Zahn, Adolf - Wollt ihr „römisch“ werden?

Zahn, Adolf - Wollt ihr „römisch“ werden?

Predigt am Reformationsfest 1868, in der Schlosskirche zu Köslin gehalten von Zahn, reformirter Prediger.

2. Könige 51).

Naeman, der Feldhauptmann des Königs zu Syrien, war ein trefflicher Mann vor seinem Herrn und hoch gehalten; denn durch ihn gab der Herr Heil in Syrien. Und er war ein gewaltiger Mann und aussätzig. Die Kriegsleute aber in Syrien waren herausgefallen, und hatten eine kleine Dirne weggeführt aus dem Lande Israel; die war am Dienste des Weibes Naemans. Die sprach zu ihrer Frau: Ach, dass mein Herr wäre bei dem Propheten zu Samaria; der würde ihn von seinem Aussatz los machen. Da ging er hinein zu seinem Herrn, und sagte es ihm an, und sprach: So und so hat die Dirne aus dem Lande Israel geredet. Der König zu Syrien sprach: So ziehe hin, ich will dem Könige Israels einen Brief schreiben. Und er zog hin, und nahm mit sich zehn Zentner Silbers, und sechs tausend Gülden, und zehn Feierkleider. Und brachte den Brief dem Könige Israels, der lautete also: Wenn dieser Brief zu dir kommt, siehe, so wisse, ich habe meinen Knecht Naeman zu dir gesandt, dass du ihn von seinem Aussatz los machst. Und da der König Israels den Brief las, zerriss er seine Kleider, und sprach: Bin ich denn GOtt, dass ich töten und lebendig machen könnte, dass er zu mir schickt, dass ich den Mann von seinem Aussatz los mache? Merkt und seht, wie sucht er Ursache zu mir. Da das Elisa, der Mann GOttes, hörte, dass der König Israels seine Kleider zerrissen hatte, sandte er zu ihm, und ließ ihm sagen: Warum hast du deine Kleider zerrissen? Lass ihn zu mir kommen, dass er inne werde, dass ein Prophet in Israel ist. Also kam Naeman mit Rossen und Wagen, und hielt vor der Tür am Hause Elisas. Da sandte Elisa einen Boten zu ihm, und ließ ihm sagen: Gehe hin, und wasche dich siebenmal im Jordan, so wird dir dein Fleisch wieder erstattet, und rein werden. Da erzürnte Naeman, und zog weg, und sprach: Ich meinte, er sollte zu mir heraus kommen, und hertreten, und den Namen des HErrn, seines GOttes, anrufen, und mit seiner Hand über die Stätte fahren, und den Aussatz also abtun. Sind nicht die Wasser Amana und Pharphar zu Damaskus besser, denn alle Wasser in Israel, dass ich mich darinnen wüsche, und rein würde? Und wandte sich, und zog weg mit Zorn. Da machten sich seine Knechte zu ihm, redeten mit ihm, und sprachen: Lieber Vater, wenn dir der Prophet etwas Großes hätte geheißen, solltest du es nicht tun? Wie vielmehr, so er zu dir sagt: Wasche dich, so wirst du rein. Da stieg er ab, und taufte sich im Jordan siebenmal, wie der Mann GOttes geredet hatte; und sein Fleisch ward wieder erstattet, wie ein Fleisch eines jungen Knaben, und ward rein. Und er kehrte wieder zu dem Manne GOttes, samt seinem ganzen Heer. Und da er hinein kam, trat er vor ihn, und sprach: Siehe, ich weiß, dass kein GOtt ist in allen Landen, ohne in Israel; so nimm nun den Segen von deinem Knechte. Er aber sprach: So wahr der HErr lebt, vor dem ich stehe, ich nehme es nicht. Und er nötigte ihn, dass er es nähme; aber er wollte nicht. Da sprach Naeman: Möchte denn deinem Knechte nicht gegeben werden dieser Erde eine Last, so viel zwei Maultiere tragen? Denn dein Knecht will nicht mehr anderen Göttern opfern, und Brandopfer tun, sondern dem HErrn. Dass der HErr deinem Knechte darinnen wolle gnädig sein, wo ich anbete im Hause Rimmons, wenn mein Herr ins Haus Rimmons geht, daselbst anzubeten, und er sich an meine Hand lehnt. Er sprach zu ihm: Ziehe hin mit Frieden. Und als er von ihm weggezogen war, ein Feldweges auf dem Lande, gedachte Gehasi, der Knabe Elisas, des Mannes GOttes: Siehe, mein HErr hat diesen Syrer Naeman verschont, dass er nichts von ihm hat genommen, das er gebracht hat. So wahr der HErr lebt, ich will ihm nachlaufen, und etwas von ihm nehmen. Also jagte Gehasi dem Naeman nach. Und da Naeman sah, dass er ihm nachlief, stieg er vom Wagen ihm entgegen, und sprach: Geht es recht zu? Er sprach: Ja. Aber mein Herr hat mich gesandt, und lässt dir sagen: Siehe, jetzt sind zu mir gekommen vom Gebirge Ephraim zwei Knaben, aus der Propheten Kindern; gib ihnen einen Zentner Silbers, und zwei Feierkleider. Naeman sprach: Lieber, nimm zwei Zentner. Und er nötigte ihn, und band zwei Zentner Silbers in zwei Beutel, und zwei Feierkleider, und gab es seinen zwei Knaben, die trugen es vor ihm her. Und da er kam gen Ophel, nahm er es von ihren Händen, und legte es beiseite im Hause, und ließ die Männer gehen. Und da sie weg waren, trat er vor seinen HErrn. Und Elisa sprach zu ihm: Woher Gehasi? Er sprach: Dein Knecht ist weder hierher noch daher gegangen. Er aber sprach zu ihm: Wandelte nicht mein Herz, da der Mann umkehrte von seinem Wagen dir entgegen? War das die Zeit, Silber und Kleider zu nehmen, Ölgärten, Weinberge, Schafe, Rinder, Knechte und Mägde? Aber der Aussatz Naeman wird dir an hangen, und deinem Samen ewiglich. Da ging er von ihm hinaus, aussätzig wie Schnee.

GOtt ist getreu, er lässt die Seinen immer wieder inne werden, dass ein Prophet in Israel ist. GOtt ist sich selbst und den Menschen treu, darum kann der ewige Liebesplan GOttes zur Erlösung des Menschengeschlechts nicht unerfüllt bleiben. Es ist nichts so sicher, als dass zu allen Zeiten irgendetwas zur Erhaltung, Förderung, Vollendung des Erlösungswerkes geschieht, bis es einmal in vollem Sinne heißen wird: Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich und die Macht unseres GOttes und seines Christus geworden.

Als der König Israels seine Kleider zerriss, weil Syriens König ihm schrieb: „Ich habe meinen Knecht Naeman zu dir gesandt, dass du ihn von seinem Aussatz losmachst,“ da schien die Verzagtheit, welche wir vor 8 Tagen bei dem Propheten Elias bemerkten, eine allgemeine geworden zu sein. Es schien Israels Herrlichkeit so sehr vernichtet zu sein, dass der Feind nicht nur drohen, sondern seine Überlegenheit in Spott und Hohn geltend machen zu dürfen schien. Da lässt Elisa dem Könige sagen: „Warum hast du deine Kleider zerrissen? Lass ihn zu mir kommen, dass er inne werde, dass ein Prophet in Israel ist.“ Und bald hört man aus dem Munde der Heiden: „Siehe, ich weiß, dass kein GOtt ist in. allen Landen, ohne in Israel.“

GOtt ist getreu, das sagen wir mit noch viel größerer Zuversicht, nachdem der alte Bund durch den Tod JEsu Christi versiegelt und erneuert worden ist. Die Gemeine JEsu Christi kann von den Pforten der Hölle nicht überwältigt werden; wir wissen nicht nur dies, dass sich am Tage der Vollendung eine große Schar, welche Niemand zählen kann, um dem Stuhl des Lammes sammeln wird, sondern auch im Verlauf der Geschichte der Christenheit auf Erden wird es niemals an Zeugen fehlen, welche im Geist und in der Wahrheit GOtt, den Vater unsers HErrn JEsu Christi, anbeten.

