Ahlfeld, Johann Friedrich - Das Leben im Licht des Wortes Gottes - Die Waisen.

Ahlfeld, Johann Friedrich - Das Leben im Licht des Wortes Gottes - Die Waisen.

Psalm 148, v. 9:
Der Herr behütet die Fremdlinge und Waisen, und erhält die Witwen, und kehret zurück den Weg der Gottlosen.

Barmherziger großer Gott, du sammelst die Kinder unter die Liebe und Obhut der Eltern wie in den Schatten eines grünen und fruchtbaren Baumes; du hauest aber auch den Baum nach deinem Gefallen ab, du machest die Kinder zu Waisen, du nimmst ihnen die ersten Freunde, welche sie auf der Erde haben. Herr, du tust Solches, damit du deinen großen Namen an den Kindern beweisest. Du bist der rechte Vater über Alles, was Kinder heißt im Himmel und auf Erden, du nennest dich der Witwen Versorger und der Waisen Vater. Ach Herr, so hilf denn, dass alle Waisen dein Angesicht suchen mit rechtem Ernst und wandeln in den Wegen ihres Vaters. Hüte und behüte du die Verwaisten, ziehe du eine heilige Mauer um sie, damit der Feind, welcher seine Lust daran hat, Leib und Seele zu verderben, sich nicht an sie wage. Lass es den Verführern wie Feuer und Brand in die Seelen fallen, dass diese armen Kinder ganz besonders deine Kinder sind, dass sie anlaufen gegen deine Familie. Lass sie erbeben und zurückschrecken vor solchem Beginnen. Ach, Herr, gib deiner christlichen Gemeinde Gnade und Liebe, dass sie solche armen Kinder als die ihrigen ansehe, Vater - und Mutteramt an ihnen vertrete, fleißig für sie bete und über sie wache als über anvertraute Schätze. Ja, Herr, hilf doch, dass unsere Waisen gedeihen zum Preise dessen, der ihr Vater, ihr Erlöser, ihr Schild und ihr großer Lohn ist. Amen.

