Warum werden die Menschen so schwach geboren, und warum nimmt Gott viele schon als Kinder weg?

Warum werden die Menschen so schwach geboren, und warum nimmt Gott viele schon als Kinder weg?

2 Buch der Könige, Kap. 4, v. 8 - 37:
Und es begab sich zu der Zeit, dass Elisa ging gen Sunem. Daselbst war eine reiche Frau, die hielt ihn, dass er bei ihr aß. Und als er nun oft daselbst durchzog, ging er zu ihr ein und aß bei ihr. Und sie sprach zu ihrem Mann: Siehe, ich merke, dass dieser Mann Gottes heilig ist, der immerdar hier durchgehet. Lass uns ihm eine kleine bretterne Kammer oben machen, und ein Bette, Tisch, Stuhl und Leuchter hinein setzen, auf dass, wenn er zu uns kommt, er dahin sich tue. Und es begab sich zu der Zeit, dass er hinein kam, und legte sich oben in die Kammer, und schlief darinnen. Und sprach zu seinem Knaben Gehasi: Rufe der Sunamitin. Und da er ihr rief, trat sie vor ihn. Er sprach zu ihm: Sage ihr, siehe, du hast uns allen diesen Dienst getan; was soll ich dir tun? Hast du eine Sache an den König, oder an den Feldhauptmann? Sie sprach: Ich wohne unter meinem Volk. Er sprach: Was ist ihr denn zu tun? Gehasi sprach: Ach, sie hat keinen Sohn, und ihr Mann ist alt. Er sprach: Rufe ihr. Und da er ihr rief, trat sie in die Türe. Und er sprach: Um diese Zeit über ein Jahr sollst du einen Sohn herzen. Sie sprach: Ach nicht, mein Herr, du Mann Gottes, lüge deiner Magd nicht. Und die Frau ward schwanger, und gebar einen Sohn, um dieselbe Zeit über ein Jahr, wie ihr Elisa geredet hatte. Da aber das Kind groß ward, begab sich's, dass es hinaus zu seinem Vater, zu den Schnittern ging. Und sprach zu seinem Vater: O mein Haupt, mein Haupt! Er sprach zu seinem Knaben: Bringe ihn zu seiner Mutter. Und er nahm ihn, und brachte ihn hinein zu seiner Mutter; und sie setzte ihn auf ihren Schoß bis an den Mittag, da starb er. Und sie ging hinauf, und legte ihn auf das Bette des Mannes Gottes, schloss zu, und ging hinaus, und rief ihren Mann, und sprach: Sende mir der Knaben einen, und eine Eselin; ich will zu dem Mann Gottes, und wiederkommen. Er sprach: Warum willst du zu ihm? Ist doch heute nicht Neumond noch Sabbat. Sie sprach: Es ist gut. Und sie sattelte die Eselin und sprach zum Knaben: Treibe fort, und säume mich nicht mit dem Reiten, wie ich dir sage. Also zog sie hin, und kam zu dem Manu Gottes auf dem Berg Carmel. Als aber der Mann Gottes sie gegen sich sah, sprach er zu seinem Knaben Gehasi: Siehe, die Sunamitin ist da. So lauf ihr nun entgegen, und frag sie, ob's ihr und ihrem Mann und Sohn wohlgehe? Sie sprach: Wohl. Da sie aber zu dem Mann Gottes auf dem Berg kam, hielt sie ihn bei seinen Füßen; Gehasi aber trat herzu, dass er sie abstieße. Aber der Mann Gottes sprach: Lass sie, denn ihre Seele ist betrübt; und der Herr hat mir's verborgen, und nicht angezeigt. Sie sprach: Wann habe ich einen Sohn gebeten von meinem Herrn? Sagte ich nicht, du solltest mich nicht täuschen? Er sprach zu Gehasi: Gürte deine Lenden, und nimm meinen Stab in deine Hand, und gehe hin (so dir jemand begegnet, so grüße ihn nicht, und grüßet dich jemand, so danke ihm nicht) und lege meinen Stab auf des Knaben Antlitz. Die Mutter aber des Knaben sprach: So wahr der Herr lebet und deine Seele, ich lasse nicht von dir! Da machte er sich auf, und ging ihr nach. Gehasi aber ging vor ihnen hin, und legte den Stab dem Knaben aufs Antlitz; da war aber keine Stimme, noch Fühlen Und er ging wiederum ihm entgegen, und zeigte ihm an, und sprach: Der Knabe ist nicht aufgewacht. Und da Elisa ins Haus kam, siehe, da lag der Knabe tot auf seinem Bette. Und er ging hinein, und schloss die Tür zu für sie beide, und betete zu dem Herrn, und stieg hinauf, und legte sich auf das Kind, und legte seinen Mund auf des Kindes Mund, und seine Augen auf seine Augen, und seine Hände auf seine Hände; und breitete sich also über ihn, dass des Kindes Leib warm ward. Er aber stand wieder auf, und ging im Hause einmal hierher und daher, und stieg hinauf, und breitete sich über ihn. Da schnaubte der Knabe siebenmal, darnach tat der Knabe seine Augen auf. Und er rief Gehasi, und sprach: Rufe der Sunamitin. Und da er ihr rief, kam sie hinein zu ihm. Er sprach: Da nimm hin deinen Sohn. Da kam sie, und fiel zu seinen Füßen, und betete an zur Erden, und nahm ihren Sohn, und ging hinaus.

