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Bacon, Francis - Vom Neid.

Bacon, Francis - Vom Neid.

Es gibt keine Leidenschaft, von der man sagen kann, dass sie so fessele oder bestricke wie Liebe und Neid; beiden ist heftiges Verlangen eigen; sie ergehen sich leicht in Einbildungen und Erregungen, und finden leichten Zutritt durch das Auge, namentlich in Anwesenheit der Gegenstände, welche die Eigenschaften enthalten, die der Bezauberung förderlich sind, sofern es deren überhaupt gibt. Auch finden wir, die Schrift nennt den Neid ein böses Auge1); und die Astrologen nennen die bösen Einflüsse der Gestirne böse Blicke; so dass man in dem Akt des Neides eine Entsendung oder Ausstrahlung aus dem Auge noch anzuerkennen scheint; ja, Einige haben es so genau ausgesprochen, dass der Zeitpunkt, wann der Schlag oder Stoß eines neidischen Auges am meisten schadet, derjenige ist, wo der Beneidete in Ruhm oder Triumph erblickt wird, denn das schärft den Neid; außerdem treten die Gemütsregungen des Beneideten in solchen Augenblicken am meisten nach außen hervor, und fangen so den Streich auf.

Lassen wir jedoch diese Wunderlichkeiten (die indessen nicht unwürdig sind, an geeignetem Ort in Betracht gezogen zu werden) und erwägen wir, was für Menschen geneigt sind, andere zu beneiden, und was der Unterschied zwischen öffentlichem und Privatneid sei.

Ein Mensch, welcher keine eigene Tugend besitzt, beneidet stets die Tugenden Anderer, denn das Gemüt des Menschen muss entweder vom eigenen Guten oder vom Übel Anderer leben; wer daher des einen entbehrt, wird dem andern nachstellen; und wer ohne Hoffnung ist, die Tugenden eines Andern zu erreichen, wird streben ihm gleich zu werden, indem er dessen Glück herabreißt.

Derjenige, welcher zudringlich und neugierig ist, ist gemeinhin neidisch; denn dass Jemand von anderer Leute Angelegenheiten viel wisse, kann nicht deshalb geschehen, weil er um ihrer selbst willen so viel Wesens macht: folglich ist es einleuchtend, dass er eine Art von Zeitvertreib empfindet, indem er auf das Glück eines Andern schaut; auch kann Niemand, der sich um sich selbst bekümmert, viel Stoff zum Neide finden, denn der Neid ist eine müßiggängerische Leidenschaft, welche in den Straßen umherschlendert, und nicht das Haus hütet: „Non est curiosus, quin idem sit malevolus“2).

Personen von edler Geburt beschuldigt man wohl des Neides auf Solche, die im Emporsteigen sind; denn der Abstand ändert sich, und es ist wie eine Täuschung des Auges, dass sie niederzusteigen glauben, sobald sie Andere hinaufkommen sehen.

Missgestaltete Menschen, Eunuchen, Greise und Bastarde sind neidisch; denn wer seine eigene Lage durchaus nicht zu bessern vermag, wird alles Mögliche tun, um die eines Andern zu beeinträchtigen; es sei denn, dass jene Gebrechen einer überaus edlen und heldenmütigen Natur begegnen, welche die ihr eigentümlichen Unvollkommenheiten zu einem Teil ihrer Ehre zu machen strebt, damit es heißen möge, dass ein Eunuch oder ein Lahmer diese oder jene große Tat ausgeführt habe, welche die Ehre des Wunderbaren beanspruchen könne; wie es bei Narses3), dem Eunuchen, bei Agesilaus4) und Tamerlan5), welche Beide lahm waren, der Fall gewesen ist.

Dasselbe findet bei Menschen statt, welche nach Trübsalen und Ungemach sich emporschwingen; denn sie gleichen Denen, die mit der Zeit in Zwiespalt geraten sind, und halten den Schaden Anderer für eine Ablösung ihrer eigenen Leiden.

Diejenigen, welche in zu vielen Dingen zu glänzen begehren, sei es aus Eitelkeit oder Hochmut, sind stets neidisch, denn ihnen kann es nicht an Stoff gebrechen, da es unmöglich ist, dass sie in einigen Dingen nicht von Vielen übertroffen werden sollten. So war der Charakter des Kaisers Hadrian, welcher Dichter, Maler und geschickte Arbeiter in solchen Handwerken tödlich beneidete, worin er ein Talent besaß sich auszuzeichnen.

