Unbekannt - Worte des Neuen Testamentes über Heiligung

Unbekannt - Worte des Neuen Testamentes über Heiligung

I. 1. Petrus 1,15.16

… als Kinder des Gehorsams, indem ihr euch nicht gleichförmig macht den Lüsten (die ihr) in eurer früheren Unwissenheit (hattet), sondern gemäß dem Heiligen, der euch berufen hat, sollt auch ihr heilig werden im ganzen Wandel, dieweil geschrieben steht: 'Heilig sollt ihr sein, denn ich bin heilig' …

Diese Stelle ist sehr geeignet, uns über das wichtige Thema „Heiligung“ vielerlei zu lehren. Sie redet ja kurz und bündig, prägnant würden wir vielleicht mit einem Fremdwort sagen, aber ihre Beziehungen sind so mannigfaltig, daß wir aus der Kürze eine Länge machen müssen, um sie alle auch nur anzudeuten. Vor allem aber ist diese Stelle geeignet, uns das Wort und die Sache „Heiligung“ lieb und wert zu machen. Wird uns doch gesagt, daß wir deshalb heilig sein sollen, weil der Herr, den wir bekennen, heilig ist. Alles, was Jesus ist, ist aber ohne Zweifel jedem an ihn Gläubigen eben deshalb schon lieb. Was der Herr hat, was er heißt, was er ist, das kann gar nicht anders sein als wertgeachtet und teuer in den Augen seiner Knechte. - Doch gehen wir zur Betrachtung der Stelle über und nehmen wir ihre Beziehungen, so wie sich sich der Reihenfolge nach ergeben!

Heiligung ist eine Sache der Kinder Gottes. Nicht zu Ungläubigen redet Petrus, daß sie heilig sein sollten, sondern zu solchen, die wiedergeboren sind zu einer lebendigen Hoffnung (V. 3), die im Leiden Glauben bewähren (V. 7), die ohne zu sehen lieben und ohne zu sehen glauben (V. 8), und durch ihren Glauben jubeln mitten in Anfechtungen (V. 6,8). Diese heißen „Kinder“, denn sie sind neugeboren, sie haben den Heiland im Glauben angenommen und haben durch ihn die Macht erhalten, Kinder Gottes zu heißen- Ungläubige können eben gar nicht heilig sein, darum werden sie auch nicht zur Heiligung ermahnt. Aber den Gläubigen, den Kindern Gottes, hält der Apostel die Mahnung, heilig zu sein, mit allem Ernst vor.

Heiligung ist eine Sache gehorsamer Kinder Gottes. Ein Kind, das rechter Art ist, ist von selbst gehorsam. Freilich gilt das im geistlichen Leben mehr als im natürlichen. Auch die frömmsten Eltern zeugen Kinder aus sündlichem Samen und auf unreine Weise. Die Sünde und mit ihr der Ungehorsam liegt daher im Wesen des Kindes auch der frömmsten Eltern. Gottes Kinder aber sind nicht durch Fleisch und Blut, nicht nach dem Willen eines Mannes geboren, sondern aus dem heiligen Samen, aus dem Wort durch Gottes Munde, aus Jesus. Was aber aus solchem heiligen Samen gezeugt ist, das kann sich naturgemäß auch nur in der durch die Geburt gesetzten Weise entwickeln; wir sagen daher: einem Kinde Gottes rechter Art ist es naturgemäß, ein gehorsames Kind zu sein. Wir wollen jetzt hier nicht davon reden, wie es kommen kann, daß auch ein Kind Gottes in die Gefahr kommt, ungehorsam zu sein, und weshalb es darum zum Gehorsam gegen seinen Vater ermahnt werden muß. Jedenfalls wünscht ein rechtes Kind Gottes, gehorsam zu sein, und weil es das wünscht, jagt es der Heiligung nach. Es beweist seinen Gehorsam in diesem Streben und im heiligen Tun. Heilig sein heißt also gehorsam sein, Unheiligkeit ist Ungehorsam.

