den Krieg das Evangelium verbreiten wollen; es verhält sich nicht also. Jene Tyrannei war unerträglich. Wir Alle wären auf einmal verloren gewesen, wenn die Zürcher nicht Widerstand geleistet hätten. Aller evangelischen Staaten Schicksal steht auf dem Spiel. Die braven Zürcher haben für uns und für euch ihr Leben daran gesetzt. Weil aber der himmlische Vater uns züchtigt, so geziemt es uns, nach dem Wort des Propheten, den Zorn des Herrn zu tragen. Er wird nicht ewiglich zürnen. Unser Muth ist noch nicht gebrochen …“3)

Obgleich nicht frei von Unklarheiten und Widersprüchen, war dieser Brief doch geeignet, denjenigen Stillschweigen aufzuerlegen, welche dem Zürcher Reformator das persönliche Beisein in der Schlacht zum größten Vorwurf machten. Mit Bestimmtheit wird auch hier auf die alte Sitte und gesetzliche Ordnung hingewiesen, welche Bullinger in seiner Chronik (S. 113) beschreibt, hinzufügend, daß zur Begleitung des Stadt-Banners diesmal Zwingli's Amt „ernstlich begärt wurde, ouch von deßwägen, daß er radten kondt, darzu in großen ansähen und gunst by dem volck was, das er mitt vermanen und trösten leyten kondt“, eine Thatsache, welche keinem Zeitgenossen unbekannt sein sollte. Auch betrafen die ferneren Anschuldigungen, Seitens der Freunde, nur noch die von Zwingli befolgte Politik, die den Krieg herbeigeführt hatte, und die Anwendung weltlicher Mittel zur Förderung der evangelischen Sache.

So Bucer, wenn er am 18. November an Blaurer schreibt: „Vertrauen wir desto fester dem Herrn Christus, je klarer wir einsehen, daß durch keines Anderen Kraft der fleischliche Arm gebrochen werden kann,“ und Frecht, wenn am 20. November Bucer beistimmt: „Was du schreibst, ist durchaus wahr. Immer höher steigt die Macht des durch Unglück niedergedrückten Evangeliums empor, so wir anders nur die Hand des Herrn ergreifen und uns nicht auf fleischlichen Arm verlassen.“ Ja es meint Bucer, es sei diese Erkenntniß und Lehre „ein reichlich genügendes Argument gegen jegliche Widersacher“ (24. November). Blaurer seinerseits erklärte ihm, daß auch er diese Ansicht ganz theile: „Möchten wir doch, wir geschlagene Leute, gleichwohl spät, durch Schaden klug werden!“ (27. November).

Bald darauf war die Nachricht von Oekolampad's Tod für den fleißigen Straßburger Korrespondenten ein neuer Anlaß, an den Freund in Eßlingen zu schreiben: „Wer hätte gedacht, daß solche Verhängnisse uns bevorständen! Nun ist auch Oekolampad von seiner Arbeit abgerufen worden und zu Christus eingegangen, es sind heute acht Tage4), Tag für Tag 6 Wochen nach Zwingli's Tod. Bereits am 27. November erwähnt Blaurer einen noch früheren Brief Bucer's über „Oekolampad's Tod“, dessen Nachricht, wenn derselbe erst am 24. November erfolgt wäre, kaum in so kurzer Zeit über Straßburg nach Eßlingen hätte gelangen können. Demnach wäre die auf einem Brief von Bersius an Bullinger beruhende Angabe vom 24. November als Todestag Oekolampad's (Herzog, „Das Leben Oek.“ II, 252; Hagenbach, „Joh. Oek.“ 180, und Andere) zu berichtigen. Tonjola, in seiner „Basilea sepulta detecta“, stimmt mit Bucer überein.)) dahin, wenn du es noch nicht erfahren hast.“ Nachdem Bucer eine Aeußerung Leo Judä's mitgetheilt, „daß die Sache des Evangeliums in Zürich ganz verloren sein möchte,“ beklagt er, daß die Zürcher, trotz der von Seiten der Städte Straßburg, Basel, Ulm und des Landgrafs Philipp versprochenen Hülfe, nicht Stand gehalten. „O Schande!“ ruft er aus, „O Aergerniß! o Treulosigkeit! o ihr Schweizer! Dir aber, o Christus, sei Lob und Ehre, der Du also zeigest, daß Du Alles bist, daß wir allein auf Dich sehen müssen! Gib uns Gemüther, gib Herzen, gib Augen, daß wir nur zu Dir uns hinwenden, nur auf Dich schauen, Dir alles anheimstellen. Je mehr unsere Sache gefährdet ist, desto tapferer wollen wir uns erweisen. Christus vermag alles.“ (29. November).