O barmherziger Gott, schließe uns im heiligen Geist dein teures Wort auf, dass wir deine Wege, über welche wir so oft murren, verstehen lernen und stille schweigen und anbeten. Ja Anbeten ist besser denn Murren. Regiere uns so, dass wir, der Kindheit entwachsen, in dir und bei dir bleiben, und nicht einst seufzen müssen: „O hätte mich doch der Herr als ein Kindlein im Taufkleide weggenommen, dann führe ich nicht als ein Alter im Sünderkleide zur Höllen.“ Erbarme dich unser, dass wir, ob wir schon keine Kinder mehr sind, doch deine Kinder bleiben, und in dieser Kindschaft immer weiter gefördert und vollendet werden. Herr, segne uns dazu dein teures Wort. Amen.

In dem Herrn geliebte Leser. Schwachheit, Hinfälligkeit und Sterblichkeit ist das Loos aller Menschen. Wir haben dasselbe mit unsern Sünden wohl verdienet. Der Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blühet wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber gehet, ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennet sie nicht mehr. Es ist auch Keiner so gesund, stark und rüstig, dass er nur für einen Tag einen Freibrief gegen den Tod hätte. Mitten im Leben sind wir von dem Tode umfangen. Der Sturm schont die stärksten Eichen nicht, und der Tod frisst alle Menschenkind, fragt nicht, wes Standes und Alters sie sind. - Aber ganz besonders greift er doch in das Geschlecht der Kinder hinein. Geht hinaus auf die Friedhöfe und sehet die lange Reihe der kleinen Gräber, die fast täglich länger wird. Geht hin in die Familien und fraget und forschet, wie viele Eltern da sind, denen der Tod nicht wenigstens eine Blume aus dem Kranze ihrer Kinder weggerissen hätte, und zwar zumeist indem sie sich eben erst entfalten sollte. Blickt hinein in unsere Geburts- und Taufregister und vergleichet dann die Register der Konfirmierten. Ihr werdet finden, dass ein ganzes Dritteil nicht dazu kommt, selbstständig das Taufgelübde seiner Paten zu wiederholen. Für viele Kinder geht der Weg vom Mutterleibe gleich in das Grab, und für viele andere ist er wenig länger. Wie wir von so mancher Blüte im Lenz sagen müssen: „Kaum erblühet fällt sie ab“, so sagen wir auch von gar manchem Kinde: „Kaum geboren geht's ins Grab.“ Seht hinein in die heilige Geschichte. Es ist da nicht anders gewesen. Wir wollen gar nicht gedenken der israelitischen Knäblein in Ägypten, auch nicht der unschuldigen Kinder zu Bethlehem. Die haben Mörderhände in die frühe Gruft geschickt. Aber Davids Sohn von der Bathseba stirbt auch am siebenten Tage. Der Witwe zu Zarpath, bei der Elias wohnte, stirbt ihr Kind auch plötzlich dahin, und die Tochter des Jairus, des Obersten der Schulen, sehen wir in den Tagen des Herrn als zwölfjähriges Mägdlein auf dem Totenbett liegen. Doch das schlagendste Beispiel, wie schwach es um das Leben eines Kindes stehet, gibt unser obiger Text. Ihm nachgehend erforschen wir zuerst, warum das Kind so schwach geboren wird. -

Ihr wisst, in dem Herrn geliebte Leser, es gibt in der Welt keine hilflosere Kreatur, als ein neugeborenes Menschenkind. Jedes Hühnlein sucht sich schon in den ersten Tagen nach seiner Geburt sein bisschen Futter; jeder Fisch kann, wenn er aus dem Ei herausgebrochen ist, schwimmen; jeder Vogel fliegt schon in seinem ersten Herbste mit den Alten über Länder, Berge und Meere dahin nach der andern Heimat, in welcher er während unseres Winters geborgen sein soll. Das Kind aber kann Nichts als weinen und schreien. Dazu braucht es von allen Kreaturen der Erde die längste Zeit und Pflege, ehe es sich selbst forthelfen und sein Brot suchen kann. Zu dieser Schwachheit und Hilflosigkeit kommen noch unzählige Zufälle, welche das junge Leben in den Tod bringen, das kaum angezündete Lichtlein auslöschen können. Ein kalter Luftzug, ein