Calvin, Jean - An Farel in Neuchatel (308).

Nr. 308 (C. R. – 1430)

Calvin, Jean - An Farel in Neuchatel (308).

Pierre Fournelet, bisher Pfarrer in Lyon.

Von einem seltsamen Schwärmer.

Pierre Fournelet hat mir deinen Brief gezeigt, in dem du ihn einlädst, eine Helferstelle bei Euch zu übernehmen. Weil er wusste, dass auch ich einen Brief von dir erhalten habe, meinte er, es stehe vielleicht auch etwas darin, was sich auf ihn beziehe. Ich sagte ihm der Wahrheit gemäß, dass du ihn mit keinem Wort erwähntest. Er bat mich um Rat. Ich konnte ihm keinen andern geben, als Euch aufzusuchen; nur müsse er, wenn er mit Euch gesprochen habe, erst wieder auf seine jetzige Stelle zurückkehren. Seit er wieder hier ist, habe ich, das muss ich gestehen, den Fehler begangen, dass ich ihm nicht vertraulich wegen seines Vorlebens zugesprochen habe. Es stand dem zwar viel im Wege, aber hauptsächlich doch die Befürchtung, er könne meinen, ihm geschehe Unrecht, wenn ich ihm gegenüber die Rolle eines Mahners zu übernehmen wagte. Ich bekenne, gefehlt zu haben, dass ich aus törichter Scheu meine Bruderpflicht nicht getan habe. Seit er wieder zu uns gekommen ist, hat er still und bescheiden gelebt.

Sonst habe ich nichts zu schreiben; wären wir beisammen, so wollte ich dir aber manches erzählen. Pierre wird dir von einem armen Tropf, namens Briton, berichten, der, von Wahnsinn erfasst, uns viel zu schaffen machte. Es war ein Piemontese hier, sehr selbstgefällig, der sagte, der Herr sei ihm erschienen, er solle Moses sein und ich sein Aaron. Als ich an Weihnachten nach der Predigt mich mit privaten Hausinspektionen in einem Stadtbezirk angestrengt hatte, kam ich recht müde nach Hause. Er empfing mich dort so, dass er mich nicht einen Bissen Brot kosten ließ: der Herr sei ihm erschienen, und er habe Aufträge, die er mir nur ausrichten dürfe, wenn wir beide nüchtern seien. Als mir anfing schwach zu werden, nämlich nachmittags, beschwor ich ihn schließlich, er solle mich nur ein bisschen essen lassen. Aber er hörte auch seither nicht auf, mich zu ermüden, bis er gestern von den Brüdern streng zurückgewiesen wurde. Wenn er auch in lächerlicher Weise verrückt ist, so ist er doch darin vom Satan aufgestiftet, dass er in leichtfertigen Gleichnissen die wunderbare Energie, die bei der Erlösung des Volkes sich tätig gezeigt hat, verdunkelt, ja zunichte macht. Doch das passt besser für ein Gespräch als für einen Brief. Sonst liegt nichts Schreibenswertes vor. Lebwohl, bester Bruder und Freund, den ich stets von Herzen liebe und verehre. Der Herr Jesus leite, behüte und segne dich allzeit, dass er in jeder Weise durch dich verherrlicht werde. Grüße die Brüder, Christophe, Faton und die übrigen von mir. Meine Kollegen, die Budes, de Normandie, de Trie, beide Colladons und viele andere baten mich, dich in ihrem Namen zu grüßen. Wie viele hättest du, bereit dir zu folgen, wenn du einmal Hilfe brauchtest. Aber sie wissen, dass du auch mit dem guten Willen zufrieden bist. Nochmals lebwohl.

Genf, 4. Januar 1551.
Dein
Johannes Calvin.

Wenn Viret auf meinen Rat nach Bern reist, so wird er dich vielleicht auf der Rückreise besuchen. Könnte ich doch als dritter dabei sein! Doch gleich wird der abgemachte Zeitpunkt kommen.

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