Brenz, Johannes - Sonntag Estomihi.

Brenz, Johannes - Sonntag Estomihi.

1541.

Luk. 18, 31-43.
Er nahm aber zu sich die Zwölfe, und sprach zu ihnen: Seht, wir gehen hinauf gen Jerusalem, und es wird Alles vollendet werden, das geschrieben ist durch die Propheten von des Menschen Sohn. Denn er wird überantwortet werden den Heiden; und er wird verspottet, und geschmäht, und angespien werden; und sie werden ihn geißeln und töten; und am dritten Tage wird er wieder auferstehen. Sie aber vernahmen deren keines, und die Rede war ihnen verborgen, und wussten nicht, was da gesagt war. Es geschah aber, da er nahe zu Jericho kam, saß ein Blinder am Wege, und bettelte. Da er aber hörte das Volk, das durchhin ging, forschte er, was das wäre. Da verkündigten sie ihm, Jesus von Nazareth ginge vorüber. Und er rief und sprach: Jesu, du Sohn Davids, erbarme dich meiner! Die aber vorne an gingen, bedrohten ihn, er sollte schweigen. Er aber schrie viel mehr: Du Sohn Davids, erbarme dich meiner! Jesus aber stand stille, und hieß ihn zu sich führen. Da sie ihn aber nahe bei ihn brachten, fragte er ihn, und sprach: Was willst du, dass ich dir tun soll? Er sprach: Herr, dass ich sehen möge. Und Jesus sprach zu ihm: Sei sehend! Dein Glaube hat dir geholfen. Und alsobald ward er sehend, und folgte ihm nach, und pries Gott. Und alles Volk, das solches sah, lobte Gott.

Das Evangelium, welches wir verlesen haben, ist von der Art, dass es den Kern des Christentums in sich begreift. Es lehrt nämlich erstens, was wir glauben, zweitens wie wir beten und endlich drittens welcherlei Werk wir tun müssen, um unsern Gehorsam und unsere Dankbarkeit gegen Gott zu bezeugen. In diesen drei Stücken liegt das ganze Christentum, und darum sollen wir uns dies Evangelium lieb sein lassen.

Es lehrt also zuerst, was wir glauben müssen. Wir müssen nämlich glauben, dass Jesus von Nazareth, welcher zur Zeit des Augustus geboren ist und zur Zeit des Tiberius in Galiläa in Judäa sein Evangelium gepredigt und Wunder getan hat, der wahrhaftige Christus oder Messias ist, von welchem die Propheten geweissagt, dessen Zukunft sie vorher verkündigt haben, und der für unsere Sünden gelitten hat und zu unserer Rechtfertigung auferstanden ist. Das ist unser Glaube, das ist die Religion des Christentums. Durch diese Religion unterscheiden sich die Christen von allen anderen Völkern und Nationen mit verschiedenen Religionen. Sie unterscheiden sich nicht nur durch die zehn Gebote, weil auch die Juden dieselben noch anerkennen und die Weltweisheit der Heiden in Betreff der Sitten zum Teil sich den zehn Geboten nähert. Sie unterscheiden sich auch nicht nur durch die Taufe, weil sowohl Juden als Türken ihre Taufen haben, die zwar keine wahrhaftigen Sakramente sind, aber dennoch eine gewisse Form der Taufe haben. Aber sie unterscheiden sich durch den alleinigen Glauben an Christum, dass er für unsere Sünden gelitten habe und zu unserer Rechtfertigung auferstanden sei. Der Kern dieses Glaubens nun wird im heutigen Evangelio dargelegt. Der Blinde ruft Jesum an und nennt ihn Sohn Davids, mit welchem Namen er deutlich bezeichnet, Er sei jener Messias, welchen die Propheten zuvor verkündigt haben. Und Christus selber nennt sich des Menschen Sohn, ein Name, bei dem er die Weissagung Daniels (7,13) beachtet: „Es kam Einer in des Himmels Wolken, wie eines Menschen Sohn;“ und hinzusetzt: „In Jerusalem wird Alles vollendet, das geschrieben ist von ihm durch die Propheten. Er wird überantwortet werden den Heiden, sie werden ihn töten, und am dritten Tage wird er wieder auferstehen.“ Was, ich bitte euch, ist das Anderes, als eine kurze Erwähnung der hauptsächlichsten Stücke, die im apostolischen Glaubensbekenntnisse enthalten sind? Da hast du nun im heutigen Evangelio, was wir glauben müssen. Wird aber gelehrt, was zu glauben ist, so gedenke der Lehre für dich, wie du im Gerichte Gottes bestehst und die Anfechtungen des Todes und der Hölle überwindest, d. i.: wie du ewige Gerechtigkeit und ewiges Heil erlangst. Denn so du vor Gottes Richterstuhl geführt und ob deiner Sünden zur ewigen Pein verdammt worden bist, kannst du dich nicht durch die Verdienste menschlicher Gerechtigkeit retten. Ob du schon deine guten Werke vorwendest, sind sie doch nicht vollkommen gut und du hast nötig, allein auf Christum zu vertrauen und auf seinen Tod, auf seine Auferstehung. Ein Jeglicher aber, der an Christum glaubt, wird den Tod nicht schauen, sondern das ewige Leben haben. Wird also gelehrt, was wir von Christo glauben müssen, so lasst uns eingedenk sein der Lehre und Unterweisung, wie wir mögen den Sieg über Tod und Hölle davontragen.