Gang aufs Feld in der stechenden Sonnenglut, wie bei dem Sohne der Sunamitin in unserem Texte, können einen schnellen oder langsamen Tod herbeiführen. Und hat nicht Gott der Herr in seinem unbegreiflichen Rat eine ganze Reihe von Krankheiten geordnet, denen in unsern Ländern nur selten ein Kind entgeht, und die unter ihnen flugs aufräumen, wie ein böses Wetter unter den grünen Zweigen an einem Baume? Gehen wir endlich in das Einzelne, so werden ja viele Kinder nicht allein mit der allgemeinen Schwachheit und Sterblichkeit geboren, sie bringen auch gleich noch besondere Krankheiten mit auf die Welt. Diese sind teils Frucht und Folge der Sünden ihrer Eltern, teils sind sie mitgegeben aus Gottes unerforschlichem, wunderbarem Rat. Wir werden einst verstehen, dass in dieser scheinbaren Härte doch die Liebe Gottes geruhet hat. Wir werden einst auch erfahren, was Gott den Blinden in ihrer Blindheit, den Tauben mit ihren verschlossenen Ohren, den Verkrüppelten mit ihren Gebrechen hat sagen wollen. - Für jetzt aber legen wir uns die Frage vor: Wozu lässt Gott jedes Kind in solcher Schwachheit in die Welt treten? Die Antwort lautet: „Damit er dir gleich zeige, dass der Mensch in seiner letzten Bestimmung dieser Welt nicht angehört.“ Ja darum lässt er es ihm so schwer werden, sich in derselben heimisch zu machen. Der Vogel, der wenige Wochen alt sich in der Luft schon als in seiner Heimat bewegt, hat auch keine andere Heimat. Er fällt in seiner letzten Stunde herab auf die Erde und wird Staub. Der Fisch, der sich gleich nach der Geburt im Wasser als in seiner Heimat bewegt, hat auch keine andere Heimat. Er findet einst in der Tiefe seine Stätte neben den abgefallenen Blättern und vermodert mit denselben. Weil alle diese Kreaturen keine andere Heimat haben, lässt sie sich Gott auch schnell in dieselbe finden. Anders ist es bei dir. Deine Schwachheit sollte dir zeigen, dass du hier nur ein Fremdling bist, und in der Fremde kommt man nur mühsam fort. - Kommen wir aber zu den Krankheiten und Gebrechen, welche die Kinder oft mitbringen, und über welche die Mütter so manche Träne geweint haben, so möchten wir Jeden ermahnen: „Siehe weiter. Jetzt verstehst du noch nicht, was dir der Herr sagen will, du wirst es einst verstehen.“ Es sind gewiss Riegel Gottes, mit denen er die Kinder vor großer Seelengefahr behüten, mit denen er die Welt vor ihnen zuriegeln will. Mag es dem Kinde, mag es den Eltern oft schwer zu tragen sein, was Gott aufgelegt hat, die Not, welcher er damit vorgebeugt hat, wäre doch eine noch schwerere gewesen. Sorge nur dafür, dass in dem schwachen Gefäße recht frühe das Glaubenslicht angezündet werde. Gerade dazu will der Herr mit jenen Mängeln treiben. Diese Sehnsucht will er auch in den Kranken selbst dadurch erwecken. O seht doch in das neue Testament, in das Leben des Herrn hinein! Da kommen die Kranken in ganzen Schaaren. Blinde, Taube, Lahme und Aussätzige, Gichtbrüchige umdrängen ihn, während die stolzen und satten Leute mit gesunden Augen, geraden Händen und Füßen an dem einzigen Arzte vorübergehen. Kamen jene Kranken auch zuerst um ihrer äußern Not willen, suchten sie auch zunächst eine leibliche Hülfe, so konnten sie doch diese nicht erlangen ohne Glauben. Die Not ward ihnen eine Predigerin des Glaubens. Und so ist manchem armen Krüppel sein Leiden auch in unsern Tagen ein Führer zum Herrn geworden. Die Gesunden hatten die Welt, sie liefen nach Augenlust und Fleischeslust. Sie bedurften des Arztes nicht. Der Kranke und Schwache konnte nicht mit. Und doch wollte er auch seine Freude haben. Da kam ihm der Herr entgegen. Er rief ihn an: „Komm her zu mir, der du mühselig und beladen bist, ich will dich erquicken.