Heiligung bezieht sich auf den Wandel der Kinder Gottes, auf ihr Tun und Lassen, Reden und Schweigen, Denken und Meiden. „Ihr sollt heilig sein (oder: werden) in eurem ganzen Wandel“, heißt es. Die Heiligung bezieht sich also, sagen wir: auf das praktische Gebiet im Leben der Gläubigen. Wo Paulus die Thessalonicher zur Heiligung ermahnt, hat er ganz bestimmte, praktische Fragen im Auge, ebenso bei den Korinthern, ebenso der Schreiber des Hebräerbriefes. Allerdings ist das Wort „Wandel“ nicht zu eng zu fassen; es heißt ja auch ausdrücklich „ganzer Wandel“. Dazu gehört nicht nur, was man an uns sieht und hört, sondern vielmehr noch unser ganzes verstecktes Trieb- und Neigungs-, Phantasie-, Denk- und Sinnleben. Der offenbare Teil des Wandels ist selbstredend wichtig und soll ein heiliger sein, aber der verborgene Teil desselben soll es auch, ja soll es noch mehr sein. Es kann ja freilich niemand auf die Dauer seinen äußeren Wandel anders führen als den inneren. Selbst wenn er die riesige Kraft der Versteckkunst eines Judas besäße, einmal müßte doch seine Innenseite nach außen sich offenbaren. Die Heiligung bezieht sich jedenfalls auf unseren verborgenen und unsern offenbaren Wandel, und beides soll ihr entsprechen.

Heiligung und Wandel stellt der Apostel zusammen. Nicht daß wir gerechtfertigt sind, ist Heiligung, nicht, daß wir gläubig und wiedergeboren sind, nicht daß wir den Geist empfangen haben und damit das Leben aus Gott und die Liebe Gottes, nicht daß ist Heiligung, sondern das, daß wir im Alltagsleben uns als die beweisen - offen und heimlich -die wir als Gläubige und Wiedergeborene sind und sein sollen. Das Wort „Heiligung“ trägt weniger einen geistlichen als einen praktischen Charakter.

Heiligung entspricht völlig und einzig dem neuen Lebenszustande der Kinder Gottes. „Indem ihr euch nicht anpaßt den früheren Lüsten in eurer Unwissenheit …“ sagt Petrus. Diese Gläubigen lebten einst, wie er Kap. 4,1-11 noch deutlicher sagt, mit der Welt in den Lüsten des Fleisches, des Auges, der Hoffart. Damals waren sie auch unwissend, ohne Erkenntnis ihres Zustandes, vor allem ohne Erkenntnis des Heilandes. Sie waren ohne Gott, deshalb umsomehr in den Lüsten. Das war „früher“. Nun ist es anders. Sie sind nicht mehr unwissend und ohne göttliche Vernunft und Erkenntnis. Sie haben sich erkannt und den Heiland. Sie haben ihn erkannt, der sein Blut dahingab, um sie von der Schuld zu erlösen und damit zugleich vom „eitlen Wandel nach väterlicher Weise“. Er hat sie angenommen und nun sind sie eben nicht mehr unter der Herrschaft ihrer früheren Lüste. Wohl sind sie noch da, aber der Wille und die Neigung, ihnen zu folgen, ist in Haß und Kampf gegen sie umgeschlagen. Es wäre nun ein Schritt zurück in das alte Verderben, ein „Ungestalten“, ein Anpassen an die frühere Unwissenheit und Lüsteknechtschaft, wollten die Kinder Gottes unheilig und nicht heilig sein.

Wir sehen auch hier, daß die Heiligung etwas voraussetzt. Wer heilig sein will, muß zuvor etwas anderes sein, er muß entnommen sein der natürlichen Herzensblindheit und der natürlichen Lüsteknechtschaft. So geht es jedenfalls aus unserem Worte klar hervor.

Endlich lernen wir aus dieser Stelle, daß die Heiligung etwas ist, was unserer Stellung in Christo entspricht. Gerade diese Stelle muß uns die Heiligung lieb und teuer machen. Es wäre ganz unverständlich oder doch im höchsten Grade bedauerlich, wollte ein Kind Gottes nicht das sein, was sein Herr ist. Unser Herr ist viel und hat viele Eigenschaften, aber mit starkem Nachdruck, ja so, wie wir es bezüglich keiner anderen Seite seines Wesens hören, sagt er: „Ich bin heilig, darum sollt auch ihr heilig sein!“ Er hat uns berufen, und durch seinen Ruf zu seinem Eigentumsvolk gemacht. Wenn nun irdische Knechte ihrem Meister oft bis ins Kleinste nachahmen, wie viel mehr sollen wir unserm himmlischen Herrn ähnlich sein in einer so wichtigen und ernsten Sache!

