Bacon, Francis - Von der Ehe und der Ehelosigkeit.

Bacon, Francis - Von der Ehe und der Ehelosigkeit.

Wer Weib und Kinder besitzt, hat sich dem Schicksal verpfändet; denn sie sind Hindernisse bei großen Unternehmungen, sei es zum Guten oder Bösen. Ohne Zweifel sind die besten und für das Gemeinwohl verdienstvollsten Werke von ehelosen oder kinderlosen Menschen ausgegangen, welche sowohl mit ihrer Zuneigung wie mit ihrem Vermögen die Gemeinde geehelicht und ausgesteuert haben. Und doch wäre es einleuchtender, dass Diejenigen, welche Kinder haben, die größte Fürsorge um die Zukunft tragen sollten, da sie wissen, dass sie derselben ihr teuerstes Unterpfand hinterlassen müssen. Einige gibt es, deren Sorgen, obschon sie unverheiratet sind, dennoch mit ihnen selber enden, und welche kommende Zeiten als eine Zudringlichkeit betrachten; ja, es gibt sogar Andere, die auf Weib und Kind nur wie auf eine Rechnung blicken; und noch mehr, es gibt alberne reiche Filze, die sich damit brüsten, keine Kinder zu haben, damit sie für desto reicher gehalten werden; denn vielleicht haben sie jemals ein Geschwätz gehört: „So und so ist ein reicher Mann“; und ein anderes als Erwiderung darauf: „Ja, wenn er nur nicht eine so große Bürde von Kindern hätte“; als ob diese ein Abbruch an seinem Reichtum wären. Allein die gewöhnlichste Ursache zum ehelosen Stande ist Freiheit, hauptsächlich bei gewissen selbstgefälligen und launenhaften Naturen, welche für jedwede Beschränkung derart empfindlich sind, dass sie so weit gehen, selbst ihre Gürtel und Strumpfbänder als Stricke und Fesseln anzusehen. Unverheiratete Menschen sind die besten Freunde, die besten Herren, die besten Diener; aber nicht immer die besten Untertanen, denn sie sind sehr bereit davonzulaufen, wie denn fast alle Flüchtlinge jenem Stande angehören. Ehelosigkeit schickt sich wohl für Geistliche, denn Wohltätigkeit wird kaum den Acker bewässern, wo sie zuvor einen Pfuhl zu füllen hat. Sie ist unwesentlich bei Richtern und obrigkeitlichen Personen; denn wenn sie nachgiebig und bestechlich sind, so wird man an ihnen einen fünfmal so schlimmen Diener haben als an einem Weibe. Bei Soldaten finde ich die Generäle gewöhnlich darauf bedacht, die Mannschaften ihrer Weiber und Kinder eingedenk zu machen; und ich glaube, dass die Nichtachtung der Ehe bei den Türken die gemeinen Soldaten roher macht. Gewiss sind Weib und Kinder eine Art Zucht zur Menschlichkeit; und ehelose Menschen, obwohl sie oft mildtätiger sein mögen, weil ihre Mittel weniger erschöpft werden, sind doch auf der andern Seite grausamer und hartherziger (gut zu strengen Inquisitoren), weil ihre Zärtlichkeit nicht so oft in Anspruch genommen wird. Ernste, von Gewohnheit geleitete, und deshalb beständige Naturen, sind meistens liebende Ehegatten, wie es von Ulysses heißt: „Vetulam suam praetulit immortalitati“1). Keusche Frauen sind häufig stolz, indem sie auf das Verdienst ihrer Keuschheit pochen. Es ist eins der vorzüglichsten Pfänder, sowohl für die Keuschheit wie für den Gehorsam des Weibes, wenn sie den Gatten für weise hält, was sie nimmermehr tun wird, falls sie ihn eifersüchtig findet. Weiber sind jungen Männern Geliebten, dem reiferen Alter Gefährtinnen, den Greisen Pflegerinnen; so dass ein Mann zu jeder Zeit einen Vorwand zur Heirat findet; dessen ungeachtet ward Jener zu den Weisen gezählt, der auf die Frage, wann man heiraten müsse, antwortete: „Ein junger Mann noch nicht, ein älterer Mann nicht mehr“. Man sieht oft, dass schlechte Ehemänner sehr gute Weiber haben; sei es nun dass es die Güte des Gatten, wenn sie einmal erscheint, im Werte erhöht, sei es, dass das Weib in ihrer Geduld einen Stolz sucht; Letzteres indessen trügt niemals, wenn die schlechten Gatten ihre eigene Wahl gegen den Willen ihrer Freunde sind, denn dann werden sie sicherlich ihre eigene Torheit zu rechtfertigen suchen.

1)
Plutarch, Gryll., I: „Er zog seine bejahrte Gattin (Penelope) der Unsterblichkeit vor.“ Als nämlich die Fee Kalypso ihn zu überreden suchte, im Genuss der Unsterblichkeit bei ihr zu verweilen, anstatt nach Ithaka zurückzukehren.
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