Christoffel, Raget - Erweise christlicher Bruderliebe gegen böhmische Emigranten in Brandenburg und Schlesien von Seiten des königlichen Hauses von Preußen und ihrer reformirten Glaubensbrüder in der Schweiz, in Holland und in Danzig.

Christoffel, Raget - Erweise christlicher Bruderliebe gegen böhmische Emigranten in Brandenburg und Schlesien von Seiten des königlichen Hauses von Preußen und ihrer reformirten Glaubensbrüder in der Schweiz, in Holland und in Danzig.

1748.

Wie die Waldenser in Südfrankreich und in den piemontesischen Bergen, so erfreuten sich auch die denselben Glaubensverwandten, vielgeprüften altevangelischen Christen der Brüderunität aus Böhmen und Mähren in ihren Bedrängnissen der herzlichsten Theilnahme und der thätigsten Bruderliebe von Seiten ihrer Glaubensbrüder aus der evangelischen Kirche. Bekannt ist es, wie Viele dieser glaubenstreuen Christen zu verschiedenen Zeiten um ihres evangelischen Glaubens willen ihr Vaterland zu verlassen genöthigt wurden. Mit der theuren Heimath, in welcher die Gebeine ihrer Väter ruhten, mußten sie mehrentheils auch ihre Habe und ihr sämtliches Gut der freien Uebung ihres evangelischen Glaubens zum Opfer bringen. Ihr Gebet, das sie auf dem Grenzgebirge unter Thränen auf den Knieen verrichteten, daß Gott doch mit seinem Worte nicht gar aus Böhmen weichen, sondern sich noch einen Samen behalten wolle„, war ihr segnendes Lebewohl für die alte Heimath. Aber auch sie erfuhren den Segen der Verheißung des Herrn (Matth. 19, 29) für die, welche Häuser und Aecker, Brüder und Schwestern um seinetwillen verlassen. In Polen, in Sachsen, in Schlesien und in Brandenburg erblühte den verschiedenen Abtheilungen dieser Emigranten eine neue Heimath, wo sie ungefährdet, nach den von ihren Vätern ererbten Grundsätzen, ihres Glaubens Leben und ihrem Gotte und dem Heilande dienen durften, und tausend evangelische Christen boten ihnen die Bruderhand und bemühten sich, ihnen Das wieder zu ersetzen, was sie in der alten Heimath um ihres evangelischen Glaubens willen hatten verlassen müssen. Namentlich war es das reformirte Königshaus von Preußen, das mit den übrigen Gliedern der reformirten Kirche sich auch dieser böhmischen und mährischen Emigranten in treuer Liebe annahm. Ein Denkmal dieser fürstlichen Wohlthaten an die böhmischen Brüder finden wir in der Widmung des in Berlin gedruckten böhmischen Gesangbuches an die verwitwete Königin Mutter Sophia Dorothea1). In dieser Widmung spricht sich der Prediger der evangelisch-reformirten böhmischen Gemeinde in Berlin, Johannes Gottlieb Elsner, unter Anderm also aus: „Sr. Majestät glorwürdigsten Andenkens, höchstderoselben Gemahl, haben uns arme und der reinen Verkündigung des Evangelii wegen aus unsrem päpstlichen Vaterlande geflohenen böhmischen Colonisten in höchstderoselben königlichen Landen nicht nur allergnädigst auf- und angenommen, sondern uns auch nebst allerlei recht königlichen Gnadenbezeugungen und überaus großen Wohlthaten im Irdischen, mit der Gewissensfreiheit und allen zur wahren Seelenerbauung erforderlichen Hülfsmitteln huldreichst begabet. Unsere eigene Kirche, die Bethlehems-Kirche2) genannt, nebst unsrem Pfarr- und Schulhause (so Se. Majestät glorwürdigsten Andenkens 1736-1737 auf höchstderoselben eigene Kosten erbauen ließen) sind untrügliche Beweise der allerhöchsten königlichen Huld und Gnade, womit uns Se. Majestät in unsern heilsbegierigen Absichten zu unterstützen und zum wahren Guten zu befördern allergnädigst geruht haben.

