Arndt, Johann - Erbauliche Psalter-Erklärung - Psalm 23, Vers 1-3.

Arndt, Johann - Erbauliche Psalter-Erklärung - Psalm 23, Vers 1-3.

Es hat der treue und barmherzige Gott seine Leutseligkeit und sein liebreiches Herz durch allerlei Trostbilder uns vor Augen gestellt, um dadurch seine Freundlichkeit, Liebe und Gnade in unser Herz einzuprägen, auf dass wir ihn ja recht kennen lernen und in seiner Erkenntnis wachsen und zunehmen. Unter diesen Trostbildern sind sonderlich drei die vornehmsten und tröstlichsten. Das erste ist genommen von einem Vater- und Mutterherzen, wie wir lesen Ps. 103,13: wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der HErr über die, so ihn fürchten; und Jerem. 31,20: ist nicht Ephraim mein teurer Sohn und mein trautes Kind? Ich denke noch wohl daran, was ich ihm geredet habe, darum bricht mir mein Herz gegen ihn, dass ich mich seiner erbarmen muss; und abermals Jes. 66,13: ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet. Das andere tröstliche Gleichnis ist, dass sich der Sohn Gottes einem Bräutigam vergleicht: wie sich ein Bräutigam über seine Braut freut, so freut sich der HErr, dein Gott über dir (Hos. 2,19). Christus wirbt um unsere Seele, wie ein Bräutigam um seine Braut, und will sich mit derselben in Ewigkeit vereinigen, und darum vergleicht er auch einer Hochzeit sein heiliges Evangelium und seine Gnade. Das dritte tröstliche Gleichnis ist von einem Hirten genommen, dessen Art es ist, dass er seine Schäflein liebe, kenne, suche, weide, führe, tränke, heile und beschütze selbst mit Darangabe seines Leibes und Lebens, wie der Erzvater Jakob spricht (1 Mos. 31,40): des Tags verschmachtete ich vor Hitze und des Nachts vor Frost, und kam kein Schlaf in meine Augen. So hat Christus, unser HErr, auch getan; darum ist er der rechte Erzhirte und Bischof unserer Seelen. Solche unaussprechliche Wohltaten beschreibt nun unser Psalm, welcher zwei Hauptstücke enthält: 1) eine Lehre von den vielfältigen Wohltaten und dem Gnadenamt Christi und 2) einen schönen Trost in allerlei Kreuz. In dem ersten Teil, den wir heute betrachten, werden beschrieben die Eigenschaften eines guten Hirten, und hängt Alles an dem ersten Sprüchlein: der HErr ist mein Hirte; darum wird mir nichts mangeln: er weidet mich, er tränkt mich, er erquickt mich, er leitet und führt mich um seines Namens willen, darum ist er mein Hirte.

V. 1. Der HErr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln. Wer ist dieser Hirte? Der HErr, der allmächtige Gott, HErr Zebaoth ist sein Name, groß von Rat und mächtig von Tat, ein großer König über den ganzen Erdboden, dessen Stuhl der Himmel ist und die Erde seiner Füße Schemel. Es ist der Sohn des lebendigen Gottes, von dem der Prophet Jesajas geweissagt hat (40,10f.): siehe der HErr kommt, er wird seine Herde weiden wie ein Hirte, er wird seine Schafe in seine Arme sammeln und in seinen Busen tragen. Das ist die Liebe und Treue des Hirten, von welcher auch der Prophet Hesekiel weissagt (34,4 ff.): siehe meine Schafe sind zerstreut auf den Bergen; ich will mich meiner Schafe selbst annehmen, das Verlorene suchen, das Verirrte wieder zurecht bringen, das Verwundete heilen, des Schwachen warten. Siehe ist das nicht ein herrlicher Trost, dass der Sohn Gottes selbst dein Hirte geworden ist und du sein Schäflein? Ach du freundlicher HErr und Sohn Gottes, wie haben wir das um dich verdient, dass du unser Hirte geworden bist? Du hasts nicht verdient, spricht der HErr, kannst es auch nicht verdienen, sondern meine Liebe zu dir hat mich dazu gezwungen. Lerne nur meine Liebe aus meinen Werken erkennen und verlasse dich darauf von ganzem Herzen. Warum bist du ein verlorenes Schäflein geworden? Dein Elend und dein Irrweg hat mich dazu getrieben, dass ich dein Hirte geworden bin. Denn wer ewig verloren ist, muss einen ewigen Erlöser und Hirten haben, der mit göttlicher Stärke wider die Feinde streiten und siegen kann. Solltest du nun nicht ewig ein verlorenes Schäflein bleiben, so musste ich als ein wahrer Gott sein Hirte werden und dich wieder suchen.

Und fragst du: wie weiß ich aber, lieber HErr, dass eben du mein Hirte bist und ich dein Schäflein? so ist die Antwort: daran sollst du merken, dass ich dein Hirte bin, dass ich dich durch die heilige Taufe berufen habe und dich versiegelt und bezeichnet mit meinem Geist; ich weide dich mit dem Evangelium, ich speise und tränke dich mit meinem Leib und Blut im heiligen Abendmahl, ich tröste dich in aller Trübsal, vergebe dir alle deine Sünden reichlich und täglich, heile alle deine Gebrechen, errette dein Leben vom zeitlichen und ewigen Verderben und gebe dir endlich das ewige Leben.

Darauf sollst du mit Freuden sagen: bist du denn mein Hirte, o HErr Jesu, so suche dein armes Schäflein, bekehre, erleuchte, heilige, führe und behüte mich, dass ich nicht irre, noch dich verlasse. Ich bin wie ein verirrtes Schaf, suche deinen Knecht; weide mich auch allezeit mit gesunder, heilsamer Weide. Gib mir ein gehorsames Herz, dass ich dir folge in Glaube, in Liebe und Hoffnung, in Demut, Geduld und Sanftmut durch Kreuz und Tod, im Leben und im Sterben.

Mir wird nichts mangeln. Denn was kann dem Schäflein mangeln, dessen Hirte Gott selbst ist? Gott hat beschlossen, es hat ihm wohlgefallen, dass in Christo alle Fülle wohne, und dass Alles in ihm bestehen soll (Kol. 1,19). Er ist das Haupt der Gemeine und die Fülle, die alles in allem erfüllt. Er ist erhöht über alle Gewalt und Macht, über Engel und Fürstentum, über alles, was in Zeit und Ewigkeit kann genannt werden, und das ist nun alles unser. Wer überwindet, der soll alles erben; was kann uns denn mangeln? Die den HErrn fürchten, haben keinen Mangel an irgend einem Gut, verstehe an ewigem Gut. Und was kann es uns schaden, wenn gleich ein wenig Mangel im Zeitlichen eintritt, wenn nur kein Mangel an Ewigem vorhanden ist, wenn gleich dem Leib etwas abgeht und nur der Seele nichts fehlt. Dem Leib ist leicht geraten, wenn nur der Seele geraten ist; dem Leib schadet keine Armut, wenn die Seele reich ist in Gott, es schadet keine Verachtung der Menschen, wenn Gottes Herrlichkeit bei ihr ist, und kein Hass der Welt, wenn Gott sie liebt.

Diese volle Genüge der Seele hat David empfunden, da er spricht (Ps. 116,7 f.): sei nun wieder zufrieden, meine Seele, der HErr tut dir Gutes; er hat sich errettet vom Tod, deine Füße vom Gleiten, deine Augen von den Tränen; ich werde nun wandeln im Lande der Lebendigen immer und ewiglich. Wenn die Seele mit Gott ersättigt wird, so ist sie recht satt und kann in Gott ruhen; da schadet ihr keine leibliche Armut. Hast du Gott, so hast du alles; hast du ihn nicht, so hast du nichts, und wenn du die ganze Welt hättest, und mangelst des rechten, höchsten und ewigen Gutes. Wer Gott nicht hat in Christo, gerät mit dem reichen Mann in ewige Armut. Darum lass dir an Gottes Gnade in Christo genügen, da findest du ewigen Reichtum und kannst mit dem Psalmisten sprechen (Ps. 73,25): wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde; wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.

V. 2. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zu frischem Wasser. Unser getreuer Hirte Jesus Christus hat uns eine geistliche grüne Aue zugerichtet, die immer und in Ewigkeit grünt und blüht, und dieselbe ist sein göttliches Wort und heiliges Evangelium. Dieses wird einer grünen Aue verglichen, weil uns darin die wahre Erkenntnis Gottes und alle Wohltaten Christi vorgetragen werden, welche ewig grünen und blühen und nimmermehr verwelken und aufhören. Das Alles, was Christus, unser HErr, für uns gelebt, gelitten und erworben, ist uns stets so neu und frisch, als wenn es gestern erst geschehen wäre; sein Wort ist uns so frisch und kräftig, als wenn es gestern erst zu uns geredet worden wäre; so ist auch Gottes Gnade alle Morgen neu über uns, und der liebliche Tau des heiligen Geistes ist immerdar bei dem Wort der Gnade. Von Gottes Wort lebt aber auch Alles, grünt und blüht und wird dadurch gesegnet. Gottes Wort ist der Ursprung alles Segens, ja aller Kreaturen, denn durch die Kraft des göttlichen Wortes wird alles im Leben erhalten; Gott hält und trägt Alles mit seinem kräftigen Wort (Heb. 1,3). Das heilige Evangelium ist aber auch darum eine grüne Aue, weil wir durch den Glauben die Frucht des heiligen bitteren Leidens und Sterbens JEsu Christi empfinden, die Kraft seiner Auferstehung und Himmelfahrt und den Vorschmack des ewigen Lebens und der ewigen Freude. Denn unsere Seele kann mit nichts anderem gesättigt werden als mit dem lebendigen Geist und der Kraft Gottes; kein zeitliches, vergängliches Ding kann eine betrübte Seele trösten, stärken, vor Verzweiflung bewahren; nichts irdisches kann einen unsterblichen Geist sättigen. Wohl nun dem Volk, Land und Stadt, da diese grüne Aue des göttlichen Wortes ist; da ist die Stadt Gottes, die fein lustig bleiben wird mit ihren Brünnlein, da die Wohnungen des Höchsten sind (Ps. 46,5). Wo aber Gottes Wort nicht ist, da ist eine dürre Wüste; die Seele bleibt leer, ungeweidet, unerleuchtet, wird auch in Ewigkeit nicht gesättigt und getröstet werden. Dort in der Ewigkeit wird man es auch einmal erfahren, wer das rechte Gut gehabt hat und den rechten, ewigen Schatz.

Unser getreuer Hirte weidet uns aber nicht allein auf grüner Aue, sondern führt uns auch zu frischem Wasser. Die frischen Wasser entspringen aus dem Brunnen des Lebens Jesu Christi, aus seinen heiligen Wunden. Daraus quellen die lebendigen Wasserströme des himmlischen und ewigen Trostes, wie Psalm 36 (V. 10) spricht: HErr bei dir ist die lebendige Quelle, und in deinem Licht sehen wir das Licht. Und wie Moses den Felsen schlug in der Wüste, dass Wasserströme daraus flossen, und die durstigen Kinder Israels tranken, also ist der Felsen des Heils am Kreuze eröffnet und ist allen Gläubigen ein Brunnen geworden des ewigen Lebens.

Was ist nun die Kraft und Wirkung dieser grünen Aue und dieses frischen Wassers?

V. 3. Er erquickt meine Seele, er führt mich auf rechter Straße um seines Namens willen. Wenn die Seele betrübt und traurig ist, müde und matt vom Seufzen, so kann sie nichts erquicken als die grüne Aue des göttlichen Wortes und das frische Wasser des göttlichen Trostes. Deine Gnade ist besser denn Leben, sagt Psalm 63 (V. 4); denn was hilft's, leben und lange leben, ja ewig leben ohne Gottes Güte und Gnade. Die Erquickung unserer Seele besteht aber vornehmlich in Vergebung der Sünden, wie der HErr sagt (Matth. 11,28): kommt her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Daran gedenkt doch, wenn ihr betrübt und traurig seid: der HErr hat gesagt, er wolle eure Seele erquicken.