Man wird erfahren, dass ein Prophet in Israel ist, das erfüllte sich auch am 31. Oktober 1517, als der deutsche Reformator 95 Thesen an die Schlosskirche zu Wittenberg anschlug. Es ist recht und billig, dass eine evangelische Christengemeine heute nach 351 Jahren den Tag noch feiert, an welchem Dr. Luther den ersten entscheidenden Schritt zur Reformation tat. Der Mann, welchem wir unseren lieben Katechismus und so viele herzbewegliche Lieder verdanken, war zwar kein Apostel und Prophet in dem eigentlichen Sinne, aber er war ein, vielleicht das reich gesegnetste Werkzeug GOttes in der deutschen Christenheit. Als Dr. Luther auf dem Reichstage zu Worms vor Kaiser und Reich, die ihm mit dem Tode drohten, bekannte: „Hie stehe ich, ich kann nicht anders, GOtt helfe mir, Amen!“ Da konnte das deutsche Volk erfahren, dass die Propheten im Reiche GOttes noch nicht ausgestorben waren.

Wie steht es aber heute um uns? Ist von dem prophetischen Geiste in der evangelischen Christenheit, ist davon in unserer lieben Gemeine noch etwas zu spüren? Das ist heute die mächtige, ernste Gewissensfrage. Die Frage ist uns heute durch einen Umstand besonders nahe gelegt: Ihr wisst, dass es zur Zeit der Reformation nicht gelang, die ganze Christenheit von der Herrlichkeit der evangelischen Lehre zu überzeugen. Wie die von Anfang an äußerlich geeinigte Christenheit sich in eine griechisch-katholische und eine römisch-katholische Kirche spaltete, so wurde vor 350 Jahren die Kirche GOttes noch mehr gespalten. Wo aber Spaltung ist, da ist auch Reibung und viel Hader und Streit und geht immer viel Segen verloren.

Der Streit mit den Waffen hat nun GOtt sei Dank fast ganz aufgehört; man musste sogar in letzter Zeit anerkennen, dass die römisch-katholischen Christen vielfach mit mehr Mäßigung, ja zuweilen mit Anerkennung von evangelischem Christentum sprachen da überrascht uns auf einmal ein wunderlich seltsames Ereignis. Der Führer der römisch-katholischen Christen nämlich, Papst Pius IX., hat auf den 8. Dezember künftigen Jahres eine allgemeine Kirchenversammlung nach Rom berufen, auf welcher die Not der Kirche beraten werden soll. Da werden nun die römischen Bischöfe, Priester und Gelehrten, welchen es irgend möglich ist, ihre Pflicht tun und nach Rom eilen. Damit aber nicht zufrieden, wendet sich der Papst auch an die evangelischen Christen in einem offenen Schreiben, dessen kurzer Inhalt dieser ist: Werdet römisch! Zunächst scheint diese Frage an die verzweifelte Lage des Königs von Israel zu erinnern, der glaubte seine Kleider zerreißen zu müssen, als der König von Syrien ihm den Naeman zusandte. Ist es denn so weit mit uns gekommen, dass der Papst in kindlich gutgemeinter Weise der evangelischen Christenheit einfach anbieten darf: Werdet römisch? Wir sollen römisch werden, ohne dass die Römischen auch nur mit einer Silbe gestehen: „Wir haben unschuldig Blut vergossen, als wir eure Väter dem Zeugentode überlieferten!“

Man wird heute in vielen evangelischen Gemeinen die Frage in Betracht ziehen: „Wollt ihr römisch werden?“ Ich hoffe aber, dass man an vielen Orten auch erfahren wird, dass der prophetische Geist in Israel noch nicht geschwunden ist. Auch wir wissen, was wir zu antworten haben.