Wenn man sich auf der Erde umschaut nach rechten Jammerstätten, so gehören gewiss die Häuser dazu, wo Gott der Herr die Eltern abgerufen und ein Häuflein kleiner Kinder zurückgelassen hat. Hart ist bei Frost der Übergang aus dem warmen Zimmer in die Kälte, hart ist die Auswanderung aus dem Vaterhause in die Fremde; aber viel kälter ist der Übergang aus der lieben Pflege treuer Eltern in den Waisenstand. Man hat die Waisen verglichen mit jungen Bäumen in einem Garten, an welchen der Zaun weggerissen ist, mit Weinreben, von welchen der Sturm den Pfahl abgebrochen hat, mit einer Hütte, von welcher das Wetter das Dach abgeworfen hat. In der heiligen Schrift und in allen Sprachen hängt an den Worten „Witwe und Waise“ gleich ein tiefes Weh. Die harmlose Sicherheit und Gewissheit ist mit dem Tode der Eltern dahin, ein schöner Teil des Sonnenscheins ist geschwunden aus dem Garten der Jugend. Nimmt aber Gott der Herr auch nur einen Teil weg, so fühlt das Kind dies dennoch schon schwer genug. In dem Vater ist die Säule des Hauses weggebrochen, in der Mutter ist die Seele aus der stillen häuslichen Freude entschwunden, es ist keine rechte Häuslichkeit mehr. Und wie selten kann der eine übrig gebliebene Teil nach seinen Gaben und bei - seinem Beruf das doppelte Amt nur einigermaßen ausfüllen! Wie nun aber, wenn Beide dahin sind? Wir haben es schon erlebt, dass die Mutter, die letzte übrig Gebliebene, in der Nacht, während die Kinder schliefen, ihrer Krankheit erlag. Keine Freundin stand an dem Bette, betete mit ihr und drückte ihr die Augen zu. Die Kinder standen am Morgen auf und zogen sich still an. Erst hieß es bei ihnen: „Leise, leise, die Mutter schläft noch, wir wollen sie nicht stören!“ Aber weil sie immer nicht aufwachen wollte, kamen sie endlich mit der Frage: „Mutter, willst du uns denn heute kein Frühstück geben, uns hungert?“ Aber die Mutter antwortet nicht mehr. Da pochten sie denn endlich an die Tür der nächsten Nachbarin mit der Bitte: „Komm doch einmal herüber, unsere Mutter will gar nicht aufwachen.“ Und die kam und sah und sagte den Kindern: „Liebe Kinder, eure Mutter wacht nie wieder auf, der Herr hat sie abgerufen, kommt mit hinüber zu mir.“ Das ist Schmerz in die Kinderseelen, das ist wie Hagelwetter über den Garten im jungen Frühlingsgrün. - Brach aber das Elend auch nicht so mächtig und unerwartet herein, so können wir doch auch den Schmerz kaum beschreiben, den wir manchmal auf den jungen Angesichtern gesehen haben, wenn der Letzte von den Eltern fortgetragen wurde. O was ist es, wenn den Vögeln ihr Nest weggerissen ist? Die klagen etliche Tage an dem leeren Aste, und dann bauen sie sich ein neues. Eltern, rechte Eltern bekommt ein Kind nie wieder. Schenkt ihm Gott auch noch so treue Pflegeeltern, es ist doch keine Mutter, die es unter ihrem Herzen getragen hat. An die Eltern waren sie nach Gottes Ordnung angewachsen, an Andere müssen sie sich angewöhnen. Und dazu bleibt die kleine Schar oft nicht einmal beisammen. Eins findet hier, und eins dort seine Pflegeeltern und Erbarmer. Und wie kümmerlich, namentlich in der Liebe, wird oft für sie gesorgt! - Doch zunächst kommen wir an die Frage:

„Warum tut Gott der Herr solche Dinge?“ Lieber Leser, da müssen wir zunächst erwidern: „Er hält Nichts von solchen Fragen, er beantwortet sie auch meist in der Zeit gar nicht. Oft verstehen wir in späteren Jahren erst Etwas von seinen wunderbaren Führungen, oft lässt er uns auch warten bis an jenen großen Tag, wo auf alle Fragen Antwort gegeben wird, oder wo wir keine Antwort mehr verlangen, weil wir dann heller in seinen Rat geschaut haben. Dennoch wollen wir in Schwachheit Antwort geben. Ein alter frommer Christ vergleicht Gott den Herrn mit einem klugen Gärtner, welcher die großen Äste, die den jungen Nachwuchs im Garten überdecken und ihm den Sonnenschein wegnehmen, abhauet, damit die Bäumchen unten in die Sonne schauen, und die Sonne unmittelbar auf sie herniederscheinen könne. So nimmt Gott die Eltern, die starken Äste, welche sich über die Kinder breiteten, weg, damit die Kinder gerade auf in die Gnadensonne schauen. Sie sollen frühe zum Herrn getrieben werden, glauben, beten, mit ihm umgehen und auf ihn vertrauen lernen.“ Es ist eine Wahrheit in dieser Antwort. Ach, wie anders haben die Waisen oft beten gelernt! Wie ist das: „Vater unser!“ so anders aus ihrem Herzen und über ihre Lippen gegangen! - Zum Andern nimmt Gott die Eltern oft weg, damit sie ihre Kinder nicht durch ihren Unglauben und ihre Sünde verderben sollen. Reicher und üppiger Leute Kinder sind oft Waisen geworden, damit sie nicht in Üppigkeit und gottloses Weltleben hineingezogen würden. Gott brachte sie in ein Haus, wo sie arbeiten, beten und sein Angesicht suchen lernten. Die Kinder armer Leute, die aber doch von dem Heile und Heilswege Nichts wussten, brachte er oft in ein gläubiges Haus oder in ein Waisenhaus. Ein frommer Waisenvater, eine gottselige Waisenmutter taten an den Kindern, was die eigenen Eltern nicht getan hatten. Sie führten sie zu dem Herrn. Das Waisenhaus oder das Haus der Pflegeeltern ward für sie die Wiege des neuen Lebens. Viele armen Kinder haben in reiferen Jahren vor Gott bekannt: „Mein Vater im Himmel, als ich meinen leiblichen Vater verlor, da habe ich dich gefunden.“ - Endlich zum Dritten lässt Gott viele Kinder Waisen werden, damit die Liebe in der Gemeinde lebendig bleibe, damit die Gemeinde die Mutter dieser Waisen werde. O dass sie es immer recht würde! O dass sie im rechten Gemeindegefühl immer bekennte: „Es sind unsere Kinder, wir müssen Elternamt an ihnen vertreten!“ Aber, Gott sei es geklagt, wie werden die Waisen oft behandelt! Wir wissen, dass in gewissen Gemeinden förmlich Termine angesetzt und die armen Kinder an den Mindestfordernden vergeben sind. Man behandelte ihre Erziehung wie eine nichtige irdische Sache, wie einen Weg, der gebessert, wie einen Damm, der aufgeworfen werden sollte. Man fragte nicht darnach, an wen die Kinder kamen, wie sie erzogen wurden, wozu sie gebraucht wurden. Wie viele Waisen haben für sich und für die neuen Pflegeeltern das Mitleid erregen und vor die Türen gehen müssen! Oft hat sich die Gemeinde als eine gottlose Stiefmutter für die armen Kinder ausgewiesen, - und die Vormünder haben Jahrelang nicht nach denselben gefragt. Wenn die Eltern ihre Augen zugetan haben, dann sollen die nächsten Verwandten, die Geschwister der Eltern, sonstige Freunde, Paten und Vormünder ihres Berufes warten. Wozu ist denn die Verwandtschaft da? Wenn in der Herde einem Lamme die Mutter gestorben ist, dann säugen die andern Schafe das verlassene mit. Fast durch alle Völker gehen Sagen, wie eine Hirschkuh oder gar eine Wölfin ausgesetzte Kinder gesäugt habe und ihre Pflegemutter geworden sei. Seit ihr denn nicht viel mehr denn sie? Soll nicht in den Kindern Gottes eine ganz andere Liebe wohnen als in der armen vernunftlosen Kreatur? - Ihr säumigen und lieblosen Gemeindevorstände und Verwandten, und gar ihr Mammonsknechte, die ihr eure Hand ausstreckt nach der Habe der Waisen, wollt ihr euch durch die Liebe zu eurem Heilande und den armen Kindern nicht von der Sünde abbringen lassen, so erschreckt vor dem Zorn des gewaltigen Gottes. Er behütet die Waisen. Und was er behütet, das verachtet, versäumet und verdorben ihr! Wenn man das ganze Wort Gottes durchliest, wird man finden, dass Gott Niemand so in seinen Schutz genommen hat wie die Witwen und Waisen. Er hat mit seinem Gebet und seinen Drohungen eherne Mauern um dieselben gezogen. Mit Gewalt will er den Weg der Gottlosen von ihnen zurückkehren, dass sie seinen Schützlingen keinen Schaden tun. Er erklärt es für einen rechten, ihm wohlgefälligen Gottesdienst, wenn du die Witwen und Waisen in ihrer Trübsal besuchst. Er spricht seinen Fluch aus über die, so das Recht der Fremdlinge, Waisen und Witwen beugen. Er sieht es als einen tiefen Fall des Volkes und als Vorboten auf sein unerbittliches Gericht an, wenn man den Waisen ihr Recht nicht schaffet, wenn man Fremdlinge, Witwen und Waisen schindet. Er selbst will ein schneller Zeuge sein gegen die, so Gewalt und Unrecht tun den Tagelöhnern, Witwen und Waisen und den Fremdling drücken. Sie legen die Hand an Gottes besondere Pfleglinge, darum fallen sie auch unter den besonderen Zorn Gottes. Wehe den Vormündern und Verwandten, welche der Mündel und Waisen Gut an sich bringen. Unschuldig vergossenes Blut, Witwen - und Waisengut schreien gen Himmel. Gott fordert es wieder ein mit furchtbaren Zinsen. -