Daß unser Herr heilig ist, macht uns aber nicht nur verpflichtet, ihm ähnlich zu werden, sondern ist auch die Kraft, die Möglichkeit, für uns es zu sein. So hat der Herr ja auch über seine Jünger gebetet: „Ich heilige mich selbst für sie, auf daß auch sie Geheiligte seien in der Wahrheit.“ Was der Herr ist, sollen wir sein, was er ist, können wir aber auch sein, denn wir sind sein, er hat uns an sich gebunden, wir sind sein Leib und er unser Haupt. Was er ist, können wir darum in ihm sein, aber auch in ihm allein.

„… Seid heilig in allem eurem Wandel“ heißt es Vers 15. Dieses „Seid“ könnte man auch übersetzen „Werdet“. Wir wollen uns und keinen entschuldigen und ihm ein Schlummerkissen geben, aber es ist Tatsache, daß es ein Fortschreiten geben muß im heiligen Wandel, daß aber auch niemand so sehr leicht sich wird rühmen können, daß er vom ersten Tage seiner Bekehrung an das letzte Ziel seiner Heiligung erreicht hatte. Manche waren ihm gewiß näher als andere; Tertullian z.B. war vom Tage seiner Umkehr an - allerdings war er schon ein reifer Mann - in wunderbarem Maße der Heiligung teilhaftig. Preisen wir andern die Geduld des heiligen Herrn, der uns ach! so viel Zeit geben mußte, um auch nur ein wenig ihm ähnlich zu „werden“! Möchte aber keiner zu denen gehören, die es verschmähen, das zu sein oder doch zu werden, was der Herr ist, der sich selbst der Heilige nennt!

II. 1. Thess. 5,23.24

Der Gott des Friedens heilige euch durch und durch, und euer Geist ganz, samt der Seele und Leib, müsse behalten werden unsträflich auf die Zukunft unseres Herrn Jesu Christi. Getreu ist der, der euch rufet, welcher es auch tun wird.

Dieses Schriftwort über die Heiligung fällt darum so sehr auf, weil unsere Heiligung in demselben mit so großem Nachdruck als ein Werk Gottes hingestellt wird. Das sagt nicht nur der Anfang: „Gott heilige euch …“, sondern noch mehr der Schluß: „Getreu ist der, der euch rufet, welcher es auch wird tun.“ - Es ist ja keine Frage, daß es einseitig wäre, zu sagen: Unsre Heiligung ist ausschließlich Gottes Werk. Es gibt so viele andre Worte des neuen Testaments, die uns heilig zu sein, der Heiligung nachzujagen antreiben, daß man darüber gar keine weiteren Worte zu verlieren braucht.. Aber immerhin wollen wir aufmerksam beachten, daß in unsrer Stelle mit großer Kraft und

Gewißheit Gott das Werk zugeschrieben wird. Wir wollen zunächst gar nicht darüber nachsinnen und reden, wie sich die beiden Seiten begrifflich vereinigen lassen, sondern wir wollen die Tatsache feststellen und betrachten:

Unsere Heiligung ist Gottes Werk. Es ist nicht so, daß Gott uns nach der Bekehrung gewissermaßen laufen ließe und ruhig zusehe, was wir wohl machen. Vielleicht scheint es manchmal so, aber es ist doch nur Schein. Gott hat mit uns das bestimmte Ziel im Auge, und er, der Allmächtige und Alltreue, weiß es auch gar wohl zu erreichen. Wir sind auch hinsichtlich unserer Heiligung nicht anders gestellt als hinsichtlich unserer Rechtfertigung; Gott will sie, Gott bewirkt sie. Wenn man die Heiligung vielfach so darstellte, als ob sie ganz und gar unsere Sache sei, von unserem Willen nur abhinge, unser Werk sei, das wir jetzt als Gerechtfertigte zu leisten hätten, so kann das ein folgenschwerer Irrtum sein, kann eine neue Gesetzesherrschaft und ein verstecktes äußeres Werktreiben begründen, und dahin ist es auch vielfach gekommen. Aber Heiligung ist nicht Gesetzeswerk, sondern Gnadenwerk, Gotteswerk in uns. Gott will uns heiligen und heiligt uns; seine Gnade hat uns zu ihm gezogen, seine Gnade beherrscht uns fort und fort und erziehet uns, daß wir die weltlichen Lüste verleugnen usw. (Tit. 2,11 ff.)

Wie sehr müssen wir uns nun aber auch davor hüten, die Heiligung zu versäumen oder zu verachten! Wer das tut, der versäumt Gottes Werk, und was das für Folgen hat, braucht nicht erst gesagt zu werden. Wenn wir rechte Kinder Gottes sind, werden wir doch wohl nicht anders können als das zu lieben und zu begehren, was Gott uns tun will. Wie traurig ist es, daß sich manche, die gläubig zu sein bekennen - aus Gründen, die hier nicht weiter besprochen werden können - des Werkes Gottes an ihnen entschlugen! Kein Grund kann solch ein Verhalten rechtfertigen. Gott will uns gewiß nichts Böses, auch nichts Unnützes tun. Mögen verkehrte Menschen sein Wirken verkehrt haben, so bleibt er und sein Wille und sein Werk doch rein und gut und recht. Er ist dem Reinen rein und dem Verkehrten verkehrt. - Gewiß würden manche Gläubige das Wort und die Sache „Heiligung“ weniger bedenklich gefunden haben, wenn sie unsre Stelle sorgfältig beachtet hätten; sie hätten dann beachtet, daß Heiligung ein Werk Gottes ist, und sie hätten wohl auch die schönen Namen beachtet, die der Apostel im Hinblick auf dieses Werk Gott beilegt, nämlich:

Heiligung ist eine Sache des Gottes des Friedens. Der Gott, der uns in Christo Frieden gab, will in diesem Frieden uns erhalten und seine seligen Friedensziele mit uns erreichen. Seit wir ihn in Christo kennen, hat er Gedanken des Friedens allerwege über uns, am meisten in der Heiligung. Nicht um uns Böses anzutun, nicht um uns zu schaden will er an uns wirken, sondern um seine Friedensgedanken an uns zu verwirklichen. Er ist nicht unser Feind mehr, sondern unser Vater. Als Feind kann ihn und sein Wirken nur der empfinden, der fleischlich gesinnt ist, der des Fleisches Geschäfte gerne hat und es als bitteren Schmerz empfindet, wenn er den alten Menschen verleugnen soll. „Geistlich gesinnt sein aber ist Leben und Frieden.“ Wer geistlich gesinnt ist, wird sich gerne dem himmlischen Vater hingeben, wird sich gerne von ihm behandeln, erziehen und züchtigen lassen; er weiß, Gott hat Gedanken des Friedens über mich.

Laßt mich dabei auch darauf hinweisen, daß das Werk immer den Charakter des Wirkenden trägt und annimmt. Der Gott des Friedens schafft durch das Werk der Heiligung auch nichts anderes als Kinder des Friedens. Wahrhaft heilige Leute sind keine Zänker und Streiter, keine Schimpfer und keine kapuzinerhaften Fanatiker, fahren nicht hoch her mit harten Reden, verachten und trennen sich nicht von Kindern Gottes. Wo das alles sich findet, ist keine echte Heiligung. Der Gott des Friedens heiligt Heilige des Friedens; gottlob, daß wir an Persönlichkeiten der Vergangenheit und Gegenwart diese echte Wirkung des Gotteswortes beobachten können!

Heiligung ist ferner ein Werk des treuen Gottes. Er hat uns berufen, er hat einen Anfang gemacht; seine Treue treibt ihn, sein Werk nicht liegen zu lassen. „Wieviele er zuvorbestimmt hat, die hat er … verordnet … berufen … gerecht gemacht … (heilig und) herrlich gemacht.“ (Röm. 8,29) Ja, seine Treue kann sich selbst dann nicht leugnen, wenn wir in Verdüsterung und Dunkelheit säßen: „glauben wir nicht, so bleibet er doch treu, er kann sich selbst nicht leugnen.“ Köstliches Verheißungswort! Wohl uns des treuen Herren!

Angesichts solcher herrlichen Lehren der Schrift sollte kein Gläubiger sein, dem nicht die Heiligung lieb und teuer wäre.

Keiner braucht zu verzagen und zu sagen: ich kann die Heiligung nicht erlangen! Sie ist ja nicht dein Werk, sondern Gottes Werk an dir!

Keiner braucht die Heiligung zu fürchten, als ob ihm Böses geschehen sollte: der himmlische Vater hat viel herrlichere, köstlichere Friedensgedanken über uns als die besten irdischen Väter es über ihre Kinder haben, darum züchtigt er uns mit einem Herzen voll Friedensgedanken, „zu Nutz, damit wir seine Heiligung erlangen möchten.“ (Heb. 12,10)

Niemand sollte aber auch die Heiligung versäumen, die doch ein Werk Gottes ist, in dem er sich als der Gott des Friedens und der Treue ganz besonders offenbaren will.

Wir alle sollten vielmehr mindestens von ganzem Herzen das tun, für uns und andere, was Paulus für die Thessalonicher betend wünschend tat: zu Gott beten und flehen, daß er an uns als der heiligende sich beweisen möge. Die Heiligung ist Gottes Werk und ist unser Werk: die rechte Vermittlung dieser beiden Wahrheiten liegt, wie so oft in der Schrift, darin, daß wir empfänglich und aufgeschlossen sind für das, was Gott an uns tun will, es von Herzen begehren, mit ganzer Kraft verlangen, es mit Liebe und Sehnsucht ergreifen und mit Hingabe an uns geschehen lassen. Es kann sich aber einer - auch ein Gläubiger - ablehnend verhalten gegenüber dem und jenem, was Gott ihm tun möchte; er kann sich verschließen, ja teilweise und zeitweise verhärten. Das heißt aber sich selbst des Segens verlustig machen und berauben.

Der Gott des Friedens heilige euch durch und durch, und euer Geist ganz, samt der Seele und Leib, müsse behalten werden unsträflich auf die Zukunft unseres Herrn Jesu Christi. Getreu ist der, der euch rufet, welcher es auch tun wird.

1. Thess. 5,23.24

Wir dürfen und müssen unserm Gott, der ein Heiland ist aller Menschen, am meisten aber der Gläubigen (1. Tim. 4,10), das Vertrauen entgegenbringen, daß er überall, wo er etwas tut, eine ganze, volle und gründliche Arbeit tun will und auch tut. So wird es wohl auch in dem Geschäfte der Heiligung sein, das er an seinen Kindern ausführen will; er wird es in seiner Weisheit und Liebe gewiß wohl verstehen, seine Friedensabsichten und seine Treuegedanken zu ihren endlichen Zielen zu bringen. Darum tönen uns auch in dem vorliegenden Schriftworte solche Ausdrücke gar voll entgegen, die das Ganze und Völlige des göttlichen Heiligungswerkes bezeichnen wollen: Der Gott des Friedens heilige euch ganz, vollkommen (wörtlich), und ganzteilig müsse euer Geist … bewahret werden! Eine Heiligung, die sich bloß auf einzelne Teile unseres Wesens, auf einzelne Seiten unseres Charakters, auf einzelne Zeiten unseres Lebens beschränkte, wäre gewiß an und für sich ein Unding. Und doch, wie oft mag eine teilweise Heiligung sich vorfinden, und zwar nicht nur im Anfang und im Kindesalter des christlichen Lebens. Gott will uns jedenfalls ganz und gar heiligen, die Frage ist die, ob wir es auch wollen. Begehren wir das vollkommene Gotteswerk an uns, oder wünschen wir, in einzelnen Teilen von ihm verschont zu bleiben? Es mag das eben nicht unmöglich sein, daß ein solcher Wunsch und Gedanke und ein diesbezüglicher activer oder passiver Widerstand gegen Gottes Werk bei uns sich findet. Welches Resultat wir dadurch erreichen? Jedenfalls werden wir mit Gott in Conflikt geraten. Wir werden ihm widerstehen und sein Friede muß dann von uns weichen. Bleibt dieser Zustand bestehen, kann auf die Dauer nur ein völliger Rückgang und ein völliges inneres Ersterben die Folge sein. Sind wir aber wirklich bekehrte und gläubige Leute, die Gott zur Seligkeit zuvorbestimmt hat (Röm. 8,29.30), so mag es wohl ein zeitweises und teilweises Widerstreben gegen Gottes Heiligungsgeschäfte bei uns geben, Gott wird aber unsern Willen zu brechen suchen auf allerlei Weise und es wird ihm auch gelingen, sei es durch das Feuer der Leiden, sei es durch die sanften Züge des Heiligen Geistes.

Beachten wir immer wieder, daß das vorliegende Wort des Paulus ein Wort des Wunsches und des Gebetes ist. Was man wünscht, worum man bittet, dafür ist das Innere empfänglich, das Herz aufgetan und der Wille geneigt. Wenn wir uns schon selbst nicht heiligen können, wenn wir vollends nicht die gänzliche Heiligung vollbringen können, Gott kann und will es tun; unsere Sache ist es, sein Werk mindestens zu begehren, zu erbitten, zu wollen. Ist dieses Begehren nicht da, dann mag das ja vielleicht ein Zustand augenblicklicher Verdüsterung sein, der wieder vorübergeht; es mag auch eine chronische Krankheit sein bei einzelnen Christen und bei ganzen Gemeinschaftskreisen; fehlt der bezeichnete Wunsch aber auf die Dauer und überhaupt, so wäre eben damit der Beweis erbracht, daß wir Christi Geist nicht haben, daß wir fleischlich gesinnt sind, daß wir aber darum noch im geistlichen Tode liegen, Christi Eigentum nicht sind (vgl. Röm. 8, 5-10).

Gott will und sollte uns heiligen „durch und durch“, wörtlich: „ganz vollkommen“. In allen unseren Lebensbeziehungen und Handlungen, in allem Denken und Sinnen, in der Jugend, im Alter, in Familie, im Geschäft, im Gemeindeleben will er ein Werk tun. Paulus legt uns die Vielseitigkeit des Heiligungsgeschäftes auseinander nach den drei Seiten: Geist, Seele und Leib. Zugleich beschreibt er uns die Wirkung des Heiligungswerkes Gottes: Geist, Seele und Leib wird durch es in untadeliger Weise bewahrt auf den Tag der Wiederkunft Christi. Es handelt sich also bei dem Heiligungswerke um Bewahrung vor der Sünde und ihren Wirkungen. Es gibt ein Sündenverderben des Leibes, der Seele und des - menschlichen - Geistes; ja auch der von Gott verliehene Geist und seine Geistesgaben können in's Sündliche und Unreine hinabgezogen werden. Wir haben Beispiele dafür, daß Gläubige Leute eben auf dem Gebiet sündigten, wo ihre geistliche Berufung lag und dadurch derselben verlustig gingen, ihren Geist nicht „ganzteilig“ bewahrten. Vielfach haben Gläubige verloren, was sie besaßen, ihren Geistbesitz nicht gewahrt, weil sie nicht mit Ernst die Heiligung erbeten und erwünschten, die Gott ihnen wohl zuteil werden lassen wollte.

Die letzten Worte des Apostels, die die Heiligung als eine Bewahrung vor der Sünde und vor dem Verderben hinstellen, zeigen uns erneut, was wir schon bei der Petristelle lernten, daß die Heiligung ein sehr praktisches Gebiet ist, daß es sich um das tagtägliche Leben und Weben handelt, um den „Wandel“ (1. Pet. 1,15), allerdings nicht nur um den äußeren Wandel, sondern um den „ganzen“ Wandel, um die Verhältnisse des ganzen Menschen, um Geist, Seele und Leib, um die aufgedeckten und um die versteckten Beziehungen unseres Daseins. Möge der Herr uns in dieser Sache immer mehr Licht geben!

Quelle: Gärtner - Eine Wochenschrift für Gemeinde und Haus 1907

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