Arndt, Friedrich - 63. Andachten zum Hebräerbrief

Arndt, Friedrich - 63. Andachten zum Hebräerbrief

Heb. 1.

In der That, Gott hat uns reichlichere Gnade erwiesen als den Völkern; denn Er hat zu uns nicht durch menschliche sündhafte Propheten geredet, sondern durch den Sohn, den Abglanz seiner unendlichen Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens; und zwar nicht bloss durch die Worte dieses im Fleisch erschienen ewigen Sohnes, sondern auch durch dessen gesamten Erdenwandel, insonderheit durch seinen Kreuzestod, Auferstehung und Himmelfahrt. Ja, Er hat nicht bloss durch den Sohn zu uns geredet, Er hat auch durch den Sohn sich mit uns versöhnet; der ewige Sohn ist nicht bloss zu dem Zweck Mensch geworden, um unser ewig vollkommener Prophet und Gottesoffenbarer zu sein, sondern vornämlich auch zu dem Zweck, um unser ewig vollkommner Priester und Mittler zu sein. So steht Jesus denn höher als alle Engel, denn kein Engel heißt: Sohn, Gott und Herr; kein Engel ist von Gott gesetzt worden zum Erben über Alles; kein Engel besitzt die göttliche Macht, sich eine Gemeinde durch den heiligen Geist auf Erden zu sammeln, sie zu erleuchten, zu trösten, zu heiligen, wider alle Feinde zu schützen und ihr durch alle irdischen Leiden und Widerwärtigkeiten treulich und siegreich hindurchzuhelfen zu der überschwänglichen Herrlichkeit, die Er durch sein Verdienst ihr erworben und durch sein Wort ihr verheißen hat. Bei aller Erhabenheit sind die Engel doch nur dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst um derer willen, die ererben sollen die Seligkeit. Der Mensch gewordene, am Kreuz gestorbene, und dann auferstandene, aufgefahrene und auf den Thron zur Rechten des Vaters erhöhte Christus ist es aber, dem die Engel dienen, und um Seinetwillen dienen sie auch uns, die wir an Ihn glauben. Wir sind dazu verordnet, die zukünftige, göttliche Seligkeit und Herrlichkeit zu ererben, die Christus auch als Menschensohn nun schon besitzt. O wohl uns, daß die Engel unsere Geleiter und Beschützer sind! Wohl uns aber noch viel mehr, daß Christus unser Herr und Erlöser ist, sein Scepter allezeit ein richtige Scepter ist, sein Thron in Ewigkeit steht, Er, unser Gott, unser Bruder, unser Erlöser und König, in Ewigkeit derselbe bleibt! Gelobt sei Gott für solchen Trost in alle Ewigkeit. Amen.

Hebr. 1, 1-2

Wir wollen nach Dir blicken,
O Licht, das ewig brennt,
Wir wollen uns beschicken
Zum seligen Advent.

Nachdem vor Zeiten Gott manchmal und mancherlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er am letzten in diesen Tagen zu uns geredet durch den Sohn.

Die Adventszeit, die Vorbereitungszeit auf das fröhliche Fest der Geburt Christi, umschließt vier Sonntage, und erinnert damit an die vier Jahrtausende, welche der Welt aufgingen, ehe Christus geboren ward, so wie an die Zeit, welche in unserm Herzen ist, wenn der Herr noch nicht in uns wohnt. In jener Zeit bedeckte Nacht das Erdreich und Dunkel die Völker. Auch in Israel war Nacht, wenngleich durch leuchtende Sterne erhellt. Diese Sterne waren das heilige Gesetz aus dem Munde des lebendigen Gottes, durch Moses gegeben und zum ewigen Gedächtnis in Steine gegraben; waren die Propheten, erleuchtet und getrieben vom Geiste Gottes, mit ihren ernsten Mahnungen und herrlichen Verheißungen; waren jene Satzungen und Gebräuche des Gottesdienstes, die in ihrer erregenden Pracht und Herrlichkeit Vorbilder und Schatten waren von dem Wesen, das in Christo Jesu gekommen ist. - Aber Sterne sind keine Sonne. Ihr Strahl ist zu matt, um Leben zu geben und Lebenskeime zu wecken; ihr Licht, ob es auch leuchtet, durchleuchtet nicht das Dunkel der Nacht, daß es helle wird, wie am Mittag. Das Gesetz und die Propheten und die Opfer führten daher Israel nur zur Erkenntnis der Sünde, konnten aber nicht die Gewissen reinigen von ihrer Schuld und von ihren toten Werken. - Doch deuten die Sterne auf die Sonne, um die sie sich drehen. So war auch das Gesetz Zuchtmeister auf Christum und die Verheißungen und Opfer Gleichnisbilder der Erlösungstat auf Golgatha. - Sodann verlieren die Sterne nicht an sich ihr Licht, wenn die Sonne aufgeht, sondern nur für unsere Augen. So ist es auch mit allen Funken der Wahrheit, die in der Welt zerstreut gewesen sind, als die Sonne Christi aufging. Auch das alte Testament ist schon eine Erfüllung; denn es hat zwei Seiten, die in jeder menschlichen Brust liegen, erfüllt und ihnen einen hellen Klang gegeben, die Stimme des Gewissens und die Stimme der Sehnsucht. Jene sagt uns, was Gottes Gesetz ist; aber zugleich, daß wir es nicht gehalten. Diese sagt uns, daß unsere Übertretungen uns von unserm Gotte nicht scheiden sollen und daß wir einst noch sein werden, was wir werden sollen. Aber das Wesen aller dieser Güter ist doch nur Christus; Er der offne Brunn wider alle Sünde und Unreinigkeit. In Ihm und durch Ihn ist das Gesetz lebendig geworden, der alte Bund ein neuer Bund, und der Advent vor Christo in der Geschichte der Menschheit und der einzelnen Herzen die Morgenröte des kommenden Tages und der Vorhof zum Heiligen, bis einst das Allerheiligste sich uns auftun wird in der Ewigkeit.

Gott sei Dank in aller Welt,
der sein Wort beständig hält
und der Sünder Trost und Rat
zu uns her gesendet hat!

Was der alten Väter Schar
höchster Wunsch und Sehnen war,
und was sie geprophezeit,
ist erfüllt in Herrlichkeit.

Zion's Hülf' und Abram's Lohn,
Jakob's Heil, der Jungfrau Sohn,
der wohl zweigestammte Held
hat sich treulich eingestellt.

Sei willkommen, o mein Heil!
Hosianna, o mein Teil!
Richte Du auch eine Bahn
Dir in meinem Herzen an.

Zieh', Du Ehrenkönig, ein,
es gehöret Dir allein;
mach' es, wie Du gerne tust,
rein von allem Sündenwust.

Gleich wie Deine Zukunft war
voller Sanftmut, ohn' Gefahr,
also sei auch jederzeit
Deine Sanftmut mir bereit.

Heb. 2.

Ich danke Dir, Jesu Christ, Du einiger Mittler und Erlöser des Menschengeschlechts, daß Du in der Fülle der Zeit die wahre menschliche Natur persönlich mit Dir vereinigt und Dir hast gefallen lassen, von einer Jungfrau geboren zu werden. Wie groß ist Deine Menschenfreundlichkeit, daß Du nicht die Engel, sondern den Samen Abrahams an Dich genommen hast! Wie groß ist das Geheimniß der Gottseligkeit, daß Du, der Du wahrer Gott bist, Dich im Fleische offenbaren wolltest! Wie groß ist die Zuneigung Deiner Erbarmung, daß Du um meinetwillen vom Himmel herabgekommen und wie unsere Kinder Fleisch und Blut haben, dessen gleichermaßen theilhaftig geworden bist! Mir bist Du geboren. Was Du daher an himmlischen Gütern in der Geburt mitbringst, wird mein sein. Mir bist Du gegeben: wie sollte nicht zugleich mit Dir mir auch Alles gegeben sein? Meine Natur ist in Dir mehr verklärt worden, als sie in Adam durch die Sünde entehrt worden war. Denn Du nimmst sie in die Einheit Deiner Person auf, bist Fleisch von meinem Fleisch und Bein von meinen Beinen. Du bist Bruder: was wirst Du mir versagen können, dem Du durch Wesensgleichheit des Fleisches und durch Gesinnung der brüderlichen Liebe aufs engste verbunden bist? Ich wundere mich nicht mehr, daß Gott Himmel, Erde, Meer und Alles, was darin und darauf ist, um des Menschen willen gemacht hat, da um des Menschen willen Gott selbst Mensch werden wollte. Du wirst mich nicht gänzlich verwerfen und verstoßen können, da Du nicht läugnen kannst, daß Du selbst Mensch und daher mein Bruder bist. Du wirst mich nicht gänzlich vergessen können, weil Du mich in Deine Hände gezeichnet hast; denn die Gemeinschaft des Fleisches selbst erinnert Dich täglich und beständig an mich. Obgleich daher mich meine Sünden zurückhalten, so stößt mich doch die Gemeinschaft der Natur nicht zurück. Du bist ja zugleich mein barmherziger und treuer Hoherpriester, der die Sünde des Volks versöhnt hat. Ich will Dir ganz anhangen, der Du nach Deiner ganzen Natur mich ganz angenommen hast. Amen.

Heb. 3.

Nachdem der Apostel im ersten und zweiten Kapitel die Erhabenheit Christi über die Engel, durch die das Gesetz gegeben worden, nachgewiesen hat, geht er nun in der Darstellung der Erhabenheit des Neuen Bundes über den Alten weiter und zeigt V. 1-6, wie hoch Christus auch über dem irdischen Mittler des Alten Bundes, Moses, stehe. Der höchste Diener sei Moses gewesen im ganzen Hause Gottes; aber dennoch nur ein Knecht des Hauses und ein Theil desselben und daher dem nicht zu vergleichen, der selbst da Haus unmittelbar im Namen Gottes als sein Haus, des Sohnes Haus, bereitet hat. An diese Lehrdarstellung schließt sich dann gleich eine Warnung vor dem Unglauben an, durch welchen Israel den Eingang in Gottes Ruhe verscherzt hat, und die Ermahnung an uns, die irdische Gnadenzeit zu benutzen, so lange sie noch da ist, so lange es noch heute heißt. Dies Heute ist keine Ewigkeit, sondern eine eingeschränkte und für einen jeden Menschen abgemessene Zeit, in der er Gottes Stimme oder Gottes Wort hören kann, und wo es darauf ankommt, daß er glaube, was Gott geredet hat und durch den Glauben den Ruhm der Hoffnung der ewigen Ruhe erlange, und diesen Ruhm bis ans Ende fest behalte, und alsdann in die ewige Ruhe Gottes eingehe. Wehe, wer nicht hört und die Seligkeit verscherzt! Um diesem Jammer zu entgehen, sollen die Christen einander selbst alle Tage, so lange es heute heißt, ermahnen, folglich die Gefahr nicht für entfernt und den Abfall nicht für unmöglich halten. Auch wer steht, soll zusehen, daß er nicht falle. Die Sünde schleicht so leicht beim Menschen unter dem Schein des Rechts, der christlichen Freiheit, der Nothwendigkeit ein, ja, entsteht nicht bloss aus ihrer scheinbaren Anmuth, sondern auch bei dem Anblick ihrer Häßlichkeit kann der sichere Mensch fallen, weil er glaubt, sie könne ihn nicht blenden; von der bösen und guten Seite des Herzens ist daher täglich Gefahr zu fürchten. Wohlan, laß mich Deine warnende Stimme hören, o Herr; bewahre mich vor Sicherheit und vor Betrug der Sünde, laß mich meine Seele stündlich in Händen tragen und des Glaubens und ewigen Lebens ja nicht verlustig gehen. Amen.

Heb. 4

Der Apostel redet weiter von der Sabbathsruhe, die dem Glaubensvolke Gottes verheißen ist und noch bevorsteht, die vorgebildet war durch die Ruhe Gottes am siebenten Tage von seinen Werken und mit dem Gelangen zum Besitz Canaans durch Jesum nicht völlig erfüllt worden war, und ermahnt, sie ja nicht zu versäumen, wie die Ungläubigen thun. Das Wort dieser Verheißung sei wie jede Offenbarung Gottes, 1) ein scharf schneidendes, das Innerste richtendes Gotteswort. Damit bezeichnet er, was noch immer die heilige Schrift jedem Christen sein soll, nämlich sein kräftiges Leben; denn das Wort Gottes heißt nicht nur lebendig, weil es in den Herzen Derer, die es aufnehmen, Leben zu Gott und in Gott hervorbringt, sondern es ist selbst lebendig, es hat selber in sich Leben und ruht nicht eher, bis es die Kerker aller Völker durchbrochen hat und alle Knie sich vor Christo beugen. 2) ein zweischneidiges Schwert, indem es das trotzige und verzagte Herz des Menschen aufdeckt, einen Feuerbrand in dasselbe hineinwirft und die Seele auf die Folter der Bußqual legt, mit ihr zu Bette geht, mit ihr aufsteht und sie nicht eher losläßt, bis sie gefunden hat, was ihr nütze sein soll zur Lehre oder Strafe, zur Bekehrung oder Erziehung in der Gerechtigkeit. 3) ein Richter über alle Zustände des innern Menschen; es richtet, die da schlafen mitten unter den Wachenden, es richtet, die weder warm noch kalt sind; es richtet die Ungläubigen; es richtet alle Menschen, die sich nicht selbst richten mögen. O Herr, laß Dein Wort auch in meinem Hause und Herzen leuchten wie des Himmels Glanz und laß es ein Feuer werden, um das sich alle sammeln, um das todte Herz zu erwärmen an Deiner Liebe, und laß Deine Gnade walten über aller Seelen, die Dich suchen, Dich finden, Dich halten als den Weg, die Wahrheit und das Leben. Erhalt uns in der Wahrheit, gib ewigliche Freiheit, zu preisen Deinen Namen durch Jesum Christum. Amen.

Heb. 4, 1-13

Ein schönes Lied singt: „Es ist noch eine Ruh’ vorhanden: auf, müdes Herz, und werde Licht! Du seufzest hier in deinen Banden, und deine Sonne scheinet nicht. Sieh auf das Lamm, das dich mit Freuden dort wird vor seinem Stuhle weiden, wirf hin die Last und eil’ Ihm zu. Bald ist der schwere Kampf vollendet, bald, bald der saure Lauf geendet, so gehst du ein zu deiner Ruh.“ Gottlob, daß eine solche Ruhe vorhanden ist dem Volke Gottes! Denn dies arme, zeitliche Leben ist voll Unruhe. Von einem Gedanken, von einem Wunsche geht es in den andern, und Friede ist ein selten Ding. Unruhe erfüllt die Völker: in dem Jagen nach neuen Ordnungen, nach neuen Künsten und Erfindungen kommen sie uns schnell wie Fieberkranke vor. Unruhe erfüllt den schwachen Leib; man kann fast sagen: es wird selten ein Gesunder gefunden. Unruhe ist um das Mein und Dein, Unruhe in den Familien, Unruhe um die Gegenwart, Unruhe um die Zukunft, Unruhe im Leben, und wenn’s an’s Sterben geht, erst die größte Unruhe. Ist denn keine Ruhe vorhanden? Ja, ja, aber nur dem Volke Gottes. Zum Volke Gottes gehören diejenigen, welche unter Christi Fahne, unter Christi Kreuz gestanden haben und täglich ihr Fleisch kreuzigen sammt den Lüsten und Begierden. Die haben schon hienieden mitten in der Unruhe Ruhe in dem Herrn, der ihre Schuld bezahlt hat mit seinem Blute und den Brand des Gewissens löscht mit seinem Verdienst und sie sprechen läßt: „Nun wir gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Friede mit Gott durch unsern Herrn Jesum Christum.“ Sie erhalten jenseits Ruhe bei dem Herrn, und ruhen dort von ihren Werken, gleichwie Gott von seinen. Droben ist Sabbath. Die Sünde ist ganz vorbei. Die Strafe ist aus. Die Zeit ist um, wo wir im Schweiß unseres Angesichts unser Brod essen mußten. Versuchung ist unmöglich. Der ewig verklärte Leib hat keinen Schmerz mehr, und die im Leib verklärte Seele hat keine Reue, keine Trauer um die Sünde mehr. Die Seligen ruhen in Gott. – O laßt uns Fleiß thun, einzukommen zu dieser Ruhe! Der Bote des Herrn steht vor der Thür. Er hat die Stunden gezählt, wann er uns abrufen soll. Christum im Leben, Christum im Tode: das allein gibt Ruhe in Zeit und Ewigkeit. Herr, nimm mich auf in Dein Volk, damit ich Ruhe in und bei Dir habe allezeit. Amen.

Heb. 4,14-5.10

Heil mir! Theurer Heiland, Deine Thränenopfer sind angenommen, Dein starkes Geschrei ist bis in den Himmel gedrungen, Deine Seufzer haben das Herz des himmlischen Vaters getroffen, Dein Gott ist mein Gott, Dein Vater mein Vater, Du hast mit wundgerungenen Händen die Pforten des Himmels für mich aufgeschlossen, um Deinetwillen wird mein Flehen erhört. Jauchze, meine Seele, nun darf ich mich unterwinden, mit Gott zu reden, wiewohl ich Erd’ und Asche bin; nun bin ich kein verlorner Sohn mehr, sondern aufgethan sind mir Vaterschoß und Arme; um Deinetwillen thut nun Gott, was ich begehre, und hört mein Schreien und hilft mir. O wie soll ich Dir danken, lieber Heiland, daß Du das für mich gethan? Ich will Dir singen und spielen in meinem Herzen, vom Morgen bis zum Abend will ich Deiner Liebe nicht vergessen, will, wie die Biene an der Blume, an Deinem Worte und Munde hangen, will, wie Jakob, Dich nicht lassen, bis Du mich segnest, will, wie Maria Magdalena, oft zu Deinen Füßen liegen und mit Thränen der Buße und Liebe sie benetzen. Von meinem Kindesrechte, mit dem Vater zu reden, will ich nun all’ mein Lebelang Gebrauch machen, und nicht ablassen, mein Abba! zu schreien. Das Vaterherz ist freundlich gegen mich, nun will ich den himmlischen Vater an jedem Morgen grüßen mit seligem Kindesflehn. Der Vaterschoß ist aufgethan, nun will ich mich jeden Abend mit meinem Gebete still darein legen und in sicherm Frieden hier ruhen. Die Vaterhand ist ausgestreckt über mich; nun will ich sie fassen und günstig halten und mich von ihr getrost führen lassen und Tag für Tag sprechen: „Herr, wie Du willst, so schick’s mit mir im Leben wie im Sterben.“ Und wenn ich sollte matt und müde werden und kalt im Eifer des Gebets, dann fasse mich, Jesu Christe, mit Deiner Hand und ziehe mich tief in den Schatten des Oelgartens, und laß mich Dich sehen, wie Du da im Staube liegst und betest, auf daß Deines Betens Gluth mein kaltes Herz auf’s neue entzünde, und Dein Kämpfen und Dein Ringen mich mit Lust und Muth erfülle, zu rufen und zu flehen so anhaltend, treu und andringend, bis Du mit dem Vater und dem Geiste gar Wohnung machst in mir und ewig bei mir bleibest. Amen.

Heb. 5, 11-14. u. Kap. 6.

Das wichtigste, erschreckendste Wort in diesen Versen ist das: „Es ist unmöglich, daß die Abgefallenen können erneuert werden zur Buße.“ Von welchen Personen redet hier der Apostel? Offenbar nicht von Neulingen, sondern von solchen, die schon Erfahrungen gemacht haben im Wege des Heils, und mit denen es zum Durchbruche schon gekommen ist. Von diesen setzt er voraus, daß sie abfallen, von der Gnade in die Gesetzlosigkeit, von Gott zu den Götzen, vom Himmelreich zur Welt, und vom Wege des Lichts in den des Fleisches und der Finsterniß. Leider ist das möglich, sogar nicht selten wirklich; wirklich bei allen, die es erst mit dem Herrn gehalten, und nun den Bund gebrochen und geschändet haben, die einst in der Reihe der Simonen und Schächer und Magdalenen zu sehen waren, und nun träuft keine Thräne um ihre Sünde mehr aus ihren Augen, und ihr Herz ist wie Stahl und Eisen; die einst das Lied des Lammes sangen, und singen sie das Lied der Welt und Belials; die einst liebliche Pflanzen waren zum Preise Gottes, und sind nun wie die entlaubten Bäume im Walde, verdorrt und kahl, ohne Blüthe, Blatt und Frucht und ohne Saft in Zweigen und Aesten. Von diesen Abgefallenen sagt der Apostel: es sei unmöglich, sie zu erneuern zur Buße; d.h. er sagt, daß seine Kunst hier zu Ende sei; aber nicht, daß nicht Gottes Allmacht wider alles Vermuthen doch noch eine Hülfe bereiten könne; daß die gewöhnlichen Erweckungsmittel, Wort und Vermahnung, vergeblich seien, aber keineswegs, die ungewöhnlichen, wie Jesus (Marc. 10) auch sagt: „Bei Menschen ist’s unmöglich, aber nicht bei Gott; denn bei Gott sind alle Dinge möglich.“ Daß Paulus das nicht ausdrücklich hinzusetzte, geschah darum, weil er warnen wollte vor Sicherheit und Abfall; versteckt hatte er es ja gethan im 3. und 8. Verse. Die Kleingläubigen und Verzagten sollen sich also nicht angst und bange machen lassen durch diese Worte, wohl aber die Sichern und Leichtsinnigen gewarnt werden. Möge dieser Zweck an jedem Leser dieses Kapitels durch Gottes Gnade und auch an mir erreicht werden! Amen.

Heb. 7

O Du unschuldiges Lamm und Hoherpriester, größer als Melchisedek, Herr Jesu Christe, was sehe ich für unerhörte Dinge an Dir im Garten Gethsemane! Dich, Du Quelle aller Freuden, überfällt Todesangst, Zittern, Zagen und die höchste Betrübniß. Du Lebensquelle ringest mit dem Tode. Du Quelle des Trostes schmachtest nach Trost. Du höchste Majestät, vor der alle Thronen und Herrschaften, ja Aller Knie im Himmel und auf Erden sich ehrerbietigst neigen, beugest Deine Knie zur Erde und thust einen demüthigen Fußfall vor Deinem Vater. Die Zornkelter preßt Dir einen ungewöhnlichen Blutschweiß aus. Du bis in den Tod betrübter Seelenfreund nimmst Trost und Stärkung an von einem Engel, dessen Schöpfer Du bist! O das sind ja wohl lauter unbegreifliche Liebeswunder, die aller Engel und Menschen Verstand weit übersteigen und alles demüthigen Nachsinnens würdig sind! Deine unerhörten Leiden, Herr Jesu, müssen ja auch mir und allen armen Sündern mehr als köstliche Früchte bringen. Mache mich derselben in recht reichem Maße theilhaftig, und laß Deine Angst und Pein an mir nicht verloren sein. Schenke mir Glauben, ja Glauben, der alles, was mit Dir vorgegangen als für mich gethan und gelitten ansiehet, sich dessen als sein eigen annimmt, damit vor dem Vater pranget, und den Feinden Hohn spricht. Dein Zittern und Zagen sei der Grund meiner Gewissensruhe und des Friedens mit Gott. Deine Angst sei mein Trost im Leben, Leiden und Sterben. Dein Abba-beten und wiederholtes Beten und heftigeres Beten sei die Stütze, worauf ich mich in meinem Gebete lehne, und der Grund einer kindlichen Freimüthigkeit im Gebete gegen Gott: denn Du hast die Wolke meiner Sünden, die das Angesicht Gottes vor mir verbargen, weggebetet, Du hast, wie ein gottseliger Lehrer sich ausdrückt, ein Loch durch den eisernen Himmel gebetet, so daß nun mein Gebet einen freien Zugang zum Thron der Gnade haben soll. Das Ringen und Kämpfen, das es Dich bei dem Grauen Deines menschlichen Willens vor dem herben Zornkelch gekostet, helfe mir durch allen Kampf zum herrlichen Sieg. Die völlige Ergebenheit Deines unschuldigen, menschlichen Willens in den Willen des Vaters verleihe mir eine stille Gelassenheit und kindliches Wohlgefallen an allen göttlichen Wegen und Führungen, wenn sie auch meiner blinden Vernunft noch so seltsam und meinem bösen Willen gerade entgegen wären. Die unermüdete Hirtentreue, die Du an Deinen schläfrigen Jüngern in Deinem schweren Kampfe bewiesen, sei mein Trost bei der Trägheit und Schwachheit meines Fleisches, und komme mir noch täglich zu Statten. Dein unschätzbarer Angst-, Blut- und Todesschweiß sei mir ein Trost-, Heil- und Lebensbalsam. Diese edlen Tropfen müssen als köstliche Blutrubinen von mir hoch und theuer geachtet, sorgfältig gesammelt und heilig gebraucht und verwahret werden; ziere Du selbst, mein auserwählter Blutsfreund, mit diesem Schmuck mein Herz und bezeichne damit meine Stirn, mache sie zu einem Zeichen zwischen mir und Dir in meinen noch übrigen Lebenstagen, daß ich der Deine und Du der Meine bist. An meinem Todes- oder vielmehr Hochzeittage laß diese köstlichen Tropfen so helle an und in mir glänzen, daß ihr Glanz meine Häßlichkeit bedecke, Dein Vater seine Lust an mir sehe und die Engel sich freuen, eine mit Deinem Blut- und Todesschweiß so geschmückte Seele heimzutragen, und die Teufel sich verkriechen. Amen.

Heb. 8

Dein Gethsemane, Herr Jesu, sei mir stets ein Paradies, darin sich meine Seele erquickt, unter Deinem Schatten, Du Lebensbaum, ausruhet, und von Deinen edlen Früchten, an welchen man nicht den Tod, sondern lauter Lebensstärkung isset, nach Herzenslust genießt. Wenn ich in einem Garten bin, so erinnere mich nachdrücklich an Deine mir im Garten erwiesene Liebe und übernommene Angst und Leiden, heilige und segne mir dadurch alle Gartenlust und Gartenarbeit. O himmlischer Gärtner, wie selig ist ein Herz, das Dein Garten geworden ist! Mache mein Herz dazu; bricht die Felsen heraus, reute die Dornen aus, grabe es um mit Deinem Marterzeug, mach es fruchtbar mit Deinem Blutschweiß, besäe es mit dem guten Samen Deines Wortes, beregne es mit dem Blut und Wasser aus Deiner Seite, bescheine es selbst, Du Sonne der Gerechtigkeit und durchwehe es mit dem sanften hauch Deines heiligen Geistes, damit ein Neues werde und es edle Früchte trage. – Insbesondere laß mir Deine Angststunde in Gethsemane zum völligen Glauben recht gesegnet sein. Wenn ich finde, wie schwach und unvollkommen meine Buße ist, so laß mich Deine vollkommene Buße mit kindlichem Glauben ergreifen und dem Vater darbringen. Das tägliche Gefühl meines Elends und tiefen Verderbens müsse die zarte Flamme meines Glaubens nicht schwächen! besonders wenn ich jeden Abend so viele Mängel und Sünden erblicke, die mich den Tag über befleckt haben, o da laß Dein: „Abba, mein Vater“ auch mein Abba, mein Vater sein. Laß mich das kindlich gläubige mein aus Deinem geheiligten Munde entnehmen und es Dir nachsprechen, so gut ich kann, und lege Du dann das Gewicht darauf und mache es gültig. Laß mich in heiligem Geiz thun, als ob ich für Niemand etwas übrig lassen wollte von Deinem Thun und Leiden, daß ich Alles so als für mich, ja eben allein für mich gethan hinnehme und mir mit dem Glaubenswort mein zueigne. Mein ist Dein Zittern und Zagen, mein ist Dein Beben, mein ist Dein Ringen mit dem Tode, mein Dein Blutschweiß und Alles, was ich im Garten an Dir erblicke. Mit diesen seligen Geschäften der Buße, des Glaubens und der Liebe laß mich einschlafen, und wenn ich erwache, so laß mein Herz noch unter Deinem Herzen im Oelgarten liegen. Amen.

Heb. 9

Welch eine Erhabenheit des neuen Testaments über das alte! Dort sündhafte Priester, die für sich selbst opfern müssen, um entsündigt zu werden: hier ein Hoherpriester, heilig und unbefleckt und von den Sündern abgesondert, der nicht nöthig hat für seine eigne Sünde Opfer zu thun. Dort Priester, die ihr thierisches Opfer täglich Jahr aus Jahr ein wiederholen mußten: hier ein Hoherpriester, der mit dem einen Opfer seines heiligen Leibes eine ewig gültige Erlösung stiftet. Dort Priester, die vorbildlich in das irdische Allerheiligste des Tempels zu Jerusalem mit dem Blute des Opferthiers am Versöhnungstage hineingehen, um damit den Sühndeckel der Bundeslade zu besprengen und um Vergebung für die eigne und des Volkes Sünde zu bitten: hier ein Hoherpriester, der, nachdem Er für unsere Sünden ein für allemal gestorben war, mit diesem die Sünde wahrhaftig tilgenden Blute als unser Mittler in den Himmel eingegangen und zur Rechten Gottes erhöht ist, um uns da ewig mit seinem Verdienst zu vertreten. Dort menschliche Priester, die nur eine sinnbildliche Sühne vollzogen, und nur eine äußerliche, levitische Heiligkeit beim Volke bewirkten: hier ein Hoherpriester, der, weil Er der Sohn Gottes ist und sein Opfer ein wahrhaft stellvertretendes, die Sündenvergebung der Menschheit wirklich zu Stande bringt und mächtig wirksam wird zur Heiligung aller seine Gläubigen. Hier ist der Zweck und die Wirkung des Opfers Christi eben so vollkommen, wie das Opfer selbst, und der Sünder, der sich die Vergebung aller seiner Sünden durch das Blut Christi im lebendigen Glauben aneignet und seinem Gewissen eine geleistete Bezahlung der Schuld gegen das Gesetz im Opfer Christi vorlegt, bringt diesen Zeugen und Ankläger in seiner Brust zum Schweigen; das Urtheil desselben wird durch ein höheres Urtheil aufgehoben, es wird still, und der Friede der Seele ist hergestellt. Zugleich aber werden neue Triebe im Gewissen erregt, der Sünde, die Jesu das Leben gekostet und den Tod so bitter gemacht hat, für immer zu entsagen. Wohlan denn, meine Seele, laß auch du dich durch dies theure Blut alle Tage, auch heute, wieder reinigen, daß du dem lebendigen Gott immer lebendiger dienest, und einst deinem Heilande ein ewiges Halleluja singest! Amen.

Heb. 10.

Nachdem der Apostel im Anfange diese Kapitels nachgewiesen hat, wie die Bedeutung der Opfer theils in der stellvertretenden Genugthuung für die Sünde, theils in der wirklichen und wirksamen Hingabe des Opfernden an Gott bestand, beide Stücke aber allein durch das heilige Opfer Christi bewirkt wurden, und dadurch der 40ste Psalm buchstäblich ist erfüllt worden, knüpft er daran eine Reihe der inhaltsreichsten, lebendigsten Ermahnungen zur Standhaftigkeit im Glauben, zur Treue im Bekenntniß, zur Vermeidung aller vorsätzlichen und wissentlichen Sünden, zur Beharrlichkeit und Ausdauer in den größten Leiden und Gefahren, und erklärt jeden bewußten Abfall vom Evangelio für eine gegen den Sohn Gottes persönlich gerichtete Sünde, für welche es dann keine Versöhnung mehr gibt, sondern nur noch den Feuereifer des göttlichen Strafgerichts. Das mächtigste Mittel unserer Heiligung ist der Opfertod Jesu Christi, und wen dieses Mittel nicht bessert und heiligt, den bessert und heiligt nichts in der Welt. Offenbare denn die Kraft Deines Blutes auch in meiner Seele, Herr Jesu, und laß die Sonne Einer ewigen Liebe nie in mir untergehen. Schreibe es mir täglich tief in’s Herz, wie viel es Dir gekostet, daß ich erlöset bin. mache mich dadurch zu Deinem Jünger, der alle seine Kräfte, Leib, Seele und Geist, Gut und Blut, Ehre und Leben Dir völlig opfert, und Alles nur aus Dir und in Dir und für Dich sein will. O liebster Heiland, führe mich täglich hin an Dein Kreuz, und erweiche durch Deine unaussprechliche Liebe mein hartes, liebloses Herz, damit ich hinfort nicht mehr mir selber lebe, sondern Dir, der Du für mich gestorben und auferstanden bist. Laß Dein Leiden gelten als mein Leiden, Deinen Tod als meinen Tod, auf daß auch Dein Leben mein Leben, Deine Gerechtigkeit meine Gerechtigkeit werde. Amen.

Heb. 11.

Der Glaube ist die größte Kraft, welche der Seele zu Hülfe kommt, denn auch die Liebe, wenn es die rechte Liebe ist, hat im Glauben ihre Wurzel. Die Fundamente des Glaubens sind die unsichtbaren Dinge, welche die Seele aber aus freier Wahl so ergreift, als wären es sichtbare. Der Glaube steht siegreich auf der Sinnenwelt, auf den Berechnungen des Verstandes, auf allen Feindesheeren und Lebensbedrängnissen, er ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. Freilich ist der Glaube nicht jedermanns Ding; man kann niemand zwingen zu glauben, aber wer nicht zum Glauben kommt, hat es dennoch anzusehen als seine eigne Schuld. Christus würde nicht sagen: „wer nicht glaubt, wird verdammet werden“ wenn der Unglaube eine bloße Kurzsichtigkeit oder Unbegabtheit wäre. Wer ungläubig ist, der ist es, weil er es will, nicht weil er nicht anders kann. Der Unglaube ist eine Sünde des Herzens, nicht des Verstandes; wer sich beugen will, der kommt auch zum Glauben. Alle Glaubenshelden, die Ebr. 11 uns vor’s Auge gestellt werden, hatten ihr eignes Leben dran gegeben und konnten darum glauben. Das eigne Leben aber ist nichts anders als Entfremdung von Gott, und diese Gottentfremdung will der Ungläubige nicht richten. Keiner jener Glaubensmänner war von Natur begabter als der andere, aber sie konnten brechen mit sich selber, weil sie es wollten, und diese Hingabe des Herzens öffnet es auch für die Güter, die kein Auge gesehn, kein Ohr gehört hat und die in keines Menschen Herz gekommen waren, die aber Gott bereitet hat denen, die Ihn lieben. Wahrlich, wollen wir Christen, nach all’ den Gottesthaten, die für uns geschehen sind, nicht glauben, so wird uns die Hure Rahab und der gemeinste Israelit beschämen an jenem Tage. Es werden Zeiten kommen, wo wir durch alle Macht, Reichthum, Kunst und Ansehn nichts ausrichten können und wo ein Quentlein Glaube mehr gelten wird als ein Centner Macht und Kunst. – O mein Heiland, auf Dich bin ich ja gewiesen als den Anfänger und Vollender des Glaubens. Kann ich nicht einen Heldenglauben bekommen, so gib mir doch den Glauben, der Dich ergreift zur Seligkeit und jeder Sünde mit ganzem Ernst bis an’s Ende widersteht. Amen.

Heb. 12.

Wenn Paulus im 11ten Kapitel vom Glauben handelte, so bespricht er im 12ten die Hoffnung und die ausharrende Geduld der Christen. Beide sind vereinigt im geistlichen Wettlaufe und im rechten Erdulden, Benutzen und Verstehen der segensvollen Vaterzüchtigungen Gottes; denn ohne Kreuz ist hienieden Niemand; wer ohne dasselbe geführt wird, hat schon darin ein Kreuz, daß er nicht weiß, wie dem leidenden Heilande zu Muthe war, und es wird daher in der Ewigkeit über heilsam ausgestandenes Kreuz mehr Freude sein, als über empfundene Freude, weil diese dort immer währt, jenes aber nicht mehr gekostet werden kann (V. 1-11.). – Beweggründe zum Fortschreiten im heiligen Hoffnungswandel und zur Standhaftigkeit fehlen uns überdies nicht, wenn wir an den höchsten Gnadensegen denken, daß wir ihn nicht verscherzen, noch in Bezug auf Gott uns selbst und den Nächsten nicht versäumen, was hintennach nicht so einzubringen ist, wie man manchmal meint (V. 12-17). Im neuen Testamente ist endlich Alles viel gnadenreicher, lieblicher, herrlicher, die Gemeinschaft mit Allem Himmlischen vielfacher als im alten Testament; die Kinder Gottes auf Erden und die Kinder Gottes im Himmel sind jetzt innig mit einander verbunden: sie haben ein gemeinsames Haupt, - Christum, einen gemeinsamen Namen, - Erstgeborne, Gerechte, Selige, Bürger und Hausgenossen Gottes; einen gemeinsamen Streit und Sieg, ein gemeinsames Gebet, ein gemeinsames Erbe und eine gemeinsame Auferstehung; derer, die für sie sind, sind deshalb mehr als derer, die wider sie sind. Aber eben darum wird auch die Strafe der Verächter solcher Gnade schrecklich sein. Die Rede und Stimme des neuen Testaments wird Alles viel mächtiger erschüttern als die am Sinai (V. 18-29.). Das Gnadenreich Jesu Christi ist allein mitten in der allgemeinen Vergänglichkeit aller Staaten, Städte, Familien und einzelner Leben das Bleibende durch alle Jahrhunderte, und zwar sowohl seinem Wesen als Zweck und König nach. Darum gilt es, danach zu streben, den Blick auf Christum und sein Reich nie zu verlieren und in der genauesten Verbindung mit der oberen Gemeinde zu streiten und zu siegen über alle Lust und Furcht der Versuchung. Amen.

Heb. 13.

Nach den Ermahnungen zum Glauben Kap. 11 und zur Hoffnung Kap. 12 schließt der Brief an die Hebräer Kap. 13 mit der Ermahnung zur Liebe und zum Wandel in der Liebe: „Bleibet fest in der brüderlichen Liebe!“ Sie ist unaufhörlich und das Größte im Christenthum. Sie war gerade zu Anfang unter den Christen in Palästina so inbrünstig gewesen. Der Apostel warnt deshalb vor ihrem Erkalten, dem Zeichen des Abfalls. Sie war überdies um so nöthiger, je mehr die Christen von allen andern verachtet und verfolgt wurden und nur auf ihre Mitchristen rechnen konnten. – Nun folgen auf dies einfache, letzte und erste Wort allerlei einzelne Ermahnungen, die der Brief als ein rechter Brief zum Schlusse zu bringen hat; insbesondere zuerst eine Warnung vor geiler und Geldliebe V. 1-16, dann eine Erinnerung, das Liebesgedächtnis ihrer seligverstorbenen geistlichen Leiter in Lehre, Glauben und Wandel festzuhalten, gegenüber allen jüdischen Nebenlehren, weil wir einen andern Altar, eine andere Stadt und andere Opfer haben V. 7-16; darauf eine Ermahnung zum Liebesgehorsam gegen die noch lebenden Vorsteher und zur Fürbitte für den Schreiber des Briefes V. 17-19; endlich ein Schlußwunsch in einer gedrängten Wiederholung des ganzen Briefes und liebevolle Grüße V. 20-15. Beobachten wir die apostolischen Ermahnungen zum Glauben, zur Hoffnung und zur Liebe, dann haben wir hienieden Frieden und gutes Gewissen, und die Gewißheit der künftigen Seligkeit. Denn alle Bedürfnisse des menschlichen Herzens gehen doch zuletzt auf etwas Kommendes und Zukünftiges; der Mensch lebt nicht von dem, was er hat, sondern von dem, was vor ihm liegt. Wer sagen kann: „Der Herr ist mein Gut und mein Theil, und Er erhält mir mein Erbtheil,“ wer Christum hat ganz und umsonst fest durch die Gnade, der hat auch die Heimath und fühlt sich zu Hause in jedem Winkel der Erde. In der Gewißheit: „Er ist mein und ich bin sein,“ liegt auch die andere: „Was Sein ist, das ist auch mein.“ Laß dann zerrinnen die irdischen Güter und Hoffnungen, eine bleibt uns, die lebendige Hoffnung, und in ihr haben wir jetzt schon das Angeld unseres unvergänglichen, unbefleckten und unverwelklichen Erbes. Amen.

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