Bacon, Francis - Von Eltern und Kindern.

Bacon, Francis - Von Eltern und Kindern.

Die Freuden der Eltern sind heimlich, und ebenso ihre Leiden und Besorgnisse; die einen können sie nicht äußern, und die andern wollen sie nicht äußern. Kinder versüßen die Arbeit, aber sie verbittern das Unglück; sie vermehren die Sorgen des Lebens, aber sie lindern die Erinnerung an den Tod. Die Fortpflanzung durch Zeugung haben auch die Tiere gemein; allein Gedächtnis, Verstand und edle Taten sind dem Menschen eigen; und wahrlich, wir werden finden, dass die edelsten Werke und Stiftungen von kinderlosen Menschen ausgegangen sind, welche den Schöpfungen ihres Gemüts einen Ausdruck geben wollten, da ihnen diejenigen ihres Leibes versagt blieben; und so liegt die Sorge für die Nachkommenschaft meistens Denen ob, die keine Nachkommenschaft haben. Diejenigen, welche die ersten Gründer ihres Hauses sind, üben die meiste Nachsicht gegen ihre Kinder, indem sie in ihnen ebenso sehr die Nachfolger ihrer Art wie ihres Werkes, mithin sowohl Kinder wie Geschöpfe erblicken.

Die Zuneigung der Eltern zu ihren verschiedenen Kindern ist oftmals ungleich, und zuweilen schändlich, besonders von Seiten einer Mutter; so sagt Salomon: „Ein weiser Sohn ist seines Vaters Freude, aber ein törichter Sohn ist seiner Mutter Grämen“. Man kann sehen, wo ein Haus voller Kinder ist, dass eins oder zwei der ältesten wohl mit Nachsicht behandelt, während die jüngsten verzogen werden; dagegen unter den mittelsten einige, welche gleichsam übersehen werden, dennoch aber häufig sich als die besten erweisen. Die Engherzigkeit der Eltern in Geldbewilligungen an ihre Kinder ist ein schädlicher Irrtum: er macht sie schlecht, lehrt sie Ränke, führt sie böser Gesellschaft zu, und macht sie zu größeren Schlemmern, wenn sie zu Überfluss gelangen; doch der beste Schutz davor ist der, dass Eltern zwar ihr Ansehen vor ihren Kindern bewahren sollten, aber nicht ihre Börse. Viele Leute (sowohl Eltern, wie Lehrer und Dienstboten) haben eine törichte Art, zwischen Geschwistern in ihrer Kindheit einen Wetteifer zu erzeugen und zu nähren, welcher oft in Zwietracht endet, wenn sie herangewachsen sind, und den Familienfrieden untergräbt. Die Italiener machen wenig Unterschied zwischen Kindern und Neffen oder nahen Anverwandten; wenn sie nur vom selben Schlage sind, so kümmert sie es nicht, dass jene nicht ihrem eigenen Leibe entsprossen sind; und um die Wahrheit zu sagen, in der Natur geht es sehr ähnlich zu, insofern wir sehen, dass ein Neffe zuweilen einem Oheim oder Verwandten ähnlicher sieht als seinem eigenen Vater, je nachdem das Blut sein Spiel treibt. Eltern sollten frühzeitig den Beruf und die Bahn wählen, die sie ihre Kinder einschlagen zu sehen wünschen; doch sollten sie die Anlagen ihrer Kinder nicht allzu sehr einzwängen, sondern glauben, dass sie sich am eifrigsten auf das werfen werden, wozu sie die größte Neigung hegen. Es ist wahr, dass, wenn der Trieb und die Fähigkeit von Kindern außerordentlich sind, man sie nicht hindern müsse; im Allgemeinen aber ist diese Lehre gut: „Optimum elige, suave et facile illud faciet consuetudo1)“. Jüngere Brüder sind in der Regel vom Glück begünstigt; selten jedoch oder niemals, wann die Älteren enterbt sind.

1)
Plutarch, Vom Exil, 8: „Wähle den vorteilhaftesten Beruf; die Gewohnheit wird ihn leicht und angenehm machen.“
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