Der Psalmist sagt aber ausdrücklich: er erquickt meine Seele; allein um die Seele ist es ihm zu tun. Wenn diese ihre Erquickung hat, dann ist er zufrieden. So herzlich sehnen sich die Gläubigen nach den himmlischen ewigen Gütern, nach der Gerechtigkeit Christi, nach himmlischem Trost, nach ewigem Leben, nach Gott selbst; denn die Seele kann ja mit nichts erquickt werden als mit Gott selbst. Aber freilich die meisten Menschen suchen nur leibliche Erquickung und Ergötzung, wenige suchen die geistliche, die Erquickung der Seele, die allein in Gott und Christo geschieht, und wenige Menschen wissen auch nur von Erquickung der Seele. Denn wenn Gott die Seele recht erquicken soll, so muss sie leer, ledig und frei sein von allen irdischen Dingen, und darf nur in Gott ruhen, muss in ihm ihre Freude haben und nicht in den Kreaturen oder im Zeitlichen.

Zu den Eigenschaften eine guten Hirten gehört ferner, dass er die Schafe sich nicht von der Herde verirren lässt, sondern sie auf rechter Straße führt. Dass aber die Schafe sich so leicht verirren, das ist ein Bild der menschlichen Schwachheit. Darum klagt auch der Prophet (Jes. 53,6): wir gingen alle in der Irre wie Schafe, aus einer Sünde in die andere, aus einer Blindheit, Abgötterei, Torheit in die andere; und der Apostel Paulus (Röm. 3,16.17): in ihren Wegen ist lauter Unfall und Herzeleid, und den Weg des Friedens wissen sie nicht.

Was ist denn nun die rechte Straße, die zum ewigen Leben führt? Ich bin der Weg, sagt der HErr Christus (Joh. 14,6), und die Wahrheit und das Leben, Niemand kommt zum Vater, denn durch mich. Auf diesen Weg kommen wir durch Gottes Wort, das führt uns recht zu Christo; durch den Glauben an Christum kommen wir zur Wahrheit und damit auch zum Leben. Gottes Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Weg, das zeigt uns den rechten Weg des Glaubens und den rechten Weg eines heiligen Lebens, und deren Spiegel ist das lebendige Beispiel unseres HErrn Jesu Christi. Wenn wir in Christo suchen unsere Gerechtigkeit, Leben und Seligkeit, so ist das der rechte Weg und die Wahrheit und auch das Leben.

Das Alles tut aber der HErr an uns um seines Namens willen, auf dass sein Name dadurch groß und herrlich und im Himmel und auf Erden ausgebreitet werde, gelobt und gepriesen werde. Dein, o Gott, soll allein die Ehre, der Name, der Ruhm, Lob und Preis sein; denn solches Alles ist uns allein aus lauter Gnade und Barmherzigkeit widerfahren! Amen.

Gebet.

O HErr Jesu, du einiger Erzhirte und treuer Bischof unserer Seelen, der du uns verirrte Schäflein gesucht, mit deinem teuren Blute erlöst, auf deinen Schultern zu den ewigen Hütten wieder getragen und zurecht gebracht hast; wir bitten dich, du wollest uns auf deiner Weide des heiligen Evangeliums durch deinen Geist erhalten und uns vor Wölfen und Mietlingen und unheilsamen, schädlichen Wassern behüten und bewahren, und uns bald in deinen ewigen Freudensaal zu dir versammeln, bis dahin aber wollest du uns an Leib und Seele mit deinem Worte und heiligen Sakramenten und mit Notdurft dieses Lebens weiden, speisen und erhalten zu deines Namens Lob und Ehre. Amen.

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