Dieterich, Veit - Predigt am I. heiligen Christtage über Luc. 2 (V. 2-14)

Dieterich, Veit - Predigt am I. heiligen Christtage über Luc. 2 (V. 2-14)

Dieses Fest von der Geburt unseres lieben Herrn Jesu Christi ist herrlich und gross, und wäre zu wünschen, dass man dermaassen davon könnte predigen, wie es wohl werth ist. Aber es mangelt nicht allein an Menschenzungen, sondern auch an Verstand und Gedanken, dass es nicht möglich ist, dass man genugsam und wie es werth ist, davon könne gedenken, ich geschweige reden. Denn Alles, was von solchem Fest zu handeln, ist viel zu hoch und gross.

Erstlich ist wahr und offenbar, dass auf den heutigen Tag durch diese selige Geburt alles Das geleistet ist, was Gott im Paradiese verheissen, und vom Fall des Menschen an alle Heiligen je und je zu allen Zeiten mit Herzen gehoffet und mit grossem Sehnen und Verlangen gewartet haben.

Zum Andern ist auch Dies wahr und offenbar, dass dieser Geburt von Anfang der Welt bis ans Ende Alle, so da selig wollen werden, müssen geniessen. Und wo es ohne diese selige Geburt wäre, müssen alle Menschen verloren sein. Wo wollen wir aber Zungen, ja Herzen und Gedanken nehmen, damit wir solche grosse, herrliche Gnade fassen und erreichen mögen!

Zum Dritten aber ist Dies ja auch wahr, dass dieses das höchste und grösste Werk Gottes ist, welches Gott hat können leisten, seinen gnädigen Willen, freundliches Herz und höchste Güte und Treue gegen uns Menschen zu erzeigen. Nimm vor dich das herrliche Wort Gottes, dass er Himmel und Erde durch sein Wort erschaffen hat und noch für und für erhält. Nimm vor dich alle grossen Thaten, die er von Anbeginn in seinem Volke und sonst in der Welt hat sehen lassen. Was ist's Alles gegen Dieses, dass Gott selbst Mensch wird? mit uns, wie Jesaias sagt, redet? ja, allen Jammer und alles Elend versucht und leidet, so auf uns Menschen um der Sünden willen sich vererbt hat?

Die Juden in der Wüste hielten's für eine grosse Wohlthat, wie es auch in der Wahrheit war, dass Gott so nahe sich zu ihnen that, des Tages in einer Wolkenseule, des Nachts in einer Feuerseule vor ihnen herging und sie also führete und leitete. Und wer wollte aus solchen Gnadenzeichen nicht einen fröhlichen Muth schöpfen, dass er Gott für sich haben, ihn mit leiblichen Augen also sehen und so nahe um sich wissen sollte? Denn solche Wolken- und Feuerseule war ja mit den Augen zu sehen, ob man's gleich nicht greifen, noch betasten konnte, und war gewisslich bei oder doch in solcher Wolken- oder Feuerseule Gott der Herr. Darum konnten die Juden Solches sich getrösten und eine gewisse Hoffnung eines starken, unüberwindlichen Schutzes in allerlei Nöthen und Anfechtungen haben, der Gott, der so nahe sich zu ihnen gethan, würde helfen und in keiner Noth sie sinken lassen.

Aber denke du, was ist Dies gegen diese grosse, unaussprechliche Gnade, so wir auf's heutige Fest hören, dass sie allen Menschen geleistet sei? Da du den Sohn Gottes, das ewige Wort des Vaters, dadurch Himmel und Erde erschaffen und bis ans Ende erhalten werden, siehest in deinem Fleisch und Blut, ein klein, neugeboren Kindlein! Könnte auch Gott sich näher zu uns thun und seine Gnade, Barmherzigkeit und gnädigen Willen uns stärker und gewisser machen, denn auf diese Weise, dass er nicht allein bei und neben uns, sondern in unserm Fleische sein und in unserm Elend leben will? Warum trösten wir uns denn sein nicht? Warum fassen wir seinethalben keinen Muth, wenn Anfechtung und Unglück uns unter Augen schleicht? Ja, warum fliehen wir vor Gott? Warum fürchten wir uns vor ihm? Warum befürchten wir, er zürne mit uns und werde uns verdammen?

Wahr ist's, dass wir arme Sünder sind und unsere Sünden uns betrüben und in solche Schrecken und Furcht bringen. Es sollte aber so nicht sein. Denn eben dieser Ursach halben, dass wir arme Sünder sind und uns selbst nicht können helfen, sondern wider Sünde und Tod Gottes Hilfe bedürfen, kommt unser Gott und Herr zu uns, das ewige Wort, nicht wie zu Mose im brennenden Busch, nicht wie zu seinem Volke in der Feuer- und Wolkenseule, sondern in unserm Fleische, wie dein Kind, das du erzeugt hast, als da vor dir in der Wiege liegt, und du nicht allein davor dich nicht entsetzest, weil du es ansiehest, sondern hast all deine Lust und Freude daran, dass du mit ihm umgehen, es sehen, küssen, heben und legen sollst.

Sind wir aber nicht arme, elende, wohlgeplagte Leute? Wollen wir noch nicht sehen und lernen, in welche gräuliche Last und Schaden der Satan durch die Sünde uns geführt hat? Unsere Kinder haben wir lieb, und das billig, denn sie sind Gottes Gabe und Geschenkt, und hindert solche Liebe nicht, dass wir so viel Mühe, Arbeit, Gefahr, Schrecken, Sorge und Bekümmerniss mit unseren Kindern müssen haben. Warum haben wir denn dieses Kind nicht auch lieb? Welches, wie Jesaias sagt, uns geboren und uns gegeben ist, und darum zu uns kommt in diese Welt in unser Fleisch und Blut, nicht dass es uns beladen, Mühe und Arbeit, Sorge und Kümmerniss wie unsere Kinder uns machen, sondern, dass es uns aller Mühe, Gefahr und Sorge in Ewigkeit entheben wolle, dass weder Sünde, Tod, noch Teufel uns betrüben oder schaden soll. Warum nehmen wir denn dieses Kind nicht an? Warum herzen und küssen wir's nicht? Warum haben wir nicht alle Lust und Freude an ihm, sondern fürchten uns vor ihm, als wäre es unser Feind und meine es übel mit uns?

Wie hätte er aber sich freundlicher können erzeigen und aller Furcht und Schrecken besser können zuvorkommen und sie wegnehmen? Er kommt zu uns nicht mit Feuer, Blitzen, noch Donner, er kommt nicht, wie der böse Feind zuweilen sich sehen lässt in Gestalt eines grausamen Thieres oder Menschen. Dein Fleisch hat er angenommen, in dasselbe hat er sich versteckt. Nun ist aber keine Gestalt dem Menschen lieber, freundlicher und heimlicher, davor wir uns weniger fürchten, denn unsere eigene Gestalt. Und ob zuweilen ein Mensch sich unfreundlich stellen, scheusslich sehen und einen andern Menschen erschrecken kann, so kommt doch der Sohn Gottes zu uns nicht wie ein Mörder, nicht wie ein grausamer Krieger. Ein Kindlein ist er, damit seine Mutter umgeht, es hebt, legt, atzt, tränkt, wie du dein Kind.

Wo hast du aber dein Leben lang so einen thörichten Menschen gesehen, der vor einem Kinde fliehe oder es fürchte? Ja, natürlich ist's, wo wir auch ungefähr zu fremden Kindern kommen, dass wir's nicht können lassen, wir müssen sie ansehen, wir lachen sie an und haben Lust und Freude an ihnen. Warum thun wir es denn hier nicht auch gegen dieses Kindlein, so uns geboren ist? Warum entsetzen oder fürchten wir uns, wenn wir an Gottes Sohn, der uns gegeben ist, gedenken? Warum freuen wir uns sein nicht? Warum trösten wir uns sein nicht wider die Sünde und Tod? Warum danken wir Gott nicht für seine Gnade, dass er so freundlich und nahe sich zu uns gethan hat? Denn eben darum hat er wollen ein Kind geboren werden, dass wir uns vor ihm nicht fürchteten, sondern freundlich zu ihm hielten, dass aber seine Feinde an ihm anliefen und fehlten.

Denn es ist nie ein Mensch so klug gewesen, der Satan hat ihn betrogen und gefällt. Es ist nie einer so stark gewesen, der Tod hat ihn erlegt. Solches hat gemacht, dass Teufel und Tod von diesem Kinde sich Nichts haben besorgt und sind also von ihm hinterschlichen, überwunden und geschlagen worden. Denen geräth es zum Ärgsten, dass der Sohn Gottes in unser Fleisch kommt und ein Kind geboren wird. Denn sie verachten ihn, sind sicher und gewiss, das Kind werde ihn keinen Schaden thun, sie wollen es bald hingerichtet haben.

Aber uns geschieht es zum Besten, dass wir vor ihm uns nicht fürchten, sondern Lust und Freude an ihm haben und Gott für solche grosse, unaussprechliche Gnade danken sollen, dass er in unser armes Fleisch zu uns kommt und in der freundlichsten, holdseligsten Gestalt eines jungen, neugeborenen Kindleins sich sehen lässt, davor ja Niemand Ursach hat, sich zu fürchten, oder ihm etwas Arges zuzutrauen.

Aber, wie zuvor gesagt, wir haben ja grosse Ursach genug, dass wir unsere Sünde erkennen und so grosse Blindheit, Undankbarkeit und Thorheit beweinen und Gott von Herzen darüber klagen, dass zehn Thaler, ein güldener Becher, ja ein schöner Rock und Dergleichen unser Herz gar einnehmen, lachend und fröhlich machen, dass wir in Sprüngen hereingehen, mit Worten, mit Geberden, mit Mund, mit Augen und dem ganzen Leibe die Freude, so im Herzen ist, sehen lassen und keineswegs bergen können. Hier aber, da der Sohn Gottes zu uns vom Himmel herabkommt, wird ein klein Kind geboren, dass es in unserm Fleisch unser Heiland sein, mit seinem Leibe für unsere Sünde zahlen, Tod und Teufel fangen und uns davor Friede schaffen will, da bleiben unsere Herzen kalt, es macht uns keine Freude, geht uns nicht zu Herzen, ja uns ist gleich, als wär's eine Fabel oder Mährlein.

Dies ist ein gräulicher, grosser Jammer, darüber wir ja billig weinen und Gott solche grosse Noth sollten klagen. Wir sollten wahrlich nicht so sicher hingehen, sondern dieser gräulichen Sünde mit Ernst wahrnehmen, erkennen und dabei lernen, wie einen grossen Schaden die Sünde uns angehängt und in welche grosse Noth und Blindheit wir durch die Sünde gekommen sind.

Danach, wenn wir solchen Jammer genugsam bedacht und wohl darüber geweint hätten, sollten wir weiter fahren und Gott bitten, nicht allein um Vergebung solcher angeborenen Sünde und Blindheit, sondern auch um seinen heiligen Geist, dass er unsere kalten, erfrorenen Herzen erwärmen, unsere Augen aufthun und dermaassen uns ändern und erneuern wolle, auf dass wir dies Kindlein Jesum auch von Herzen liebten, Lust und Freude an ihm hätten, wie wir an unseren Kindern haben; sintemal gar kein Zweifel ist, dies Kind, wie Jesaias sagt, ist uns gegeben, der Sohn ist uns geboren, dass wir sein geniessen und er uns helfen soll, wie wir im feinen, alten christlichen Lobgesang bekennen: Wär' uns das Kindlein nicht geboren, so wär'n wir allzumal verloren, das Heil ist unser Aller. Solches bitte Gott, dass er's durch seinen heiligen Geist in deinem Herzen also wolle gewiss machen, dass du eine Freude und einen Trost davon in allerlei Nöthen schöpfen mögest.

