Christoffel, Raget - Gebet für nothleidende Glaubensgenossen

Christoffel, Raget - Gebet für nothleidende Glaubensgenossen

1. Aus der Zürcher Agenda von 1675.

Erhebet Eure Herzen zu Gott und sprechet mit Andacht:

„O Herr, allmächtiger Gott, himmlischer Vater! Du hast uns befohlen in Deinem heiligen Worte, daß wir beten sollen für alle Menschen, für Könige und Obrigkeiten, und selbst für unsere Feinde und Widersacher, die uns hassen, schmähen und verfolgen, und sich selbst überreden, wenn sie uns tödten, so thun sie Dir, o Gott, einen Dienst daran. Wie viel mehr wird es Dir gefallen, wenn wir für die beten, die Du mit uns gemacht hast, zu einem geistlichen Leibe, also, daß wir untereinander Glieder sind, voraus wenn diese unsere Mitglieder hin und wieder übel geplagt und hart bedrängt werden. Darum hast Du ausdrücklich befohlen, daß wir uns in solchem Falle annehmen sollen der Nothdurft der Heiligen (Röm. 12,13) und der Gebundenen gedenken, als wären wir Mitgebundene, und derer, die Trübsal leiden als die wir auch noch im Leibe leben (Ebr. 13,3).

„Demnach bitten wir Dich nun, o himmlischer Vater! für alle unsere hin und wieder nothleidenden Glaubensgenossen, insonderheit für die, so in dieser Zeit an gewissen Orten in schweren Kämpfen, großen Versuchungen und Drangsalen sich befinden. Sende ihnen Hülfe von Deinem Heiligthume und stärke sie aus Zion (Ps. 20,3). Ist es Dein heiliger Wille, so leite, lenke, bewege und vermöge kräftiglich die Herzen der Potentaten, Könige und Fürsten, zu Gnade und Versöhnung gegen ihre evangelische Unterthanen! Laß auch unsere Glaubensgenossen in ihren Herzen die Freude empfinden, daß sie leiden nicht als arme Sünder, sondern als Christen, nicht um ihrer Sünden, sondern um des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu Christi willen (Offenb. Joh. 1,9), davon Dein Sohn selbst gesprochen: Seid fröhlich und getrost, es wird Euch wohl belohnet werden im Himmel (Matth. 5,12).

„Wird unseren Glaubensgenossen unterdrückt ihr Gottesdienst, gesperrt die Kirchen, verboten die Schulen, so sei Du, o Gott, heiliger Geist, selbst ihr inwendiger Lehrer und Tröster! Ist ihnen versagt, äußerlich das göttliche Wort verkündigen zu hören, so laß in ihrem Herzen erschallen Deine eigene gnadenreiche Stimme, daß ihr Herz dem Herrn singe, ob es gleich dem Munde verboten ist. - Beraubt man sie ihrer Güter, so gib, o Herr! daß sie den Raub derselben mit Freuden erdulden, als die da wissen, daß sie bei ihnen selbst eine bessere und bleibende Habe im Himmel haben (Ebr. 10,34).

„Verjagt man sie von Haus und Hof ins Elend, so tröste sie, O, Herr! mit dem Troste, daß wer bei sich habe den Herrn Christum, allenthalben daheim und nirgends in der Fremde und im Elende sei!

„Schmäht und schändet man sie, und entsetzt man sie aller Ehren, so verschaffe Du, o himmlischer Vater! daß sie die Schmach Christi für größern Reichthum achten, als die Schätze Egyptens, und viel lieber erwählen mit dem Volke Gottes Ungemach zu leiden, als die zeitliche Ergötzung der Sünden zu haben (Ebr. 11,25,26).

Führet man sie an Orte und Enden, da sie ihres Glaubens Rechenschaft geben müssen, so verleihe ihnen, o Herr! Mund und Weisheit, welcher nicht widersprechen noch widerstehen mögen alle ihre Widerwärtige (Luc. 21,15); laß ihnen, o Du Mund der Wahrheit, Jesu, Deine Verheißung nicht fehlen, da Du versprochen: „Es wird Euch zu derselben Stunde gegeben werden, was ihr reden sollet (Matth. 10,19).

Wirft man sie in finstere Gefängnisse, so sei Du, Herr Jesu! wahres Licht der ganzen Welt! ihre Sonne und ihr Licht; führe sie aus, wie Petrum, nach Deinem Willen und beschere ihnen gute Leute, die ohne Aufhören für sie zu Gott beten, wie auch für Petrum solches geschehen.

