Ball, Ernst Friedrich - Christus der köstliche Eckstein

Ball, Ernst Friedrich - Christus der köstliche Eckstein

Dem Wunsch mehrerer Freunde zufolge, gebe ich diese Predigt zum Druck, und das um so lieber als dies mir einen Weg öffnet, etwas zur Unterstützung meiner lieben Gemeinde zu tun, die sich in einer drückenden Lage befindet, keine Mittel in sich selbst besitzt, und für ihre dringendsten Bedürfnisse keinen Rat weiß. Zu diesen gehört vor allem der Wiederaufbau der Pastorat1), welche so verfallen ist, dass der Prediger schon seit den letzten zehn Jahren in einem gemieteten und schlechten Bauernhaus wohnen musste; außerdem fehlt auch noch eine Wohnung für den Schullehrer, die angekauft oder gebaut werden muss.

Sollten sich nun solche christliche Freunde finden, die außer durch Ankauf dieser Predigt, auch auf andere Weise ihre mildtätige Teilnahme für meine Gemeinde etwa noch erweisen wollten, so erlaube ich mir zu bemerken, dass die geehrten Verleger derselben, Herrn J. Müller & Comp., so wie auch Herr von Beaufort (Leidschegracht hieselbst) sich freundlichst erboten haben derartige Beweise christlicher Liebe für meine Gemeinde zu empfangen; so wie sie auch jede nähere Auskunft über die Umstände derselben gern mitteilen werden.

Wollte ich noch mehr sagen, so fürchtete ich unbescheiden zu sein und dem Gefühle solcher zu nahe zu treten, die sich eine Freude daraus machen, wo und wann sie ihre Liebe gegen solche beweisen können, welche eins mit ihnen in dem Bekenntnis eines Herrn, eines Glaubens, und einer Taufe im Äußern weniger als sie gesegnet sind.

An solche richtet sich denn auch dieses Wort; möchte es bei vielen Eingang finden. Gott aber öffne Herzen und Händen und gebe allen Lesern je mehr und mehr die Gnade Unsers Herrn Jesu Christi, der uns täglich köstlicher und lieber werde!

AMSTERDAM,
Oktober 1833.

E. F. B.

Die Gnade unsers Herrn Jesu Christi, die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. AMEN.

Paulus, in Christo Jesu unserm Herrn herzlich geliebte Zuhörer, schreibt dem Philemon V. 6: Ich gedenke dein allezeit in meinem Gebete, dass dein Glaube, den wir mit einander haben, in dir kräftig werde, durch Erkenntnis alles des Guten, das ihr habt in Christo Jesu. Er spricht zu dem Philemon von einem Glauben, den sie mit einander haben; das ist denn auch ein Gut, das alle wahre Christen gemeinsam besitzen. Der Hottentotte in den Wüsten Afrikas, der Grönländer auf den Eisfeldern des Nordpols, der Europäer aus dem gebildetsten Kreis - sie haben freilich mancherlei Verschiedenheiten, aber eins, sobald sie bekehrt sind - eins haben sie gemeinsam, das ist ihr Glaube. Wie verschieden auch die Sitte des Volkes, die Sprache des Landes sein mag, wie verschieden der Stand, die Bildungsstufe, die Denkweise in jeder anderen Beziehung, Eins ist ihnen gemeinsam: Sie glauben allezumal, dass sie arme Sünder sind, die des Ruhms mangeln, dass sie in keinem Anderen das Heil haben und kein anderer Name ihnen gegeben sei darin sie selig werden, dass sie durch die Gnade des Herrn Jesu selig werden; sie halten dafür, dass sie gerecht werden aus lauter Gnade, allein um des Verdienstes Jesu Christi willen; sie halten sich dafür, dass sie der Sünde abgestorben, Gott leben in Christo Jesu unserm Herrn; kurz die 3 Stücke unseres Katechismus: von dem Elend der Sünde, von der Erlösung durch Jesu Christo und von der Dankbarkeit des Erlösten, das ist ihr gemeinsamer Glaube, selbst auch dann, wenn in Nebenbestimmungen ihre Formeln verschieden lauten sollten.

Und wenn so, Geliebte, ein Fremdling z. B. aus dem benachbarten Deutschland, ein Jünger Christi hierherkommt, so tut es ihm zwar wohl, auch hier so manche Genossen seines lieben Vaterlandes zu finden und von so manchen Seiten her die heimatlichen Töne seiner Muttersprache zu hören, es tut ihm wohl, wenn er der Reformirten Kirche angehört, hier an dieser Stätte die Gesänge, die Formulare, die Bekenntnis-Schriften seiner lieben Vaterländischen Kirche wieder zu finden - aber was ihn doch mehr als dies alles erquickt, das ist, dass er auch hier Genossen des Himmlischen Vaterlands antrifft, die Herzens-Sprache des Glaubens auch hier hört und Glieder der Heiligen Allgemeinen Christlichen Kirche findet, deren Teilnehmer aus allen Geschlechtern der Erde der Herr sich erwählt hat. Da vergisst er die Verschiedenheit, die Volk, Sprache, Sitte und Stand sonst zu ziehen pflegt über dem Glauben, den sie mit einander haben, über der einen Hoffnung, der sie sich trösten, über dem einen Weg, auf dem sie wandeln, über dem einen Herrn, den sie lieb haben, über die Erfahrungen, Anfechtungen, Erquickungen, die sie gemeinsam machen, dulden und genießen. Es geht ihm wie Paulus, als er in die fremde und große Stadt Rom kam, als er die Brüder sah, da dankte er Gott und gewann eine Zuversicht (Apost. Gesch. 28,15.)

Sie haben, die Christen aller Orten, einen gemeinsamen Glauben mit einander, aber auch mit einander eine Klage, einen Wunsch in Bezug auf denselben die Klage, in welche auch der Held im Glauben noch einstimmt, dass dieser Glaube noch nicht stark genug sei, den Wunsch, dass er kräftig in ihm werde. Nicht wahr, Geliebte, ihr habt nirgend in der Bibel, nirgend im Leben einen Gläubigen gefunden, der mit seinem Glauben zufrieden gewesen wäre, sie haben alle mit der Schwachheit des Glaubens zu kämpfen, alle, wenn auch von verschiedenen Staffeln des Glaubens herab, beten sie mit dem Vater im Evangelio: ich glaube, lieber Herr, komm zu Hilfe meinem Unglauben.