„Wollt ihr römisch werden?“

Nein, wir sind und bleiben eine evangelische Christengemeine Deutscher Reformation.

Denn die evangelische Kirche

1) führt uns zur Gewissheit des Heils,
2) trägt in Liebe die Schwachen,
3) straft sich selbst.

Lasst uns diesen Gedanken auf Grund des Textes nachgehen.

Gebet.

1)

Die evangelische Kirche führt zur Gewissheit des Heils. An der schweren Heimsuchung des Feldhauptmanns Naeman scheint das ganze Volk der Syrer herzlichen Anteil genommen zu haben. Als durch eine freundliche Fügung GOttes ein kleines israelitisches Mädchen einen Weg zur Hilfe zeigt, da kommt gleich Alles in Bewegung, um diesen letzten Versuch zu machen. Die Gattin sagt es gleich dem Manne, der König ist gleich bereit, dem Feldhauptmann Urlaub zu geben, er schreibt sogar einen Brief an den König Israels. Vor Allem sehen wir den kranken Mann keinen Augenblick säumen, auf diesem Weg Heil zu suchen. Es handelte sich ums Leben. Was nützte dem berühmten Feldherrn alle Ehre, wenn er sich ihrer nicht mit gesundem Leibe erfreuen konnte. Dem Könige und Volke aber war der Mann genommen, von dem es heißt: Durch ihn gab der Herr Heil in Syrien.

Ungleich wichtiger ist die Heilung des inneren Menschen. Dass unser Reformator im Kloster zu Erfurt leiblich mit dem Tode rang, war nur eine Folge der inneren Kämpfe. Sobald seine Seele darüber klar war: Was muss ich tun, um innerlich gesund zu werden, oder, was dasselbe ist, sobald er Antwort auf die Frage hatte: Was muss ich tun, dass ich Vergebung der Sünden habe? war auch seine leibliche Krankheit gehoben. In der christlichen Gemeine handelt es sich um die wichtige Frage: Wie erlange ich Vergebung der Sünden? Ohne Zweifel ist die Kirche die beste, welche uns am Klarsten den Weg GOttes zur Seligkeit zeigt.

Als der syrische Hauptmann mit Ross und Wagen vor dem Hause des Propheten hält, lässt ihm der Mann GOttes sagen: „Gehe hin und wasche dich siebenmal im Jordan, so wird dir dein Fleisch wieder erstattet und rein werden!“ Da erzürnte Naeman, und zog weg und sprach: „Ich meinte, er sollte zu mir herauskommen, und hertreten und den Namen des HErrn seines GOttes anrufen und mit seiner Hand über die Stätte fahren und den Aussatz also abtun. Sind nicht die Wasser Amana und Pharphar zu Damaskus besser, denn alle Wasser in Israel, dass ich mich darinnen wüsche und rein würde. Und wandte sich und zog weg mit Zorn.“ Ihr seht, Geliebte, auch durch schwere Leiden wird nicht immer das trotzige Herz gebrochen. Es können Menschen nach Heilung von den Sünden wohl sehr begierig sein, aber ihr stolzes Herz macht sie blind, dass sie den einfachen Weg nicht finden. Der stolze Kranke wollte etwas Auffallendes haben, der Prophet sollte heraustreten, er sollte laut vor ihm beten. Der Befehl, im Jordan sich zu waschen, weckt den ganzen Nationalstolz des Syrers auf: Sind die Wasser in Syrien nicht tausendmal besser! Natürlich angesehen mochten sie in der Tat besser sein, sie hatten einen süßeren Geschmack, als der Jordan, von dessen Wasser nie gesagt wird, dass es besser sei, wie irgendein anderes, ja das vielleicht schon etwas von dem salzigen Geschmack an sich trägt, der dem Salzmeere eigen ist, in das sich der Jordan ergießt. Aber - Wasser tut's ja nicht, sondern das Wort, so mit und bei dem Wasser ist und der Glaube, so solchem Worte GOttes im Wasser traut. Das Jordanwasser hat den Naeman nicht gesund gemacht, sondern der Glaubensgehorsam gegen das Wort GOttes: Gehe hin und wasche dich. „So halten wir es nun, dass der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werk durch den Glauben.“ Als Dr. Luther in der Angst seiner Seele nach Versöhnung mit GOtt trachtete, war der Weg GOttes zur Seligkeit in der katholischen Kirche so verbaut, man hatte so viele andere Heilsmittel in Vorschlag gebracht, dass Luther es als eine ganz besondere Gnadenheimsuchung ansehen musste, als ihm endlich gewiss wurde: Der Gerechte wird seines Glaubens leben. Der sonst gewiss sehr verständige Naeman war in diesem Punkte so blind, dass ihn seine Knechte auf die Torheit seines Benehmens aufmerksam machen mussten: Lieber Vater, wenn dir der Prophet etwas Großes hätte geheißen, solltest du es nicht tun? Wie viel mehr, so er zu dir sagt: „Wasche dich, so wirst du rein!“

