Trudel, Dorothea - Zwölf Hausandachten gehalten in Männedorf - Psalm 28.

Trudel, Dorothea - Zwölf Hausandachten gehalten in Männedorf - Psalm 28.

1. Ein Psalm Davids. Wenn ich rufe zu dir, HErr, mein Hort, so schweige mir nicht, auf dass nicht, wo du schweigst, ich gleich werde Denen, die in die Hölle fahren. 2. Höre die Stimme meines Flehens, wenn ich zu dir schreie, wenn ich meine Hände aufhebe zu deinem heiligen Chor. 3. Zeuch mich nicht hin unter den Gottlosen und unter den Übeltätern, die freundlich reden mit ihrem Nächsten, und haben Böses im Herzen. 4. Gib ihnen nach ihrer Tat und nach ihrem bösen Wesen; gib ihnen nach den Werken ihrer Hände; vergilt ihnen, was sie verdient haben. 5. Denn sie wollen nicht achten auf das Tun des HErrn, noch auf die Werke seiner Hände - darum will Er sie zerbrechen, und nicht bauen. 6. Gelobt sei der HErr; denn Er hat erhört die Stimme meines Flehens. 7. Der HErr ist meine Stärke und mein Schild, auf Ihn hofft mein Herz, und mir ist geholfen; und mein Herz ist fröhlich, und ich will Ihm danken mit meinem Lied. 8. Der HErr ist ihre Stärke. Er ist die Stärke, die seinem Gesalbten hilft. 9. Hilf deinem Volk, und segne dein Erbe, und weide sie, und erhöhe sie ewiglich.

Vers 1. „Wenn ich zu dir rufe, HErr, mein Hort, so schweige mir nicht, auf dass nicht, wo du schweigst, ich gleich werde Denen, die in die Hölle fahren.“ Wenn Gott unsere Bitten nicht erhört, so sollen wir forschen, warum? Gott will uns oft damit zu verstehen geben, dass wir nicht recht gebetet haben. Wenn wir es aber erkennen, müssen wir nicht dabei stehen bleiben und zu Denen gehören, die Er nie erhört. O nein! Denn wenn wir des HErrn Sprache nie hören und verstehen lernten, so wären wir den Ungläubigen gleich, von denen hier gesagt ist, dass sie in die Hölle fahren. Das aber ist nicht Gottes Wille, sondern Er will, dass allen. Menschen geholfen werde; und darum sollen wir mit David beten: „Wenn ich zu dir rufe, so schweige mir nicht.“ Wenn wir erkennen, dass wir bis jetzt noch nicht recht gelebt und gebetet haben, so sollen wir nicht trauern und zagen, nicht stille stehen und jammern, und stets auf unser verkehrtes Leben sehen, sondern wir sollen einfach umkehren, und anfangen, anders zu leben, anders zu beten, und stets auf Ihn, den Gekreuzigten, blicken. Wenn man einem Reisenden sagt, er habe einen falschen Weg eingeschlagen, so wird er auch keinen Schritt mehr vorwärts tun, wenn er Verstand hat, er wird auch nicht hinsitzen und weinen, sondern er wird sogleich umkehren auf den rechten Weg, und auf der neuen Bahn seine Schritte verdoppeln, um das Verlorene wieder einzuholen. So müssen wir es auch mit unseren verkehrten Wegen machen.

Vers 2. „Höre die Stimme meines Flehens, wenn ich zu dir schreie, wenn ich meine Hände aufhebe zu deinem heiligen Chor.“ Da dürfen wir dem HErrn sein eigenes Wort vorhalten und sagen: du hast verheißen: „Ehe sie rufen, will ich hören; wenn sie noch reden, will ich antworten.“ So ist es auch bei Daniel geschehen, da Gott ihm einen Engel sandte, als er anfing zu beten. Nun sagen aber viele, sie dürfen ihre Hände nicht aufheben, weil es keine reinen, heiligen Hände seien. Das wäre wahr, wenn es in der Bibel stünde: „nur heilige Hände.“ Bei dem Volk im alten Bund durfte der Priester erst ins Heiligtum gehen, wenn er sich gereinigt hatte. Seele, wenn es dir Ernst ist mit deinem Bedenken, wenn du einsiehst, dass du unrein bist, so gehe zum HErrn und sage Ihm: „Ich kann mich nicht reinigen, es muss durch dein Blut geschehen; du, der du die Kelter des Zorns Gottes allein getreten, du kannst auch allein Sünden hinwegnehmen; du kannst dies mein unsauberes Kleid waschen und mich begürten mit dem Kleid des Heils und mir geben den Rock der Gerechtigkeit.“ Wenn wir so anhalten um die Reinigung unserer sündigen Herzen, so wird Er gewiss ein solches Gebet annehmen, und es wird Ihm ein angenehmes Opfer sein.