“ Da ward das Wort Gottes sein Spaziergang, der Umgang mit dem Herrn sein Rosental, und die Heiligen Gottes im alten wie im neuen Bunde wurden seine lieben Freunde. Solche Kinder haben dem Herrn später schon tausendmal für ihre Schwachheit und Krüppelhaftigkeit gedankt. Sie haben bekannt: „Als du mich krank machtest, brachtest du mich auf den Weg der Gesundheit.“ Als den Andern ihre grüne Aue verdorret, als die Blätter von den Bäumen gefallen und Freuden und Freunde untreu geworden waren, da grünte es in dem Tal noch, und der Freund blieb treu. Ja der Herr weiß auch, was er mit solchem Elend vorhat. Er sagt uns auch damit, wie mit aller Schwachheit: „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ - Er sagt mit der Schwächlichkeit und Hinfälligkeit der Kinder allen Eltern: „Die Kinder gehören nicht euch, sondern mir.“ Er legt in jeder Krankheit seine Hand an das Kind und winkt und bedeutet uns damit, dass er es einst ganz nehmen wird. Er ermahnt uns dadurch, weil er es frühe zu sich nehmen kann, dass wir es noch früher ihm zuführen sollen. Wiederum sollen durch die Schwachheit und Hilflosigkeit Alle erinnert werden, sich an den Starken anzuhalten und täglich die Ihrigen in die Hand des starken gnädigen Gottes zu befehlen. Es sollen darum auch christliche Eltern mit der heiligen Taufe nicht zögern, denn mit der Taufe legen sie eben das Kind ihrem Gotte recht ans Herz. Frühe sollen sie ferner durch Erzählung der biblischen Geschichte und kindliche Gebete die Kleinen mit dem Herrn vertraut machen, sie in täglichen Umgang mit ihm bringen, damit die Kinder schon einen festen Grund und Trost haben und wissen, wo sie hingehen, wenn der Herr die kleine Hütte hier abbricht. Wie Viele würden den Herrn wohl frühe suchen, wenn sie eine Bürgschaft für langes Leben hätten? Die ihn aber finden, die macht er selig. Demnach braucht er in seiner Gnade und Weisheit gerade unsere Schwachheit und Hinfälligkeit dazu, uns frühe und also desto gewisser selig zu machen. - Doch hat er bei dieser Schwachheit auch noch ein anderes Ziel. In der Tierwelt steht Alles kalt neben einander. Die Liebe der Eltern zu ihren Jungen überdauert meist nicht das erste Jahr. Oft ist unter ihnen nicht der geringste Zusammenhang mehr zu bemerken. Sie laufen, fliegen oder schwimmen neben einander dahin, als ob sie sich nie nähergestanden hätten. Zu solcher Kälte und Gleichgültigkeit sollte es in dem Menschengeschlecht nicht kommen. Gott hat es nach seinem Bilde geschaffen. Er wollte die Liebe hineinbauen. Und diese Liebe zu fördern, muss unsere Schwachheit ganz besonders die Hand bieten. Etwa den vierten Teil seines ganzen Lebens bedarf das Kind der Pflege und Forthilfe seiner Eltern. Da wachsen denn die Herzen zusammen, indem die Einen geben und die Andern nehmen. - Und wo Gott Eltern ein besonders schwaches und elendes Kind beschert hat, wo sie die meiste Mühe auf seine Pflege verwenden müssen, da weckt er meist auch die innigste Liebe. Solche Kinder sind den Müttern zumal oft fester an die Herzen gewachsen als die gesunden. Und dadurch sorgt der Herr zugleich wieder für die armen Kinder. - So lobe denn den Herrn, wie für alle seine Wege und Wunder, auch für die Schwachheit, damit er dich in das Leben hat eintreten lassen. Lobe ihn dafür, weil du durch dieselbe auf ihn geworfen bist von deiner Jugend auf. Lobe ihn, weil er sich in ihr von dir finden lasset. Lobe ihn, weil er dadurch die Sehnsucht nach dem Lande in dir entzündet, wo er alle Schwachheit abtun und alle Tränen abwischen wird. Lobe ihn, weil er unser Elend braucht, um in diesem Zunder die schönste Flamme, welche auf Erden brennen kann, den Glauben und die Liebe zu Gott und Menschen zu entzünden. - Von der Schwachheit aber gehen wir hinüber zu dem Tode, und zwar zu dem frühen Tode, mit dem er oft des Kindes Leben schließt.