Se. Majestät, unser jetzt regierender Landesvater3), sind es, unter dessen höchst weiser und sanfter Regierung wir arme Emigranten in völliger Ruhe und Zufriedenheit bei einander wohnen und es nach Leib und Seele gut haben; so daß wir solches dem erbarmenden Gotte nicht genug verdanken, noch ihn eifrig genug bitten können, daß es doch demselben gefallen möge, Se. Majestät unsren allertheuersten Landesvater, bei allem höchsten Wohlsein noch eine unzählige Reihe von Jahren zu erhalten, und solchergestalt auch unser wahres Wohl aufs nachdrücklichste zu befördern… Sr. Majestät glorreichem königlichen Hause haben wir arme Emigranten nächst Gott unser wahres geistliches und leibliches Wohl zu danken. Denn ob wir gleich anfänglich, bald nach unsrem gesegneten Ausgange aus dem päpstlichen Egypten unseres Vaterlandes, einige Jahre im Sächsischen gewohnt haben, so sind wir doch allda nie zu unserer wahren Beruhigung gekommen4). Ein daselbst beständig anhaltender leiblicher und geistlicher Kummer hat uns fast ohne Unterlaß daselbst hart gedrückt, und so ist in uns eine immer lebendigere Sehnsucht nach einem solchen Lande, da wir es nach Leib und Seele besser haben möchten, erwacht. In diesen glückseligen Gegenden aber und in dieser königlichen Residenz ist, Gott Lob! allem unserm Kummer und aller Verlegenheit, auch im Geistlichen vollkommen abgeholfen worden, so daß wir nunmehr unser irdisches Vaterland (welches wir Gewissenshalber verlassen mußten) recht freudig vergessen und uns ohne alle Hindernisse auf das zukünftige wahre und ewige Vaterland, das droben ist, recht vergnügt vorbereiten können“.

Mit dem um die protestantische Kirche so sehr verdienten preußischen Königshause wetteiferten auch die andern Glieder der reformirten Kirche, die böhmischen Emigranten in der Fremde zu erquicken. Namentlich gilt das von der Mutterkirche in der Schweiz. Eine Colonie dieser Auswanderer beabsichtigte in der Nähe der Kreisstadt Strehlen in Schlesien sich niederzulassen; aber es fehlte ihnen vor allem an Geld, um sich die nöthigen Ländereien anzukaufen. In dieser Noth wandte sich ihr damaliger Prediger Wenzeslaus Blanizky nach der Schweiz, um bei den glaubensverwandten reformirten Städten und Cantonen eine Unterstützung zu erbitten.

Im October 1748 kam er hier an und kaum hatte er den hülfsbedürftigen Zustand der Emigranten bekannt gemacht, so flossen auch ihm von allen Seiten reiche Liebesgaben zu diesem Zwecke zu. In kurzer Zeit war er im Besitze von mehr als 15.000 Franken. Aus diesen Geldern erbaute die Gemeinde vornehmlich ihre Colonie bei Strehlen unter dem Namen Hussinez an. Im Dankschreiben des Herrn Joh. Gottl. Elsner an Herrn Antistes Wirz in Zürich heißt es daher unter Anderm: „So lange Hussinez auf schlesischem Grund und Boden sich befinden, und in demselben böhmische Emigranten wohnen werden, so lange wird man auch Ihrer uns huldreichst gesteuerten Liebesgaben eingedenk sein. Unsere Kinder werden es ihren Kindern und diese ihren spätesten Nachkommen mit innigster Freude erzählen, was der grundgütige Gott auch durch Ihre recht väterliche Liebe und Vorsorge an uns Unwürdigen gethan habe. Wenn unsere Gebeine im kühlen Staube der Erde liegen und ruhen werden, so wird unser Fleisch und Blut oder unsere Nachkommenschaft sich noch zu erinnern wissen, was der Herr auch durch die liebe Schweiz, evangelischer Confession seinem verlassenen böhmischen Emigranten-Volke aus freier Erbarmung Gutes gethan hat.“ Friedrichs Tabor5) und Ziska **), wo ebenfalls unsere Glaubensgenossen6) wohnen, sind nicht weniger durch diese uns aus der Schweiz huldreichst zugesandten Liebesgaben erfreut worden. Denn hätte unsere Nation durch diese erwähnten Liebesgaben nicht einen guten Anfang dieses Etablissements zu Hussinez gemacht, so wären auch schwerlich die übrigen königlichen Etablissements darauf erfolgt. So aber ist es nicht nur den geliebten Brüdern zu Tabor und Ziska, sondern auch zu Friedrichsgräz, Gott Lob! gelungen, daß sie nun alle ihr Plätzchen im Frieden besitzen und ihr Bissen Brods in Ruhe genießen können. Unsere Brüder zu Berlin, Riechsdorf, Schönberg, Nowawes und bei Köpnik haben von diesen obberührten Liebesgaben auch diesen Genuß, daß sie sich herzlich freuen können, daß Gott an seinem verlassenen Volke, welches ihn kindlich fürchtet, doch allezeit Wunder seiner Allmacht und Güte thut, und dadurch die Seinigen in ihrem allerheiligsten Glauben und Vertrauen immer mehr stärket. Auch Holland und die Stadt Danzig7) steuerten zum gleichen Zwecke sehr schöne Liebesgaben. Im Dankschreiben des Herrn Elsner an Herrn Hermann Bartholomäus, Hutmacher in Haag, heißt es unter Anderm: „Wie wir nun unserem barmherzigen und treusten Bundesgotte für den uns in diesem Stücke geoffenbarten Reichthum seiner Gnade und freien Erbarmung unser gebührendes Dankopfer mit der tiefsten Ehrfurcht des Herzens darbringen, so halten wir es auch für Pflicht und Schuldigkeit, Ihnen vor den Augen Gottes und der Welt öffentlich zu zeigen, wie tiefen Eindruck Ihre uns erzeigte recht väterliche Liebe und Huld bei uns gehabt habe… Es soll auch unser einziges und recht ernstliches Bestreben unter Gottes Segen und Beistand dahin gehen, daß wir auch durch dieses uns erzeigte Liebeswerk zu einem immer thätigeren Glaubensgehorsam der schönen und heiligen Gebote Jesu, und zu einem immer demüthigeren und tugendhafteren Lebenswandel aufgemuntert werden mögen, wie zum Preise des in unsern Augen sehr theuern und liebenswürdigen Heilandes, so auch zum wahren Vergnügen unserer mitleidigen und huldreichen Wohlthäter, damit es dieselben nicht gereuen möge, uns wohlgethan zu haben. Der Herr mache uns alle hiezu geschickt um Jesu willen!“

So boten auch bei diesem Anlasse die Glieder der nach Gottes Wort reformirten Kirche aus verschiedenen Ländern und Ständen einander die Hand zu einem schönen Liebeswerke für bedrängte christliche Glaubensbrüder. Aber nicht allein der leiblichen Noth der christlichen Emigranten bemühten sich die evangelischen Glaubensbrüder zu steuern, sondern auch einem starkgefühlten geistlichen Bedürfnisse suchten sie nach Kräften zu begegnen. Im alten Vaterlande waren von ihren Drängern theure geistliche Schätze, ihre alten Erbauungsbücher, verbrannt worden. Nach einer Wiederherstellung derselben in der lieben Muttersprache trugen sie in der neuen Heimath heißes Verlangen. Christliche Bruderliebe eilte auch dieses zu befriedigen. Durch neue Liebesgaben von den Reformirten aus oben genannten Ländern und Städten8) wurde eine böhmische Buchdruckerei hergestellt in Berlin. Als erste Früchte derselben erschienen 1752 das böhmische Testament und Psalmbuch und 1753 das vermehrte böhmische Gesangbuch und 1754 des Comenius herrliche Schrift „Praxis Pietatis“ oder Uebung der Gottseligkeit. Diesen Schriften wurden die Dankschreiben, aus welchen oben einige Stellen stehen, vorgedruckt, als herrliche Denkmale christlicher Liebe und christlicher Dankbarkeit zugleich. Wir schließen unsere Erzählung mit dem frommen Wunsche Simmler's9), der uns diese Liebesthat berichtet: „Der Herr verbreite sein Licht und seine Wahrheit je mehr und mehr über diese Gemeinden, ja er lasse die ganze Welt seiner Ehre und Erhebung seines heiligen Namens voll werden“.

1)
Sophia Dorothea, gewesene Churprinzessin von Hannover, verwitwete Gattin von König Friedrich Wilhelm I. von Preußen, also Mutter von Friedrich II.
2)
Bethlehems-Kirche heißt diejenige kleine Kirche in Prag, in welcher Johannes Huß im Anfange des 15. Jahrhunderts die evangelische Lehre zu predigen anfing. Zum Andenken an dieselbe nannten die böhmischen Emigranten die erste Kirche, die sie in der neuen Heimath erbauten, „Bethlehems-Kirche“.
3)
Friedrich II.
4)
Die böhmischen Emigranten, die sich zuerst in Sachsen bei Hennersdorf niedergelassen, kamen öfters zu ihrem damaligen Prediger Liberda und beschwerten sich, daß ja der Gottesdienst bei den Evangelischen (Lutherischen) in Sachsen halb katholisch sei. Sie wünschten daher eine andere Einrichtung, dabei alles einfältig und nach dem Beispiele der Vorfahren gehalten würde.
5)
Dieses Tabor, das von seinem Stifter (Friedrich II.) diesen Namen führt, liegt eine Meile von Wartenberg in Schlesien, ohnweit der polnischen Grenze.
6)
Dieses Ziska heißt sonst auch Klein-Tabor und liegt eine halbe Meile von der vorerwähnten Tabor dicht an Polen.
7)
In Danzig bemühte sich namentlich Herr Präses Brön bei der Sammlung von diesen Liebesgaben, sowie auch Antistes J. J. Zehender in Bern.
8)
Die verwitwete Königin Mutter Sophia Dorothea steuerte für die böhmische Buchdruckerei 40 Thaler.
9)
Aus verschiedenen Berichten und Notizen aus der Sammlung alter und neuer Urkunden zur Beleuchtung der Kirchengeschichte von F. J. Simmler, Zürich 1747, habe ich die meisten Data zu obiger Darstellung geschöpft.
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