Vers 3. „Freundlich reden und Böses im Herzen haben,“ ist etwas Schreckliches. Jedes sollte sich prüfen, ob es frei davon ist. Jede unwiedergeborene Seele muss bekennen, dass sie es oft tut; und jede wiedergeborene Seele muss gestehen, dass sie es oft getan hat. Es ist nicht möglich, dass unbekehrte Herzen den rechten Aushängeschild haben; das Äußere sieht immer schöner aus, als das Innere. Prüft euch doch, ob ihr in diesem Stück bekehrt seid; ob ihr redet, wie ihrs im Herzen habt.

Vers 4. Wenn wir im alten Bund von der Rache und Wiedervergeltung des Bösen lesen, so müssen wir Gott recht danken, dass wir im neuen Bund leben, wo die Gnade über dem Rechte steht. Seele, handelst du nicht wie im alten Bund? Wünschst du nicht Böses Denen, die dir Böses tun? Das wäre ein schönes Christentum! Wir müssen allen, auch unseren Feinden und Widersachern, nur Segen wünschen. Denn wer einen lebendigen Heiland hat, will ganz gewiss keine Vergeltung des Bösen; sondern da heißts: „Vergilt ihnen mit Gutem!“ Wenn uns jemand Unrecht tut, so wird es uns zum großen Segen, wenn wir dadurch die Person, die uns drückt, immer mehr lieben lernen. Wir dürfen wohl das Unrecht den Seelen vorhalten; aber nicht aus dem Grund, dass wir dann weniger zu leiden hätten, sondern aus Liebe zu den Seelen sollen wir es tun, dass sie nicht verloren gehen.

Vers 6. „Gelobt sei der HErr, denn Er hat erhört die Stimme meines Flehens.“ Wenn wir auf das Wort Gottes achten, und nach dem Wort beten in demselben Sinn und Geist, so können wir schon im Beten, während wir vor dem HErrn auf den Knien liegen, merken, ob unser Gebet angenommen ist. Aber auch ohne Gefühl müssen wir es glauben, dass wir erhört sind; wir müssen es glauben, auch wenn wir nichts verspüren, weil die Schrift es sagt, dass Gott die Stimme unseres Flehens erhöre. Ja im Voraus sollen wir Gott loben mit der Gewissheit des Glaubens. Wir dürfen aber beim Beten nicht auf den Gegenstand oder die Sache blicken, um die wir bitten wollen, auch nicht auf die Hindernisse und Schwierigkeiten, nicht auf Personen und Verhältnisse, nicht auf Kranke und Krankheiten, sondern allein auf das Wort und auf den HErrn. Wir müssen auch nach dem Beten nicht ins Fragen hineinkommen und darüber nachdenken, wie es wohl gehen werde; nein, wir müssen dem HErrn alles überlassen, wie Er es hinausführen werde; dann kommt alles recht. Der Gott, der die Väter im alten Bund und die Glaubensmänner im neuen Bund, die nur auf Ihn, den Anfänger und Vollender des Glaubens sahen, so herrlich geführt und so mächtig gestärkt hat, ist immer noch der Gleiche; Er wird auch uns recht führen. Aber an unserem Unglauben, unserem Wankelmut liegt es, dass wir so viele herrliche Erfahrungen nicht machen können. - Petrus konnte festen Trittes auf dem Wasser gehen, so lange er auf den HErrn allein sah; als er aber seitwärts auf die Wellen schaute, da fing er an zu zagen und zu sinken!

Vers 7. Es gibt viele, die in ihrem Herzen Plagegeister haben und auch ihre Umgebung damit quälen. Nur bei dem HErrn können wir lernen, von solchen Plagegeistern uns nicht mehr quälen zu lassen. Wenn wir von Ihm uns unterrichten lassen, kann Er uns solche Stärke geben, dass wir wie eine eherne Säule und wie eine feste Mauer dastehen. Seele, wenn Er deine Stärke und dein Schild ist, was brauchst du dann zu fürchten? Alle anderen Kräfte sind Rohrstäbe; wenn wir etwas anderes, als Ihn, für unsere Stärke halten, so können wir nicht bestehen. Ist es nicht unsere Schuld, wenn wir diesen Schild nicht kennen? Wenn wir in der Tat sagen können: „Auf Ihn hofft mein Herz,“ so ist uns auch geholfen; denn wenn wir auf Ihn hoffen, so lässt Er uns nicht vergebens auf Hilfe harren. Wir sollten uns schämen vor dem Hauptmann, der ein Heide, und vor dem kananäischen Weiblein, welche ebenfalls eine Heidin war. Sie haben sich nicht abweisen lassen. Sie haben seinem Worte unbedingt getraut und geglaubt. Ja, durch nichts lässt sich diese Heidin abschrecken, nicht einmal durch die abweisende Antwort des Heilandes: „Es ist nicht fein, dass man der Kinder Brot vor die Hunde werfe.“ Sie nimmt dieses Wort an, ohne sich beleidigen zu lassen, sie fühlt, dass es wahr sei, und kann die Wahrheit, die ihr Jesus sagt, ertragen. Wie steht es mit uns Christen? Hören wir auch gerne die Wahrheit, und nehmen wir sie an, wie diese Heidin, oder wollen wir nur Freundliches, Liebliches, Süßes hören? O, die bittere Wahrheit ist so gesund für den Seelenmagen. Die Wahrheit macht frei; Diejenigen, welche die Wahrheit annehmen und ertragen, werden frei. Das Weib sagte: „Ja, HErr!“ Ach, wie viele hätten schon überwunden, wenn sie nur „Ja HErr!“ sagten; aber so viele unter den Frommen können kein unfreundliches Wort ertragen, noch weniger eine Ungerechtigkeit. Wenn ihnen etwas in den Weg kommt, lässt es sie nicht schlafen. Woher kommts? Es kommt vom eigenen Ich, das noch so stark, das noch so lebendig ist. Wie viele Fromme ließen sich abweisen, wenn Jesus ihnen solche Antwort gäbe, wenn Er sie „Hunde“ hieße! Aber der holdselige Jesus weiß wohl, was Er sagt. Die Kanaaniterin glaubte es, sie nahm das Wort für sich und sagte: „Ja, Herr!“ Sie wurde nicht böse, nicht aufgeregt darüber. O, an jenem Tag wird diese Heidin aufstehen, gegen die falschen Frommen zu zeugen. O, folgt der Kanaaniterin nach, ihr, die ihr gestehen müsst: „Ich habe die Wahrheit bis auf diese Stunde nicht ertragen mögen, ich bin in der Demut, in der Selbsterkenntnis noch hinter der Kanaaniterin zurück.“ O lasst euch lehren und bekehren. Unter alle müssen wir uns stellen können, wenn unsere Frömmigkeit der Nachfolge Jesu gleich sein soll.

Wenn wir nicht vom HErrn selbst die Frömmigkeit gelernt haben, so können wir nicht bestehen. Alles eigen Gemachte muss untergehen; nur was nach seinem Sinn und Geist ist, hält Stand. Darum müssen wir ausgekleidet und nicht überkleidet werden. Sobald der HErr unsere Stärke und unser Schild ist, so können auch wir sagen: „Auf Ihn hofft unser Herz und uns ist geholfen.“ Dann können auch wir fröhlich sein, wir sind dann keine Kopfhänger. Die aber können nicht fröhlich sein, welche nur fromm scheinen; auch nicht die Wetterchristen, die Barometerchristen, bei denen an trüben Tagen der Mut sinkt, wie das Quecksilber im Glas, die nur einen Schönwetterglauben haben, der im Tiegel der Trübsal nicht aushält. Die wahrhaftigen Christen sind allezeit fröhlich; sie sprechen: „Der Herr ist meine Stärke und mein Schild, und ich will Ihm danken mit einem Lied auch im Trübsalswetter, auch mitten unter Feinden und Verfolgern.“ Es gibt viele, die ganz wohl wissen, was ihnen fehlt. Sie sagen: „Ich erkenne es; es muss anders werden,“ und doch bleiben sie immer die Gleichen. Fehlt es da am Heiland? Will Er es so haben? Nein! Aber da fehlt es, dass sie zu zärtlich gegen sich selbst sind, dass sie das eigene Wesen und Leben nicht töten und vom HErrn keine Willenskraft und Überwindungskräfte erbitten, um von nun an das zu meiden, was sie als Sünde erkennen. Wenn ich weiß, dass Zorn, Geiz, Stolz, böse Lust usw. Sünde ist, und ich tue sie doch, so sündige ich ja vorsätzlich und bin doppelter Streiche wert. Wenn ich aber sage, ich sei zu schwach, um zu überwinden, so kommt das vom alten Lügner; es ist gerade wie bei den Kindern, denen man alle Unarten zulässt, weil sie krank sind. Aber die auf den HErrn hoffen, deren Stärke ist Er selber; Er ist die Stärke, die seinem Gesalbten hilft. Sind wir gesalbt mit dem heiligen Geist der Verheißung, dann verhilft Er uns von einem Sieg zu dem anderen. Wo dieser heilige Geist wohnt, kann Sünde und unheiliges Wesen nicht daneben bestehen. Die Sünde darf man nie entschuldigen. Es sagte mir jemand, er könne nichts dafür, dass er oft zornig werde, das komme von seiner kranken Leber; ich sagte ihm aber, es sei gerade umgekehrt, die Leberkrankheit komme vom Zorn her, nicht der Zorn von der Krankheit. Das böse Wesen macht uns krank. Die Sünde muss man lassen, dann hört die Krankheit schon auf; und die Sünde kann man lassen. Gott ist stärker, als das böse Wesen, und darum dürfen wir Ihm getrost sein Wort vorhalten, worin Er die Kräfte zum Überwinden verheißen hat. Mit Gott können wir es wagen, nur nicht im Selbstvertrauen und in eigener Kraft. Viele sagen auch: „Es kann nicht alles in einem Tag geschehen.“ Ja, wohl! Aber dem Heiland möchte ich nicht Schuld geben. Aus einem Saulus ist ein Paulus geworden, weil er zufuhr und sich nicht mit Fleisch und Blut besprach, als ihm der HErr vom Himmel rief. Da fehlt es bei euch; ihr besprecht euch noch mit Fleisch und Blut; ihr lasst euch mit dem Teufel noch in ein Gespräch ein, wie Eva; ihr disputiert und zankt mit ihm, statt ihm auf sein Einreden kein Wort zu erwidern. Er hat ja keine Macht mehr. Jesus hat ihm am Kreuz auf Golgatha alle Macht genommen. „Mir ist gegeben alle Gewalt,“ sagt Jesus. Wir müssen also den Feind nicht mehr anblicken, sondern im Glauben den allein, der stärker ist als der Starke. - Es kam einst eine Frau hierher, die elf Jahre lang an Krämpfen krank gewesen. Es war eine aufrichtige Seele. Sie weinte und sagte: „Ich weiß wohl, dass diese schrecklichen Krämpfe vom Teufel kommen. Dieser ist eben zu stark, darum bin ich nicht frei geworden, so viel wir auch gebetet haben.“ Ich sagte ihr, sie solle nicht weinen, sondern wissen, dass sie gar nicht den Starken, sondern allein den Stärkeren anzublicken habe; sie brauche mit keinem Blick auf die Macht des Teufels, sondern nur auf Jesum zu sehen, sie dürfe es fest glauben. Die Frau fasste das in aller Einfalt und wurde gesund. Ein Bruder kam nachher und sagte: „Was hast du auch mit ihr gemacht; wir haben doch auch gebetet?“ Ich musste sagen: Gar nichts habe ich gemacht; aber der Stärkere nahm dem Starken den Harnisch. Ich habe ihr nur den Weg gewiesen.“ Wir können euch nicht helfen und euch gar nichts geben, auch unser Beten tuts nicht; wir können euch nur den Weg zeigen; wer aber folgt und den Weg einschlägt, der bekommts vom HErrn selber um seines Wortes willen, weil Er es verheißen hat. Dann haben wir nichts zu tun, als zu danken, und wie David zu sagen: „Ich will Ihm danken mit meinem Lied.“

Vers 9. „Hilf deinem Volk, und segne dein Erbe, und it weide sie und erhöhe sie ewiglich.“ - Nicht nur sein Volk, auch sein Erbe müsst ihr sein. Ihr müsst zum göttlichen Adel gehören und die Zeichen desselben an euch haben. Dies Zeichen und Wappen ist die Demut, das Dienen. Jesus kam, dass Er diene, nicht dass Er sich dienen lasse. Viel zu wenige tragen dieses Zeichen, viel zu wenige gehören zu diesem Adel.

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