Zweitens lehrt das heutige Evangelium auch, wie wir beten müssen. Denn der Glaube ist das allererste Stück, das zu unserem Heile erfordert wird; das zweite ist das Gebet oder die Anrufung des Namens Gottes. Wir wollen nun am Blinden sehen, wie zu beten ist. Der Blinde war der allerelendeste Mann. Da er also in diesem seinem Elend Christi Hilfe anrufen will, glaubt er zuvörderst, dieser Jesus sei Davids Sohn oder Christus, d. h.: dass er um dieses Christi willen einen gnädigen Gott habe. Danach ruft er ihn an und wendet nicht die Verdienste eigener Gerechtigkeit vor, sondern allein sein Elend. Und von dieser Anrufung lässt er sich auch durch die Scheltworte der Menge nicht abbringen; denn die vorne an gingen, „bedrohten ihn, er sollte schweigen.“ Deswegen erlangt er auch durch seine Beharrlichkeit, was er wünschte. Das ist die richtigste Weise zu beten und unsere Wünsche von Gott zu erreichen. Zuerst nämlich müssen wir glauben, dass uns Gott um Christi, aber nicht um unserer Verdienste willen gnädig sei. Sodann müssen wir Gott anrufen und ihm unser Elend vorstellen, um den Glauben in uns zu kräftigen. Denn Gott hat den Elenden und Bekümmerten seine Hilfe verheißen. Jes. 66,2: „Ich sehe an den Elenden, und der zerbrochenen Geistes ist, und der sich fürchtet vor meinem Wort.“ Ps. 51,19: „Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist; ein geängstetes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten.“ Von solcher Anrufung wollen wir uns nicht durch jedwedes Unglück abwenden lassen. Vieles kommt uns in den Weg, Vieles stiftet der Satan an und stellt es uns entgegen, um uns vom Gebete abzutreiben; weiß er doch, dass ein frommes, gläubiges und anhaltendes Gebet Alles von Gott erlangt. Deshalb bewegt er jeden Stein, um uns von dem beharrlichen Gebete abzulenken. Gott verzieht bisweilen seine Hilfe, um unseren Glauben zu prüfen. Da ergreift denn Satan diesen Verzug und spricht: Was? Willst du in deiner Einfalt und im Gebete verharren? Siehst du nicht deutlich, dass dich Gott nicht erhört? „Gesegne nur Gott und stirb!“ (Hiob 2,9). Hier also müssen wir dem Satan entgegentreten, so dass wir antworten: Gott verziehe darum seine Hilfe, weil er uns desto reichlicher erhören und desto größere Wohltaten geben wolle, je länger die Erhörung hinausgeschoben wird. Überdies sind wir uns vieler Sünden bewusst. Diese ergreift der Satan und spricht: Was wolltest du doch beten? Gott erhört die Sünder nicht. Darauf ist zu antworten, dass, wenn wir auch gesündigt, wir dennoch glauben, Christus habe unsere Sünden gesühnt und uns mit Gott, seinem Vater, versöhnt. Zudem wird gepredigt von Gott, dass er ein großer Herr ist und Himmel und Erde regiert. Der Satan nun missbraucht solche Lehre und sagt: Was solltest du beten und anhalten am Gebete? Meinst du denn, dass so große Majestät Zeit habe, auf die Bitten des verwerflichsten Menschen zu hören? Gott ist zu groß, als dass er Zeit hätte, dich zu hören, und du bist zu elend, als dass Gott auf dich achten sollte. Darauf wirst du antworten müssen: dass Gott, obschon er in der Höhe wohne, dennoch nach seinen Verheißungen sehe auf das, was auf Erden niedrig ist. „Kommt her zu mir Alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch, und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht“ (Matth. 11,28-30). Da hast du, wie du beten oder in Anfechtung den Namen des Herrn anrufen musst, um deines Wunsches teilhaftig zu werden.