Das wusste auch Paulus von seinem Philemon, ohne dass dieser ihm das erst hätte sagen müssen und das, meine Geliebten, weiß auch ich, obwohl ein Fremdling unter Euch von jedem, der unter uns das Leben des Glaubens zu leben begonnen hat - es ist in seinem Herzen der Wunsch, er hat ihn hier ins Haus Gottes geführt, dass sein Glaube doch in ihm kräftig, fester und gegründeter werden möge.

Und da gibt der Apostel denn nun weiter an, wodurch dies geschehe: durch die Erkenntnis alles des Guten, das ihr habt in Christo Jesu. Ach, ist es nicht so, ihr lieben Mitgläubigen, ist nicht darum die Wolke des Unglaubens so dicht, die Hand des Glaubens so dürre, weil wir nicht erkennen - alles das Gute das wir haben in Christo Jesu? Zum Teil mangelt uns vielleicht gar noch die buchstäbliche Erkenntnis des ganzen Erlösungswerks Jesu Christi; wir wissen vielleicht noch nicht einmal das große und doch in der Schrift so offenbare Geheimnis von der Stellvertretenden Genugtuung Jesu Christi, wodurch dieser Bürge für uns alles getan, alles bezahlt, alles gelitten hat, was wir hätten tun, und bezahlen, und leiden müssen; uns ist das Evangelische Wörtlein Gnade noch ein verdecktes Wort, das wir mehr oder weniger mit dem gesetzlichen Worte: Verdienst vermengen. Oder wenn wir auch die buchstäbliche Erkenntnis davon haben, lebt diese Erkenntnis in uns, hat sie in uns Gestalt gewonnen und wie ein lebendiger Geist unser ganzes Wesen durchdrungen? Zweifeln wir nicht eben darum noch so oft, ist unser Glaube nicht deswegen noch so schwach, weil wir es eben immer wieder vergessen was wir alles, ja dass wir alles Gute an Christo haben.

Und darum, Geliebte, was können wir besseres tun als uns gegenseitig von dem Guten erzählen, welches wir in Christo haben, unter einander und mit einander rühmen den unerforschlichen Reichtum seiner Gnade und so gemeinsam uns in der Erkenntnis seiner Heilsgüter fördern? Das war das Lieblingsgeschäft der Gläubigen zu allen Zeiten, darum finden wir in der Heiligen Schrift, besonders in den Psalmen so manche Aufforderung, gemeinschaftlich den Namen des Herrn zu rühmen und ihn zu loben, darum will David in dem vorhin eurer Andacht vorgelesenen Psalm (Psalm 34) vor den Ohren der Elenden den Herrn rühmen, dass diese sich freuen sollen und so, Geliebte, wollten wir auch in dieser Stunde mit einander vom Herrn rühmen, auf dass ihr und ich, alle die den Herrn suchen und sich elend fühlen, mit neuer Freude gestärkt und erquickt würden.

Aber zu solchem Rühmen vom Herrn haben die Boten Jesu Christi, so oft sie an dieser heiligen Stätte stehen noch eine andere Veranlassung.

Es sind nicht alle Zuhörer in einer Kirche Gläubige, so wenig wie alle Getaufte Glieder Christi sind, die Zahl der Gläubigen ist seit der Gründung der Kirche immer das geringe Häuflein, die kleine Herde und so wird es dann auch wohl hier sein. Es werden auch hier noch leider solche geben, die ihre eigenen Gedanken nachwandeln auf einem Wege der nicht gut ist, aus Sündenlust oder Eigengerechtigkeit von Christo nichts wissen wollen und den schmalen Weg der Wiedergeburt verschmähen. Ja denen, die noch draußen sind, sollen wir Diener Christi die Einladung ihres Herrn bringen, wir sollen sie nötigen herein zu kommen, wir sollen sie bitten an Christi statt: Lasst Euch versöhnen mit Gott. Und wie können wir diesen Auftrag besser ausführen, als indem wir ihnen die Herrlichkeit Christi die Seligkeit seines Reiches vorhalten. Der Teufel, die Welt und ihr eigen Fleisch und Blut sagen ihnen so oft vor: der Christenstand sei ein Jammerstand, dass wir ihnen doch auch wohl einmal bezeugen dürfen, wie selig wir es beim Herrn haben.

Das soll denn unter Gottes Beistand auch heute geschehen, ach dass es vielleicht den Herrn gefalle, dessen Allmacht und Güte unbeschränkt ist, eine, ja viele Seelen zu erretten von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht, wenn sie die Tugenden dieses Herrn verkündigen hören. O, darum lasst uns mit einander um eine Gnadenstunde bitten, für seinen Diener um einen offnen Mund und ein Herz voll Empfindung all des Guten, was wir an Christo haben, für die Hörenden, um ein offenes Herz, für uns alle um seinen Segen und seinen Heiligen Geist.

TEXT: 1 Pet. 2,7a.
EUCH NUN DIE IHR GLAUBET, IST ER KÖSTLICH.

Unser Textkapitel, Geliebte, beginnt mit einem Gebot, mit einer Aufforderung zur Heiligung, aber die Heiligung im neuen Testament, die Gebote desselben schweben nicht in der Luft, wie die moralischen Vorschriften des alten und neuen Heidentums, sondern sie stehen da als Früchte der Dankbarkeit, gegründet auf Christum. So befiehlt auch der Apostel Petrus diesen heiligen Wandel den Gläubigen nur in der Voraussetzung, dass sie geschmeckt haben, wie freundlich der Herr sei. Wenn ihr in der Vergebung eurer Sünden, im gläubigen Umgang mit Christo seine Freundlichkeit und Gnade geschmeckt habt, dann werdet ihr auch gerne die Sünde ablegen und euch als lebendige Steine in dem Wandel eurer Heiligung auf Christum gründen. Bei dieser Ermahnung gedenkt der Apostel jener Weissagung von Christo, die Jesaj. 28,16 aufgezeichnet steht, und die dem Apostel besonders teuer gewesen zu sein scheint, wenigstens führt er dieselbe auch noch bei einer anderen wichtigen Gelegenheit an, als er nämlich Apost. Gesch. 4 auf Tod und Leben angeklagt, vor dem Hohen Rat stand; die Weissagung lautet: siehe da, ich lege einen auserwählten köstlichen Eckstein in Zion: und wer an ihn glaubt, der soll nicht zu Schanden werden. Euch nun fügt er mit dem Wort unseres Textes hinzu, „die ihr glaubt, ist er, der Eckstein Jesus Christus köstlich.“

So kurz nun auch die vorgelesenen Worte sein mögen, so reichen sie doch so vollkommen für den Zweck unserer heutigen Predigt hin, dass ich vielmehr fürchte in der Erklärung derselben an Zeit eher Mangel als Überfluss zu haben. Überhaupt ist ja die Köstlichkeit des Herrn Jesu, die wir heute rühmen wollen, ein Gegenstand, den man wohl zu betrachten anfangen kann, aber vollenden, ausreden in alle Ewigkeit nicht. Nein, in alle Ewigkeit nicht, denn das wird ja das endlose Geschäft, die endlose Seligkeit seiner Gläubigen im Himmel sein, ohne Aufhören von ihm zu rühmen, und Tag für Tag zu schmecken und zu sehen, wie freundlich und wie köstlich er ist. Doch da wir hienieden schon, wie unser lieber Katechismus sagt, den Anfang der ewigen Freuden in unserm Herzen empfinden mögen, so dürfen wir auch hier schon das Geschäft des Himmels beginnen, und seine Köstlichkeit rühmen und erfahren. Das gebe uns der Herr denn auch in dieser Stunde, wo wir nach Anleitung unseres Textes:

Von dem köstlichen Eckstein Jesus Christus reden, und zwar erstens die Köstlichkeit an und für sich, und zweitens die Erkenntnis derselben näher betrachten wollen.

I. Jesus ist der köstliche auserwählte Eckstein, und das ist er an und für sich schon.

Auch wenn von allen Adamskindern keiner ihn lieb und wert geachtet, wenn alle Menschen ihn verachtet und verworfen hätten, er wäre dennoch gewesen und geblieben, wie die Schrift ihn nennt: auserwählt und köstlich. Sein Wert hängt nicht von dem Beifall der Menschen ab, und fällt nicht mit ihrer Verachtung. Die Alpenrose prangt in ihrer Farbenglut auf dem eisigen Gletscher und ist darum nicht minder schön, ob das Auge der Menschen sie bewundert oder nicht, und die Perle im Grunde des Meeres ist dennoch ein köstliches Kleinod, ob auch der Mensch sie in der Tiefe nicht ausfindig macht. So auch vielmehr Christus, er ist an und für sich und vor Gott auserwählt und köstlich.

Zuerst, Geliebte! schon um des Zweckes willen, wozu er von Gott bestimmt ist. Er wird hier ein Eckstein genannt, auf dem ein Gebäude ruhen soll, das geistliche Haus Gottes, das zur Verherrlichung des Dreieinigen und zur Beseligung der Menschen dienen soll, er soll der Grundstein sein, auf dem aller Preis und Lob, Gottes gegründet ist, der jenen heiligen Tempel trägt, in dem sich einst alle Knie beugen und alle Zungen derer, die im Himmel und auf Erden und unter der Erden sind, bekennen sollen, dass Christus der Herr sei zur Ehre Gottes des Vaters. Da tönt im Himmel und auf Erden kein Halleluja, das nicht in Christo seinen Grund hätte. Gott zu verherrlichen in allen seinen Kreaturen - kann es eine heiligere und höhere Bestimmung geben, Geliebte? Aber er ist noch mehr denn das! er ist um unseretwillen da, zur Seligkeit der armen Sünder, er ist gesandt, in Zion gelegt um das Wohlgefallen Gottes auszuführen, den geheimen und unerforschlich liebreichen Ratschluss des Erbarmens Gottes, er soll wieder gut machen, was Adam verdorben hat. Und das Gebäude das auf diesem Grunde ruht - wie nenn ich es am besten, meine Zuhörer?

Ein festes Schloss heißt es, der Gerechte läuft dahin und wird erhalten; eine Herberge, wo jeder arme Sünder Einlass findet, sie trägt die Inschrift: Wer zu mir kommt, den will ich nicht hinaus stoßen; ein Bethesda ist es, ein Krankenspital, wo alle Geistlich Kranken Aufnahme finden und er heilt alle ihre Gebrechen; eine Armen-Anstalt, wo die bettelarmen Sünder, die Schuldbeladenen das Lösegeld für ihre Sünden, das Brot des Lebens, den Rock der Gerechtigkeit, die Kleider des Heils und dies alles umsonst bekommen, kurz, Leben und volle Genüge. Das ist der Zweck dieses Ecksteins Jesus Christus. Da ist auf Erden keine wahre Freude, da gibts im Leben und Sterben keinen Trost, und unter dem Seligen im Himmel keine Seligkeit, die nicht auf diesem Grund gewachsen wäre, vor dem Thron dieses erwürgten Lammes werfen die Heiligen im Himmel nicht nur die Kronen ihrer Heiligkeit nieder, sondern auch die Harfen ihrer Seligkeit, als etwas das sie ihm und seinem Blut verdanken. Haben wir, Geliebte, nun so aus der Bestimmung desselben die Köstlichkeit dieses Ecksteins gesehen, so wird uns der Blick auf die herrlichen Eigenschaften desselben, diesen noch deutlicher machen. Seiner Natur nach ist dieser Grundstein unseres Heils göttlichen Ursprungs.