Er ist es aber auch, der seine Hand mit besonderer Erbarmung über die Vater - und Mutterlosen ausbreitet. Gerade in der Verlassenheit pflanzt er die Demut in ihre Seelen. Gerade in der Verlassenheit macht er ihre Herzen zu Gefäßen des Glaubens. Und wenn sie Liebe von Menschen erfahren, werden sie gegen Gott und Menschen dafür oft dankbarer, als die Kinder gegen die eigenen Eltern. Sie erkennen, wie sie nur durch Treue und Tüchtigkeit einen Boden gewinnen können, um darauf zu stehen. Darum haben sie es sich in Treue und Fleiß oft mehr angelegen sein lassen als Kinder, welche menschliche Helfer und Fürsprecher hinter sich hatten. Ein lieber alter Christ vergleicht die Waisen mit dem Wintergetreide, dass im Herbst gesät, im Winter mit einer kalten Schneedecke zugedeckt und abgehärtet wird. Wenn der Frühling kommt, hat es feste Wurzeln geschlagen, treibet kräftig in die Höhe und gibt eine bessere Ernte als das Sommergetreide, welches eitel Sonnenschein und Nichts von Schnee und Frost erfahren hat. Waisenkinder sind wie Rosenstöcke im Winter. Monate lang sieht man Nichts als Dornen, dann aber bricht über den Dornen die schöne Blume duftend auf. - Waisenkinder müssen nach Gottes Rat doch auch bei Menschen Gnade finden. Es wollen lange noch nicht alle Leute Gottes Zorn und Fluch auf sich laden. Es ist auch heute noch von ganz besonderer Kraft, es pocht wie ein mächtiger Hammer an die Herzen, wenn es heißt: „Eine Waise bittet um Hülfe und Forthilfe.“ Es klingt ganz anders, als wenn das Kind sagt: „Meine Eltern sind von einander geschieden, und kein Teil kümmert sich recht um mich.“ Ja, Waisen sind Gottes liebe Ziehkinder; er weiß es wohl zu erreichen, dass sich auch Menschenherzen für sie auftun müssen. - Aus Waisen hat sich Gott in der Kirche alten und neuen Bundes treffliche Rüstzeuge erweckt. Als Salomo dem Herrn den ersten Tempel baute, fand er einen kunstreichen Mann, welchem er die ganze Arbeit in Erz und Eisen anvertrauen konnte. Er goss die beiden künstlichen Säulen Jachin und Boas vor dem Tempel, das eherne Meer, die Gestühle und andere Kunstwerke. Der Mann hieß Hiram und war einer Witwe Sohn aus dem Stamme Naphthali. - Kommen wir herüber in unsere evangelische Kirche. Valerius Herberger ist im Jahre 1562 zu Fraustadt im Posenschen geboren. Sein Vater war ein ehrsamer Kürschnermeister, dem es ein rechter Ernst war um Seele und Seligkeit seines Söhnchens. Aber schon im Jahre 1571, als Valerius erst im 9. Jahre stand, rief ihn der Herr ab. Valerius war noch so sehr Kind, dass er von der Größe seines Verlustes nicht die geringste Ahnung hatte. Als sein Vater in den letzten Zügen lag, erhaschte er sein Tintenfass und die lange Storchfeder, die er sonst nicht anrühren durfte, verkroch sich damit unter den Tisch und schrieb. Man vermahnte ihn, er sollte doch auch mit beten und weinen; aber er achtete das nicht in seinem kindischen Unverstande; des Vaters Feder war ihm lieber. Und was hat Gott aus diesem Waisen gemacht! Er ist eine Leuchte geworden in den polnischen und deutschen Landen. In dem Kampfe der Katholischen gegen das Evangelium stand er auch wie eine Säule vor dem Tempel. In den furchtbarsten Verheerungen der Pest hat er als ein Held Gottes dagestanden. Im Jahre 1613 bis zur Faste 1614 raffte die Pest 2135 Menschen aus Fraustadt weg. 630 derselben begrub Valerius mit der Schule, die Anfangs aus 8, dann aus 6, und endlich aus 5 Schülern bestand. Andere begrub er mit dem Totengräber ganz allein. Er ging voran und sang; und der Totengräber führte ihm die Leiche auf einem Karren nach, an dem ein Glöcklein hing, welches mit seinem Klange die Leute ermahnen sollte, ja in den Häusern zu bleiben. Er aber wandelte unter den Toten, ohne dass die Seuche ihn antasten durfte. In dieser Pestzeit, in dieser täglichen Todesnähe hat er das köstliche Lied gedichtet: „Valet will ich dir geben rc.“