Der Reformator hätte gern wie jene Knechte in aller Bescheidenheit den Papst, die Bischöfe und Priester auf ihren gewaltigen Irrtum aufmerksam gemacht, er appellierte von dem schlecht unterrichteten Papst an den besser zu unterrichtenden, aber der Vater zu Rom hat bis heute noch kein Einsehen. Die Heilige Schrift ist ihnen bis heute noch verschlossen. Sie sehen nicht, dass von Anfang der Heilsgeschichte an bis zum Ende durch alle Bücher der Heiligen Schrift gepredigt wird, dass der Glaube uns gerecht macht. Der Glaube ist allerdings etwas sehr einfaches jeden Augenblick, wenn mich das Gewissen die Trennung von GOtt fühlen lässt, kann ich im Glauben der Sündenvergebung gewiss werden. Weil der Glaube gerecht macht, ist die erste und letzte Pflicht des Heil verlangenden Menschen immer gleich ein Schritt aus der Verzagtheit in die Gewissheit, aus der Verzweiflung in die Siegesfreude. Der Glaube ist auch die Hauptpflicht für alles spätere Wachstum des bekehrten Christen. Der Christ soll die Tugenden dessen preisen, der ihn berufen hat aus der Finsternis zu seinem Lichte, aber das soll nicht so geschehen, dass er den Tugenden und den guten Werken für sich nachgehe. Die guten Werke sind Glaubensfrüchte; wo der Glaube ist, da ist auch ein Wandel im Licht so gewiss, als es einen hellen Brand gibt, wenn eine glühende Kohle in die gefüllte Scheune fällt. Daher ist das tägliche Gebet des nach Heiligung ringenden Christen: HErr stärke mir den Glauben! Weil die römischen Christen diesen Heilsweg nicht frank und frei verkündigen, weil sie das schlichte GOttesmittel verachten und diese und jene Wasser für besser halten, dies und jenes Mittel dem Kranken befehlen, kommen römische Christen auch nie zur Gewissheit ihrer Seligkeit. Da es immer noch heißt: Jetzt musst du noch dies tun, noch jenes leisten, jetzt wäre dir dies noch zu raten, kommt ein römischer Christ selten zu dem fröhlichen Bekenntnis: „Ich glaube, darum bin ich gewiss, dass mich nichts scheiden kann von der Liebe GOttes, die in Christo JEsu unserem HErrn.

Wollt ihr römisch werden?

Nein, denn wir halten dafür, dass der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke durch den Glauben.

2)

Die evangelische Kirche trägt in Liebe die Schwachen.