„Führet man sie zu Marter und Tode, so versüße ihnen, o Du Gott alles Trostes! die Bitterkeit des Todes mit dem lebendigen Troste des heiligen Geistes! Laß sie in sich empfinden einen freudigen Geist, wie viele heilige Märtyrer vor ihnen. Laß sie hören die gnadenreiche Stimme: „Fürchte Dich nicht, denn ich, Dein Jesus, bin bei Dir und habe Dich bei Deinem Namen gerufen, Du bist mein!“ (Jesaia 21,3,1). Laß sie mitten im Todeskampfe offen sehen den Himmel, wie den heiligen Stephanus, und verwandle das Feuer, daß sie verzehren soll, wie den drei Gefährten des Daniels, in einen erquickenden Thau (Daniel 3,26),

„Endlich gib und verleihe, o Herr, daß Deine Liebe, so theuer erworbene Gemeinde durch diese gegenwärtigen schweren Versuchungen und Drangsalen nicht unterdrückt, noch gemindert, sondern vielmehr befestigt und vermehrt werde! Verleihe, daß das Blut unserer Glaubensgenossen Deiner Gemeinde zum Samen und zur Nahrung gereiche, damit der Baum der Kirche darob nur fruchtbarer werbe. Also lache Du, der Du im Himmel sitzest, Deiner Feinde und spotte ihrer (Ps. 2, 4). Die Unseren aber laß nicht versucht werden über Vermögen. Erhöre uns, o Du Vater aller Gnaden, um Deiner heiligen Ehre und um Deines Namens willens, durch Jesum Christum, welcher uns gelehrt hat also zu beten: „Unser Vater“ u. s. w.

2. Aus der Baseler Liturgie.

1)

Steure als der gewaltige Herr der Heerschaaren der Tyrannei des Erbfeindes und anderen schweren blutigen Kriegen, sonderheit denen, die wider Deine evangelische Kirche geführt werden. Treibe gewaltig zurück die Anschläge und bösen Praktiken der Feinde Deines heiligen Evangelii, und habe ein gnädiges Vergnügen mit dem, so Dein armes Häuflein bisher in Deutschland, Frankreich, Piemont, England, Niederland, Ungarn und anderswo ausgestanden und erlitten hat. Sende Hülfe aus Deinem himmlischen Zion und entlade Deine Kirche alles Ueberdranges, Spottes und Tyrannei.

Stärke durch Deinen heiligen Geist die Verfolgten, die um Deines heiligen Namens willen gefangen und gebunden, in trauriges Elend verjagt, oder auch gar hingerichtet und getödtet werden. Verleihe ihnen den Geist der Tapferkeit und Beständigkeit, daß sie im Bekenntniß der Wahrheit verharren bis an das Ende.

Wir bitten Dich auch für unsere Feinde, die uns aus unwissendem, unzeitigem Eifer hassen, schmähen und verfolgen: daß Du aus denselben bekehren wollest die, welche Du bekehren willst, damit sie auch zur Erkenntniß der Wahrheit kommen, sammt uns selig werden und Dir ewig Lob und Dank sagen. Die Uebrigen aber, die nicht nur unsere, sondern auch Deine Feinde sind und bleiben, strafe nach Deinem heiligen Willen und nach ihrem Verdienen, der Du Niemandem pflegst Unrecht zu thun.“

Aus dem Gebete nach der monatlichen Bettagspredigt.

Siehe nicht an den großen Haufen unserer Sünden, sondern sieh' an Deine Güte, durch die Du uns erschaffen. Siehe an das theure Verdienst des Leibens und Gehorsams unsers Herrn Jesu Christi. Siehe an die große Anzahl unserer Kinder und Säuglinge, die noch nicht wissen zu unterscheiden zwischen ihrer Rechten und Linken. Siehe an das Trotzen Deiner Feinde, und verhüte gnädiglich, daß sie nicht sagen: wo ist ihr Gott? wo ist ihr Evangelium? Erbarme Dich über das blöde Geschöpf Deiner Hände, der Du weißt, daß wir nur Staub und Erde sind: erhalte den Weinberg, den Du bei uns und anderen gepflanzet hast, und lasse denselbigen durch die wilden Schweine nicht verwüstet, noch Dein Erbtheil zu Schanden werden. Wir sollen freilich erkennen, daß Du mit Deiner Gnade an uns nicht angebunden seist; weil wir aber in Christo uns dero vertrösten, wollten wir gern Dein Volk sein und bleiben. Bitten Dich dero wegen, Du wollest uns samt allen unseren Glaubensgenossen, die zu großem Theil hin und wieder auf das Aeußerste verfolgt werden, nochmals in Deinen väterlichen Schutz und Schirm aufnehmen, und befehlen Dir hiemit alles Anliegen der ganzen Christenheit. …..

Regiere, als der Herr der Heerscharen, alle Kriege, sonderlich die wider Deine evangelische Kirchen angestellet werden: stehe Du Deinem Häuflein bey, und erhalte es mit Deinem starken Arm; weil Dir gleich giltet, durch wenig oder viel zu helfen: richte alle Verfolgungen zu einem guten Ende: und so es Dein Wille ist, so habe mit dem, so Deine Kirchen bis daher an so vielen Orten und Enden ausgestanden, ein gnädiges Vergnügen (Genüge): verzeihe unter den Verfolgern denen, so es unwissend thun; die übrigen aber, die nicht nur unsere, sondern auch Deine Feinde sind und bleiben, strafe nach Deinem heiligen Willen, daß ihr Mühe zurück auf ihren Kopf, und ihr Frevel auf ihre Schritte komme!“

3. Aus der Schaffhauser Liturgie.

Ausgabe von 1693.