Das klingt auch heute noch durch die ganze evangelische Kirche. Und wie an diesem Liede so erbauet sich die Gemeinde der Gläubigen noch heute an seinen lieblichen, frischen, glaubensstarken Schriften. Unzählige Christen haben sich an seiner Herzpostille und an seinen andern Büchern erquickt und erquicken sich noch. Das war ein Waisenkind. - Nennen wir aber den Herberger, dann dürfen wir den Scriver auch nicht verschweigen. Christian Scriver wurde im Jahre 1629, also mitten im dreißigjährigen Kriege, in Rendsburg geboren. Ein halbes Jahr alt verlor er schon seinen Vater. Das wenige Vermögen, welches derselbe hinterlassen hatte, ging durch allerlei Unfall verloren. Als ein heftiger Sturm die kleine Insel, auf welche der Vater 400 Taler ausgeliehen, fast ganz zu Grunde gerichtet und somit dieses letzte kleine Erbteil in die Tiefe gesenkt hatte, bekannte die Mutter: „Ich merke wohl, dass mein himmlischer Vater mir die irdischen Dinge wegnimmt, damit ich mich allein auf ihn und seine väterliche Fürsorge verlassen soll.“ Ihr Sohn schreibt später von ihr: „Die Not machte zwischen Gott und ihr eine recht gute, innige Bekanntschaft.“ Und was hat Gott aus ihrem Sohne Christian gemacht, der seinen leiblichen Vater gar nicht kennen gelernt hatte? Einen Prediger des Evangeliums, der nach Luther in der ersten Reihe der Rüstzeuge Gottes in unserer Kirche stand und noch steht. Er war ein Licht, das sich im Leuchten zur Ehre des Herrn selbst verzehrte. In seinem Testamente heißt es: „Ich erkläre hiermit meinen süßen Herrn Jesum zu meinem völligen Erben und vermache ihm vor Allem meine Seele. Dann will ich ihm auch meine Kinder, Weib, Schwestern, Blutsverwandte und Freunde sämtlich vermacht und übergeben haben, dass er sie aufnehme, versorge, erhalte und durch seine Macht zur Seligkeit bewahre.“ Seine „zufälligen Andachten“ sind vielen Seelen eine Leuchte aus der sichtbaren Welt hinüber in die unsichtbare geworden, und sein „Seelenschatz“ ist für die Aneignung des Heils auch heute noch eins der köstlichsten Bücher unserer evangelischen Kirche. Das war wiederum ein Waise.