Denn was für unzähliges Elend und Jammer in dieser Welt sei, ist vor Augen. Wie oft findet sich Unrath mit der Nahrung? mit Weib, mit Kind, mit guten Freunden, mit deinem eigenen Leibe, Schwachheit und Krankheit halben? Ich schweige der höheren Anfechtung im Gewissen, da Sünde und Tod wider uns sind! In solchem Jammer und Anfechtungen allen wie können wir einen grösseren, besseren und gewisseren Trost fassen, denn dass der Sohn Gottes unser Fleisch an sich genommen und unser Bruder worden ist uns zu Trost und Heil! Weil wir diesen haben und er unser eigen ist und unser Fleisch und Blut darum angenommen, auf dass er ja nahe genug bei uns sei, was kann denn ein geringer Unfall uns gross betrüben? Dies ist ein Schatz, dess wir in Ewigkeit geniessen.

Aber, wie gesagt, es will in unsere Herzen nicht, darum denke, dass du Gott von Herzen bittest, dass er doch einen kleinen, geringen Schmack solcher Freude und Trostes in dein Herz geben und solchen Schatz der Gnaden dir offenbaren wolle.

Zum Dritten, wenn du also über deinen Unglauben Gott geklagt und um den heiligen Geist und rechten Glauben gebeten hast, alsdann nimm dich von Herzen darum an und denke diesem grossen, hohen Werk und Gnade Gottes nach, halte dich fleissig zur Kirche, höre die Predigt fleissig, kannst du, so lies selbst das Wort fleissig, gedenke in deinem Herzen oft daran, rede gern mit Anderen davon, unterrichte dein Weib, Kind und Gesind. Wo also zu dem Gebet auch eine fleissige Übung und Betrachtung dieses göttlichen Werkes kommt, alsdann wird es nicht fehlen, dein Herz wird erneuert werden und nicht mehr so gar kalt und erfroren sein.

Die aber sicher hingehen, hören es zwar wohl in der Kirche, es ist aber bald vergessen. Danach haben sie andere Geschäfte, dass sie dieses theuern Schatzes nicht warten können. Sie bitten auch Gott um seine Gnade nicht und sehen solche schreckliche Blindheit ihres Herzens nicht. Mit Denen ist's nicht Wunder, dass sie ein Gulden oder ein Geringes, ja ein Trunk Wein, eine gute Mahlzeit fröhlich macht; sie werden aber dieser hohen und ewigen Freude nimmermehr inne, viel weniger gebessert; sie müssen desshalb in allerlei Noth und Anfechtung ohne Trost bleiben und im Unglück verderben.

Davor wolle der gnädige, barmherzige Vater uns behüten, der darum seinen Sohn in unser Fleisch hat kommen lassen, dass wir durch ihn Hilfe, Rettung und Trost wider Sünde, Tod und Teufel in Ewigkeit haben sollen. Amen.

Gebet

Herr Gott, himmlischer Vater, wir danken dir für deine grosse Gnade und Barmherzigkeit, dass du deinen eingeborenen Sohn in unser Fleisch kommen und durch ihn uns von Sünden und ewigem Tode gnädiglich hast helfen lassen; und bitten dich, erleuchte uns unsere Herzen durch deinen heiligen Geist, dass wir für solche deine Gnade dir dankbar seien und derselben uns in aller Noth und Anfechtung trösten und also durch deinen Sohn, unsern Herrn Jesum Christum, ewig selig werden. Amen.

Quelle: Beste, Wilhelm - Die bedeutendsten Kanzelredner der lutherschen Kirche des Reformationszeitalters

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