Einige Tage später kam Bucer auf denselben Gegenstand zurück, nicht ohne einen leisen Tadel gegen Zwingli indirekt auszusprechen: „Mit vollem Recht, mein lieber Blaurer, beweinst du den Tod Oekolampad's, denn wir hatten keinen größeren Gottesgelehrten als er war, der auch nichts anderes als eine Erneuerung der Kirche, und zwar durch reinere Mittel, erstrebte.“ (3. Dezember).

An Margaretha Blaurer schrieb er, auf deutsch, am 8. Dezember: „Laßt uns den Herrn bitten, daß er uns recht Christen mache, so wirds alles recht nacher gohn, und wenn es unsere zu fil mutigen Eidgenossen noch so grob verhimplet (durch ungeschickte Uebereilung verdorben) hetten. Und Lob sy unserem getrewen Herrn Jesu Christo, der durch euch, euren lieben Bruder und synen so theuern Werkzeug zu Eßlingen so herrlich erstattet, das byn Schwytzern verloren ist. Ist deren schon nit so fil, so sind sy aber im werdt desto besser.“ Wir werden die Uebertreibung, welche in den letzten Worten liegt, Bucer'n nicht so hoch anschlagen dürfen; schreibt er doch an eine Freundin, die besser als irgend Jemand wußte, wie sehr er die Verdienste Zwingli's hochschätzte.

Auch aus der Pfalz wandte man sich in dieser Angelegenheit an die Straßburger. Nikolaus Thomas Sigelspach, ein zwinglisch gesinnter Prediger und Lehrer in Bergzabern, schrieb an Bucer's Gehülfe, Konrad Hubert, am 20. Dezember: „Die bejammernswerthe Niederlage der Schweizer läßt mich ahnen, daß das Gericht Gottes vor der Thür steht. Der Weizen wird in der Tenne des Herrn geworfelt werden. Bleiben wir standhaft in diesen schweren Verfolgungen. Vieles, aber Widersprechendes wird hier über den nun beendigten schweizerischen Krieg erzählt. Laß mich, ich bitte, in Kürze wissen, ob man ein Mittel finden kann, um der Menge dies hierdurch entstandene Aergerniß zu benehmen. Es frohlocken in gleicher Weise die Fleischfresser“5) und die Papisten. Sie sagen und schreiben: Es sei geschehen durch ein gerechtes Gericht Gottes. Jetzt mache ich die Erfahrung, daß die menschlichen Bündnisse eitel sind, daß unsere Waffen geistlich sein sollen und nicht fleischlich, daß nicht Egypten unsere Kraft sein soll, sondern der allmächtige Gott. Das Reich Christi besteht darin, daß wir unsern Feinden wohlthun, jegliche Unbill und Schmähung, ohne Rache, ertragen, mit Geduld aushalten und unser Vertrauen auf Gott allein setzen. So oft ich an Zwingli gedenke, so staune ich, klage und verwünsche ich das Unheil, welches so viele Prediger des Evangeliums zum Krieg hingetrieben hat, und halte die Schweizer für grausame Heiden, für reißende Thiere, nicht für Menschen.„6)

1)
Schabab = Abschabsel, Kehricht.
2)
Füßli's Epistolae Helvetic. reformat. Tig. 1742.
3)
An Frecht und an Som. Epp. Zwinglii et Oecol. Basileae (1536), fol. 211 b.
4)
Octavo die, also am 21. November
5)
So wurden bekanntlich in der derben Weise des XVI. Jahrhunderts Seitens der Reformirten die Lutheraner genannt, weil sie die leibliche Gegenwart Christi im Abendmahlsbrot lehrten.
6)
Im Straßburger St. Thomas-Archiv als Original befindlich, sowie alle vor- und nach stehenden, hier zum ersten Mal in Uebersetzung veröffentlichten Briefe von und an Bucer.
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