Schließlich sind nahe Anverwandte und Amtsgenossen, sowie Solche, die gemeinschaftlich erzogen worden, mehr geneigt, ihres Gleichen zu beneiden, falls diese emporgekommen sind; denn es wirft ihnen ihr eigenes Geschick vor, zeigt mit Fingern auf sie, steigt öfters in ihrer Erinnerung auf, und setzt sich auch mehr der Beobachtung Anderer aus: und Neid verdoppelt sich immer durch Gerede und Gerücht. Kains Neid gegen seinen Bruder Abel war um so schändlicher und gehässiger, weil nach der günstigeren Aufnahme seines Opfers Niemand zugegen war. So viel von Denjenigen, welche zum Neid geneigt sind.

Hinsichtlich Solcher, die mehr oder weniger der Missgunst unterworfen sind, so werden erstens Menschen von hervorragender Tugend weniger beneidet, wenn sie emporgestiegen sind: denn ihr Glück scheint ihnen nur zu gebühren, und Niemand neidet die Zahlung einer Schuld, viel eher dagegen Belohnungen und Gunstbezeugungen. Ferner ist der Neid stets an den Vergleich mit der eigenen Lage geknüpft: wo also kein Vergleich stattfindet, gibt es keinen Neid; und demzufolge werden Könige nur von Königen beneidet. Bei alledem ist es bemerkenswert, dass unwürdige Personen am meisten bei ihrem ersten Auftreten beneidet werden, später aber besser darüber hinwegkommen; während im Gegenteil Menschen von Wert und Verdienst am meisten beneidet werden, wenn ihr Glück von langer Dauer ist; denn wiewohl ihre Tugend die ganze Zeit hindurch dieselbe sein mag, so behält sie nicht denselben Glanz, weil Andere aufwachsen, die ihn verdunkeln.

Personen von edlem Blut werden weniger beneidet, wenn sie im Steigen begriffen sind, denn dann erscheint es nur wie ein Recht, das ihrer Geburt zu Teil wird; außerdem scheint zu ihrem Glücke nicht so viel hinzugefügt zu werden; denn der Neid gleicht den Sonnenstrahlen, welche auf einen Abhang oder steil aufsteigenden Boden glühender schlagen als auf eine Ebene; und aus demselben Grunde werden Diejenigen, welche allmählich vorrücken, weniger beneidet als Solche, die plötzlich und „per saltum“6) emporgekommen sind.

Diejenigen, an deren Verehrung sich große Reisen, Beschwerden oder Gefahren knüpfen, sind dem Neid weniger ausgesetzt, da man glaubt, dass sie ihre Ehren mühsam erworben haben, und sie zuweilen bemitleidet, wie denn Mitleid stets den Neid tilgt; weshalb man bemerken kann, dass die listigere und besonnenere Art von Staatsmännern in ihrer Größe unaufhörlich wehklagen, was für ein Leben sie zubringen, und immerfort ein „quanta patimur“7) singen, nicht als ob sie es fühlten, sondern um die Schärfe des Neides abzustumpfen. Dies ist indessen nur von solchen Geschäften zu verstehen, die Leuten auferlegt worden sind, nicht von solchen, die sie sich selber zugezogen haben; denn Nichts verstärkt den Neid mehr als ein unnötiges und ehrgeiziges Ansichreißen von Geschäften; wie Nichts den Neid wirksamer vertilgt, als wenn eine hohe Person allen untergeordneten Beamten die vollen Rechte und Vorzüge ihrer Ämter bewahrt; denn dadurch stellt sie ebenso viele Schutzwehren zwischen sich und dem Neid her.

Vor Allem sind Diejenigen dem Neid am meisten ausgesetzt, welche die Größe ihres Glückes in anmaßender und hochmütiger Weise zur Schau tragen, und sich nie wohl fühlen, als wenn sie zeigen, wie groß sie sind, sei es durch äußeres Gepränge, sei es, indem sie über allen Widerstand und Wetteifer triumphieren; wogegen weise Männer dem Neid eher ein Opfer bringen, indem sie sich in Sachen, die nicht sehr wichtig für sie sind, zuweilen absichtlich durchkreuzen oder überwinden lassen. So viel ist indessen gewiss, dass das Zur-Schau-Tragen von Größe in einfacher und offener Weise (falls es ohne Anmaßung und Dünkel geschieht) weniger Neid erweckt, als wenn es in einer mehr listigen und gewandten Art geschähe; denn in diesem Fall verleugnet ein Mann sein Glück allein, während er sich doch seines eigenen Unwerts bewusst zu sein scheint, wodurch er Andere nur lehrt, ihn zu beneiden.

Schließlich - um diesen Teil zu beendigen,- wie wir zu Anfang erwähnten, dass der Akt des Neides Etwas von Zauberei an sich habe, so gibt es auch kein anderes Heilmittel gegen den Neid als das Heilmittel gegen Zauberei, nämlich, dass man den Bann (wie es genannt wird) entferne und ihn auf Jemand anders übertrage, zu welchem Ende die weisere Art großer Männer stets Jemand auf den Schauplatz vorschiebt, um auf ihn den Neid hinzuleiten, der sich sonst über sie entladen würde: zuweilen auf Minister und Diener, zuweilen auf Amtsgenossen und Gefährten und dergleichen; und zu solchem Dienst fehlt es nimmer an Leuten von ungestümem und unternehmendem Charakter, welche, um nur Macht und Geschäfte zu haben, diese um jeden Preis übernehmen wollen.

