Augustinus, Aurelius - Manuale - XXXV. Von der Liebe unter den Heiligen im Himmel.
Du menschliches Herz, du dürftiges Herz, du armes Herz, das eitel Trübsal und Elend schmilzt und mit Elend beladen ist, wie hoch würdest du dich freuen, wenn du in der Fülle aller dieser Güter wärst. Frage deine innersten und allertiefsten. Gedanken, ob sie die Freude einer solchen Seligkeit zu erfassen vermögen? Nun denke, wenn Jemand aus deinen allerliebsten Freunden, der dir so lieb wäre, als du dir selbst bist, dergleichen Seligkeit hätte, so würde deine Freude verdoppelt; denn du würdest dich für ihn nicht weniger erfreuen als für dich selbst. Ebenso wenn zwei oder drei oder noch viel mehr von deinen besten Freunden eben desselben Gutes auch teilhaftig wären, so würdest du dich über einen jeden Einzeln eben so sehr erfreuen, als über dich selbst, weil du einen jeden so lieb hättest, als dich selbst.
Was muss nun dies für eine Herrlichkeit sein in der vollkommenen Liebe so viel heiliger Engel und Menschen, wo Keiner den Andern weniger lieben wird als sich selbst! Denn ein Jeder wird über eines jeden Andern Freude sich nicht anders freuen als für sich selbst. Wenn nun das Menschenherz über sein eigen so großes Gut sich nicht genugsam erfreuen kann, wie wird es denn im Stande sein, die Menge und die Größe so vieler Freuden Andrer zu fassen? Und doch ists gewiss, so viel ein Jeder Jeden liebt, so viel erfreut er sich des Guten und der Wohlfahrt des Andern. Nun aber wird in jenem seligen Leben ein Jeder den lieben GOtt ohne alles Maß mehr lieben, als sich selbst und mehr als er alle seine Nächsten liebt. Daraus folgt, dass er sich auch über GOttes Seligkeit ohne alles Maß mehr erfreuen wird als über seine eigne und die aller seiner andern Mitgenossen. Und wenn diese GOtt also lieben werden von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt, doch so, dass das ganze Herz, die ganze Seele und das ganze Gemüt für die Herrlichkeit solcher Liebe nicht ausreicht: so werden Sie sich in der Tat also von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte erfreuen, dass dennoch das ganze Herz, die ganze Seele und das ganze Gemüt nicht ausreicht für die Fülle solcher Freude! Amen.