Warum nimmt der Herr so viele Kinder frühe weg? Der König Hiskia, den im Mannesalter eine schwere Krankheit befiel, klaget: „Meine Zeit ist dahin, und vor mir aufgeräumt wie eines Hirten Hütte, und reiße mein Leben ab wie ein Weber. Du machst es mit mir ein Ende, den Tag vor Abend.“ Wenn der Mann nun im Angesichte des Todes so klaget, so meinen die Eltern ein viel größeres Recht zu haben, am Sarge junger Kinder in solche Trauer auszubrechen. Wie oft heißt es: „Du hast dem Tage ein Ende gemacht vor Abend, lange vor Abend, der Morgen hatte kaum begonnen. Sonst pflegen die Kinder die Eltern zu begraben, wir armen Eltern müssen das Kind begraben!“ Viele haben mit Jeremias über ihr verödetes Haus geklagt: „Meine Hütte ist zerstöret, und alle meine Seile sind zerrissen; meine Kinder sind weg und nicht mehr vorhanden. Niemand richtet meine Hütte wieder auf, und mein Gezelt schlägt Niemand wieder auf.“ Womit sollen wir solche Klagenden trösten? und womit sollen wir die Wege Gottes rechtfertigen? Er muss doch gerecht bleiben, wenn er gerichtet wird, und rein, wenn die Menschen gegen ihn hadern. Teure Leser, wir haben uns zuerst vor falscher Rederei in solchen Fallen zu hüten. Mit Unwahrheit kann kein Herz getröstet und gegründet werden. Oft hört man auch wohlmeinende und ernste Leute sagen: „Seit doch still, der Herr hat das Kind in der Frühe, in seiner Jugend, in seinem Taufkleide weggenommen. Wenn es älter geworden wäre, wäre es vielleicht in große Sünde und Schande gefallen und ewig verloren gegangen. Er hat es euch in der Zeit genommen, damit ihr es ewig haben sollt.“ Das klingt recht schön, aber richtig nach Gottes Wort ist es doch nicht. Denn wenn es richtig wäre, so dürften wir von seiner Liebe fordern, dass sie Alle wegnehmen möchte, von welchen sie vorhersähe, dass sie verloren gehen werden. Wenn es richtig wäre, könnten wir ihn bei Jedem, der in Unglauben, Hoffart, Mammonsdienst und Völlerei dem Grabe zutaumelt, anschreien: „Herr, warum hast du denn den alt werden lassen? Warum hast du ihn nicht als ein Kind weggenommen? Ist dir denn nicht Einer so lieb wie der Andere? Siehst du denn die Person an? Warum hast du denn nicht diesen, wie so viele Andere, in dein Zelt geborgen vor der bösen, gottlosen Zeit?“ Also das ist kein Grund. Aber das kannst du sagen, dass der Herr jedes Kindlein, welches er frühe hinnimmt, aus vielen Trübsalen errettet hat. Auch aus vielen Ängsten, Anfechtungen und Seelenkämpfen hat er es erlöset. Fragen wir aber: „Welche nimmt er denn früh weg? welche führt er in ihrem unbefleckten Taufkleide in die Heimat?“ so kann die Antwort nur lauten: „Solche, die auch ein längeres Leben als liebe Kinder Gottes geschlossen hätten.“ Wir glauben, dass er sich ans den Wiegen und Kinderbettchen eine gute Schar seiner Seligen sammelt. Er nimmt sie demnach weg, damit er ihnen ein Stück Erdenelend erspare, sie frühe in sein Eden pflanze und selig mache. Siehe, er meint es gut mit den Kindern. Er meint es aber in ihrem Tode auch gut mit den Eltern. Jedes Schiff, das auf dem Meere fährt, hat einen großen Hauptanker, daneben aber auch noch kleine Nebenanker. Jedes gläubige Herz, - auch ein Schifflein, das auf der Flut treibt - hat auch seinen Hauptanker, der hineingeworfen ist in das Inwendige des Borhanges, und der es beständig dorthin zieht. Wenn es richtig um uns stände, bedürften wir auch keines andern Ankers. Es ist genug, dass wir wissen: „Droben wohnt unser Herr, der Lieblichste und Freundlichste und Herrlichste von Allen, die je die Erde betraten. Droben wohnt der, welcher uns lieber hat, als wir uns selbst haben. Der für uns durch den Tod eingegangen ist in das Allerheiligste, der für uns die Tür zum ewigen Leben geworden ist, der will uns gern bei sich haben, der will uns ganz selig machen; er will die Seligkeit in Hoffnung vollenden zur vollsten Wirklichkeit.