Um nun von öffentlichem Neid zu sprechen, so liegt in demselben doch auch einiges Gute, während der Privatneid keines besitzt, denn öffentlicher Neid ist wie eine Verbannung, welche Menschen verdunkelt, wenn sie allzu groß werden; und daher ist er auch ein Zügel für die Großen, sich in Schranken zu halten.

Jener Neid, den die Lateiner „Invidia“ nannten, gilt in den neuern Sprachen unter dem Namen Missvergnügen, wovon wir später reden werden, wenn wir die Empörung behandeln. Er ist im Staat gleich einer ansteckenden Krankheit; denn wie die Ansteckung sich auf das Gesunde wirft und es verpestet: so verleumdet das Missvergnügen, wenn es einmal den Weg in einen Staat gefunden, selbst die besten Unternehmungen desselben, und teilt ihnen einen üblen Geruch mit. Deswegen ist mit der Beimischung billig scheinender Handlungen wenig gewonnen, da dies nur Schwäche und Furcht vor Missvergnügen verrät, welche um so schädlicher ist, als sie jenem Umstand gleicht, der auch bei Ansteckungen gewöhnlich ist, nämlich dass, wenn man sie fürchtet, man sie herbeiruft.

Dieser öffentliche Neid scheint sich vorzugsweise eher auf die obersten Beamten und Minister, als auf Könige und Staaten selbst zu werfen. Doch dies ist eine unfehlbare Regel: falls das Missvergnügen gegen einen Minister groß, während der Anlass dazu, soweit es ihn selbst betrifft, geringfügig ist; oder falls das Missvergnügen auf die Minister eines Staats insgesamt gerichtet ist: dann trifft sie (obwohl verborgen) in der Tat den Staat selber. So weit über den öffentlichen Neid oder die Unzufriedenheit, und ihre Verschiedenheit vom Privatneid, welche wir zuvor behandelten.

Wir wollen noch das im Allgemeinen hinzufügen, soweit es die Leidenschaft des Neides berührt, dass er von allen Leidenschaften die grausamste und beständigste ist; denn zu andern Leidenschaften ist nur dann und wann die Gelegenheit geboten, weshalb es trefflich gesagt worden ist: „Invidia festos dies non agit“8). Ebenso hat man bemerkt, dass Liebe und Neid am Menschen zehren, was andere Leidenschaften nicht tun, insofern sie nicht so beständig sind. Neid ist auch die schändlichste und niedrigste Leidenschaft, aus welchem Grunde er auch das geeignete Merkmal des Teufels ist, welcher „der Neidhart, der zur Nachtzeit Unkraut unter den Weizen sät“9), genannt wird, denn es geschieht immer, dass der Neid hinterlistig und im Dunkeln wirkt, zum Verderben alles Guten, wozu auch der Weizen gehört.

1)
Evangelium St. Marci, VII,22. Sprüche Salomons, XXIII,6 und XXVIII,22.
2)
Plautus, Stichus, I, 3, 55: „Niemand ist neugierig, ohne boshaft zu sein.“
3)
Lebte 472-568 n. Chr., war erst Sklavenhüter, später der berühmte Feldherr des Kaisers Justinian I. und Nebenbuhler Belisar's, sowie dessen Nachfolger als Befehlshaber der italienischen Armee gegen den Gotenkönig Totila. Nach fünfzehnjähriger geschickter Verwaltung Italiens ward er von Justinus II. seines Amtes entsetzt, und starb bald nachher
4)
König von Sparta, 397-361 v. Chr. einer der berühmtesten Feldherren des Altertums, namentlich im Kriege gegen die Perser ausgezeichnet.
5)
Tamerlan oder Timur Lenk (d. h. der lahme Timur), 1335-1405, der furchtbare Mongolenhäuptling, dessen Eroberungen, deren Spuren mit Mord und Verwüstung gezeichnet waren, sich vom Irtisch und der Wolga bis an den persischen Meerbusen, vom Ganges bis zum griechischen Archipelagus erstreckten. Vorgeblich von Dschingis Khan abstammend, war er der Sage nach der Sohn eines Hirten, und soll beim Schafdiebstahl von einem Nachbarhirten durch einen Pfeilschuss in die Hüfte gelähmt worden sein.
6)
Durch einen Sprung
7)
Plutarch, Alexander, 64: „Wie unendlich leiden wir!“
8)
„Neid hält keine Feiertage“, ein römisches Sprichwort.
9)
Evangelium St. Matthäi, XIII, 25.
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