Calvin, Jean - An die Pfarrer von Zürich.

Nr. 387 (C. R. – 1858)

Calvin, Jean - An die Pfarrer von Zürich.

Da Calvin sich weigerte, in der Exkommunikationsfrage den Beschluss der Räte anzuerkennen, wurde von diesen die Einholung eines Gutachtens der Schweizer-Kirchen auch über diese Frage beschlossen. Deshalb sandte Calvin seinen Freund Jean Bude nach Zürich, um die dortigen Pfarrer auf die Frage vorzubereiten und über die Lage aufzuklären; als Beilage sandte er die Satzungen des Konsistoriums. Die Refugianten als Hauptanhänger Calvins wurden von dessen altgenferischen Gegnern mit allerlei schikanösen Maßregeln behandelt, z. B. wurde ihnen 1553 das Waffentragen verboten.

Dringende Bitte um ein Gutachten in der Exkommunikationsfrage.

Ich schäme mich eigentlich sehr, beste und von Herzen verehrte Brüder, dass unser Rat, der Euch kürzlich erst in der Sache Servets zur Last fiel, nun schon wieder eine Arbeit von Euch fordert. Doch gibt es dafür eine gute Entschuldigung. Denn da sich der böse Wille gewisser Leute so leidenschaftlich äußert, dass die recht und gut Gesinnten zum Widerstand nicht stark genug sind, so müssen sie Euch zu Hilfe rufen. Und obwohl ich Euch sehr gern damit verschont hätte, glaubte ich doch, in solcher Notlage nicht zögern zu dürfen. Seit ich in diese Kirche zurückgekehrt bin, stand hier eine Form der Kirchenzucht in Kraft, die, wenn auch nicht vollkommen und ganz dem Wunsch entsprechend, doch recht erträglich ist. Es besteht nämlich die Einrichtung des Konsistoriums als Sittengericht. Es steht ihm keine weltliche Rechtsprechung zu, sondern nur Zurechtweisungen aus Gottes Wort; seine höchste Strafe ist der Ausschluss vom Abendmahl. Unter andern Händeln, die uns die Diener Satans seit vollen drei Jahren nacheinander anstifteten, hat uns am heftigsten zu schaffen gemacht, dass ein Geselle von verruchter Frechheit sich trotz des kirchlichen Urteilsspruchs zum Abendmahl zu drängen suchte, und, als er sah, dass wir standhaft seinem wütenden Vorhaben widerstanden, die Stadt mit gewaltigem Lärm erfüllte. Das fiel ihm auch nicht schwer, da er von der Partei der Bösen zu diesem Spiel auserkoren war. Und weil die Leute, die sich nicht einmal schämten, Servets Sache mit Geschrei zu verteidigen, nicht nur ihn begünstigten, sondern auch seine Gesellen und Aufhetzer waren, so erreichten sie es durch Anspannung aller Kräfte, ja durch ihre Leidenschaft, dass der weitere Rat die angenommene und bisher gehaltene Kirchenordnung plötzlich umstürzte. Wieder traten wir dem entgegen. Diejenigen, die durch einen Irrtum diesen Fehlgriff getan, beschließen nun, es seien Gutachten von den schweizerischen Kirchen einzuholen. Obwohl nun nicht an Euch [die Pfarrer] geschrieben wird, so halte ich es doch für richtig, Euch rechtzeitig zu benachrichtigen und zu bitten, weil doch gewiss ist, dass Euer hochweiser Rat nicht anders als nach Eurer Meinung antworten wird. Und ein trefflicher, vor allem mutiger Mann, mein einzig geliebter Herr Jean Bude, hat die in dieser schlimmen Jahreszeit recht anstrengende, mühselige Reise um der Kirche willen gern übernommen. Erstens bitte ich Euch also im Namen Christi, bedenkt, dass Ihr keine geringe Sache zu behandeln habt, sondern über den ganzen Bestand der Genfer Kirche zu Rat sitzen sollt. Denn da ich es für treulose Feigheit hielte, solange ich diese Stellung einnehme, nicht bis aufs äußerste mit aller Schärfe für die heilige, gesetzmäßige Kirchenzucht zu kämpfen, so wollte ich hundertmal lieber aus dem Leben, geschweige denn aus Genf scheiden, als dass ich litte, dass in gottloser Weise umgestürzt wird, was ich wahrhaftig als aus Gottes Wort geschöpft ansehen muss. Es sind ja nicht alle heutzutage gleicher Meinung über den Kirchenbann, und ich weiß wohl, dass fromme, gelehrte Leute finden, unter christlichen Obrigkeiten sei der Kirchenbann nicht notwendig. Aber doch hoffe ich, dass niemand von gesundem Verstand und rechtem Eifer den Brauch missbilligt, [wo er besteht]. Mir ist der Bann sicher eine klare Lehre Christi. Wo nun nach eifrigem Bemühen der Pfarrer ein Volk doch nicht dazu zu bringen ist, dieses Joch Christi auf sich zu nehmen, da ist die Lage anders als bei uns. Denn es wäre doch zu schmählich, wenn der Bau, den zu schützen uns Christus angewiesen hat, zu unsern Lebzeiten und vor unsern Augen zerstört und umgestürzt würde. Ich fürchte auch gar nicht, dass Ihr meinen Eifer als Trotz verurteilt, wenn Ihr unsere bisher befolgte Disziplinar-Ordnung durchgesehen habt, die uns jetzt die Gottlosen entreißen wollen. Wenn es Euch dann klar ist, dass nichts darin steht, als was mit der reinen Lehre Christi übereinstimmt, so gebt Euch, bitte, Mühe, dass Euer hochweiser Rat dasselbe bezeugt. Denn das ist die Hauptsache, dass unsere Leute merken, dass sie die Neuerung, die sie erstreben, nicht einführen können, ohne Christi Gebot zu verlassen oder doch, wenn der Ausdruck zu hart scheint, davon abzuweichen. Das übrige, was sich nicht gut in einem Briefe zusammenfassen ließ, mag Euch Herr Bude mündlich erklären. Der Herr ist mir und meinen Kollegen Zeuge vom Himmel her, dass seit vier Jahren von den bösen Leuten nichts unterlassen worden ist, womit sie hofften, allmählich die an sich schon mittelmäßigen Zustände der Genfer Kirche verschlechtern zu können. Ich habe ihre heimlichen Ränke von Anfang an durchschaut. Aber ich kann nichts anderes darüber sagen, als dass der Herr seine Zuchtrute rüstete vor unsern Augen, um uns durch Furcht zu ihm zurückzurufen. Weil wir aber taub und blind waren, konnte nichts helfen. Seit zwei Jahren aber ist unsere Lage so geworden, als lebten wir unter offenen Feinden des Evangeliums. Jetzt wird der letzte Akt gespielt. Denn nach manchem errungenen Sieg meinen die Feinde des Evangeliums einen prächtigen Triumph über Christum, seine Lehre und seine Diener, ja über alle seine Glieder davontragen zu können. Wie unhöflich, ja schmählich und barbarisch sie die Verbannten Christi plagen, die sie doch in ihren Schutz aufgenommen haben, davon will ich gar nicht reden. Diese aber, die bei uns ein Asyl gefunden haben, nahmen alle diese Schmach so ruhig, bescheiden und geduldig hin, dass dies sogar die Anstifter der ungerechten Behandlung nicht leugnen konnten. Jetzt hat die Nichtswürdigkeit den Gipfel erreicht, da sie ohne jede Scham hartnäckig den Tempel Gottes in ein Hurenhaus verwandeln wollen.

Damit Ihr wisst, wie abscheulich entartet dieses Volk ist: als neulich unser Bruder Farel hier war, dem sie alle, wie Ihr zur Genüge wisst, zu größtem Dank verpflichtet sind, und sie nach seinem Recht freimütig ermahnte, brach eine solche Wut gegen ihn los, dass man sich nicht scheute, einen Prozess auf Leben und Tod gegen ihn anzustrengen. Ich weiß ja wohl, es ist nichts Ungewöhnliches, dass in einer freien Stadt herrschsüchtige Leute zu finden sind, die Aufruhr stiften. Aber das war doch eine beklagenswerte Verblendung unseres Rates, dass er die Neuchateller aufforderte, den Vater der Genfer Freiheit und den Vater der Genfer Kirche als einer todeswürdigen Sache angeklagt nach Genf zu senden. Ich muss damit einen Schandfleck dieser Stadt aufdecken, den ich mit meinem Blut abwaschen möchte. Farel kam; ehe er die Stadt betrat, meldete mir ein Ratsdiener in meinem Hause, er dürfe nicht auf die Kanzel gelassen werden. Das Weitere will ich nicht durchnehmen; es genügt, wenn Ihr eine Probe der Undankbarkeit gekostet habt, die bei allen Guten und Edeln mit Recht großes Ärgernis erregen wird. Aber weil mich mancherlei Gründe hindern, unsere Übelstände ganz offen zu beklagen, so hört nur kurz das: wenn der Satan nicht von Euch gebändigt wird, so sind ihm die Zügel losgelassen. Deshalb müsst Ihr also so handeln, als läge überhaupt der Bestand der Genfer Kirche in Eurer Hand. Es ist nicht Eigensinn von uns, dass wir eher von diesem Orte weichen als von unserer Meinung. Denn alle Guten wissen, dass wir bisher, um Unruhen entgegenzutreten, nur zu nachgiebig gewesen sind, auch wenn es unzweifelhaft zutage trat, dass nur unsere Geduld von den Bösen auf die Probe gestellt wurde. Diesen Sieg dürfen wir ihnen aber nicht lassen, ohne mit Wissen und Willen das ganze Recht der Kirche zu verraten, nicht nur weil dadurch das Ansehen unseres Amtes zugrunde ginge, sondern weil der Name Christi den schmutzigsten Schmähungen ausgesetzt und die zügelloseste Freiheit zu allem Bösen mehr und mehr zur Gewohnheit würde; weil die Frommen nicht nur jedem Unrecht preisgegeben, sondern überhaupt in ihrer Existenz elendiglich bedroht wären. Umso fester baue ich darauf, Ihr werdet dafür sorgen, dass die Gläubigen in Genf, durch Euer Gutachten unterstützt, Gott in etwas mehr Ruhe dienen können. Lebtwohl, treffliche Männer und in Wahrheit verehrte Brüder. Der Herr sei mit Euch und leite Euch mit seinem Geiste. Er gebe Euch Klugheit, die nicht nur zur Erhaltung Eurer Kirche reicht, sondern auch zur Unterstützung anderer. Meine Kollegen lassen angelegentlich grüßen und empfehlen unsere Kirche in allem Eifer Eurer Treue und Klugheit.

Genf, 26. November 1553.
Euer
Johannes Calvin.

Es wird gut sein, diesen Brief geheim zu halten, sodass wenigstens nichts davon bis zu unsrer Obrigkeit kommt.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/c/calvin/briefe/387.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain