Besser, Wilhelm Friedrich - Die Briefe St. Johannis in Bibelstunden für die Gemeinde ausgelegt - 3. Die Merkmale der Erkenntniß Gottes.

Besser, Wilhelm Friedrich - Die Briefe St. Johannis in Bibelstunden für die Gemeinde ausgelegt - 3. Die Merkmale der Erkenntniß Gottes.

Cap. 2, 3 - 11.

Hilf uns, o HErr, Dich also zu kennen, daß wir von Dir erkannt werden als Deine rechten Jünger.

Amen.

Als das Erste, was zum Lichtwandel der Christen gehört, hat Johannes die bußfertige Erkenntniß der Sünde und den gläubigen Zugang zum Blute Jesu Christi genannt. Dadurch bethätigt sich unsre Gemeinschaft mit Gott, welcher Licht und heilig ist, daß wir was finster und sündig an uns ist bekennen und annehmen Vergebung und Reinigung im Versöhnungsblute Seines lieben Sohnes. Nun folgt die zweite Beweisung unsrer Lichtgemeinschaft mit Gott: das Halten Seiner Gebote. Denselben Jesum Christum, den wir sündige Heilige kennen als unsern Versöhner und Fürsprecher, den kennen wir auch als unsern Vorgänger, und weil wir Sein Opfer annehmen, darum folgen wir auch nach Seinem Vorbilde. Er ist das Licht für uns, in Ihm haben wir das Licht des Lebens: wohlan, so sey Er auch das Licht in uns, und unser Wandel müsse in der Liebe das Licht wiederausstrahlen, welches unser Glaube einsaugt! Dann merken wir, daß wir Ihn kennen und Gemeinschaft mit Ihm haben.

V. 3. Und daran erkennen wir, daß wir Ihn kennen, so wir Seine Gebote halten. Was vorhin die Gemeinschaft mit Gott, das ist hier die Erkenntniß Gottes. Das Bindewörtlein und verknüpft nicht bloß den 3ten Vers mit dem 2ten, sondern den hier folgenden Abschnitt mit dem vorigen. Darum bezieht sich auch das „Ihn kennen“ nicht auf Jesum Christum im Unterschiede von dem Vater, sondern auf Gott, der Sich uns zu erkennen gibt in Jesu Christo (vergl. V. 6). Der Apostel gebraucht geflissentlich oft den Ausdruck: erkennen, weil die damaligen Irrlehrer (die Gnostiker, Erkennler, Wissenschaftler) denselben als ihr eigentliches Schlagwort im Munde führten (vergl. Offenb. 2, 24). Ihrer falschberühmten Erkenntniß setzt er die rechte Erkenntniß entgegen. Will ich merken, ob ich Gott kenne, so habe ich nicht mein Wissen, sondern mein Wandeln zu prüfen; und will ich merken, ob du Gott kennest, so frage ich nicht, was dein Mund von Ihm zu sagen weiß, sondern was dein Leben von Ihm bezeugt. Recht, im Sinne Johannis heißt es in dem bereits erwähnten Briefe an Diognet: „Weder gibt es Leben ohne Erkenntniß, noch richtige Erkenntniß ohne wahres Leben.“ Seine Gebote halten: das heißt rechtschaffen darthun, daß wir Ihn erkannt haben, denn wie könnten wir Seine Gebote halten, ohne Ihn zu kennen? So gewiß die Hellniß des Tages von der scheinenden Sonne herrührt, so gewiß haben wir Gott erkannt, wenn wir Seine Gebote halten. Es ist aber ein evangelisches Geheimniß, daß die wahrhaftige Erkenntniß Gottes lebendige Kraft zum Halten Seiner Gebote mit sich bringt. Die Erkenntniß Gottes aus dem Gesetz zeigt uns, daß wir zu thun schuldig sind, was wir nicht vermögen; aber die evangelische Erkenntniß Gottes in Christo macht, daß wir können, was wir sollen, denn in ihr, die dem Glauben gleich ist, haben wir Gott, und was Er von uns fordert, hat Er uns zuvor gegeben. „Breite Deine Güte über die, die Dich kennen“, betet David (Ps. 36, 11.), Genießen wir nun das kostbare Privilegium der Christen, Gott zu kennen? Findet sich an uns das Merkmal Seiner Erkenntniß? Ist Christus unser Leben geworden? Ist Er, Seine Ehre und Seine Sache, der Mittelpunkt, um welchen unser Dichten und Trachten sich bewegt? Ist Sein Wille die Regel unsers Thuns und Sein Wort die Richtschnur unsers Weges, daran wir halten, weil Er, unser Heiland, der einige Halt unserer Seelen ist? „Führe mich aus dem Steige Deiner Gebote, denn ich habe Lust dazu und sie sind mir lieb, O daß mein Leben Deine Rechte mit ganzem Ernste hielte!“ so betet der Sänger des 119ten Psalms, Wird diese Bitte neu in unserm Munde, weil uns süß sind die Gebote des gegenwärtigen Christus, dessen Zukunft die Kinder des Alten Bundes sehnlich begehrten? Ein wahrer Christ darf fröhlich sagen: „Ja, HErr, ich halte Deine Gebote.“ Die Liebe hat die Art an sich, daß sie dem Geliebten nichts zu Leide, sondern alles zu Gefallen thun möchte; sie untergibt ihren Willen, ihr Wohlseyn, ihre Ehre, ihr Leben dem Willen des Geliebten; was ihm gefällt, gefällt auch ihr. was ihm mißfällt, das haßt sie. Nun sind aber die Gebote Gottes so beschaffen, daß vollkömmlich sie zu halten aus Erden uns unmöglich ist, denn wir haben noch Sünde, und das weiß Johannes (Cap. 1, 8.). Wenn er also sagt: Seine Gebote halten, so heißt das erstlich sich mit Ernst befleißigen, nach Gottes Geboten zu thun, böse Werke und Worte lassen, die bösen Gedanken im Herzen hassen, zunehmen im Gutesthun; zweitens sich's reuen lassen, wo etwas versehen ist, um Vergebung bitten und dieselbe auch von Gott annehmen. So sprechen wir durch die Buße der uns noch anklebenden Sünde ihr Urtheil nach dem Sinne des Herzens Gottes und geben uns im Gehorsam des Glaubens rückhaltslos an Jesum Christum hin, in welchem wir gerecht sind und zu vollkommener Heiligkeit hinanwachsen.

V. 4. Wer da sagt: „Ich kenne Ihn,“ und hält. Seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in solchem ist nicht die Wahrheit. Vor solchen Lügnern sollten die Gemeinden auf ihrer Hut seyn und in keine Gemeinschaft mit ihnen willigen. Wie scharf und schneidend redet der Apostel! Er kennt keine neutrale Mitte zwischen Wahrheit und Lüge, Licht und Finsterniß. Wo kein Thun der Wahrheit ist (Cap. 1, 6), da ist auch kein Erkennen der Wahrheit, und es lügt der Mund, der zur Wahrheit sich bekennt, wenn das Leben die Kraft der Wahrheit verleugnet. Jene Menschen, welche damals voller Wissensstolz sagten: „Wir kennen Ihn,“ und sich dazu aufwarfen, die einfältigen Seelen in allerlei „Tiefen“, der Erkenntniß einzuweihen, verachteten die Gebote Gottes als ABC-Weisheit, ihrer „Freiheit“ beschwerlich, und lebten ihren Lüsten, denn nicht den HErrn Jesum Christum, sondern die Welt hatten sie lieb. Die nennt Johannes Lügner. Es war auch nicht möglich, daß ihr unlauteres Leben ihre Lehre hätte gesund lassen sollen. Die Wahrheit war nicht in ihnen: die modelten sich ein Christenthum zurecht, wie es dem Willen ihres Fleisches und ihrer Vernunft genehm war. Möchten wir doch des Apostels heiligen Ernst wohl zu Herzen nehmen! Viele sagen heut zu Tage: „Wir kennen Ihn“, und führen doch ein zuchtloses Leben. Weil sie es leicht nehmen mit Dingen, in die sie verliebt sind - mit Fleischeslust, Augenlust und Hoffahrt des Lebens (V. 16) - so erdichten sie einen Gott, der es auch leicht damit nehme („sie malen ihren Gott anders ab, denn Er ist,“ L.), und bringen unter prächtigem Scheine eine Lehre von Sünde und Gnade, von Gesetz und Freiheit auf, welche im Dienste des alten Lügners und Mörders steht (Ev. 8, 44). Verflucht sey alle Wissenschaft, welche die Probe nicht aushält an den Geboten Jesu Christi! - Es ist erbaulich und ein rechtes Meisterstück des heil. Geistes, daß gerade der Apostel Johannes zum Niederkämpfen des Feindes berufen ward, der mit dem alten Spruche der Schlange: „Ihr werdet erkennen“ die Christen verführt und auf ihr Fleisch spekuliert, während er nichts als Geist ihnen vorspiegelt. Je reicher Johannes „der Theologe“ an Erkenntniß der göttlichen Geheimnisse war, je mächtiger der HErr mit Seines Jüngers Geiste war zum Erforschen der Tiefen der Gottheit: desto züchtiger wandelte er in Einfalt nach Christi Sinn und sein Leben ging auf in dem Trachten, das Geheimniß des Weinstocks und der Reben praktisch darzustellen. Abscheulich war ihm die eitele, unfruchtbare Erkenntniß (er gesteht den edeln Namen: erkennen dem Wissen der Lügner gar nicht zu), wobei es darauf hinauskommt, als habe Christus darum bitterlich für uns gelitten, damit es eine „Wissenschaft“ von der Versöhnung geben und einige Menschen Stoff für ihre gelehrte Hoffahrt kriegen möchten. Das gute Sprüchwort: Pectus facit theologum (das Herz macht den Theologen) ist wahr bei dem Theologen Johannes. Halten, halten, heißt seine Losung; im Herzen bewahren und im Leben halten, das will er gerne, und noch am Schluß der Offenbarung schreibt er es der Kirche ins Gedächtniß: „Selig sind, die Seine Gebote halten, aus daß ihre Macht sey an dem Holz des Lebens und zu den Thoren eingehen in die Stadt“ (Offenb. 22, 14.). - Nun nennt Johannes den Inhalt der christlichen Erkenntniß, nämlich die Liebe Gottes in Christo, welche vollkommen offenbart ist im Worte des Evangelii und vollkommen von denen erfahren wird, die Sein Wort halten:

V. 5. Wer aber Sein Wort hält, wahrhaftig ist in dem die Liebe Gottes vollkommen. Daran erkennen wir, daß wir in Ihm sind. Die mancherlei Gebote des HErrn sind alle umschlossen in Seinem Worte, als in einem einigen Worte. „Lehret sie halten Alles, was Ich euch geboten habe,“ spricht Er zu den Aposteln (Matth. 28, 20.), und im hohenpriesterlichen Gebete stellt Er sie dem Vater dar als gläubige Empfänger des Wortes, in welchem Er den Namen des Vaters ihnen offenbart hat (Ev. 17, 6). Dies Wort ist die Wahrheit (Ev. 17, 17.), und der Wahrheit seliger Inbegriff ist die Liebe Gottes. „Ich habe ihnen Deinen Namen kund gethan, und will ihnen kund thun, aus daß die Liebe, damit Du Mich liebest, sey in ihnen, und Ich in ihnen“ (Ev. 17, 26.). Dringen wir in den Zusammenhang unsers Textes ein, so kann uns nicht zweifelhaft bleiben, von welcher Gottesliebe der Apostel sagt: sie sey wahrhaftig vollkommen in dem, der Christi Wort halte. Der fünfte Vers ist der Gegensatz des vierten. In den Lügnern ist die Wahrheit nicht; aber die Wahrheit ist wirklich in denen, welche halten das Wort der Wahrheit, das Evangelium von der Liebe Gottes in Christo, und weil diese Liebe aus vollkommene Weise im evangelischen Worte offenbart ist, so ist sie auch wahrhaftig vollkommen in denen, die solch Wort halten. Hierher gehört der Spruch: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unser Herz durch den heil. Geist, welcher uns gegeben ist“. Die alten Ausleger unsrer Kirche vergleichen das: ist ausgegossen, in dem Spruche Pauli, mit dem: ist vollkommen, in diesem Spruche Johannis. Was ausgegossen wird, strömt nach allen Seiten hin und dringt in alle Vertiefungen ein; so nimmt die göttliche Liebe das Herz derer ein, die Sein Wort halten, einem Strome vergleichbar, der nicht eher innehält in seinem Lauf, bis er ganz zu seinem Ziele hin sich ergossen hat. „Die Liebe Gottes ist zum vollkommenen Regimente gelangt“, erläutert Bengel das: sie ist vollendet worden; und Spener: „Sie hat ihren Zweck an ihm erreichet, ist an ihm ins Werk gesetzt und vollzogen worden, daß er derselben wirklich genießt.“ Sie hat in solchen, welche Gottes Wort halten, ausgerichtet, was sie ausrichten will, ist in ihnen zu Stand und Wesen gekommen. Und den Frieden der Geliebten Gottes erfahren, das ist das untrügliche Merkmal, daß wir in Ihm sind, daß unsre Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit Seinem Sohne Jesu Christo. Christum erkennen und in Christo seyn, das ist eins nach der Sprache Johannis (Cap. 5, 20.). Ich muß mich Ihm hingeben und in Ihm Gottes Liebe erleben, sonst kann ich Ihn nimmermehr erkennen. Es kehrt hier das Wort des HErrn wieder: „Wer Mich liebt der wird Mein Wort halten; und Mein Vater wird ihn lieben, und Wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen“ (Ev. 14, 23.). Wie in diesem Spruche aus das Worthalten das Geliebtwerden vom Vater, und aus dieser Gottesliebe das Wohnungmachen des Vaters und des Sohnes in dem Geliebten folgt: so folgt in unserm Texte aus das Worthalten die Vollendung der göttlichen Liebe im Herzen des Gläubigen, und aus dieser Liebeserfahrung wird der Schluß gezogen: Wir sind in Ihm. So erhellt denn sowohl aus dem zunächst Vorhergehenden als aus dem zunächst Folgenden, daß Johannes von der Liebe Gottes redet, welche Gott in Christo zu den Christen hat. Jedoch wie wir schon im Evangelium wahrgenommen haben (vergl. besonders Cap. 15, 9.), pflegt „die Liebe Gottes in uns“ beides zu umschließen: Gottes Liebe zu uns, durch welche, und unsre Liebe zu Gott, in welcher wir leben, Ursache und Wirkung, Glanz und Abglanz. So verhält es sich auch in dieser Stelle (wie weiterhin V. 15; 3, 17.; 4, 12. 16.). Es kann ja nicht anders seyn. Durchdrungen und gesättigt von der Liebe, die Gott zu uns hat, ergeben wir uns hinwiederum Ihm von ganzem Herzen; als Gottes geliebte Kinder wandeln wir in der Liebe (Ephes. 5, 1. 2). Dem Odem, den wir ein- und ausathmen, gleicht die Liebe Gottes in uns, als von Gott ausgehende und wieder zu Gott hingehende Liebe. Aber ist je die Liebe zu Gott vollkommen in uns? Singen wir nicht: „Ich liebe Dich, doch nicht so viel, als ich Dich gerne lieben will?“ So singen wir, und werden so singen, so lange wir hier unten singen. Doch höre recht: „Als ich Dich gerne lieben will!“ Wessen die in Christo vollkommene Liebe Gottes vollkommen sich bemächtigt - und es ist unmöglich, ihr einen Theil des Herzens einzuräumen und einen andern wissentlich vorzuenthalten - der liebt auch Gott mit ganzem, unhalbierten Willen und streckt in heiliger Sehnsucht nach dem noch nicht erschienenen (Cap. 3, 2.) Stande der Vollkommenheit sich aus, da die vollendeten Seligen Wahrheit reden, wenn sie sagen: „Wir haben keine Sünde“, und ohne alle Traurigkeit Ja antworten dürfen aus die Frage des HErrn: „Hast du Mich lieb?“ Ohne Rückhalt, vollkommener Weise, zu dem sich bekennen, was man in Christo ist und seyn wird, zum „rechtschaffenen Wesen in Christo“ (Ephes. 4, 21), das eben heißt die Wahrheit thun und in diesem Thun der Wahrheit wächst man hinan zur Verklärung in das Bild Christi, der selbst die Wahrheit ist. - Vom Seyn in Gott schreitet nun der Apostel weiter zum Bleiben in Gott und gibt dieses Bleibens Merkmal an.

V. 6. Wer da sagt, daß er in Ihm bleibe, der muß auch wandeln, gleichwie Er gewandelt hat. Bleiben, das ist ein dem Johannes tief in die Seele geschriebenes Wort (vergl. Ev. 15, 7.). Nicht aus Erinnerungen an früher einmal Erkanntes, sondern aus gegenwärtiger Kraft und gegenwärtigem Leben wird der Christenstand ernährt. Nicht das heißt Gott erkannt haben, wenn man im Gedächtnisse, wie in einem Wörterbuche, nachzuschlagen weiß und die Pagina, die Tage und Stunden ausfindet, wo man einmal etwas erfahren hat von Seiner Gnade. In Ihm bleiben, ohne Unterlaß Gemeinschaft mit Ihm haben, das macht unsern Trost gewiß und unsre Freude völlig. Die klugen Jungfrauen nahmen Oel in ihren Gesäßen, sammt ihren Lampen (Matth. 25, 4.). Es lernt sich nun leicht sagen: „Ich habe Ihn zum Bleiben erkannt,“ und es scheint, daß damals, als Johannes schrieb, dies schöne Wort: Bleiben in Mancher Munde war, deren Wandel doch ihr Geschiedenseyn von Gott verrieth. Dem setzt der Apostel die unverbrüchliche Nothwendigkeit entgegen: Wer da sagt, daß er in Ihm bleibe, der muß, gleichwie Jener gewandelt hat, also auch selber wandeln. Das ist ein Muß, wovon nichts sich abdingen läßt. Wer in Gott bleibt, in dem bleibt Gott, und der Wandel der Christen leuchtet von dem in ihnen bleibenden. Lichte. Das Licht muß leuchten, oder es ist nicht da; der Geist muß in geistlichem Sinn und Wandel seine Art und Kraft erzeigen, oder er ist nicht Meister über das Fleisch (Röm. 8, 4 ff.). Gleichwie Jener wandelte, der von Gott kam und ewig in Gott bleibt, so muß auch wandeln, wer durch Ihn bleibt in Gott. Einem Johannes und Allen, die Johannis Sinn haben, ist dieses unweigerliche Müssen zugleich ein seliges Dürfen. Ihm war die Herrlichkeit Jesu Christi ganz gegenwärtig, den er wandeln gesehen, dessen allerheiligstes Lebensbild sein Evangelium darstellt, darum weist er aus den auch seinen Kindlein im Worte Nahegebrachten hin und schreibt :Wie Jener, jener Eine, den ich euch vor Augen gemalt habe, gewandelt hat. Darum wandelte Er ja in der Aehnlichkeit unsers Fleisches, ward an Geberden als ein Mensch erfunden, allerdinge uns Seinen Brüdern gleich und versucht allenthalben gleichwie wir, doch ohne Sünde - als Kind, als Knabe, als Jüngling, als Mann; darum stieg Er vom Himmel herab aus die Erde und drückte Seine heiligen Fußstapfen dem Wege der armen Menschenkinder ein, damit wir in keine, noch so ordinären Umstände gerathen könnten, wo Er nicht vor uns stünde mit dem leutseligen lockenden Zurufe: „Nehmet aus euch Mein Joch, und lernet von Mir“ (Matth. 11. 29.), wo nicht Sein Sinn unserm Sinne, Sein Wandel unserm Wandel ein Vorbild gelassen hätte (Phil. 2, 5; 1 Petr. 2, 21.). „Lernet von Mir“ - - so legt Augustin jenes Wort des HErrn uns ins Herz - „nicht die Welt erbauen, alles Sichtbare und Unsichtbare schaffen und erhalten, sondern sanftmüthig und von Herzen demüthig seyn.“ Gesegnet sey uns die Demuth der allerhöchsten Majestät, ihr Lehren ist Eingeben und Lebendigmachen. „Es kann einer redlichen Seele, so lange sie sich noch in der Welt aushalten muß, nichts Angenehmeres und Tröstlicheres widerfahren, als wenn sie ihren Heiland in gleichen Umständen des Lebens antrifft, worin sie sich befindet. Der Wandel Jesu gibt ihr den richtigsten Ausschlag in allen Sachen. So hat der Heiland gedacht und geurtheilt, da Ihm einmal der Umstand vorgekommen ist! So hat Er Sich bei diesem, bei jenem Vorfall bezeigt! So weislich, so bescheiden, so freundlich, so mitleidig, so rein und lauter, ohne Eigenliebe und Eigengesuch, so demüthig, so sanftmüthig, so geduldig, so ernsthaft, so unpartheyisch, so andächtig und aus Seinen Gott gerichtet, so treu hat Er Sich bei dieser Gelegenheit bewiesen? Dies ist einem Liebhaber Jesu die liebste Betrachtung, die ihn in der Mühseligkeit dieses Lebens erquickt und ausrichtet. Aus Liebe schaut er immer in diesen Spiegel und erblickt darin die reine Gestalt des neuen Menschen.“ Steinhofer. Das Lied: „Heiligster Jesu, Heil‘gungsquelle,“ geht nach der Weise dieses Spruches. Johannes zielt, wie der Zusammenhang zeigt, vornehmlich aus den Liebes-Wandel des Heilandes hin, worin Sein heiliges Vorbild sich vollendet (Ev. 13, 1; 15, 12.), und indem er das Gebot der Bruderliebe welches der HErr im Ev. Cap, 13, 34. 35. Seinen Jüngern zum Vermächtniß gegeben - Jakobus nennt es das „königliche Gesetz“ (Jak. 2, 8.) und Paulus kurzum „das Gesetz Christi“ (Gal. 6, 2.) - im Herzen bewegt, fährt er fort:

V. 7. 8. Geliebte, nicht ein neues Gebot schreibe ich euch, sondern ein altes Gebot, welches ihr hattet von Anfang: das alte Gebot ist das Wort, das ihr von Anfang gehöret habt. Wiederum ein neues Gebot schreibe ich euch, das da wahrhaftig ist bei Ihm und bei euch, denn die Finsternis vergeht und das wahrhaftige Licht scheint schon. Geliebte, redet er seine Kindlein an. Das Gebot der Liebe hat er im Sinne, und im Halten desselben ist er begriffen, indem er seinen Geliebten zur Bewahrung ihrer Christenfreude solches schreibt (vgl. Cap. 4, 7.). Sie sollen ja nicht meinen, daß er jetzt (etwa um der neuen Lehrer und ihrer Gesetzesverachtung willen) zu seiner alten Verkündigung einen neuen Zusatz machen, die anfängliche Lindigkeit seiner Verkündigung ihnen durch Auslegen eines harten Joches schmälern wolle. Das sey ferne! Neue Gebote sind verwerflich, und Johannes verwahrt sich feierlich dagegen, als gehöre er zu denen, welche „bringen stets was Neues her.“ Gottes Gebote halten, wandeln wie Jesus Christus gewandelt hat, nämlich im Lichte: das ist in dem Worte, welches die Christen von Anfang aus der Apostel Munde gehört hatten, so gewiß einbegriffen, als das Gebot der Bruderliebe, worin alle Gebote Christi als in Einem zusammengefaßt sind (2. Br. V. 4 -6; Ev. 15, 17.), ihnen nicht ein neues, unerhörtes, sondern ein altes, längst empfangenes Gebot war (vergl. V. 21. und Cap. 3, 11.). Hinwieder (anderseits) aber schreibt ihnen Johannes allerdings ein neues, ja, das wahrhaftig neue Gebot. An sich selber, seinem Inhalte nach, ist das Gebot der Bruderliebe ein neues Gebot, wie es denn der HErr im Ev. (Cap, 13, 34.) ausdrücklich neu nennt, denn in Wahrheit ist die Liebe, welche von dem weissagenden Gesetze des Alten Testaments erfordert und auch von der Ahnung der Heiden gesucht ward, erschienen in dem Mittler des Neuen Testamentes, dem HErrn Jesu, der uns geliebt und Sich selbst für uns dahin gegeben hat (vergl. Cap. 3, 16.). Als ein neues begegnete das Gebot der Bruderliebe denen, die Brüder wurden in Christo, und dies neue Gebot hatten sie von Anfang ihrer Brüderschaft an, darum war es ihnen ein altes. Die „ neuen Gebote“, welche die Irrlehrer aus die Bahn brachten, waren unerhört in der apostolischen Gemeinde. Etwas Wahres, sagt der Apostel, nicht bloß etwas, was seyn soll, ist das vom Liebesgebot Erforderte in Ihm (die Wahrheit ist durch Ihn geworden, Ev. I, 17.) und in euch, die ihr in Ihm seyd und in Ihm das neue Leben der Liebe miterlebt. Das ist eben das evangelisch Neue an dem Gebote der Bruderliebe, daß dessen Erfüllung in den Christen in Wahrheit zu Stande kommt, weil sie in Christo vollkommener Weise und in Kraft, die vom Haupte aus die Glieder überfließt, erschienen ist. Der Apostel ruft die gemeinschaftliche Erfahrung seiner geliebten Brüder zum Zeugen dafür aus, daß das ewig-neue Gebot der Bruderliebe von Anfang an, seit ihrer Gemeinschaft am Wort des Evangelii, unter ihnen im Schwange gegangen (wie unter den Thessalonichern, 1 Thess. 4, 9.), und etwas Wahres, weil in Christo, darum auch in ihnen geworden sey: denn die Finsterniß vergeht, und das wahrhaftige Licht scheint schon. Das wahrhaftige Licht, Jesus Christus (Ev. 1, 9.), bringt wahrhaftige Liebe. Sehet doch an, ihr Lieben, will der Apostel sagen, was ihr weiland waret und was ihr jetzt seyd! „Ihr waret weiland Finsterniß, nun aber seyd ihr Licht in dem HErrn“ (Ephes. 5, 8.). Da ihr erleuchtet wurdet, also daß ihr durftet sagen: „Wir kennen Ihn“, habt ihr von dem an nicht zugleich freudig bekannt: „Wir lieben die Brüder“, und ist nicht die selige Gemeinschaft, die ihr unter einander habet, euch ein Siegel und Wahrzeichen eurer Gemeinschaft mit Ihm? - Zion bricht hervor in Kraft, weil die Bruderliebe brennet! Es ist köstlich, daß der Apostel die Gemeinden ausfordern kann, dies schöne Merkmal der Erkenntniß Christi, den Wandel, in der Liebe zu den Brüdern, in ihrer eignen Lebensgeschichte zu lesen. Die Geschichte der Gemeinde Jesu Christi stellt überhaupt den Spruch dar: „Die Finsterniß vergeht, und das wahrhaftige Licht scheint schon“, während die Geschichte der Welt ihre Inhaltsanzeige an dem andern Spruche hat: „Das Licht scheint in der Finsterniß, und die Finsterniß hat es nicht begriffen“ (Ev. 1, 5.). Als die Heiden verwundert dem Liebeswandel der Christen zuschauten und riefen: „Sehet wie sie einander lieb haben und bereit sind für einander zu sterben!“ - als man das Merkmal der Christen in den Worten angab: „Sie lieben einander, noch ehe sie einander kennen,“ da strahlte das Licht im hellen Glanze, vor welchem die Finsterniß weicht. Möchte doch heute, wo jenes „schon“ eine so viel längere Lichtperiode umfaßt, keine Christengemeinde gefunden werden, in deren neuem Wandel nicht Wahrheit wäre, was Johannes als ein altes Gebot den Christen schreibt! Laßt uns aber Eins nicht übersehen. Die Finsterniß vergeht, sie wird vertrieben, sagt der Apostel; also im Kampfe, im noch nicht ausgekämpften Kampfe steht das Licht mit der Finsterniß. Wo wäre einer, der im Licht der Erkenntniß Christi, also in der Liebe zu den Brüdern wandelte, und nicht mit Schmerzen bekennen müßte, es sey immer noch Finsterniß aus ihm zu vertreiben? In Christo bleiben heißt bleiben in dem Gebete um Erleuchtung durch das uns und auch in uns schon scheinende Licht. Und wie es dem einzelnen Christen ergeht, also auch der ganzen Gemeinde. Die Finsterniß ist im Vergehen, und schon scheint das die Finsterniß vertreibende wahrhaftige Licht. Die Offenbarungsstätte des Lichts ist vorhanden in der Predigt des Worts und in der Spendung der heiligen Sacramente; von da her scheint das Licht heilskräftig in die Gemeinde hinein und wird mit Scheinen nicht aushören, bis alle Finsterniß vertrieben ist. Wenn aber einst alle Finsterniß aus immer vergangen und das wahrhaftige Licht Alles in Allen seyn wird, dann wird auch die Liebe, die schon fetzt des Lichtes heller Wiederschein ist, herangewachsen seyn zum Maße der Vollkommenheit der Liebe Christi.

V 9. Wer da sagt, er sey im Licht, und haßt seinen Bruder, ist annoch in der Finsterniß. „So oft als er die Worte braucht: Wer da sagt, gibt er allemal den ruhmredigen und eingebildeten Christen einen Stich).“ L. Unermüdlich ist der Apostel im Strafen derer, welche den Namen des Lebens an sich reißen und doch todt sind (Offenb. 3, 1.). Er zieht den Kreis, in welchem das Leben der Gemeinschaft mit Gott sich bewegt, in immer bestimmteren, schärferen Linien. Cap. 1, 6. 7. hat er das Wandeln im Lichte als das Merkmal der Gemeinschaft mit Gott angeführt; hier spricht er das „Seyn im Lichte“, das Erleuchtetseyn zur Erkenntniß Gottes, einem Jeden ab, der seinen Bruder haßt. Wer im Lichte ist, wie könnte der hassen seinen Bruder, welcher mit ihm desselbigen Lichtes Kind ist? Der geweihte Bruder-Name hat bei Johannes, und überhaupt in der apostolischen Sprache, allezeit seinen Vollsinn; er ist „ etwas Wahres“ unter den Christen, den Kindern Gottes, die aus Einem Geist geboren sind (vergl. besonders Cap, 5, 1.), Von der Bruderliebe schreibt Johannes; aber die brüderliche Liebe reicht auch dar allgemeine Liebe (2 Petri 1, 7.), denn wie sie darthut die Gemeinschaft mit Gott, der also die Welt geliebt hat, daß Er Seinen eingebornen Sohn zu ihrer Erlösung dahingab (Cap. 4, 9.), so erkennt sie in jedem Menschen einen Mitsünder, für den das Versöhnungsblut Jesu Christi vergossen ist (V. 2.). Wer nun seinen Bruder haßt, der zeigt eben damit, daß er selbst kein Bruder ist; er ist noch bis jetzt, ob ihn gleich das Licht schon lange angeschienen hat, in der Finsterniß. Kinder Gottes haben wohl noch - vergehende - Finsterniß an sich, aber sie sind nicht mehr in der Finsterniß. Wie dem Lichte die Liebe als Grundtrieb innewohnt, so ist Haß die Seele der Finsterniß. Der Fürst der Finsterniß ist der Mörder von Anfang (Joh. 8, 44.), und sein erster Frohnknecht Kam haßte seinen Bruder (Cap. 3, 12.). Der von der Finsterniß beherrschte Mensch macht sein eitles Ich zu dem Abgotte, dem er dient, und was in diesem Dienste ihn stört - es stört ihn aber darin das in Gottes Kindern leuchtende Licht - das tritt er unter die Füße. Johannes kannte solche, die des Lichtes sich rühmten, und doch bis aus diese Stunde in der Finsterniß waren. Diotrephes wollte hochgehalten seyn in der Gemeinde als ein hocherleuchteter Mann, aber er haßte die wahrhaftigen Lichtkinder, die Brüder, die wie Demetrius von der Wahrheit selbst und von dem Apostel der Wahrheit Zeugniß hatten (3 Br. 9. 10. 12). Das ist glänzende Finsterniß! Wer da sagt: „Ich kenne Ihn,“ legt aber den Nachdruck auf Ich statt auf Ihn; wer da jagt, er sey im Licht, liebt aber nicht das Licht, sondern nur sich selber und seinen angeblichen Lichtglanz, und haßt den Bruder, weil dessen Lichtwandel ihn verdunkelt: der ist noch in der Finsterniß. Nichts ist abscheulicher, als wenn das Licht zum Aufwärter der Finsterniß gemiethet wird. - In Satz und Gegensatz spricht Johannes zum Schluß noch einmal die Zusammengehörigkeit von Licht und Liebe, Finsterniß und Haß aus, und stellt der Liebe lichte Bahn, auf welcher unser Gang gewiß ist, dem finstern Hohlwege des Hasses, der in den Abgrund führt, gegenüber:

V. 10. 11. Wer seinen Bruder liebt, der bleibt im Licht, und ist kein Aergerniß bei ihm; wer aber seinen Bruder haßt, der ist in der Finsterniß und wandelt in der Finsterniß, und weiß nicht, wo er hingeht, denn die Finsterniß hat seine Augen verblendet. Wie zwischen Licht und Finsterniß keine Dämmerungsmitte sich halten kann, so gibt es auch keine Gleichgültigkeitsmitte zwischen Liebe und Haß. Wer seinen Bruder nicht liebt, der haßt einen Bruder. „Hier gilt es hassen oder lieben.“ Willst du also wissen, ob du gegen einen deiner Brüder Haß im Herzen hat, so prüfe dich, ob du ihn liebst: wo nicht, so wird an der von Liebe leeren Stelle eine Wurzel verborgen sitzen, aus der über Nacht grimmiger Haß aufschießen kann. - Die Bruderliebe ist beides zugleich: das Merkmal, daß wir zum Licht, zur Erkenntniß und Gemeinschaft Jesu Christi, gekommen sind, und der Weg, aus welchem wir im Lichte bleiben. Wer die Liebe Jesu geschmeckt hat und darum Ihn wiederliebt, der hat eine herzgründliche Neigung und ein freudiges Zutrauen zu dem Bruder, in welchem er die Gnadenspuren der Liebe wiederfindet, die seines Lebens Wonne ist. „ Was ich bin, mein Bruder, das bist du auch morden, wir sind an dem himmlischen Erbe Consorten. Ein Jeder für Alle zum Vaterland dringt, die Kirche nach Einem stets kämpfet und ringt. Wir müssen bereit seyn für Brüder zu sterben, wie Jesus uns auch so gemacht hat zu Erben; ein Glied fühlt und leidet des andern Verderben.“ Ein Herz und Eine Seele sind die Brüder, deren Herz und Seele an Einem Geliebten hängt, und im Neben der Pflicht gliedlicher Gemeinschaft genießen sie zugleich ein theures, zu ihrem Christen - Erbtheile gehöriges Recht. Und so bleiben sie im Lichte, denn aus dem Wege ungefärbter, keuscher, einfältiger Bruderliebe gibt es kein Aergerniß, keinen Anstoß; ob aus den Sünden des Bruders der Satan Aergerniß bereiten will, so ist doch kein Aergerniß in dem, der seinen Bruder liebt, denn die Liebe deckt auch der Sünde Menge (1 Petr. 4, 8.). Es klingt in diesen Worten der Psalmspruch durch: „Großen Frieden haben, die Dein Gesetz lieben, und werden nicht straucheln“ (wörtlich: „und finden keinen Anstoß.“ Ps. 119, 165.). Vergl. auch 2 Petr. 1, 10. Die Liebe ist des Gesetzes Erfüllung, und die Liebesbahn eine ebene Bahn (Spr. 15. 19.), aus welcher wir Gottes helles Wort zu unsers Fußes Leuchte haben, daher nicht straucheln an der Verkehrtheit unsers eigenliebigen Herzens und nicht in die Irrgänge eigner Anschläge gerathen. August in sagt: „Habe Liebe und thue, was du willst.“ Vielleicht bezieht sich Johannes, der Meister evangelischer Sprüchwörter, auch auf die schöne Stelle in den Sprüchen: „Der Gerechten Pfad glänzt wie ein Licht, das da fortgeht und leuchtet bis auf den vollen Tag; der Gottlosen Weg aber ist wie Dunkel, und wissen nicht, wo sie fallen werden“ (Spr. 4, 18. 19). So ist der Weg des Hasses, ein Weg voller Anstöße. „Stacheln und Stricke sind auf dem Wege des Verkehrten“ (Spr. 22, 5). Sich selber ist zum Aergerniß, wer seinen Bruder haßt, und er thue, was er wolle, so geräth es ihm alles zum Schaden der Seele. Er ist in der Finsterniß, seine Seele ist im Zustande der Gefangenschaft unter den finstern Mächten; und er wandelt in der Finsterniß, seine Worte und Werke tragen den Stempel ihres finstern Ursprungs. „Da gibt's Argwohn, Afterreden, unbillige Mißdeutungen unschuldiger Reden und gleichgültiger Sachen, - Verleumdungen, scharfe Urtheile, Partheylichkeiten, heimlichen Neid, Verachtung der Einfältigen, böse Tücke und Arglist, sich bei Andern in Credit zu setzen oder darin zu erhalten, Schmeichelei gegen die, so einen noch für etwas halten, und Hochherfahren über Andere, die man für schwächer hält, Ruhmredigkeit von sich, von seinen Erfahrungen und von einem Thun, Verdrehung der Lehre zum Vortheil des Fleisches und der Weltart, Zänkerei, Verwirrung der Unschuldigen, „Trennung und Zerrüttung der Gemeinden.“ Steinhofer. Das Strafgericht, welches über solche ergeht, die den Haß zum Führer erwählen auf ihrem finstern Wege, spricht der Apostel in Worten aus, die das Wort des HErrn Jesu ins Gedächtniß rufen sollen: „Wer in Finsterniß wandelt, der weiß nicht, wo er hingeht“ (Ev. 12, 35), jammt dem andern: „Wer des Tages wandelt, der stößt sich nicht, denn er sieht das Licht dieser Welt; wer aber des Nachts wandelt, der stößt sich, denn es ist kein Licht in ihm“ (Ev. 11, 9. 10). Die Juden wußten nicht, wo sie hingingen, als sie von Jesus-Haß verblendet ihre finstere Straße zogen. So weiß ein von der Sünde des Hasses (und der Bruderhaß ist ja Jesushaß) verwirrter Mensch einen Weg nicht; mitten im Sagen, er sey im Licht (denn „dem Thoren gefällt sein Weg wohl,“ Spr. 12, 15.), geräth er aus einer Finsterniß in die andre, derer er sich nicht versieht, und seines Weges Ende ist die Hölle. „Blind ist, wer einen Bruder haßt; verborgen ist ihm der Weg zur Hölle, den er läuft.“ Cyprian. Es ist unmöglich, vor irgend einer Sünde seine Seele zu bewahren, wenn Haß die Seele beherrscht. Liebe macht alle Tugenden leicht, Haß öffnet allen Sünden die Thür. Liebe beweist und bewahrt die Erkenntniß Jesu Christi, des wahrhaftigen Lichtes, Haß schließt und löscht die Erkenntniß Jesu Christi aus, und die im Haß bleiben, bleiben in der Finsterniß. - Johannes trifft mit diesen zweischneidigen Worten den Lügnern ins Herz, welche aus dem „Erkennen“ ein Gewerbe machten und die einfältigen Christen von der richtigen Bahn, auf welcher das alte Wort von der neuen Liebe ihnen voranleuchtete, auf ihre dornichten und anstößigen Wege zu verführen trachteten. Vor denen sollten eine Kindlein sich vorsehen, und unberückt durch ihre Lichtredensarten mit dem Brudernamen sie nicht grüßen. Aber auch sich selber sollten sie prüfen, ob dies auf ein Bleiben im Lichte ernstlich angelegt hätten, ob die Merkmale der Erkenntniß Gottes wahrhaftig an ihnen zu spüren wären.