“ Das sollte genug sein. Weil uns aber die Sünde träge und blöde macht, sehen und fühlen wir flugs den Anker nicht mehr. Wir merken seinen Zug nicht mehr. Wir könnten dahin kommen, uns ganz von ihm loszureißen. Da kommt der barmherzige Gott, nimmt uns ein in dem Blute Christi reingewaschenes und also unschuldiges Kind und pflanzt es dort hinüber zu dem Herrn. Das wird, dieweil es unser Kind ist, ein neuer kleiner Anker. Er bindet uns mit unserem Herzen an die selige Heimat. Und indem wir ihm nachgehen, finden wir den alten ewigen Anker wieder, an dem wir durch Gottes heiligen Rat und durch die Taufe gebunden sind. Der Tod unseres Kindes treibt uns, das wahrhaftige Leben zu suchen. Siehe, wie die Sunamitin, als ihr Sohn gestorben war, die Kammer zuschließt und keinen andern Gedanken mehr hat, als den an ihr Kind und an den Mann Gottes. Horch, wie sie dem Knaben gebeut: „Treibe fort und säume nicht mit dem Reiten!“ Nach der Höhe des Berges Carmel geht es hin, wo damals der Mann Gottes wohnte. Ein Mann Gottes wohnt nicht mehr auf Erden, der sich über die Kinder breiten und sie so vom Tode losbeten und aufwecken könnte. Aber hoch über allen Carmelhöhen wohnt der Herr, der von dem Toten spricht: „Das Knäblein oder Mägdlein ist nicht tot, sondern es schläft,“ der Herr, welcher Leben und unvergängliches Wesen aus dem Tode gebracht hat und noch bringt. Zu ihm sind gar Viele von den Sterbebetten ihrer Kinder gegangen. Sie haben die Kammer zugeschlossen und sind hinaufgeeilt zu dem Herrn. Sie haben auch zu ihrer Seele gesprochen: „Treibe fort und säume nicht!“ An den Gräbern der Kinder hat der Herr viele tote Eltern aufgeweckt. Aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglinge hat er sich eine Macht zugerichtet um seiner Feinde willen, dass er vertilge den Feind und den Rachgierigen. Ja diese Kleinen haben dem Feinde manche Beute entreißen helfen. Sie haben auch manchem Gläubigen den Glauben gestärkt und Mut zum Tode gegeben. Wie sie in etwas reiferen Jahren in kindlichem Glauben lebten, sind sie oft auch in demselben gestorben. Sie haben oft in der kindlichsten Einfalt bekannt: „Ich geh zu meinem Herrn. Ich sehe die lieben Engel schon, die auf mich warten und mich hinübertragen wollen. Liebe Eltern, trauert nicht, ich geh zu meinem lieben Herrn, und Ihr kommt nach.“ Da, liebe Gemeinde, lernt sich das Sterben. - Wenn denn, wie es in der Tat ist, die Kleinen selbst aus vielen Trübsalen gerettet und selig werden; wenn sie den Ihrigen helfen den alten Glaubensanker wiederzufinden; wenn sie den Glauben erfrischen zur Kraft im Tode: was sollen wir trauern über ihren Tod? Wir preisen selig, die überwunden haben, und bitten den Herrn, dass er auch uns durch unsere heimgegangenen Kinder oder Geschwister fort und fort solchen Segen gebe. Amen.

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