So hebet denn eure Augen auf, ihr Waisen, denn die Liebe ist mit euren Eltern nicht gestorben. Euer Vater und eure Mutter leben auch noch. Wenn es die beste Arbeit treuer Eltern ist, dass sie ihre Kinder fleißig in Gebet und Fürbitte vor den Herrn bringen, so können dies eure Eltern dort auch noch. Haben sie es hier getan, und hat Gott ihr armes noch unklares Gebet aus der Fremde nicht verschmähet, so wird er noch eher das klare hören, das sie an den Stufen des Thrones seiner Herrlichkeit vor ihn bringen. Seit getrost, euer Vater im Himmel lebet noch. Ihn werdet ihr nimmer zu Grabe tragen sehen. Im Verhältnis zu ihm, im Kindesstande zu Gott gibt es keine Waisen, es seien denn die, welche sich in Unglauben und Gottlosigkeit von diesem besten Vater losgerissen haben. Darum sei unverzagt. Lass dir, armes gebeugtes Kind, von deiner Kirche das Lied ins Herz singen:

Weine nicht, Gott lebet noch,
Du betrübte Seele!
Drückt dich gleich ein hartes Joch
In der Trauerhöhle;
Nur Geduld,
Gottes Huld
Lässt oft nach dem Weinen
Bald die Sonne scheinen.

Weine nicht, Gott sorgt für dich;
Ei, was kann dir fehlen?
Was willst du dich stetiglich
Mit den Sorgen quälen?
Wirf auf ihn
Alles hin;
Es wird deine Sachen
Gott am besten machen.

Halte nur an am Gebet. Das Gebet der Waisen dringet ganz besonders kräftig in das Herz Gottes. Dein Heil ist seine Reichs - und Ehrensache. Wenn andere Kinder gedeihen, dann rechnet man es wohl der Frömmigkeit und Treue der Eltern zu; wenn du gedeihest, kann man die Ehre allein auf Gottes Blatt und Rechnung schreiben. Ja, wie die Mutter ihre Augen besonders offen hat für das schwache und kranke Kind, wie ihr Herz besonders nach seinem Bettchen hinschlägt, so das Herz Gottes nach den Vater - und Mutterlosen. - Wandele du aber auch nur recht ernstlich als ein Kind Gottes. Ehre seinen Vaternamen in deinem Kindesleben. Und wenn dir Gott hier noch eine Mutter gelassen hat, so halte sie doppelter Ehre wert. Lass sie nimmer das Herzeleid erleben, dass zu den Tränen über den gestorbenen Mann auch noch Tränen über das entartete Kind kommen müssen. Achte ihr mattes Wort und ihren schwachen Arm nicht zu gering Entziehe dich ihrer Zucht nicht. Ei, wenn die Witwe über ihr eigenes Kind gen Himmel schreien, ihr eigenes Kind vor Gott verklagen müsste: was wäre das für eine Klage! Im Gegenteil, der Mutter Segen soll dir ein Haus bauen, und dein gottseliger Wandel, dein Gedeihen soll ihr ein Trost sein im Tränental. Fromme Kinder sind die einzigen Blumen, welche der Witwe nach ihren harten Wetter - und Wintertagen auf der Erde noch blühen. Zertritt ihr diese Hoffnung nicht; blühe vielmehr selbst auf als solche Blume. An ihr freuet sich, wie die Mutter, dein Gott und Heiland, dazu auch dein vollendeter Vater samt den Engeln Gottes. - Ihr Kinder aber, denen die Gnade Gottes beide Eltern erhalten hat, danket dafür dem Herrn alle Tage; bittet ihn, dass er sie euch noch lange erhalte. Bittet ihn aber auch, dass er sie in euch segne mit frommen Kindern. Herr Jesu, segne alle unsere Jugend, auf dass sie, verwaist oder nicht verwaist, in kindlichem Glauben und Gehorsam stehe zu ihrem Vater im Himmel. Amen.

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