Liebster HErr Jesu, wir bitten Dich, begnadige unser Leben mit den Merkmalen Deiner Erkenntniß, damit auch an uns, wie an unsern Brüdern zur Zeit Johannis das Wort wahr sey: „Die Finsterniß vergeht, und das wahrhaftige Licht scheinet schon!“ Du wahrhaftiges Licht scheinest wohl ohne unser Gebet, aber wir bitten in unserm Gebet, daß Du auch bei und in uns scheinest. Mache uns und alle unsre Brüder zu einem Licht in Dir. Du hast ja für uns gebeten, daß die Liebe, womit der Vater Dich liebt, in uns seyn solle: dies Wort halten wir Dir vor, o HErr, und übergeben Dir unsre Herzen, daß Du sie erleuchtest durch Dein Evangelium, zu erkennen Dich und die Liebe Gottes, die in Dir ist. Ja, Dich also zu erkennen, daß die Liebe Gottes vollkommen sey in uns, das hätten wir gerne! Vollende unsern Glauben, damit Deine göttliche Liebe ihr Werk vollenden könne in unsern Herzen, und wir bleiben mögen in der Liebe zu Dir unser Lebelang. Du hast Dich für uns selbst geheiligt in Deinem Wandel in unserm Fleische: so laß nun das Verdienst Deiner Heiligung uns zu Statten kommen, aus daß auch unser Wandel geheiligt, unser Sinn nach Deinem Sinne erneuert und unser ganzes Leben in das Bild Deines Lebens verklärt werde. Wir danken Dir, daß alle Gebote, die Du uns gegeben hast, von Dir gehaltene Gebote sind: Du hast sie gehalten für uns, hilf, daß wir sie halten in Dir. Schreibe das Gebot aller Gebote, das Gebot des Neuen Testaments, das wir von Anfang gehört haben, schreibe es durch den Schöpfer des neuen Lebens, den Geist der Wahrheit, in unsre Herzen, und laß uns Deinen Fußstapfen folgen aus dem lichten, wohlgebahnten Wege der Liebe zu den Brüdern, die sammt uns wiedergeboren sind durch die Taufe in Deinen Tod und mit uns Deinen Tod verkündigen. Behüte uns, treuer Heiland, vor dem Wege voller Aergernisse, der zur Hölle hinunterführt; wo wir fündigen und die Liebe verletzen, da gib uns bald Buße, daß die Finsterniß vergehe, ehe sie unsere Augen verblendet. HErr Jesu, Dein Licht scheint schon in Deiner Jüngergemeinde auf Erden! Laß uns bleiben in ihrem Lichte, in Dir, o HErr, und wenn es nun heißt: „Ihr Licht wird hell, ihr Stern geht auf“, dann laß von dieses Lichtes Glanz uns ewig ergötzt werden im neuen Jerusalem, da wo die Seligen das alte Gebot der Liebe halten in vollkommenem Gehorsam. Amen.

Mel. Wunderbarer König.

Abba, lieber Vater, Sohn und Geist der Gnaden!
Heile allen unsern Schaden.
Falschheit, Schein und Tücke, Stolz und Eigenliebe,
Kreuzige durch Deine Triebe.
Satans Macht
Wird veracht‘,
Wenn wir Dich nur kennen
Und in Liebe brennen.

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