Trudel, Dorothea - Zwölf Hausandachten gehalten in Männedorf - Psalm 68.

Trudel, Dorothea - Zwölf Hausandachten gehalten in Männedorf - Psalm 68.

Du bist in die Höhe gefahren und hast das Gefängnis gefangen, du hast Gaben empfangen für die Menschen, auch die Abtrünnigen, dass Gott der HErr dennoch daselbst bleiben wird (Vers 19).

Der HErr gebe durch seine Gnade, dass wir auch durch dieses Wort reich gesegnet werden! Er öffne uns selbst das Verständnis durch seinen heiligen Geist und leite uns in alle Wahrheit!

Oft hätte ich nicht gewusst, was ich mit angefochtenen Seelen anfangen sollte, die das Wort Gottes verkehrt und falsch auf sich anwandten, wenn ich diesen Psalm nicht gehabt hätte. Er ist ein Labsal für meine Seele, wodurch ich oft vom HErrn erquickt wurde, wenn ich von Kindern erfahren hatte, die kalt und lau geworden waren, habe ich in diesen Worten Trost und Stärkung gefunden. Und wenn arme abtrünnige Seelen mir schwer auf dem Herzen lasteten, und ich in der Einsamkeit meinen HErrn so recht im Glauben umfassen konnte, als ob ich Ihn vor mir hätte; wenn ich Ihm sagen konnte: „Du hast Gaben für die Abtrünnigen, daher rufe ich dich vertrauenssvoll für diese Seelen an, und will nicht von dir lassen, bis du mich erhörst,“ so half Er mir auf die Verheißung dieses seines Wortes hin. Ja, der HErr hat auch Gaben für die Abtrünnigen, Abgefallenen; Er rät auch ihnen, von Ihm zu kaufen Wein und Milch ohne Geld; Er will auch ihnen geben, was sie bedürfen. Wenn ich die große Gnade nicht schon hätte oft erfahren dürfen, dass abgewichene Seelen sich aufmachten, um wieder zu Jesu zurückzukehren, dass sie aus der Verblendung zum Licht, aus der Unruhe zum Frieden, aus der Gleichgültigkeit zum ernsten Suchen, zum Gebetseifer kamen, und das verlorene Kleinod, ihren Heiland, wieder fanden und in Ihm glücklich und selig wurden, dann hätte ich oft unterliegen müssen unter der Last und Bürde, die auf meinem Herzen lag. Jesus ist treu. Er sucht das Abgewichene, das Verlorene. Er hat das Gefängnis gefangen genommen, die Kerkertüren und eisernen Riegel zerbrochen und Leben und unvergängliches Wesen ans Licht hervorgebracht. In seinem Tod liegt für uns die Kraft, den Tod zu überwinden, und in seiner Auferstehung die Kraft des ewigen Lebens.

Wie unendlich gut haben wir es, die wir Kinder sind des neuen Bundes, dass wir nicht mehr beten, Gott möge die Gottlosen umkommen lassen, sondern dass wir beten dürfen, Er möge die Sünde in ihnen vernichten durch das Feuer seines Geistes und seiner Liebe. Und so wie vor den Engeln im Himmel Freude ist über einen bußfertigen Sünder, so dürfen auch wir Lob- und Danklieder anstimmen, wenn eine Seele, die tot war, lebendig wird, wenn aus einem Lästerer ein Anbeter Gottes wird, der bekennt: „Nur bei dem HErrn bin ich geborgen, und nur bei Ihm habe ich es gut.“

Wohl euch, die ihr die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, angezogen, und die eigene Gerechtigkeit ausgezogen habt, die ihr kein Fünkchen Gutes an euch mehr saht, euch als Höllenbrände erkanntet und an die Gnade und das Erbarmen Jesu appelliertet. Wohl euch, die ihr suchende Seelen seid; fahret fort, zu rufen und zu bitten, ruhet und rastet nicht eher, bis ihr im Verdienste Jesu Vergebung der Sünden und freien Zutritt zum Gnadenthron des Vaters gefunden habt. Jesus ist eure Gerechtigkeit, euer Bürge vor Gott und euer Bruder; ihr werdet den Zug seiner Liebe verspüren, mit seinem Geist wird Er die Totenbeine anhauchen und euch aus dem Tode zum Leben führen. Haltet Ihm nur stille und gebt euch Ihm ganz hin; lasst euch erziehen zu Werkzeugen im Reiche Gottes. Viele können nichts für das Reich Gottes wirken, können keiner Seele den rechten Weg weisen, weil sie dem HErrn und seiner Sache ferne stehen, weil sie noch keine Neuschaffung am Herzen erfahren haben, und nicht bezeugen können, dass Jesus in ihnen wohnt und seine Liebe sie treibt, für Ihn zu arbeiten. Das Wort Gottes müssen wir selbst am Herzen erfahren und unser Leben danach einrichten, sonst bleibt nur ein totes Wissen, das uns vor Gott nicht gerecht machen kann. Jesus hat uns die Gerechtigkeit am Stamme des Kreuzes erworben. Der befleckte, zerrissene und oft geflickte Rock der eigenen Gerechtigkeit muss ausgezogen werden, dann gibt Jesus uns auch Kraft, in einem neuen Leben zu wandeln. Singet dem HErrn, lobsingt seinem Namen, ihr, die ihr gerecht geworden seid; freut euch und seid fröhlich. Nicht Mucker, nicht Kopfhänger sollt ihr werden, sondern Kreaturen, die da sanftmütig und demütig wandeln. Nicht Erbarmen und Nachsicht mit dem alten Menschen, mit den Schwächen des Fleisches, sollt ihr haben, sondern herzliches Erbarmen mit schwachen Seelen, die noch nicht auf rechter Straße wandeln, die am Abgrund des Verderbens stehen. Wenn ihr gerettet seid, so betet für die Ungeretteten; haltet dem HErrn sein Wort vor, und Er wird die Gefängnistüren der Herzen öffnen; denn Er hat Gaben für die Abtrünnigen und Verirrten. Betet ohne Unterlass und lasst dann Ihn regieren nach seiner Weisheit und Liebe, und ihr werdet erfahren, dass Er nicht zu Schanden werden lässt, die Ihn lieben und auf Ihn hoffen.

Wenn unser Herz eine Wohnung Jesu und eine Behausung des heiligen Geistes ist, so stehen wir auch im rechten Kindesverhältnis zu Gott, müssen auch mit Jesu, unserem erstgeborenen Bruder, in Wort und Wandel Ähnlichkeit haben, als von einem Vater stammend. Feindesliebe, brennende Seelenliebe, die nicht zusehen kann, dass Einer der Miterlösten verloren gehe, muss in uns sein; sonst stehen wir nicht im rechten Geiste, und kennen die Liebe, die von Gott ist, nicht. Wo ihr noch feindet und hasset, seid ihr Lügner und Totschläger nach Johannis Wort. Wohnt aber Jesus mit seiner Liebe im Herzen, dann wird auch unser Auge von Liebe strahlen, unsere Stirn den Stempel der Liebe tragen, und es wird heilig bei uns zugehen; dann sind wir gesäubert vom Sündenstaub, gewaschen, gereinigt und helle gemacht; wir haben Sabbatherzen bekommen und mit den Sabbatherzen auch Sabbatsegen. Dies ist eine Frucht der Liebe Jesu.

O, wie ist seine Liebe doch so wunderbar und unbegreiflich! Er gibt den Einsamen das Haus voll Kinder. Er lässt sie ihnen geboren werden, wie den Tau aus der Morgenröte. Es sind die Kinder, die gezeugt sind vom Geiste Gottes, die Kinder einer heiligen Geburt. Jeder kann zu dieser Kindschaft gehören; niemand ist ausgeschlossen, der sich nicht selbst ausschließt. Er will alle zu sich ziehen nach seiner Verheißung; darum erhört Er Gebete und Seufzer. Wenn noch ein Gefangener unter euch ist, der fasse Ihn beim Wort, hier steht es geschrieben: „Er führt die Gefangenen aus.“ Sündenbanden sind stärker als Stricke und Eisen, o, leistet doch der Sünde keine Frondienste mehr! Lasset euch doch frei machen von Ihm, der allein wahre Freiheit geben kann, der einem jeden sie anbietet. Zweifelt nicht, Er hält sein Wort: Jesus hat Gaben empfangen auch für die Abtrünnigen. Selbst ein Judas hätte noch errettet werden können, wenn er, statt dem Blendwerk des Satans, der ihn zum Zweifeln und Verzweifeln brachte, zu folgen, sich der Gnade und Liebe seines Erlösers überlassen und reumütig Vergebung gesucht hätte. Unglaube und Zweifel sind die Stricke, womit Satan die Seelen gefangen hält. Viele betrügen sich selbst, indem sie klagen und jammern, statt sich dem HErrn zu übergeben. Wir brauchen nicht zu jammern auch in der größten Verlassenheit; Jesus geht auch in der Wüste voran und öffnet die Wasserquellen den Durstigen und Verschmachtenden; Er ist ein Gott, der sein Volk nicht verlässt. O, wenn ihr Ihm nachgehet, habt ihrs gut. Aber wenn ihr in der Sklaverei der Sünde bleibt, geratet ihr in den ewigen Tod, da es keine Errettung gibt. O, werdet doch ein Eigentum Jesu; denn Ihn verlangt ja, in euch zu wohnen! Macht Bahn und bereitet Ihm eure Herzen!

Wenn ein Bettler wüsste, dass sein König bei ihm einkehren wollte, würde er nicht seine Wohnung aufs säuberste einräumen? bei uns aber will der König der Ehren einziehen: sollten wir da nicht unseres Herzens Kammer zu seinem Empfang rein machen?

O, lasst das Reich der Gnade in euch aufrichten, das der HErr selbst gekommen ist, euch zu bringen; Er ist ja „in die Höhe gefahren und hat das Gefängnis gefangen und Gaben empfangen für die Menschen, auch für die Abtrünnigen.“

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