Wollt ihr römisch werden? Die Frage könnte vielleicht Einigen unter euch als eine recht müßige erscheinen, sie scheint euch die Frage eines alten schwachen Greises zu sein, der Bundesgenossen sucht. Das ist richtig, aber die Frage hat auch eine andere Seite. Rom hat doch noch immer die Massen, wenigstens dem Namen nach hinter sich. Den 8. Dezember 1869 mag eine stattliche Versammlung zusammentreten. In den Augen Vieler steht Rom doch noch als die geistliche Mutter der christlichen Völker da. Die römische Kirche steht bei Vielen in dem Rufe, dass es ihr allein gelänge, die Völker zu gewinnen. Gerade weil die evangelische Kirche den Glauben predigt, der doch nicht Jedermanns Ding ist, deshalb soll sie sich nicht dazu eigenen, die Kirche für Alle werden zu können. Dem entgegnen wir: „Die evangelische Kirche trägt in Liebe die Schwachen.“ Evangelisch ist es nicht, wenn man schwärmerisch eine Gemeine der Heiligen ohne Schwache, Kranke, Lahme und Krüppel erzwingen will; evangelisch ist es nicht, wenn man das Unkraut vorzeitig aus dem Acker reißen will; evangelisch ist es nicht, wenn man die durch GOttes Fügung gewordene Volkskirche in welcher Gute und Böse sind, ungeduldig zerschlagen will. Diejenigen, welche hier auf Erden eine äußerlich fehlerlose Gemeine der Heiligen bilden wollen, stehen selbst oft nicht auf rechtem Glaubensgrunde, es genügt ihnen nicht die Heilsgewissheit des Glaubens, sondern sie wollen in ihrem Tugendleben und in der Heiligkeit ihrer Gemeinschaften den Beweis ihrer Gotteskindschaft finden - und sehen sich denn selbst oft sehr getäuscht.

Die evangelische Kirche trägt die Schwachen. Auch der Glaube des Naeman war nur ein sehr schwacher Glaube er stieg gewiss recht ungläubig ins Jordanwasser, er tats den Knechten zu lieb, er gehorchte, weil der Gehorsam ja wenigstens nicht schaden konnte und doch fand auch der sehr schwache Glaube Heilung. Dann bricht freilich der Glaube lebendig durch als er verjüngt aus dem Wasser heimkehrt, bekennt er dem Propheten: Siehe, ich weiß, dass kein GOtt ist in allen Landen außer Israel.“ Bald rief ihn die Pflicht wieder heim da musste er seinem Könige dienen. Wenn dieser in das Haus des Götzen Rimmon ging, pflegte ihm Naemans Hand zur Stütze zu dienen. Wenn dann der König zu seinem Götzen betet, will Naeman den GOtt Israels, den HErrn Zebaoth anrufen. Aber nach heidnischem Aberglauben reichte die Herrschaft eines GOttes nur so weit, als der Grund und Boden, welcher ihm zugefallen; wo der Boden dieses GOttes aufhört, da hört auch seine Macht auf, da kann er auch keine Gebete erhören, darum bittet Naeman um die Erlaubnis, eine Last palästinischer Erde, so viel als 2 Maultiere tragen können, und mitnehmen zu dürfen. Diese Erde will er an der Stelle im Hause Rimmon einlegen lassen, wo er zu beten pflegt offenbar ein schwerer Aberglaube aber dennoch entlässt ihn der Prophet mit den Worten: Ziehe hin in Frieden. Das weiß der Prophet, dass er nicht mit einem Mal aus einem Heiden einen frommen Israeliten machen kann; er sieht aber in dem Herzen Naemans den schönen Anfang eines neuen Lebens. Die evangelische Kirche hat Geduld mit den Schwachen, sie weiß, dass der HErr befohlen hat die Völker durch die Taufe zu Jüngern zu machen und dass erst am Ende, wenn die Netze ans Land gezogen werden, die guten und schlechten Fische gesondert werden. Niemals hat sie die Irrenden mit dem Schwert bestraft.

