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Anselm von Canterbury - Gebet 3

Anselm von Canterbury - Gebet 3

Mein Gott, du Hocherhabener, mildherziger Freund aller Menschen, Schöpfer und Regierer aller Creatur, vor dir, dem unsäglich Erbarmungsreichen, bekenne ich alle meine Sünden, die ich irgendwie gethan von der Stunde an, da ich zu sündigen anfing, bis zur heutigen, die du nach deiner Barmherzigkeit mich noch erleben lässest. Freilich vermag ich nicht mich an sie alle zu erinnern, es sind ihrer zu viele, und ist darum nicht möglich sie aufzuzählen. Du aber, gnädiger und barmherziger Gott, der du alle unsere Thaten weißt, noch ehe sie geschehen, und versteht unsere Gedanken von ferne, und prüfest Herz und Nieren in Gerechtigkeit, du kennst alle meine Sünden, die ich begangen habe und noch begehe, sei es nun inwendig in den geheimen Gedanken meiner Seele, oder auswendig in offenbaren Werken. Und weil ich gar wohl erkannt habe, daß ich in dem Allem deinem Willen zuwider handelte, so bekenne ich vor deiner Majestät und vor allen deinen Heiligen, daß ich schuldig und strafbar bin, und, wenn nicht zuvor dein nachsichtsvolles Erbarmen mir zu Hülfe kommt, nach dem Tode des Fleisches zum ewigen Tode verdammt, und in der ewigen Qual ohne Aufhören gepeinigt werden muß.

Ich weiß, du gnädiger Gott, ich weiß, daß du mich erschaffen, und den du schuft voll Erbarmen geliebt hat; und daß du mich dazu geschaffen, daß auch ich hin wieder dich meinen Schöpfer nach Würden lieben, und in allen Dingen deinen Geboten gehorsam sein sollte. Das Alles aber hat du also geordnet zu meinem Besten, und nicht, daß du durch mich besser, oder nach irgend einer Seite reicher gemacht würdest. Brauchst du doch in keinem Punkte besser zu werden, weil du selbst das schlechthin. Gute bist, und erst von dir aus gut wurde, wer gut ist. Eben darum kannst du weder besser noch reicher werden; und nicht aus kraftloser Ohnmacht kannst du das nicht, sondern weil du der vollkommene Inbegriff aller Kraft bist. Denn wer Böses zu thun vermag und wirklich thut, vermag und thut es kraft des Bösen, das in ihm ist, weil er durch die Kraft desselbigen nicht zu seinem Heile aufwärts in die Höhe, sondern zu seinem Unheile abwärts in die Tiefe gezogen wird. Durch diese Kraft, oder vielmehr Kraftlosigkeit schmählich irregeführt, und gleichsam in eine von leerem Winde aufgeschwellte Blase verwandelt, alles Verstandes beraubt, und gleichsam der unvernünftigen Creatur ähnlich geworden, vom Pfeile des Hochmuths jämmerlich durchbohrt und zu Boden gestreckt, habe ich dich meinen Schöpfer und überaus barmherzigen Herrn verachtet sammt deinen Geboten, die du mir zu meiner Besserung gabst, wenn anders ich sie hätte befolgen wollen. Aber ich habe sie verachtet, kam ganz von Sinnen, ward ein Spielball des Hochmuthes, ging aller wahren Kraft verlustig, und bin nun auf die Wege des Verderbens und Todes gerathen, und laufe, wie ein wahnsinniger Thor, der Eitelkeit und dem Winde eitlen Ruhmes nach.