Wie müssten wir schon die Herrlichkeit unsers Erlösers preisen, wenn es Gott gefallen hätte einen Seiner Thron-Engel oder auch nur einen der geringsten der Tausendmal Tausend, die ihm dienen zu uns herab zu senden, wenn jener Engel zum Beispiel, der in Bethlehems Feldern die Geburt des Heilands verkündete, selbst dieser Erlöser gewesen wäre, wir Sünder hätten schon Ursache genug Gottes überschwängliche Barmherzigkeit zu preisen. Aber nein! das war Gott nicht genug! Also - und wer begreift dieses also? Also hat Gott die Welt geliebt, dass er Seinen eingeborenen Sohn gesandt. Als es galt die Menschen, die abgefallenen Geschöpfe, die Rebellen gegen seine heilige Majestät, die undankbaren Kreaturen aus dem Abgrund des Elendes zu erretten, worin sie sich selbst gestürzt hatten, da gab er das Beste, was der Himmel, das Beste, was das große Weltall besitzt, da gab er das Teuerste seines Herzens, seinen eingeborenen Sohn für uns dahin. Der Eckstein, von dem wir reden, der Jesus, der uns selig macht ist zugleich auch das ewige Wort, durch welches alle Dinge gemacht sind, das Ebenbild des Vaters, der Abglanz seiner Herrlichkeit, in welchem wohnt die Fülle der Gottheit leibhaftig. Derselbe Grund, der das Gebäude unserer Seligkeit trägt, trägt auch alle Dinge mit seinem kräftigen Wort. Unser Erlöser ist Gott, Gott hoch gelobt in Ewigkeit.

Darum kann er denn auch, was aller Kreatur unmöglich war, die Last des Zornes Gottes tragen und uns davon erlösen. Ach! wohin auch die arme Menschheit ihre seufzende Frage nach Erlösung schickte, von allen Seiten kam die traurige Antwort zurück: es kann ein Bruder den andern nicht erlösen, es kostet zuviel, er muss es anstehen lassen ewiglich. Aber Christus kann es. Er hat keinen Teil an Adams Schuld und gehört nicht zu denen, die aus sündlichem Samen gezeugt und in Sünden empfangen sind, er ist grade ein solcher Hohepriester, wie wir ihn haben müssten, heilig, unschuldig, unbefleckt, von den Sündern abgesondert, und höher denn der Himmel, dem nicht Not wäre zuerst für eigene Sünden Opfer zu tun.

Aber dieser wahre Gott ist doch auch wahrer Mensch und Fleisch von unserm Fleisch, er hat unsere menschliche Natur angenommen, auf dass er als unser Blutsverwandter und Goel, als ein Bürge aus unserer eigenen Mitte, unsere Sache führte, auf dass wir Menschen Mut bekämen zu diesem Menschensohn; er ist in allen Dingen seinen Brüdern gleich geworden, auf dass er mit ihnen Mitleiden haben könne, und ihnen aushelfen, wo sie versucht werden, und sie vor Gott vertreten dürfte als sein eigenes Geschlecht.

Auch das gehört noch zu seinen Erlösungseigenschaften, dass er willig war uns zu erretten; so schwer es ihm auch wurde, seiner menschlichen Natur nach, so bange ihm auch vor der Leidenstaufe war, so gern er auch den bitteren Kelch hätte vorüber gehen lassen, das stand doch bei ihm fest: ich lasse mein Leben für die Schafe. Er sah vom Himmel herab auf das arme Volk, ja auf dich und mich, mein lieber Zuhörer, sah uns schon in seiner göttlichen Allwissenheit lange, ehe wir geboren waren, sah uns dahin gehen auf dem Wege zur Hölle - und es jammerte ihn unserer. Seine Liebe, deren Höhe und Tiefe, deren Breite und Länge niemand aussprechen kann, trieb ihn, er sprach zu seinem Vater: siehe, hie bin ich, deinen Willen, o Gott, tue ich gern. So kam er herab auf diese Erde des Fluchs und vertauschte die Herrlichkeit seines himmlischen Thrones mit der Krippe Bethlehems, so ging er hinauf gen Jerusalem um zu leiden, so lag er im Staube Gethsemanes und rang mit dem Tode für uns, so trug er bis zum Tode am Kreuz als das Lamm Gottes die Sünde der Welt. Gott warf alle unsere Sünde auf ihn, aber er bezahlte als unser Bürge alle unsere Schuld; als er am Kreuze hing und blutete und starb für dich und mich, da konnte er rufen: es ist vollbracht, da hatte er alles getan, gelitten, erworben, was nur immer zur Seligkeit der Sünder nötig war. Als er auferstand von den Toten, da bezeugte ihm der Vater, dass er nun bis zum letzten Scherflein alles bezahlt habe, da ward die Handschrift, die wider uns zerrissen, die Quittung dem Bürgen geschrieben, dass er nun alles vollkömmlich entrichtet habe. Daher er denn nun war erhöht zur Rechten des Vaters, lebt immerdar und selig machen kann alle die durch ihn zu Gott kommen.

Um diese erworbene Seligkeit uns nun ferner zuzueignen, besitzt er als der ewige Gott alle nötige Eigenschaften. Seine Allwissenheit durchschaut alle Winkel der Erde, da ist kein verlorener Sohn noch so verirrt vom Vaterhaus, kein Sünder so versenkt im Sündenschlamm, kein Mensch so gering, so unbekannt, so verborgen, den seine Allwissenheit nicht zu finden wüsste. Auch hier in unserer Kirche sieht sein Auge jeden Sünder, wo er sich auch verbergen wollte. Seine Allgegenwart weiß sich auch zu den geheimsten Sünden-Winkeln Bahn zu machen; nirgend kannst du seiner lockenden Stimme entfliehen, sie verfolgt dich auf deinem Lager und bei der Arbeit, sie begleitet dich auf deinen Wegen und tritt mitten in deinen Sündengenüssen mit dem Zuge des Vaters, mit strafender und einladender Stimme, vor dich hin. Seine Allmacht zieht und überwindet auch den halstarrigsten Sünder. Ihr gilt es gleich einen Saulus mitten in seinem Schnauben und Wüten zu einem Paulus zu machen, oder einen Johannes mit dem sanften Zuge der Liebe allmählig zu ziehen. Seine Güte und Langmut wird nicht müde den ganzen Tag und immer wieder seine Arme auszustrecken nach einem ungehorsamen Volk, das seinem Gedanken nachfolgt auf einem Weg, der nicht gut ist. Seine Barmherzigkeit tut sich zu den Leidtragenden und Elenden, zu den Mühseligen und Beladenen und wo ein Auge um Gnade weint um Erlösung seufzt, da bricht ihm das Herz, dass er sich erbarmen muss. Da kommt dann seine Gerechtigkeit den Ungerechten und Sündern zu gut. Sein vollgültiges Verdienst, sein vollkommener Gehorsam, sein Leiden und Sterben bedeckt, vergibt, bezahlt alle unsere Unterlassungs- und Begehungs-Sünden auch die blutigroten Missetaten, ja selbst die ganze sündliche Art, mit der auch der Gläubige sein Leben lang noch zu streiten hat. Seine Heiligkeit kann keine Sünden leiden, er ruht daher nicht bis er die Sehnsucht seiner Glieder gestillt und sie ganz rein, heilig, unsträflich, ohne Flecken oder Runzel, oder des etwas vor Gott darstellt.

Seine Gottheit strömt allerlei seiner göttlichen Kraft, was zum Leben und göttlichen Wandel dient in die schwachen Gefäße seiner Kinder aus und dass dieser Brunnen nie leer wird, wie viele, auch aus dieser Fülle Gnade um Gnade nehmen mögen, dafür bürgt eine andere Eigenschaft seines Wesens, die Unendlichkeit. Bei dem mühsamen Geschäfte seine unfolgsamen Kinder zur Seligkeit zu erziehen, kommt ihm seine unermüdliche und unerschöpfliche Geduld zu gut; seine Allgenugsamkeit ersetzt seinen Gläubigen alles was sie um seinetwillen missen müssen so reichlich das, wo der Herr unser Hirte ist, uns nichts, gar nichts mangelt. Seine ewige Kraft schafft in ihnen immer aufs neue wieder Buße, Glaube, ja alles neu, wirkt in ihnen, die ohne ihn nichts können und sind, also kräftig, dass sie alles vermögen durch den, der sie mächtig macht, welcher ist Christus. Endlich sichert seine Unwandelbarkeit es ihnen zu, dass der Grund ihres Heils, der Eckstein auf dem ihre Seligkeit ruht, nicht wankt noch weicht. Berge können hinfallen, Hügel weichen, aber der Felsen Christus, die gewissen Gnaden Davids nicht, in Ewigkeit nicht, denn er ist unwandelbar. Mit einem Wort - alles was an ihm ist, und das ist die Fülle der Gottheit, das ist für den einen großen Zweck seines Amtes da - selig zu machen. Fürwahr ein köstlicher Eckstein! Wir haben uns unterwunden etwas von seinem Lobe zu sagen, aber wir stehen vor einem Ozean, den wir in Ewigkeit nicht, leer schöpfen, es geht uns bei unserm Rühmen, wie dem Sirach, wir müssen Christi Lob schließen mit seinem Bekenntnis: Wenn wir gleich viel sagen, so können wir es doch nicht erreichen. Kurz: Er ists gar. Wenn wir gleich alles hoch rühmen, was ist das? Er ist doch noch viel höher, über alle seine Werke. Der Herr ist unaussprechlich groß, und seine Macht ist wunderbar. Lobt und preist den Herrn, so hoch ihr vermöget; er ist doch noch höher. Preist ihn aus allen Kräften, und lasst nicht ab; noch werdet ihrs nicht erreichen. Wer hat ihn gesehen, dass er von ihm sagen könnte? Wer kann ihn so hoch preisen, als er ist?

II. Aber wer weiß und glaubt und erkennt das?

Ist seine Herrlichkeit wie die der strahlenden Sonne, die alle Welt erleuchtet? ach nein! das Licht scheint in der Finsternis und die Finsternis haben es nicht begriffen, sagt Johannes (Kap. 1,5.) Ist Jesus Christus allen Menschen köstlich? leider! die Antwort brauchen wir nicht weit zu suchen, blickt nur, Geliebte, in die nächsten Worte, die unserm Text folgen, da heißt es: den Ungläubigen ist er ein Stein des Anstoßes, und ein Fels des Ärgernisses. Nein, leider nicht weit suchen dürfen wir die Antwort, blickt nur in eure nächste Umgebung, sehen wir da nicht so viele, die da wandeln, ich sage es mit Weinen, als die Feinde des Kreuzes Christi, oder gleichgültig wie die Blinden, die von der himmlischen Sonne nichts wissen. Ach die Antwort, wir brauchen sie nicht weit zu suchen, wir selbst gehörten noch vor Kurzem vielleicht, oder gar heute noch! - prüfe dich mein Zuhörer! zu denen, welche Christum verwarfen, die laut oder leise sprechen: wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche! die mit Pilatus fragen: was soll ich mit diesem Christo machen? Nein, der Apostel sagt: Euch, die ihr glaubt, ist er köstlich, und spricht es eben damit aus, dass der Glaube allein das Mittel sei, wodurch wir die Kostbarkeit des Herrn Jesu erkennen können. Wie das Auge das Sinnenwerkzeug ist, wodurch wir die Farbenpracht der Blumen schauen, oder die Zunge, womit wir des Honigs Süßigkeit kosten, so ist der Glaube der geistliche Sinn, ohne welchen niemand Christum erkennen, achten und lieben kann. So lange wir nicht glauben, sobald wir wieder kleingläubig werden, oder den Glauben gar fahren lassen, sobald und so lange und so fern hat Christus keinen Wert für uns. Aber dieser Glaube ist nicht, um mit Luther zu reden, jenes menschliche Gedicht, welches etliche für Glaube halten, es ist nicht bloß die gewisse Erkenntnis des Kopfes, wodurch ich die Offenbarung Gottes für wahr halte, sondern ein herzliches Vertrauen, welches der Heilige Geist durchs Evangelium in mir wirkt, dass nicht allein Andern, sondern auch mir Vergebung der Sünden, ewige Gerechtigkeit und Seligkeit von Gott geschenkt sei aus lauter Gnaden, allein um des Verdienstes Christi willen. Der Glaube ist Gottes Werk; derselbe Gott, der die Sinne des Leibes uns geben und bewahren muss, muss auch diesen geistlichen Sinn in uns schaffen und erhalten, nach der Wirkung seiner allmächtigen Stärke, womit er auch Christum von dem Tod auferweckt hat. Dann glauben wir und dann ist Christus uns köstlich.

Er war es nicht! Ach wir gingen, ohne ihn durch diese Welt, liefen hin und her in der Wüste der Sünde, elend zwar und verloren, aber wir wusstens und glaubtens nicht. Da, da erschien die Freundlichkeit und Leutseligkeit Gottes unseres Heilands; nach seiner freien Gnade erbarmte er sich unser, als wir in unserm Blut da lagen; da

erleuchtete uns das Licht des Heiligen Geistes und wir sahen unter dem Gebrauch oder Gehör des Wortes zum erstenmal unser Herz in seiner elenden sündhaften Gestalt, unser Leben mit Schulden und Sünden beladen, wir fühlten uns als Sünder vor dem heiligen Gott und von ihm und der Seligkeit durch die Sünde, wie durch eine Wolke, geschieden; wir wollten sie selbst weg tun, aber das ging nicht, der Berg unserer Sünde wurde nur höher, die Wolke nur dichter und unser Elend grösser. Da trieb die Not und die Angst uns zu der Frage: ich elender Mensch wer will mich erlösen? und die Schrift wies uns als Antwort auf Christus hin, und sagte, wie dieser uns erlösen könne und wolle. Da, da, meine Brüder und Schwestern! nicht wahr? da ward Er uns köstlich. O die ersten Freudentränen, die sich in die bitteren der Angst mischten, die ersten Freudentränen, als wir von Jesu hörten, von seinem Verdienst, von seiner allgenugsamen freien Gnade, von seiner Liebe zu den Sündern, von seiner Willigkeit sie an zu nehmen und selig zu machen, diese Tränen, sie waren der erste, aber auch lautredende Beweis von dem Wort: euch die ihr glaubt, ist er köstlich. Die Not hatte ihn uns köstlich gemacht, wir hatten gefunden, dass alles eitel sei und nirgend Heil und nirgend ein Namen auf Erden durch den wir selig werden könnten. O wie war da dem Herzen der eine Name, das eine Heil, Christus so teuer und wert! O dieser ersten seligen Zeit gedenkt, meine lieben Brüder! Aber ist es jetzt anders? ist diese Köstlichkeit veraltet, hat die Zeit den Wert dieses Christus vermindert? Haben wir in späteren Tagen diesen Seligmacher entbehren können? Nun! da frage ich getrost in die Menge der Gläubigen aller Zeiten, wie aller Orten hinein und ich weiß ihre Antwort; einstimmig lautet sie: Nein, nein

Im Reich, wo Christus ist der Herr
Gehts alle Tage herrlicher

Sie bekennen vielmehr:

Ich werd von Tag zu Tag entzündt
Je mehr ich lieb, je mehr ich find
Wie ich dich lieben sollte!

Und wenn ja irgend eine Seele die erste Liebe verlassen hat - ach sie klagt darüber als über eine schmerzhafte Krankheit, aber sie will bei Leibe nicht, dass dies ihrem Herrn zur Last gelegt werde, als habe er je aufgehört, kostbar und liebenswert zu sein. Und wie sollten sie ihn auch minder köstlich finden können im Fortgang des Gnadenstandes, als in seinem Beginn? Ist nicht die Not, die sie zuerst zu ihm trieb, noch immer dieselbe? Der einmal begnadigte Sünder kann ja nicht nun fortan in eigener Kraft und eigener Gerechtigkeit fortwandeln, er bedarf täglich aufs neue eines Sündenvergebers, eines Heilandes, eines Arztes. Sie können ihren Bürgen und sein versöhnendes Blut in keiner Stunde und bei keinem Werke entbehren. Seine Kraft, sein Leben ist der einige Odem, die einige Kraft ihres Lebens. Dies eiserne Band der Not, das sie zuerst mit ihm verband, hält auch noch jeden Tag Christum und die Seele zusammen.

Aber auch das süße und noch festere der Liebe. Ja wie dir ein lieber Freund, je länger du mit ihm verkehrst, desto lieber wird, in dem Maß du seine Treue, seine Liebe und alle seine liebenswerten Eigenschaften erfährst; so auch Christus. Seine Kinder erfahren es täglich mehr, welch ein Reichtum der Liebe, Gnade, Treue, welch eine Fülle von Langmut, Barmherzigkeit und Geduld, welch ein Schatz von Gütern des Heils bei ihm ist; sie machen täglich neue Proben derselben, je länger sie mit ihm umgehen, je mehr sie es erfahren dass sie ihm alles, alles, auch das Kleinste sagen und klagen dürfen; je vertrauter sie mit ihm werden, desto lieber gewinnen sie ihn. Das feste Band der Liebe verbindet sie, die Liebe, nicht bloß die Not macht ihn köstlich.

Euch ist er köstlich! das kann man freilich zu allen Zeiten von den Gläubigen sagen, aber doch zu gewissen Zeiten empfindet die Seele diese Köstlichkeit mehr und mehr. Da ist z. B. ein Abfall, eine Untreue in deinem Leben vorgekommen, du nahst dich zitternd dem Freund, den du so schnöde, so bitter gekränkt hast, du erwartest von ihm Vorwürfe, Strafen und das mit ganzem Recht. Aber siehe, er hat nur Friedens- und Liebens-Worte für dich, er nimmt das verirrte Schaf wieder mit derselben alten Liebe auf, als ob es nie ihn beleidigt hätte - o in solchen Augenblicken, wo die Seele den Herrn wiederfindet und seine Gnade aufs neue erfährt da ist er ihr köstlich, besonders lieb. Wo ist ein solcher Gott, wie Du bist! Es ist dir niemand gleich! ruft das gebeugte Herz.

Oder sie haben sich einmal wieder, sei es durch eigene Wahl oder auf dem rechtmäßigen Wege des Berufs mit der Welt und ihren Sorgen, mit den Mühen und Lasten dieses Lebens geplagt und die Eitelkeit und Nichtigkeit der Dinge dieser Erde gekostet, da kommen sie wieder zur Ruhe; in der Einsamkeit, in dem Gebet bei der lieben Bibel oder auch in der trauten Gemeinschaft der Gläubigen blicken sie wieder auf ihn, den sie, im Geräusch der Geschäfte wie aus den Augen verloren hatten - ja da ist es, als ob er ihnen noch einmal so lieb wäre. Sie haben wieder einmal den Abstand gefühlt in der Welt und dadurch ist er ihnen nur um soviel köstlicher geworden.

Oder sie liegen in finstrer Anfechtung; es ist ihnen, wie der Maria Magdalena, sie haben ihren Herrn verloren, sie können sich es nicht zueignen, dass er ihnen gehört; aber er offenbart sich wiederum und versiegelt ihnen durch die Kraft des heiligen Geistes den Trost des Evangeliums. Da, in dem: Rabbuni! das sie mit Maria schluchzen und freudig ausrufen, da liegt das Bekenntnis: Uns ist er köstlich und grade jetzt besonders köstlich! Oder in Zeiten leiblicher Not, in Krankheiten - o wie mancher hat es dann recht erfahren, was er an Jesu hat. Sagt man von menschlichen Freunden schon, dass die Not sie bewähre und erprobe, wie viel mehr ist das von unserm himmlischen Freunde wahr. Wie kann er die finstre Krankenstube uns zu einem Tabor machen, wo wir gerne Hütten bauten; wie kann er uns schon in der Not und Trübsal des zeitlichen Lebens so viel von seiner himmlischen Freude empfinden lassen, dass wir es nicht mehr glauben, sondern erfahren, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen. Mitten durch die Tränen, die das leidende Fleisch uns auspresst, triumphiert der Geist: Er aber ist uns köstlich!

Das ist aber vor allem wahr in der letzten Not, in dem Todesstündlein. Wenn da alles entweicht und verlischt, wenn das gebrochene Auge die liebsten Freunde um das Bett nicht mehr sehen, die starre Hand den Händedruck dieser Lieben nicht mehr erwidern kann, das Glaubensauge sieht klar und hell auf ihn, der dem Tod den Stachel genommen hat, die Glaubenshand klammert sich fest an ihn, dessen Stecken und Stab ihn grade in dem finstern Tal des Todes trösten. Mir ist er köstlich, er, dessen Blut und Gerechtigkeit mein Schmuck und Ehrenkleid ist das wird - könnten wir es vernehmen sein letztes Wort diesseits sein; mir ist er köstlich! sein erstes, sein ewiges dort oben, das er dort mit neuer Zunge und mit neuem Lied singt vor dem Throne dieses Lammes, in dessen Blut er seine Kleider helle gewaschen hat.

Euch aber ist er köstlich! Aber welche Eigenschaft erkennt der Gläubige als besonders köstlich? Ich weiß wirklich nicht, meine Lieben, was ich da antworten soll. Im Gefühl meiner täglich neuen Sündenschuld ist mir sein hohepriesterliches Amt, in geistlicher oder leiblicher Not sein königliches, in den Ratlosigkeiten des Lebens, des Heilweges sein prophetisches Amt besonders teuer. Das eine mal erhebt mich der Glanz seiner allmächtigen Größe, die Allgegenwart seines Schutzes, die Vollgültigkeit seines Verdienstes, die Wahrhaftigkeit seiner Verheißungen, die ewige Unwandelbarkeit seines Bundes, dann wieder, dass der Große und Erhabene so klein und niedrig sein kann, sich auch um das kleinste Anliegen seiner Kinder zu bekümmern und ihnen der treuste Freund, der sorglichste Helfer in allen Bekümmernissen ist. Aber, Geliebte, was mir, was gewiss jedem Gläubigen den Herrn am köstlichsten macht, was das Herz bricht und schmilzt vor Beugung und Gegenliebe, so oft wir daran gedenken, das ist seine Liebe, seine unendliche, seine unglaubliche, seine unaussprechliche Liebe, die freie Gnade, womit er uns je und je geliebt und zu sich gezogen hat, womit er uns jetzt trägt, duldet, hält und liebt bei aller unserer Unliebenswürdigkeit! - O Herr, Herr wie herrlich und köstlich bist du uns in dem Gewande deiner erniedrigenden Barmherzigkeit!

Darum, darum ist er uns so köstlich! Ein Petrus, ja und jeder Jünger mit ihm muss, wie armselig es auch mit seiner Liebe aussieht, doch auf die Frage: hast du mich lieb? dem Herrn antworten: Du weißt alle Dinge, du weißt auch, dass ich dich lieb habe; freilich wird er hinzufügen müssen, das ist mein Schmerz, das kränkt mich, dass ich nicht genug kann lieben dich, wie ich dich lieben wollte. Einem Paulus und jedem Gläubigen ist er so köstlich, dass er alles andere für Schaden und Koth achtet, auf dass er Christum gewinne. Mit einem Assaph sagen sie einmütig: Herr, wenn ich nur dich habe, so frage ich nicht nach Himmel und Erde. Sie lieben ihn über Alles!

Nicht wahr, meine lieben Brüder und Schwestern, ihr begehrts doch! es ist doch nichts auf der Erde, nichts im Himmel, was ihr mit Bedacht für den Herrn als Tausch nehmt. Es ist unser aller Gebet:

Ach gib an deinem kostbaren Heil
Uns alle Tage größern Teil
Und lass unsere Seelen sich immerdar schicken
Aus Not und Liebe zu dir zu blicken
Ohn Unterlass.

Aber nun, Geliebte, zum Schluss noch eine Frage. Wir haben nur die ersten Worte unseres Textes heute mit ein ander betrachtet, die folgenden lauten schrecklich: den Ungläubigen aber ist der Stein, den die Bauleute verworfen haben und zum Eckstein worden ist, ein Stein des Anstoßens und ein Fels der Ärgernis, die sich stoßen an dem Wort und glauben nicht daran, darauf sie gesetzt sind.

Ihr seht, Geliebte, der Apostel macht hier zwei Klassen und wir Diener des Evangeliums müssen dasselbe tun. Ihr könnt wohl leicht denken, dass es uns viel angenehmer wäre, wenn wir die großen Tröstungen des Evangeliums nur so im Allgemeinen und ohne Unterscheid allen unsern Zuhörern zusprechen könnten, wenn wir jeden, wie er auch sei, selig preisen und zu der Zahl der Jünger Christi rechnen dürften. Aber dürfen wir das?! Das sei ferne, dass wir gegen Gott streiten; wir sind nicht Herrn, sondern Diener des Evangeliums und darum dürfen wir nichts an demselben meistern. Nein, das sei ferne, wir wären dann schuldig des Blutes eines jeden Sünders, den wir solchergestalt leichtfertig getröstet hätten - und wer möchte sich mit solcher Blutschuld beladen? Nein, nicht wir, der Herr selbst macht hier in seinem Wort die zwei Klassen, und wir haben demnach uns alle zu fragen: zu welcher dieser beiden gehören denn wir? Glauben wir oder sind wir ungläubig? Können wir noch mit unserer Gerechtigkeit aus, haben wir die Sünde, die Welt noch lieb? Kennen wir die Stunde, die Zeit noch nicht aus eigener Erfahrung, wo wir um unsere Sünde bekümmert nach Gnade fragten und weinten? haben wir den Herrn Jesum noch nicht angenommen, als unsern Hohepriester, Prophet und König - dann gehören wir noch zu den Ungläubigen, über welchen der Zorn Gottes bleibt. Ist uns Christus noch eine gleichgültige Person, den wir Tage, ja Monate lang entbehren können, können wir es am Ende gar nicht einmal begreifen, wie andere so viel Wesens von ihm machen können, - kurz, wissen wir noch nichts mit ihm zu machen? - dann, Geliebte, ist er uns noch, wir mögen es sagen oder nicht, ein Stein des Anstoßens und der Ärgernis. Das, was uns zum Heil gegeben ist, dient dann zu unsrer Verdamnis.

Euch aber, die ihr glaubt, ist er köstlich. O ich glaube es sehr gern, lieber Bruder, du wagtest es kaum dein Hungern und Dürsten nach ihm und seiner Gnade, das Gefühl deines Elendes und deiner Sünde, das dich drückt, du wagst es kaum dies Glaube zu nennen; aber der Herr nennt dies Begehren, dies Ansehen, dies Rufen nach ihm schon Glaube, wenigstens hat er allen Geistlich Armen, Leidtragenden usw. schon die Seligkeit verheißen und wie schwach auch euer Glaube ist, wie wenig ihr auch noch aus dem Genuss seine Köstlichkeit kennt - köstlich ist er euch doch, ja so köstlich, dass ihr wie ein Hirsch nach frischem Wasser, nach diesem Labsal euerer Seele verlangt und in Wahrheit nichts Größeres wisst und wünscht als ihn zu besitzen.

Euch aber, die ihr glaubt, ist er köstlich. Aber ist er das, Geliebte, dann wollen wir ihn auch gebrauchen also. Einen köstlichen Edelstein lässt man nicht unbeachtet im Winkel liegen, sondern betrachtet ihn und schmückt sich damit. Also seis auch mit unserm Christus, wir wollen ihn oft in seiner Herrlichkeit beschauen, er soll unser Schmuck und unser Ruhm sein. O dass alle, die uns kennen, es an unserem Glauben, an unserer Liebe und Hoffnung, an Wandel und Wort, in Leid und Freud, an uns sehen, dass uns das liebliche Erbteil worden ist diesen köstlichen Stein zu besitzen. Ist er ein guter Eckstein, nun wohlan, dann lasst uns doch auch auf ihn bauen, unsern Frieden, unsern Trost, unsere Ruhe, unser Heil und unser Alles. Ist er uns wirklich köstlich? Geliebte, das ist nicht unser Verdienst, nicht unsere Würdigkeit, sondern seine freie Gnade. Ohne die wären wir ganz, wie jene die ihn verwerfen. Es ziemt demnach uns am wenigsten auf sie hochmütig herabzusehen, sondern vielmehr mit mitleidiger Liebe, mit dem für bittenden Seufzer: ach Herr öffne ihnen die Augen, dass sie sehen, wie köstlich du bist.

Ach, dass es alle Menschen wüssten
Jesus, wie du freundlich bist!
Wie der Zustand wahrer Christen
Unaussprechlich selig ist!
O wie würden sie mit Haufen
Zu dem Thron der Gnaden laufen.

Ach ja! dass ihr es doch wüsstet und glaubtet! O mit dem Herzen voll Mitleid, mit einem Herzen das es leider selbst in bitterer Erfahrung geschmeckt hat, wie wenig die Welt der Seele Genügen und Ruhe geben kann, wende ich mich zu Euch, die ihr Christum verwerft, dem Teufel (ja so ist es!) dem Teufel noch dient, indem ihr der Welt und Sünde noch nachjagt oder auf dem Ruhekissen der eigenen Gerechtigkeit noch schlummert. Ach, dass es der Herr mir gegeben hätte heute seine Herrlichkeit also zu preisen, dass ihr alle (o doch wenigstens eine Seele!) es nun nicht länger in der Welt mehr aushalten könntet, dass ihr um die Gnade der Wiedergeburt weintet, Christum suchtet und dann nicht auf mein Zeugnis, sondern aus eigener Erfahrung glaubtet: Er ist uns köstlich. Nun wohlan! wer sein begehrt, der bekenne mit mir:

Bei dir Jesu will ich bleiben
Halt du selbst dein schwaches Kind
Bis durch seliges an dich glauben
Leib und Seel geheiligt sind!

Ja, Herr halte du uns, so bleiben wir; AMEN.

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autoren/b/ball/ball-eckstein.txt · Zuletzt geändert: von aj
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