Wollt ihr römisch werden?

Nein, denn wir wissen, dass die evangelische Kirche Geduld mit uns schwachen Gliedern hat und uns auch, wenn wir irre gehen, nicht verstoßen wird.

3)

Die evangelische Kirche straft sich selbst.

Ist es nicht auffallend, dass die Kirche, welche so oft ohne Erbarmen die Irrenden geschlagen hat, gegen sich selbst so blind ist. Habt ihr je gehört, dass Rom einmal eingestanden: Ich habe gefehlt. An diesem Schaden wird die römische Kirche noch zu Grunde gehen. Dass die evangelische Kirche oft so gering geachtet wird, kommt zum Teil daher, dass sie ihre Fehler nicht versteckt. Zuweilen werden von den eigenen Gliedern der Kirche ohne Grund viel zu sehr die schwachen Seiten ihrer Mutter aufgedeckt aber das bleibt doch immer ein unschätzbarer Vorzug, dass wir nicht nur als einzelne Christen, sondern auch als Kirche nur durch den Glauben gerecht sein wollen und auch die Kirche Buße tun kann. Wir gestehen unsre Schäden ein, wenn auch mit tiefem Schmerz. Es ergeht uns so wie dem Propheten, dem das Herz sich im Leibe bewegte, als ihm eine innere Stimme sagte: Jetzt kehrt der Heide von seinem Wege um und bezahlt seine Schuld, die er Israel zu lösen hat, mit Gold und Silber. Es kommt vor, dass die eigenen Hausgenossen unsre ärgsten Feinde sind. Die evangelische Kirche möchte gerne Alle für die Wahrheit gewinnen, Römische, Griechische Christen, Baptisten, Methodisten, Alle sollten es wissen, wie jener Naeman, dass ein Prophet in Israel ist, aber da läuft ein Gehasi hin, und schändet die Ehre seines Herrn. Solche untreuen Knechte, welche den Glaubensgrund unserer Kirche umstoßen, wird der HErr richten. Heute ist es wahrlich nicht Zeit, Silber und Kleider zu nehmen, heute ist es doppelt strafbar, sich selbst zu dienen, seine Ehre zu suchen, mit der Menge zu buhlen, sondern es gilt in Treue gegen das Bekenntnis der evangelischen Kirche zu zeugen, dass in Israel das prophetische Wort noch etwas gilt.

Die evangelische Kirche straft sich selbst. Darum straft sich diese Gemeine auch. Wir feiern nie ohne Buße. Das Rühmen ist uns wenig nütze.

Auf die Frage: „Wollt ihr römisch werden?“ antwortet ihr Alle: „Nein, wir sind und bleiben eine evangelische Gemeine Deutscher Reformation. Wäre es nicht besser zu sagen: Wir wollen es werden. Wir möchten gerne eine Christengemeine sein, welche Gewissheit des Glaubens hat, welche geduldig ist in der Liebe, stark in der Buße. Die Antwort auf jenes Schreiben Pius IX. liegt nicht so sehr in den Worten, als in der Tat. Wer das Geheimnis der Glaubensgerechtigkeit kennt, der hat eine Empfindung wie Naeman, als er rein wie ein junges Knäblein sich aus dem Jordanwasser erhob. Wenn wir erst erfahren haben, wie selig ein evangelischer Christ sein kann, dann sind uns die römischen Drohungen nicht gefährlich, dann schadet es wenig, wenn vielleicht schon im anderen Jahre sich in unserer Stadt der Turm einer römischen Kirche erhebt, wir übertönen doch ihr ave Maria mit dem Lutherliede:

Ein feste Burg ist unser GOtt. Amen!

1)
Lektion des Filder Bibelkalenders.
Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/z/zahn_adolf/zahn_adolf_-_wollt_ihr_roemisch_werden.txt · Zuletzt geändert:
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain