Calvin, Jean - An Veit Dietrich, Pfarrer in Nürnberg (160)

Nr. 160 (C. R. – 781)

Calvin, Jean - An Veit Dietrich, Pfarrer in Nürnberg (160)

Veit Dietrich, bekannt als Luthers Famulus auf der Koburg, gab Luthers Kommentar zum 1. Buch Mose heraus. Von Luthers Tod am 18. Februar 1546 hat Calvin noch nichts erfahren.

Von Calvins Werken und dem Abendmahlsstreit.

Dein Brief war mir umso angenehmer, als ich gar nicht gewagt hätte, auf einen zu hoffen. Denn es war doch an mir, zuerst zu schreiben und so erst den deinen zu veranlassen. Dass du so ohne Aufforderung mir zuvorgekommen bist, ist mir ein Beweis großen Wohlwollens. Willst du aber wissen, warum ich dir nie geschrieben, so ist es eher aus Scheu als aus Trägheit unterblieben. Die Lauterkeit deiner Gesinnung glaube ich freilich durch und durch zu kennen. Auch hätte mir Melanchthons Zeugnis ganz genügend Vertrauen gemacht. Wo aber nicht ganz nahe Bekanntschaft dazukommt, da machen mich die bösen Zeiten etwas ängstlich. Umso mehr Dank bin ich dir schuldig, dass du mir nun jedes Bedenken genommen hast. Dass dir auch mein Büchlein vom Abendmahl nicht missfallen hat, freut mich gewaltig. Es wurde vor zehn Jahren auf Französisch abgefasst. Da es ohne mein Wissen schon von zwei Leuten ins Lateinische übersetzt worden ist, habe ich endlich erlaubt, es so herauszugeben, natürlich um zu verhüten, dass nicht eine schlechtere Übersetzung an deren Stelle trete. Die einfache, populäre, für ungelehrte Leute berechnete Schreibart zeigt, was anfänglich meine Absicht war. Denn für Lateiner pflege ich sorgfältiger zu schreiben. Doch habe ich mich bestrebt, meine Meinung nicht nur treulich darzustellen und in kurze Zusammenfassung zu bringen, sondern auch sie klar und unverhüllt zu erläutern. Gleichzeitig ging die von mir durchgesehene Institutio zum zweiten Mal in die Öffentlichkeit. Darin habe ich dieselbe Lehre in anderer Schreibart und, wenn ich mich nicht täusche, klarer dargestellt und fester begründet. Schließlich habe ich auch noch einen Katechismus veröffentlicht, der ein zuverlässiges gutes Zeugnis davon ablegt, in welcher Lehre die Gemeinde von mir unterwiesen wird. Wollten doch, wie du sagst, die Zürcher diesem Bekenntnis anschließen! Ich denke, Luther würde dann auch nicht so unnachgiebig sein, dass nicht eine Einigung leicht zu bewerkstelligen wäre. Doch wagen die Zürcher wenigstens nicht, meine Ansichten zu tadeln. Mir offen beizupflichten, dem steht für sie hauptsächlich das im Wege, dass sie, ganz eingenommen von ihrer einmal und zwar längst vor gefassten Meinung, so auf den bei ihnen gebräuchlichen Ausdrücken beharren, dass sie nichts Neues zulassen wollen. Beachtest du aber, wie herrlich gewisse Leute von der Gegenpartei die ganze Welt zur Anerkennung nicht nur aller ihrer Meinungen, sondern auch ihrer Worte zwingen wollen, wie grob sie schimpfen, welchen Lärm sie machen, so wirst du in deiner angeborenen Billigkeit und Rechtlichkeit die Zürcher wegen ihrer falschen Sache nicht schärfer verurteilen, als ihre Gegner wegen ihres verkehrten Handelns. Der Herr erziehe uns alle durch seinen Geist zum rechten Maßhalten. Du weißt, ich klage nicht umsonst. Ich zweifle auch nicht, dass du in deiner besondern Frömmigkeit das ebenso stillschweigend beklagst, da du es nicht ändern kannst. Übrigens, was du mir versprichst, dessen darfst du deinerseits auch von mir aus versichert sein, nämlich, dass ich dir ein wirklicher Freund und Bruder bin und stets sein werde. Nun will ich samt vielen andern dich noch darum bitten, dass du nicht aufhörst, eifrig zu arbeiten, bis du uns die Genesisauslegung fertig vorlegen kannst. Denn wie sich Luther wahrhaftig Glück wünschen darf, dass er einen solchen Künstler gefunden hat zur Ausarbeitung seiner Werke, so spüren es auch andere, wie fruchtbringend für die Öffentlichkeit diese Arbeit ist. Doch möchte ich wünschen, du wärest sparsamer mit dem Ausdruck Sakramentierer, weil ich sehe, dass manche Leute [gerade dadurch] so erbittert werden, von denen man sonst wohl hoffen dürfte, sie wären für eine gewisse Einigung zu gewinnen. Doch stehts bei dir, zu erwägen, was gut ist. Mir ists genug, wenn du meine Mahnung gut aufnimmst, auch wenn du sie nicht befolgst.

Das Regensburger Gespräch wird natürlich nur Rauch geben, den der Herr bald auseinander blasen wird. Hier haben wir Ruhe, wenn uns nicht etwa der Kaiser bedrängen wird. Manche vermuten, er trachte nach Burgund, um von dort aus Frankreich zu bedrohen, während er die Provence durch den jüngern Savoyer angreifen und von der anderen Seite die Engländer ins Land rücken lasse. Ich halte mich allein an Gottes Schutz, wenn ich sehe, dass uns große Gefahr nahe bevorsteht. Lebwohl, hochberühmter Mann und bester Freund. Der Herr Jesus leite dich stets mit seinem Geiste und segne dich in jedem frommen Werk. Meine Kollegen lassen dich angelegentlich grüßen. Den deinigen viele Grüße von mir und ihnen.

Genf, 17. März 1546.
Dein
Johannes Calvin.

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