Endlich lehrt das heutige Evangelium, was wir nach dem Empfange der Wohltaten Gottes tun müssen. Lasst uns auf den Blinden sehen. Jesus sprach zu ihm: „Sei sehend; dein Glaube hat dir geholfen. Und alsobald ward er sehend und folgte ihm nach und pries Gott.“ So lobte Gott auch das Volk. Siehe! der Blinde folgt, als er das Gesicht wunderbarer Weise erhalten hatte, Christo nach und gibt Gott die Ehre; denn das ist die Pflicht Aller, die an Christum glauben und seiner Güter zu genießen begehren. Zuerst müssen sie ja Christo nachfolgen. Der Blinde folgt ihm als äußerliche Begleitung, folgt aber noch viel mehr den Beispielen der Tugenden Christi. Uns nun lasst tun, was uns zu dieser Zeit freisteht, und was wir tun können. Es ist uns nicht vergönnt, Christo in äußerlicher Begleitung anzuhangen, weil er gen Himmel gefahren ist, wir sollen aber seine Tugenden nachahmen; denn wir haben an Christo ein vollkommenes Muster der Tugenden. An den anderen Heiligen finden ihre eigenen Gebrechen, ihre eigenen Schwachheiten und bisweilen sogar schreckliche Sünden. An Christo aber haftet Nichts, weder Sünden noch Gebrechen. So lasst uns denn seinem Beispiele folgen, soviel uns durch den Heiligen Geist möglich ist.

Und zwar müssen wir dem Beispiele Christi vornehmlich folgen, indem wir den Nächsten lieben und ihm wohltun. Joh. 15,12: „Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt.“ Joh. 13,35: „Dabei wird Jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, so ihr Liebe untereinander habt.“ Diese Liebe darf aber nicht bloß in Worten bestehen, sondern in der Tugend und in der Tat, wie auch Christus nicht nur durch gute Worte geliebt, sondern durch seine Werke wohlgetan hat. Daher leben diejenigen nicht christlich, welche auf Betrügereien sinnen, welche mit Gehässigkeiten wider einander hadern oder andere Frevel der Art vollbringen.

Christi Beispiel müssen wir aber auch in der Geduld nachfolgen. So sagt Petrus: „Christus hat gelitten für uns und uns ein Vorbild gelassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußstapfen, welcher keine Sünde getan hat, ist auch kein Betrug in seinem Munde erfunden; welcher nicht wieder schalt, da er gescholten ward, nicht drohte, da er litt; er stellte es aber Dem heim, der da recht richtet; welcher unsere Sünden selbst geopfert hat an seinem Leibe auf dem Holze, auf dass wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben“ (1. Petri 2,21-24). Danach ist Gott zu preisen. Der Blinde pries Gott. Wie pflegt Solches zu geschehen? Gott wird auf mancherlei Weise gepriesen. Er wird entweder gepriesen, so wir dem Worte Gottes oder seinen Geboten Folge leisten; denn also wird der Name Gottes auch von Widersachern empfohlen. Oder er wird gepriesen, wenn du das Deinige dazu beiträgst, die Lehre Gottes zu verherrlichen, ob du nun selbst das Evangelium Jesu Christi predigst oder dazu mithilfst, dass es gepredigt wird. Das ist ein Opfer, welches Gott annimmt. Das ist ein Gott wohlgefälliger Dienst, den wir dem Herrn, unserem Gott, schuldig sind für die Wohltaten, die wir durch Christum empfangen haben.

Also hast du im heutigen Evangelio, wie wir glauben, wie wir beten und was wir tun müssen, um die ewige Seligkeit zu erlangen in Christo, welcher Gott ist, hochgelobt in Ewigkeit. Amen.

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