Ich bekenne dir, du grundgütiger Gott, ich bekenne vor dir dem Allmächtigen, daß mein Stolz, meine Eitelkeit alles Maß übersteigt, daß ich aller Arten von Hochmuth voll bin. Auch glaube ich, wenn ich in dieser Welt zu einiger Macht gelangte, so würde. Niemand meinen Hochmuth zu ertragen vermögen. Aber mag auch der Hochmuth, von dem ich Menschen gegenüber so schwer geplagt werde, noch so fluchwürdig, noch so gefährlich sein, so gibt es doch noch eine andere Art von Hochmuth, von der ich bei scharfer und rückhaltsloser Durchforschung der geheimen Tiefen meines Geistes befinde, daß sie in nicht geringerem Grade meine unglückliche Seele zerquält und zerreißt. Denn wenn es zur Seltenheit einmal vor kommt, daß ich irgend eine unselige That thue, die nach Meinung der Leute noch einen Zug von Gutem an sich zu tragen scheint, so bilde ich mir nicht wenig darauf ein. Und wer nicht davon spricht, auch nicht in leisester Weise mir darüber Lob spenden will, den verachte ich als thöricht und urtheilsunfähig. Ja selbst, wenn ich in scheinbarer Gleichgültigkeit dem Lobe der Menschen als eitel und werthlos ausweiche, so thue ich doch im innersten Herzensgrunde, dahin Gott allein sieht, mir nicht wenig darauf zu Gute. Und gerade während ich dem Lobe in aller Weise aus dem Wege gehe, verlange ich um so stärker nach Lob und eitler Ehre. Jawohl, mein Gott und mein Schöpfer, jawohl, du siehest, daß ich also thue, also lebe, und meinen ganzen Wandel beflecke, du siehest es und verflucht es, und drohest solchem Leben eitel Strafe und Pein. Darum eile, du mein Schöpfer, eile mir zu helfen zur rechten Zeit, eile und errette meine Seele, und zerbrich und zerscheitere meinen Hochmuth um deiner unaussprechlichen Barmherzigkeit willen. Siehe, mein Herr und mein Gott, siehe ich bekenne deiner unermeßlichen Gütigkeit, daß ich vom Gifte dieser Bosheit ganz durchzogen, verderbt und zerrüttet bin; ja, ich wäre schon gänzlich zu Grunde gerichtet, hätte nicht deine Barmherzigkeit sich ins Mittel gestellt. Aber vor deiner Majestät erkenne ich meine Schuld, ich habe Strafe und Fluch verdient, und erflehe Vergebung und Verzeihung für diese und alle meine Sünde von dir, du erbarmungsreicher Schöpfer, der du nicht den Tod der Sünder willst, und hat kein Gefallen daran, wenn sie ins Verderben dahinfahren. Gleichermaßen bekenne ich, daß noch viele andere Sünden, die aus jener giftigen Wurzel entspringen, mich beschweren und belasten, mir keine geringe Unruhe machen, und mich gar oft ganz niederdrücken. Auch für diese alle bitte ich um Vergebung und Verzeihung; als da sind: Zorn, Ungeduld, Zwietracht, die Gott zuwider und allen Heiligen verhaßt ist, Unwille, Groll, Unmuth, Gefräßigkeit, mürrisches Wesen, Geiz, Habsucht, und vieles Andere der Art, was, wie ich fühle, meine Seele zu ihrem Unheile plagt und peinigt, zerreißt und zerrüttet.

Und außerdem gibt es noch Ein Uebel, es ist das Uebel aller Uebel, von dem ich meine Seele um so schwerer und schmählicher beschwert und verwüstet befinde, da es von Kindesbeinen an stets mit mir ging. Es ist mit mir groß geworden, es hat mich durch das Knaben-, Jünglings- und Mannesalter fortwährend begleitet, und auch jetzt mein altermorsches Gebein noch nicht verlassen. Dies Uebel ist die sinnliche fleischliche Lust, die wilde böse Begier, die in vielfacher, mannichfaltiger Weise meine Seele zernagt und zerplagt, sie aller Kraft beraubt, sie entleert und lähmt. Du freundlicher gütiger Gott, vor dir dem Allmächtigen gestehe ich, daß ich oft mit solchen schandbaren Dingen befleckt, und von unreinen Gedanken an solche Schandbarkeiten entzündet worden bin, daß ich in dieser jachen und schändlichen Gluth oft habe leiden müssen, und daß nicht allein die verwerfliche Erinnerung und das thörichte Denken an meine fleischlichen Vergehungen mir Schaden zufügt, sondern auch die Erzählungen von schlechten Thaten Anderer, die mir durch schmutzige Gedankenreihen wieder ins Gedächtniß zurückgerufen werden, und die mein Herz mit dem Schlamme der Sünde in nicht geringem Maße besudeln.

Siehe, mein Gott, du mein gnädiger und barmherziger Herr, obschon mir die Scham den Mund verschließen wollte, habe ich doch meine Uebertretungen vor dir offen dargelegt, dir meine Sündenwunden gewiesen, und dir gezeigt, wie meine Seele mit bösen Werken befleckt, von böser Lust vergiftet, und durch das Zurückdenken an böse Fleischesvergehungen geschändet ist. Erbarmungsreicher Gott, siehe an meine Buße, siehe an deine Güte, nimm mein Bekenntniß gnädig an, und handle mit mir nach deiner Barmherzigkeit. Willst du freilich nach meinen Sünden mit mir handeln, Herr, wer wird bestehen? Oder wer mag durch seine Gerechtigkeit errettet werden ohne deine Barmherzigkeit? Darum sei mir gnädig, o Herr, sei gnädig mir und meiner Sünde. Strafe mich nicht um meiner Sünden und Uebertretungen willen, sondern nach deiner Barmherzigkeit reinige mich und wasche mich wohl von allen Lasterflecken, und sprich nach deiner Güte mich frei, los und ledig aller meiner Missethat, auf daß, wenn mein zeitlicher Pilgerlauf zu Ende geht, ich eingehen darf in dein Himmelreich, wo ich mit allen Heiligen dich loben und benedeien und preisen will von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

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