Aus dem Hauptgebete vor der Predigt.

Wende ferner von uns ab alle Feindselige Gewalt und arglistige Praktiken unserer Widerwärtigen, behüte uns vor Verrätherei, aller Untreu, vor innerlichen Mißverständnissen. Stille auch, o gütiger Gott, noch während streitig und unruhig Wesen, darinn wir stehen, und leite es zu einem gesegnet, friedlich und guten End. Stärke und erlöse die um Deines Namens Bekenntniß willen Verfolgungen leiden, mit Namen die hochbedrängte evangelische Kirche in Frankreich, Piemont, Chur-Pfalz und an allen anderen Orten, die Du o Gott als der allwissende Herzenkündiger in ihrem Kampf wohl weißt und kennst. Ach Herr! schone Deines Volks und laß das Uebrig Deines Erbtheils nit zu Schanden werden. Mache zu nichten alle tyrannische Praktiken und Gewalt, so sich wider Deine Kirche auflehnen. Erscheine, o lieber Gott und Vater mit Trost und Hülfe besagten unsern nothleidenden Mitbrüdern. Rüste sie aus mit dem Geiste der Weisheit, der Tapferkeit und Freudigkeit, daß sie in solcher ihre Heimsuchung und Bewährung (Prüfung) an Dir, o Gott! treu erfunden werden und aus derselben sieghaft herauskommen mögen zu Lobe und Ehre Deines Namens. O Herr, der Du die Herzen der Könige und Regenten in Deiner Hand hast und leitest dieselben wie Wasserbäche, laß Deine Kirche Gnade finden vor ihren Augen, daß sie unter derselben Regierung ein stilles und ruhiges Leben führen möge in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit.

„Erhalte und vermehre auch, o himmlischer Vater, Deine Kirche in England, Schott- und Irland sammt denen vereinigten Niederlanden, und wo Du sie durch Dein Wort und Geist gepflanzet hast.“

Aus dem Bettagsgebete.

Ausgabe von 1693.

Sieh auch, o treuer Gott, mit erbarmenden Augen an unsere lieben Mitbrüder und Glaubensgenossen, Deine arme trostlose Kirche in Frankreich und anderen Orten, über welche alle Wetter gehen. Siehe, o Gott, wie ihre Feinde toben und ihre Hasser den Kopf aufrichten. Sie machen listige Anschläge wider sie und rathschlagen wider Deine Verborgene. Wolher, sprechen sie, laßt uns sie ausrotten, daß sie kein Volk seyen, daß des Namens der Evangelischen und Reformirten nimmer mehr gedacht werde. Gott, warum verstoßest Du sie sogar und bist so grimm zornig über die Schafe Deiner Weide. Gedenke wieder an Deine Gemeinde, die Du Dir von Alters her erworben und Dir zum Erbtheil erlöset hast. Willst Du denn sie ewiglich verstoßen und keine Gnade mehr erzeigen? Herr, wie lange willst Du so gar zürnen und Deinen Eifer wie Feuer brennen lassen?

„Gedenke nicht ihrer vorigen Missethaten, sondern erbarme Dich ihrer bald, denn sie sind fast dünn (wenige) geworden. Hilf Du ihnen, Gott unser Helfer um Deines Namens Ehre willen, errette sie und +vergib ihnen ihre Sünden. Warum lässest Du unsere Feinde sagen, wo ist nun ihr Gott? Laß vor Dich kommen das Seufzen der Bedrängten und erhalte mit Deinem starken Arme die Kinder des Todes!

Ach Herr! verlaß Deine armen Kinder nicht, damit sie Dich nicht auch verlassen. Stärke, kräftige, gründe dieselben in Deiner Wahrheit. Gib ihnen, o Gott, einen getrosten, tapferen Heldenmuth, daß sie alle Furcht der Welt, alles Liebkosen und Dräuen der Menschen verachten, alle zeitliche Ehre und Güter hintansetzen, alle Drangsalen, Marter und Pein, alle Armuth und Verachtung überwinden, alle Wollust und Ergötzlichkeit in den Wind schlagen, damit sie nur in Deiner Wahrheit bleiben und ihre Seelen von allen falschen Lehren unbefleckt bewahren. Herr! ohne Dich können sie nichts thun, darum verleihe Du ihnen Kraft stark zu werden durch Deinen Geist.“ u. s. w.

1)
Ausgabe von 1666. Aus dem Gebete nach der Sonntagspredigt.
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