Tersteegen, Gerhardt - Am Erscheinungsfeste 1755

Tersteegen, Gerhardt - Am Erscheinungsfeste 1755

Über Matth. 2, 1 12.

Wenn wir das Evangelium des Heils kurz ansehen wollen, dann können wir's finden in den letzten Worten des Lobgesangs Zachariä, Luk. 1, 78. 79., wo Zacharias durch den Heiligen Geist sagt: Durch die herzliche Barmherzigkeit unsers Gottes, durch welche uns besucht hat der Ausgang aus der Höhe. Auf dass er erscheine denen, die da sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsre Füße auf den Weg des Friedens. In diesen Worten können wir diese Wahrheiten ganz deutlich finden: Gott will uns armen elenden Sündern helfen; uns kann auch geholfen werden, wir müssen uns auch helfen lassen.

Gott will uns armen Menschenkindern helfen? Warum das? Antwort: Seine herzliche Barmherzigkeit ist der Ursprung alle des Werks der Erlösung, so für uns ist ausgeführt worden. Durch die herzliche Barmherzigkeit Gottes, oder eigentlich, durch die innerliche Bewegung der Barmherzigkeit Gottes, hat es Gott in seiner unwandelbaren Allgenugsamkeit gejammert unsers Elendes, worin wir durch die Sünde geraten. Solch ein Herz hat Gott gegen den armen Sünder, dass es ihn seiner so jammert, dass sich die Eingeweide seiner Barmherzigkeit darüber bewegen. Gott will uns helfen; es tut ihm weh, dass die Menschen so wollen verloren gehen; es tut ihm weh, dass die Menschen sich nicht helfen lassen. Gottes Herz hat keinen Gefallen am Tode des Sünders, sondern seines Herzens Verlangen ist, dass der Sünder sich bekehre und lebe. Ach, warum lassen wir denn unsre Herzen durch Argwohn einnehmen und verhärten gegen unseren Liebes Gott! So ist Gott gegen uns gesinnt; ach, warum lassen wir uns denn nicht helfen? Durch diese herzliche Barmherzigkeit Gottes ist uns ja erschienen der Aufgang aus der Höhe, nämlich Jesus Christus, die Sonne des Lichts und des Lebens; die ist aufgegangen über unserm ganzen Erdboden, über alle durch die Sünde verfinsterte Herzen.

Wäre nicht Jesus Christus geboren worden zu Bethlehem, hätte er nicht in seiner Menschwerdung göttliches Licht und Leben in die Menschheit eingeführt, in Ewigkeit könnte uns nicht geholfen werden; kein Mensch könnte Licht kriegen zur Erkenntnis Gottes und seiner selbst; kein Mensch könnte einen Funken Gutes, einen Funken Gnade erlangen. Nun aber ist uns aufgegangen der Ausgang aus der Höhe, nun kann den Sündern geholfen werden. Lasst uns denn auch die Hilfe annehmen. Was wird es uns doch nützen, ob in dem Lande Kanaan die Sonne aufgegangen ist, und sie geht nicht auf an unserem Orte, und sie geht nicht auf in unseren Herzen? Was hilft uns alles Singen und Klingen, Hören und Reden von dem geborenen Kinde zu Bethlehem, wenn wir dessen nicht teilhaftig werden in unserem Herzen? Wir müssen uns helfen lassen, dass die erschienene Gnade nun an unseren Herzen kräftig werde.

Gottes Endzweck bei der Geburt Christi ist nicht dieser, dass die Sachen so immerdar außer uns bleiben sollen, dass wir nur das Evangelium sollen hören, demselben beistimmen und uns obenhin daran erfreuen; nein, keineswegs. Zwar von Gottes Seite erscheint hierdurch seine Freundlichkeit gegen uns, dass er uns sein Evangelium wissen und verkündigen lässt durch seine Gute; aber das alles hilft mir nicht, wenn ich nicht das Licht in mein Herz einlasse. Denn das ist der Zweck, den Gott beäugt hat, dass Christus, der geboren ist, erscheine denen, die da sitzen in Finsternis und Schatten des Todes. Christtag ist vorüber; sitzen wir nun noch im Finstern, sitzen wir noch im Schatten des Todes, haben wir noch den vorigen elenden sündenvollen Zustand an uns, was hilfts uns dann, Christtag gefeiert zu haben? Sitzen wir noch in dem Schatten des Todes, in der Furcht, in der Bangigkeit, mit einem bösen, unruhigen Gewissen, in dem Zagen und Fürchten vor dem Tode und vor einer unglückseligen Ewigkeit, dann haben wir noch nicht Christtag gefeiert und müssen heute anfangen.

Christus, der gekommen ist aus der Höhe, der will auch uns erscheinen, ja, glaubt es, so viel Unserer auch noch in der Finsternis und im Schatten des Todes sitzen, uns will er erscheinen; ja, er will Alen erscheinen, die nach ihm verlangen. Dieses bewies der liebste Heiland auch eben dadurch, dass, sobald er nur äußerlich geboren war, eine Botschaft vom Himmel kam, nämlich der Engel, der verkündigte diesen Ausgang aus der Höhe den Hirten bei der Herde auf dem Felde; denen wollte Jesus am ersten erscheinen. Ferner erschien er und wurde erkannt von einem alten Simeon in dem Tempel; er erschien da und ward erkannt von einer Hanna; er erschien auch den Heiden, den Weisen aus Morgenland, wie wir in unseren Textesworten gehört haben; weswegen auch dieser Tag der Tag der Erscheinung pflegt genannt zu werden. Aber Jesus erschien ihnen nicht nur äußerlich, dass sie da nur etwa ein Kindlein sahen; o nein, so wird Jesus manchen Menschen erschienen sein, die aber das nicht sahen, was die Hirten sahen, was Simeon sah, was Hanna sah, was die Weisen sahen. Diese, als die ihn sahen, da sahen sie ihn als den eingeborenen Sohn vom Vater; sie sahen in dem Kinde ihr ganzes Heil und Seelenfrieden; sie sahen in dem Kinde, dass da ihr Gott und ihr Alles war. Dieses machte ihr Herz froh und freudig in dem Herrn; dieses machte, dass sie in göttliche Lobgesänge ausbrachen; dieses machte, dass sie niederfielen, ihn anbeteten und ihm huldigten.

Nun, lasst denn auch diesen Tag von uns dazu angewandt werden, dass wir suchen der seligen Erscheinung Christi in unseren Herzen teilhaftig zu werden. Dazu soll uns diese Geschichte, und alles was mit den Weisen vorgegangen, Anlass geben; und wollen wir daraus, unter göttlichem Beistand, betrachten:

Wie wir mit den Weisen, als Weise, das Kind Jesum suchen und finden sollen.

Und zwar, wie wir solches tun sollen:

1. in dem Anfang des Weges;
2. in dem Fortgang des Weges, und endlich
3. im Ende des Weges, da wir Jesum in unserem Herzen seliglich finden und genießen können.

Nun, Herr unser Gott, sende denn auch dein Licht und deine Wahrheit von Oben, das sie uns leite in eine fruchtbare Betrachtung deines göttlichen Worts; aber auch, dass sie uns hinführe zu dem Berge deiner Heiligkeit, und zu deiner Wohnung, die du in unserem Herzen aufrichten willst. Amen.

Erster Teil.

Bei dem Anfang und der Antretung des Weges, das Kind Jesum zu suchen, auch noch in diesen unseren Tagen, und seliglich zu finden, gebe ich erstlich uns Allen diese Erinnerung, dass wir alle Gnadenmittel, und auch die ersten Rührungen in unserem Herzen, hochschätzen lernen. Der Stern, der den Weisen erschienen, war ihnen ein Gnadenmittel, wodurch sie sollten gebracht werden zu Christo, der Sonne der Gerechtigkeit; diesen Stern hielten sie hoch, den achteten sie. Die Heilige Schrift wird auch genannt ein Licht auf unserem Wege; und davon sagt Petrus, 2. Petr. 1, 19. Ihr tut wohl, dass ihr darauf achtet, als auf ein Licht, das da scheint in einem dunklen Orte, bis der Tag anbreche, und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen. Auch werden in der Schrift rechtschaffene und von Gott gesandte Lehrer Sterne genannt. Daniel sagt Cap. 12, 3.: dass die Lehrer werden, leuchten wie des Himmels Glanz; und die, so Viele zur Gerechtigkeit weisen, die werden prangen wie die Sterne am Himmel, immer und ewiglich. Das sind demnach unsre Sterne, was uns zu Christo anführet und anweiset; alle die Gnadenmittel, die uns Gott an die Hand gibt, das sind Sterne, die uns aufgegangen sind, uns zu Christo, dem ewigen Licht selber, zu weisen. Alle Rührungen und Bestrafungen, die sich an unserem Herzen erzeigen, das sind Sterne, die in unserem Herzen aufgehen; darauf sollen wir achten.

Es ist nicht Weisheit, sondern es ist Überklugheit und Hochmut, wenn manchmal Leute denken, diese oder jene Anweisung hätten sie nicht nötig. Das ist nicht weislich gedacht. Gott, der den Weisen den Stern aufgehen ließ, wusste, dass sie den auch brauchten. Hätten sie den Stern nicht gehabt, sie wären wohl nie zu Christo, dem Licht des Lebens, gekommen. O lasst uns hochachten den Stern, den uns Gottes Güte lässt aufgehen; dass er uns sein Wort vergönnt, dass er uns die Verkündigung seines Worts in der Kraft verleiht, dass er uns so manche andere mündliche und schriftliche Zeugnisse in die Hand bringt, das ist ein Stern vom Himmel; das muss hochgeschätzt werden, weil es vom Himmel kommt. Wenn uns ein Engel erschiene, wie den Hirten auf dem Felde, würden wir nicht sagen: das ist eine große Gnade! Nun, der Engel sagt den Hirten eben das, was wir nun einander sagen, was uns durch die Schrift, was uns durch andere Mittel vorgestellt wird: Christus ist geboren, geht hin nach Bethlehem. Lasst uns deswegen alle die Mittel der Gnaden, was wir Gutes lesen, was wir Gutes hören, und sonderlich was an unsre Herzen durch Rührung und Überzeugung gebracht wird, das alles, sage ich, lasst uns ansehen gleich Gesandten Gottes, wie insonderheit Paulus von sich und den andern Aposteln sagt, 2. Kor. 5, 20: Wir sind Botschafter an Christus statt, Christus bittet durch uns, lasst euch doch versöhnen mit Gott. Siehe, wenn wir so die Gnadenmittel ansehen, dann werden wir sie wichtig achten.

Eben also und noch wichtiger ist es mit den inwendigen Rührungen, Überzeugungen und Eindrücken; die können auch manchmal gar zu gering geschätzt werden. Da denkt man wohl: Ach, das ist gar zu wenig, was ich habe, das hat noch nichts zu bedeuten; ich habe fast noch nichts von Gnade bekommen. Es ist allerdings was Weniges, in Vergleichung dessen, was daraus werden wird; aber es ist was Großes in der Absicht Gottes, der uns eben durch eine solche Rührung, durch eine solche anfängliche Überzeugung, zu der Quelle des Lebens, zu Christo selber, hinführen will. Was so gering geschätzt wird, das wird auch bald verloren. Deswegen sollen wir auch die ersten Anfänge und Überzeugungen in unseren Herzen hochschätzen; ja, wir sollen sie ansehen als ein gewisses Unterpfand unseres Berufs zu unserer künftigen ewigen Seligkeit. Ich sage noch dieses, und es ist die Wahrheit, wer gerufen wird, der kann Mut schöpfen, ihm werde auch geholfen werden. In dem 10. Kapitel des Evangeliums Marki lesen wir von dem blinden Bartimäus, der am Wege saß und bettelte. Wie der hörte, dass Jesus vorbei käme, da schrie er, da rief er, aber er wurde von dem Volk bedroht; als ihn aber Jesus rufen ließ, da sprang er auf und warf seine Kleider von sich, er dachte: nun ist mir schon geholfen, weil er mich ruft. Seele, dass du gerufen bist, das spürst du an deinem Herzen bei dir; die geringste Rührung, der geringste Hunger, den du in deinem Herzen spürst, da glaube nur, Jesus ruft dir; da springe doch auf, nun wird dir gewiss geholfen werden.

Eine zweite Erinnerung, die wir in dem Anfang, wenn wir den Gnadenweg antreten wollen, zu beobachten haben, ist dieses: Lasst uns bei allen Gnadenmitteln und den ersten Rührungen nicht ruhen, sondern uns durch dieselben zu Christo selber hinführen. Wenn die Weisen aus Morgenland nur den Stern angesehen, und davon einen großen Lärmen gemacht hätten: uns ist ein solches Wunder erschienen, wir haben ein solches und solches Gesicht gesehen; und sie wären in ihrem Lande sitzen geblieben: wäre das nicht Torheit gewesen? Der Stern war ihnen ja erschienen, um sie heraus zu bringen aus ihrem Lande, dass sie Christum selber finden sollten. Ebenso töricht machen wir's, wenn wir uns zwar der Schrift, der Gnadenmittel, der Rührungen, der Überzeugungen rühmen: da und da bin ich erweckt und überzeugt worden; und wir folgen dem nicht, wir bleiben dabei sitzen und machen nur da Lärmens von, begeben uns aber nicht auf den Weg; wenn wir uns rühmen: wir haben das klare Wort Gottes, wir haben die reine, gesunde Lehre, wir haben solche und solche Prediger, da hat der und der so ernstlich und nachdrücklich gesprochen; und wir lassen uns nicht durch solche Sterne auch wirklich dazu bringen, dass wir in rechtschaffener Buße und Bekehrung uns zu unserem Gott wenden, dass wir uns auf den Weg machen. Mache dich auf, werde Licht, denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir, ruft der Prophet aus, Jes. 60, 1. Siehe, wir müssen uns wirklich ausmachen, durch die an unsere Herzen erschienene Gnade. Als der verlorene Sohn wieder zu sich selber kam, da sagte er: Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen. So müssen wir uns auch wirklich durch die Rührungen, Lockungen, und durch die Mittel der Gnaden, auf den Weg machen; wir müssen uns dadurch zu Christo selbst führen lassen, sonst werden wir eine schwere Rechnung zu tun haben von so vielen teuren Worten der Wahrheit und des Lebens, die wir gehört und nicht getan haben. Eben das Wort, das wir gehört, das wir erkannt haben und ihm nicht gefolgt sind, das wird uns an jenem Tage richten; da wirds heißen: Mensch, du hast es gewusst, und du hast es nicht getan; mit doppelten Streichen musst du geschlagen werden!

Ach, liebste Herzen, lasst uns denn doch nicht stille stehen bei allem Gefühl der göttlichen Gnade in unseren Herzen. Siehe, der Herr ruft uns, der Herr lockt uns; Mensch, du hast es lange gewusst, du hast es lange gefühlt. O wie Mancher hat es Jahr und Tag an seinem Herzen gefühlt, der Stern hat geschienen, er hat da gestanden, wir haben ihn scheinen lassen; wir habens gehört, wir habens erkannt, wir habens gefühlt an unseren Herzen; aber wir sind nicht zugefahren und haben uns nicht Christo ergeben. O lasst uns doch klüger zu Werke gehen. Fühlen wirs in unserem Herzen, wie es sein muss, nun, so lasst uns durchbrechen, lasst uns die Sache angreifen, lasst uns wirklich uns auf den Weg machen, sonst werden wir gewiss unser Heil verscherzen und es in Ewigkeit bereuen. Wandelt, dieweil ihr das Licht habt, dass euch die Finsternis nicht überfalle.

Gott hat seine besonderen Zeiten der Heimsuchungen. Der Stern scheint zwar immer, Gott gibt seine Gnadenmittel im Überfluss; aber Gott lässt zu einer Zeit den Stern weit heller scheinen, als zur andern Zeit; und dann ist es Zeit, dass man sich auf den Weg mache. Das sind die Zeiten der besonderen Gnadenheimsuchungen Gottes, da er mit mehrerm Nachdruck ein Land, einen Ort, ein Herz besucht, bestrahlet, berühret und Eindruck gibt. Seelen, solche Zeit sollen wir in Acht nehmen. In diesen unseren Tagen wird manches Herz gerührt, manches Herz gezogen und bewogen; jetzt, jetzt sollen wir uns auf den Weg machen, da der Stern scheint, da uns kann geholfen werden: Lasst uns denn zugreifen, damit wir's nicht ewiglich bedauern.

Die dritte Erinnerung, die uns im Anfang auf der Pilgerreise, Jesum zu suchen, dient, und die ich nach Anleitung dieser Geschichte uns geben wollte, ist diese: Lasst uns nicht wähnen, dass wir jemals Jesum, das holdselige Kindlein, in unserem Herzen finden werden, wo wir nicht die Sünde, die Welt und uns selber zu verlassen Willens sind. Diese weisen Leute konnten unmöglich das Kind Jesum, den neugeborenen König der Juden, finden, oder sie mussten ihr Haus, ihr Land, ihre Verwandten und Alles verlassen, und sich in einen besonderen Weg einführen lassen. Wir dürfen nun zwar unser Land äußerlich nicht verlassen; aber wir müssen unseren Zustand verlassen, oder wir können Jesum nicht finden. Wir bedürfen äußerlich nicht weit zu reisen, um Jesum, das Lebenslicht, zu erblicken; aber innerlich müssen wir doch dem Wegweiser folgen. Wir müssen die Sünde verlassen, oder wir können nicht zu Jesu kommen; eben so wenig als die Weisen nach Bethlehem kommen konnten, wenn sie in ihrem Lande wären sitzen geblieben. Wir müssen die Welt, und was dazu gehört, verlassen; wir müssen uns selbst, und was zur Eigenheit gehört, verlassen, oder wir können gewiss Jesum nicht finden. Manchen Menschen gefällt es zwar gar wohl, wenn sie von dem süßen Heilande, von seinem lieblichen Evangelium hören, nun, sie wollten herzlich gern auch fromm sein, herzlich gern in den Himmel kommen, herzlich gern Teil haben an allen den Gütern, die Jesus Christus aus dem Himmel gebracht und uns erworben hat; aber dies zu verlassen, das zu verlassen, die Sünde nachzulassen, die Welt zu verlassen, sein Liebstes dran zu wagen, das wollen sie nicht; da gehen sie traurig hin mit jenem reichen Jüngling. Niemand will recht ans Werk gehen; man will nur so obenhin fromm sein, man will singen, man will hüpfen und springen, aber man will nicht in die Verleugnung hinein. Seelen, es sind alles nur Luftstreiche; wo wir nicht wollen ans Werk gehen, gänzlich der Sünde Abschied und gute Nacht geben, der Welt gute Nacht sagen, so können wir unmöglich Christum erlangen.

Manche Seelen, die einen ernsten Entschluss fassen, sich auf den Weg zu begeben, Jesum Christum zu suchen, die kriegen wohl Erquickungen, Begegnungen der Gütigkeit und Freundlichkeit Gottes in ihrem Herzen, sie erfahren den seligen Anblick der Vergebung aller ihrer Sünden. So gut ist der Herr; wenn man sich nur aufmacht. mit dem verlorenen Sohn, dann kommt einem der Vater entgegen, und fällt einem um den Hals. Nun, da denkt man: Nun bist du schon fertig, nun ist alles getan. O es ist Betrug, liebe Seele, wenn du so denkst! Ist es richtig mit diesen Erquickungen, ist es richtig mit der Gnade der Vergebung der Sünden, dann muss es diese Probe haben, dass dich eben diese Gnade kräftig inwendig dringe zur Verleugnung der Sunde, der Welt und alles eigenen Lebens. Findest du aber nicht diesen aufrichtigen Sinn in dir, dass du auch herzlich gern Alles wollest dran geben und dabei wagen, um nur Jesum zu erblicken, dann ist die Gnade entweder nur eine vermeinte, oder eine verscherzte Gnade. Die Verleugnung ist zwar nicht nötig, um dadurch den Himmel zu verdienen, dass wir dafür etwas erwarten sollten, aber sie ist ein unumgänglich nötiger Weg, um zu Christo selber zu kommen. Ein jeglicher Grad der Verleugnung, eine jegliche Tat der Verleugnung der Welt, der Sünde, der sündlichen Lust und Begierde, unser selbst, unsers eigenen Willens, eine jegliche Tat der Absterbung ist eine wirkliche Annäherung zu Christo, um uns inwendig eine wirkliche Bereitschaft zu geben, dass wir seiner wesentlich und tätig teilhaftig werden können.

Seelen, hätten wir Mut, uns völlig auszuleeren und ausleeren zu lassen von der Sünde, von der Welt und aller ihrer Lust, von aller Begierde der Welt und ihren Torheiten, uns selbst und alles gründlich dabei zu wagen, gewiss, in kurzer Zeit würden wir durch einen solchen Ausgang einen seligen Eingang in die Krippe unsers Heilandes, in unsre Herzen finden. Daran fehlts aber auch bei gerufenen Herzen; man wagt sich nicht genug dabei, man hat noch zu viel Neigung hier- oder dazu, und daher noch viel Bedenkens; aber man muss nur Jesum haben wollen, und das andere Alles fahren lassen. Seelen, lasst uns doch weislicher zu Werke gehen; wir werden uns den Weg gewiss leichter machen können; aber weil man so zwischen beiden hängt - dies will man haben, das will man nicht verlassen - siehe, so wird unser Herz des Heilandes wahrlich nicht froh, da wir doch bald zu dem innigen Genuss seiner göttlichen Gegenwart und Gnade gelangen könnten.

Zweiter Teil

Nun, bei dem Fortgang unsers Pilgerweges, Christum zu suchen, wollen wir auch einige nötige Erinnerungen geben: Lasst uns, wenn wir uns auf den Pilgerweg gemacht haben, durch die Überlegungen der Vernunft, sinnliche Zerstreuungen und unnötigen Umgang mit Menschen, nicht von unserem Wege abziehen und von demselben entfremden. Es scheint, dass die Weisen aus Morgenland in einige Überlegung der Vernunft eingegangen sind und gedacht haben: der neugeborene König der Juden kann wohl nicht anderswo als zu Jerusalem gefunden werden; das ist die Hauptstadt, die königliche Residenz; wir wollen nach Jerusalem gehen, da sind die Schriftgelehrten, die werden uns Nachricht geben, da wirds richtiger gehen. Aber sie gerieten dadurch in Umstände, die von der gefährlichsten Folge hätten sein können. Seht, liebste Herzen, lasst uns auf unserem Pilgerwege, Jesum zu suchen, der inwendigen gnädigen Überzeugung und Unterweisung des Geistes folgen. Lasst uns nicht in die Vernunft gehen, da manchmal eine Seele in Überlegung gerät, weil ihr der genaue Weg der Verleugnung nicht ansteht, dass sie denkt: Ja, es wird doch auch da und darauf nicht ankommen, diese und jene angesehene Leute machen es doch auch nicht so, und erwählen sich dann allmählich einen Mittelweg, dass man dem Fleische auch nicht gar zu wehe tue, und bei den Menschen auch noch in Ehren bleibe und so ordentlich mit ihnen umgehen könne. Siehe, so kann man sich ganz von seinem Wege abräsonieren, und auf einen Weg geraten, wo man Christum nicht findet.

O, lasst uns bleiben bei der inwendigen Unterweisung göttlicher Gnade in unserem Herzen, diese erschienene Gnade wird uns unterweisen, dass wir sollen verleugnen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste: und wenn diese Gnade uns über eine Sache züchtiget und unterweiset, diesem abzusterben, jenem abzusterben, da sollen wir nur ohne Vernünfteln kindlich Gehorsam leisten und zufahren, damit wir nicht mögen in Nebenwege geraten.

Die Zerstreuung in die Sinne, und vieler unnötiger Umgang mit manchen Menschen, sind ebenso schädlich. Wie die Weisen nach Jerusalem kamen, da kamen sie in Lärmen, da wurde die ganze Stadt unruhig und rege; sie hatten gedacht, sie würden da was Gutes finden, und fanden gerade das Gegenteil. O gewiss, wer nicht sucht sein Inwendiges zu bewahren, wer nicht nahe bei seinem Herzen bleibt, und wagt sich unnötiger Weise in den Umgang mit den Menschen dieser Welt, in Weitläufigkeit seiner äußeren Geschäfte ohne Not, das geht nicht ohne Schaden ab, dadurch kann man allmählich so ente fremdet werden von seinem eigenen Gemüte, und von dem Stern, der uns in unserem Herzen erschienen ist, dass wir ganz ins Finstere wieder geraten. Ich habe manche gekannt, manche sonst teure Herzen, die klüger sein wollten als andere, und meinten, man wollte sich den noch wohl bewahren, man wollte vorsichtig sein, die eben durch ein solches Wagen, durch die Mannigfaltigkeit der äußeren Geschäfte, durch den unnötigen Umgang mit den Menschen dieser Welt, alles Lichts, aller Kraft beraubt, und wie ein dummes Salz geworden sind. O lasst uns doch kindlich bei unserem Herzen bleiben.

Eine Erinnerung ist auch dieses, dass wir in allen Gelegenheiten frei und ungescheut uns erklären, dass wir Christum suchen, und an den Tag legen, dass wir ihn lieben. Ein Christ, der in dieser Welt lebt, kann nicht ohne allen Umgang mit Menschen sein; wir leben unter Menschen, die Menschen kommen zu uns, und wir müssen auch oft nötiger Weise zu Menschen kommen. Dazu gehört nun eine rechte, eine göttliche Weisheit, dass man zwar einerseits nicht unnötiger Weise unter die Leute gehe, aber andererseits, wenn man dabei sein muss, Christum nicht verleugne, sondern frei bekenne, dass man ihn suche. Die Weisen fragten ganz einfältig heraus: wo ist der neugeborene König der Juden? und sagten auch einfältig, was sie vorhatten: Wir sind gekommen ihn anzubeten; das ist unsere Frage und unser Vorhaben, wollten sie sagen, das ist unsere Sache. Eben so gerade heraus lasst uns auch gehen, wenn wir mit der Welt umgehen sollen; lasst uns rund heraus erklären, dass wir Jesum suchen.

Ach, es sind Manche nun, die wollen so heimlich fromm sein, das sollen die Leute so nicht wissen, man will so für sich fromm sein. Aber es ist ein Betrug des Satans; mit einem solchen Frommsein wird man allmählich wieder unfromm, und lässt sich wieder in unerlaubte Dinge ein. Ich rate allen anfangenden Seelen an, aufrichtig zu sein. Tut doch eine Heldentat, lasst es alle Welt wissen was ihr vorhabt: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wo ist das Kind Jesus? sollen wir sagen, das ist meine Sache, ich suche das Kind Jesus; so sollen wir uns gerade heraus erklären. Eben wenn die Seelen so heimlich tun, so verborgen fromm sein wollen, dann kann uns die Welt plagen, verführen, und aus einer Zerstreuung in die andere bringen, dass man wieder mit ihnen hinein gezogen wird. Lasst es die Welt nur wissen, was wir vorhaben; nicht, dass wir uns in unnötige Gespräche und Dispute mit ihnen einlassen, in unzeitiges Lehren uns begeben; nein, das ist nicht nötig, sondern uns nur gerade erklären.

Manche heucheln auf eine gar grobe Weise; wann sie bei den Frommen sind, dann tun sie recht fromm, dann stimmen sie Allem bei, dann können sie mit reden als der allerbeste; wenn sie aber bei Weltmenschen sind, so reden sie von allen unnötigen Dingen, wie die Leute es haben wollen. Man muss, sagen sie, sehen, bei wem man ist, und bei Weltleuten mit seiner Frömmigkeit nicht prahlen wollen. Nein, man muss nicht heucheln, lieber Mensch, sondern geradezu gehen, man muss aufrichtig sagen was man suche, was man gern hätte, warum es Einem zu tun sei. Wollen wir nicht mit den Leuten reden von guten Sachen, so lasst uns doch auch das unnötige eitle Geschwätz zurück halten, und uns nicht in alle nichtswürdige Dinge mit der Welt hinein wagen; dadurch verliert man seine Kraft und sein Licht, und wird wieder so tot als man jemals gewesen ist.

Weiter, eine notwendige Erinnerung ist auch, dass wir auf unserem Pilgerwege, da wir das Kindlein Jesu suchen, lernen vor uns sehen; nicht viel gaffen auf Anderer Urteile über unseren Weg, uns auch nicht viel aufhalten mit und bei Andern, die nicht mit uns gehen. Diese weisen Leute kamen nach Jerusalem, da hörten sie den Herodes, der listige Mensch wies sie gen Bethlehem und blieb selber sitzen. Die Schriftgelehrten wussten es auch gar wohl zu sagen, da und da muss er geboren werden, so steht geschrieben im Micha: Und du Bethlehem im Jüdischen Lande, bist mitnichten die Kleinste unter den Fürsten Juda, denn aus dir soll mir kommen der Herzog, der über mein Volk Israel ein Herr sei. Da muss er geboren werden, das wussten die Hohenpriester und Schriftgelehrten präzise zu sagen, aber sie blieben selber zu Haus und gingen nicht mit. Welch eine gewaltige Versuchung hätte das nicht den Weisen geben können. Hätten sie nicht denken können: es muss wohl nur Einbildung mit uns sein, hier sind wir in der königlichen Stadt, und die Leute wissen so wenig davon; Herodes selbst muss sich erst danach erkundigen; die Schriftgelehrten, die es wissen, die bleiben doch zu Hause und weisen uns nur hin; man sieht uns wohl für betrogen an; es wird wohl unsere beschwerliche und mühsame Reise vergebens, und nicht nötig sein, dass wir sie weiter fortsetzen. In eine solche Versuchung hätten sie können geraten, wenn der liebe Gott sie nicht behütet hätte.

Siehe, so kann es noch heut zu Tage mit uns geschehen, wenn wir nicht genau lernen vor uns sehen, oder besser zu sagen, in uns sehen auf den in unserem Herzen erschienenen Stern. Da gerät man manchmal zu allerlei Menschen: der eine hält es für Phantasie, der andere verspottet es. Da heißt es: die Leute machen da einen so großen Lärm, und ist doch nur Betrug dahinter; warum sollte man sich so und so stellen? Lasst uns ordentlich leben wie andere Leute. Man kann auch zu Solchen geraten, die es präzise zu sagen und andere zu lehren wissen: so und so muss ein Frommer leben; da und da steht es geschrieben; so und so muss sich ein Mensch bekehren; so muss man sich zu Christo wenden, so muss man ihn suchen, und sie bleiben doch selber sitzen. O da kann ein Gemüt, das darauf Acht gibt, gewaltig geschüttelt werden, wenn man Andere lehrt und selber sitzen bleibt. Unglückselige Lehrer! und unglückselig wäre ich selber, wenn ich euch den Weg weisen und selber sitzen bleiben wollte. Ach, lasst uns vor uns sehen. Wie die Weisen sich an den Stern hielten, da kamen sie zurecht.

Manche Andere haben auch große Erkenntnis, und wissens so gut als die Besten, wie es mit dem Christentum, wie es mit der Gottseligkeit bewandt sei, aber es bleibt da Alles bei. Wie manche meinen nicht, man müsste in der Kirche nur lehren und hören, und wenn das Lehren und Hören zu Ende wäre, dann ging man aus der Kirche heraus, und dann sei Alles getan. Und wenn man in der Übung gewesen ist, und hat dies oder das gehört, dann lässt mans so gut sein, geht aber nicht auf den Weg. So lesen auch Manche ihr Kapitel aus der Bibel, sie singen, sie tun ihr Morgen- und Abend-Gebet, und wenn das geschehen ist, dann tut man das Buch wieder zu; aber sich auf den Weg zu begeben, um Jesum zu suchen, da denken die Leute nicht an. Das kann nun manches einfältige Herz, das solches sieht, in Schüttelungen bringen.

Da gehört nun Aufmerksamkeit zu. Siehe, ist auch Einer oder der Andere, der unter den Frommen so mitläuft und heuchelt, und nicht von Herzen den Weg wandelt, was gehts dich an? Folge du deinem Stern nach, folge du dem nach, der dich gerufen hat, und lass dich mit Andern nicht ein. Die Weisen ließen sich nicht ein, mit den Schriftgelehrten zu disputieren, sie fuhren auch nicht über dieselben her: was seid ihr doch für Leute, was seid ihr doch für Baalspfaffen, ihr wisst den Weg und geht doch nicht hin. Nein, sie hielten sich mit ihnen nicht auf, sie ließen Andere tun und denken, was sie tun und denken wollten, und gingen ihren Weg. So muss ein Christ wandeln; wer gerade zu Christo gehen will, der muss nicht viel herum sehen, er muss seinen Stern im Auge halten. Lass Diesen es so machen, lass Jenen es anders machen, wir müssen unseren Weg nur fortgehen, wir können uns nicht aufhalten. Ein Christ muss geradezu wandeln, er muss wandeln, als wenn er mit Gott allein in der Welt wäre, und seinem Stern nur folgen.

Ferner ist dieses eine notwendige Erinnerung, dass wer sich auf den Weg begeben hat, Jesum zu suchen und zu finden, dass er lerne gleichmütig fortgehen in dunklen und in lichten Tagen. Die Weisen sahen ihren Stern eine Zeitlang nicht, hernach erschien er ihnen wieder, und da freuten sie sich mit großer Freude. Solche Abwechslungen müssen Pilger auf dem Wege nach Bethlehem gewohnt werden. Die Weisen konnten wohl aus eigener Schuld den Stern verloren haben. So geht es auch manchmal mit uns, dass wir selber Schuld sind an unserer Dunkelheit, an der Dürre des Gemüts, an unseren inwendigen Versuchungen, Furcht und Proben. Indessen aber, ob die Weisen den Stern nicht mehr sahen, so dachten sie doch nicht: nun ist Alles verloren, wir können doch nun nicht weiter gehen. Nein, sie gingen doch wieder auf den Weg, und da fand sich der Stern schon wieder. Eben also sollen wirs auch lernen machen. Wir sollen uns zwar hüten, dass wir durch Zerstreuung und durch Unglauben, oder durch willige oder auch unbedachtsame Verschuldung, uns nicht selber des Sterns verlustig machen, übrigens aber uns lernen schicken in die Führungen und Wege Gottes, ob es dunkel oder ob es helle wird, ob es betrübt oder ob es vergnügt wird, obs Freude oder Traurigkeit gibt hier auf unserem Pilgerwege. Das geht nicht anders her, Gott weiß, was einem Jeden vonnöten, heut oder morgen Diesem oder Jenem dienlich ist. Denen, die Gott lieben, die ihr Angesicht gerade nach Gott gerichtet haben, denen muss Alles mitwirken zu ihrem Heil und Besten, und je mehr sie dann der Verlust des Lichts, der Verlust der Empfindung und der Freude, geschmerzt hat, so viel größer wird hernach das Vergnügen, wann sich Gott wiederum zu den Seelen naht.

Endlich ist es eine notwendige Sache, dass, wenn wir Jesum suchen, wir stets trachten sollen, einen aufgeweckten lauteren Sinn in unserem Gemüte mitzubringen. Der lautere Sinn, den die Weisen hatten, bestand darin: Wir sind gekommen ihn anzubeten. Das war ihr Sinn, mit dem Sinn hatten sie sich auf den Weg begeben. Sie waren nicht gekommen, viel Neues zu hören, viel Neues zu sehen, sie konnten sich damit nicht aufhalten; ihr lauterer und einziger Zweck war, den neugeborenen König anzubeten. Diese Anbetung, die die Weisen verstanden, war keine bloß bürgerliche Anbetung oder Verehrung, so wie die Könige sich verehren ließen; nein, diese Ehre konnten sie auch dem Herodes leisten; sondern durch das Anbeten verstanden sie die Ehrbezeigung, die Jesu, als dem Messias, als dem Könige der Juden, dem Heilande der Welt, gebührt; diesen König der Juden wollten sie auch für ihren König und für ihren Herrn erkennen und ihm huldigen, dieser Heiland sollte auch ihr Heiland werden.

Seht, liebste Herzen, gleichwie nun die Weisen ihren lauteren Sinn bei aller Begebenheit dennoch zu behalten suchten, so soll auch eine gläubige Seele sowohl in dunklen als in lichten Tagen stets suchen ihren lauteren Sinn dennoch aufgeweckt zu behalten. Eine Seele, die wirklich bekehrt wird durch Gottes Gnade, die erlangt einen lauteren Sinn, das ist, einen aufrichtigen, einen innigen Hunger und eine Sehnsucht aus Sünde und Welt und allem Verderben hinaus, und sich Christo mit Leib und Seele zum Eigentum zu schenken und zu ergeben. Der lautere Sinn bleibt bei der Seele, sowohl in Licht als in Finsternis; aber er kann manchmal wie in den Schlaf kommen, wenn sie sich nicht sucht am Gebet und nahe bei Gott zu halten. Petrus sagt, 2. Petr. 3, 1: Ich erwecke und erinnere euren lauteren Sinn durch dieses mein Schreiben, oder euer lauter Gemüt, wie es eigentlich heißt. Die Gläubigen hatten ein lauter Gemüt, aber das war in den Schlaf gekommen, das war etwa durch Zerstreuung und Unglauben benebelt worden, oder durch andere Proben, denn da kann es so bei einem in den Schlaf kommen.

Seelen, lasst uns doch unseren lauteren Sinn stets aufgeweckt halten. Lasst uns prüfen: Nun, um was ist dirs denn zu tun? Was suchst du denn doch in der Welt? Was suchst du in deinem Christentum? Ist dirs alsdann nur darum zu tun, dass du wünscht, von Sünden, von der Welt und Allem los zu werden, und Christo dich mit Leib und Seele zu ergeben, o dann lass die Abwechselungen so oder anders sein. Eine Seele, die so steht, die bleibt dabei, wie die Weisen sagten: Wir sind gekommen ihn anzubeten; sie sucht ihren lauteren Sinn zu bewahren unter aller Versuchung, sie ist gekommen Jesum anzubeten.

Warum bist du nun, liebe Seele, auch jetzt mit in das Gedränge gekommen? Warum gehst du in die Kirche? Warum gehst du in die Übung? Warum kommst du zu den Frommen? Bist du gekommen Jesum anzubeten, oder hast du andere unlautere Absichten? Kommst du etwa aus Neugier? Kommst du etwa nur um etwas zu hören? Kommst du, dass man dich soll für fromm ansehen? Oder hast du einen lauteren Sinn Jesum anzubeten, dich vor diesem Könige zu neigen und zu beugen, der Sünde von Herzen Abschied zu geben, und Jesum für dein Eins und für dein Alles zu erwählen? O lasst uns doch unseren Sinn prüfen, warum es uns zu tun sei, denn Gott kann in das Innerste hinein sehen.

Ja wir müssen den lauteren Sinn ansehen als den Grund unsers ganzen Christentums, Lebens und Wandels. Wer nicht das Christentum, den Ernst, nur Christum zu suchen, zu finden und anzubeten, so in seinem Herzen trägt, als wenns sein einziges Geschäft in der Welt wäre, der wird schlecht zurechtkommen. Wir sind gekommen ihn anzubeten, wir sind darum nur in die Welt gekommen, ihn anzubeten; darum hat uns Gott unser Leben gegeben, darum hat uns Gott die Zeit der Gnaden gegeben, nur dass wir Jesum suchen, finden und anbeten sollen. Warum bist du sonst in die Welt gekommen, Mensch? Bist du nur gekommen, zu arbeiten? Dazu braucht man manche Tiere auch. Bist du nur gekommen zu essen und zu trinken? Das sind auch tierische Eigenschaften. Wir Menschen sind gekommen Jesum anzubeten, dass wir ihn als unseren Heiland sollen erkennen und erfahren in unseren Herzen. Nun, den lauteren Sinn sollen wir stets aufgeweckt in unseren Herzen suchen zu bewahren. Dieses muss vom Morgen bis zum Abend unser Werk sein, und uns stets im Gemüte liegen: Ich bin nicht darum gekommen, dass ich nur natürlich lebe, dass ich esse und trinke; sondern darum, dass ich Jesum finde und anbete, und dem mich ergebe mit Leib und Seele.

Dritter Teil.

Nun noch einige wenige Erinnerungen, wie es Seelen bei Herannäherung zum Ziel und am Ende des Weges weislich zu machen haben, da wir Christum in unserem Herzen finden können.

Wir sollen nicht immer am Suchen bleiben, sondern auch Christum in unserem Herzen finden lernen. Es ist ein großer Betrug und Vorurteil, welcher in dem menschlichen Herzen mehr Grund und Wurzel gefasst als man glauben kann, dass man meint, man müsste im Suchen leben, nur immer Christum suchen, aber wir können ihn nicht finden; das ist ein großer Betrug, liebe Herzen! Wir können, wir sollen, wir mögen Christum auch finden, wenn wir ihn rechtschaffen suchen. Wo sollen wir ihn denn finden? Nicht von außen; äußerlich ist er nicht sichtbar mehr zu finden auf Erden. Wir dürfen auch keine Erscheinung durch äußere Gesichte und Offenbarungen erwarten. Außerordentliche bildliche Besuchung dürfen wir auch nicht begehren, sondern Jesus Christus will in unseren Herzen geboren werden, da will er sich gnädig und süß offenbaren, wie er selber sagt, Joh. 14, 21: Wer mich liebt, der wird von meinem Vater geliebt werden, und ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren. Christus soll geboren werden in unserem Herzen, und durch den Glauben darin wohnen.

Wollen wir dieser Gnade seliglich teilhaftig werden in unserem Herzen, es sei in einem höheren oder geringeren Grade, so lasst uns lieben das Gebet, und zwar das Gebet des Herzens. Wir können zu Jesu nicht nahen mit den Füßen, wir müssen zu ihm nahen mit unserem Herzen, mit unseren Herzensbegierden, mit unserer Herzensandacht. Lasst uns dann nur einfältig bitten, dass der Jesus, der einmal für uns und zu unserem Heil zu Bethlehem geboren ist, dass der auch wolle in unserem Herzen geboren werden, und von uns armen Sündern sich wolle suchen und finden lassen. Lasst uns zu dem Ende oftmals die weltlichen Geschäfte und Zerstreuungen beiseitesetzen, und uns in der Stille zum Gebet wenden, und Jesum um seine Erscheinung inniglich anrufen, dass er unser Herz mit seinem Gnadenlicht und göttlicher Gegenwart besuchen wolle.

Lasst uns bisweilen dem Herrn unserem Gott einen heiligen Sabbat halten, durch Einstellung unserer eignen Wirksamkeiten, und durch ein heiliges Warten auf die Erscheinung Jesu Christi in unserem Herzen. Liebe Seelen, alle äußerliche Mittel der Gnade, das sind Sterne, die uns zu Christo führen sollen, wie wir gehört haben. Wie die Weisen aber gen Bethlehem kamen, da stand der Stern über dem Hause; wollten sie nun das Kindlein finden, so mussten sie doch den Stern da stehen lassen, und kehren in das Haus, in den Stall hinein, um da das Kindlein selber zu ehren, anzubeten und sich vor ihm niederzuwerfen. Seht, wollen wir auch Jesum in unserem Inwendigen, in unserem Herzen finden, so müssen wirs ebenso machen. Wir müssen nicht, wie Mancher tut, immer nur lesen, immer nur hören, sondern wir müssen von dieser Wirksamkeit bisweilen auch aufhören, und uns in die Stille des Herzens hineinbegeben.

Wenn wir z. E. die Heilige Schrift oder sonst ein anderes gutes Buch lesen, das ist ein heiliges Geschäft; allein wenn es unterm Lesen geschähe, dass wir inwendig von Gott besucht würden, dass er uns einen Eindruck seiner göttlichen Nähe gäbe, dass es uns in unserem Innersten wohl würde, dass er uns seinen Frieden mitteilte: nun, da ist es dann gut, dass wir das Buch auf eine Zeitlang zutun, und Raum geben den Eindrücken der göttlichen Gnade. Da ist dann das Kindlein selber gegenwärtig, das will dich dann durch seinen Eindruck mehr lehren und dir mehr geben, als alle Menschen und menschliche Mittel dir nimmermehr geben können.

So sollen wir es auch machen, wenn wir in einer Übung oder Kirche sind. Wenn wir viel Gutes hören oder gehört haben, da sollen wir dann auch in unser Kämmerlein gehen, und uns vor dem Heilande niederwerfen, und nun auch ihm heilig feiern und danach hungern, dass sein Wort Wahrheit in unseren Herzen werde; da sollen wir dem lieben Gott Raum geben, dass er in unseren Herzen wirken und sich verklären könne.

Eben also auch mit dem Gebet. Wir sollen mit Gott reden im Gebet, es geschehe mündlich oder mit unserm Herzen. Aber wir sollen nicht allein beten, sondern wir müssen auch dem lieben Gott schweigen, dass er zu unserem Herzen auch wiederum ein Wörtlein reden könne. Wir müssen uns, mit Maria, zu den heiligen Füßen Jesu Christi in heiliger Stille niedersetzen, und seine göttlichen Wirkungen in unserem Inwendigen erwarten. O, dann würden wir Wunder erfahren, dann würde der liebste Heiland unseren Herzen recht nahe kommen und sie besuchen, da würde es uns oft inniglich wohl werden bei ihm, da würden wir von ihm gestillt werden, da würde uns seine göttliche Gegenwart entweder in einem höheren oder geringeren Grade, bei einer kindlichen Ehrerbietung, in unserem Herzen ein solches Vergnügen erfahren lassen, welches uns alle Welt nicht geben kann.

Das ist nun keine neue Lehre: ich kann es nicht nur beweisen aus der Schrift, sondern auch aus dem Heidelbergischen Katechismus. Lest nun zu Hause die 103. Frage nach, da werdet ihr finden, da stehts nachdrücklich: „dass ich alle Tage meines Lebens von meinen bösen Werken feire, den Herrn durch seinen Geist in mir wirken lasse, und also den ewigen Sabbat in diesem Leben anfange.“ Und andere können es finden in dem dritten Büchlein des sel. Joh. Arnd in seinem Wahren Christentum, worin er so darauf andringt, dass wir dem liebsten Heiland oft einen heiligen Sabbat halten sollen. Da kämen wir dann je länger je mehr nicht nur zum Suchen Christi, sondern wir würden ihn auch seliglich finden in unserem Herzen, wie die Weisen aus Morgenland taten, die fanden und sahen Christum.

Ferner sollen wir die Anbetung und Ehrfurcht gegen Jesum stets beibehalten. Die Weisen fielen vor dem Kinde nieder und beteten es an. Es war da wohl äußerlich nichts, das sie dazu bewegen konnte: sie sahen ein armes Kind, ein Kind in äußerster Dürftigkeit; aber weil sie in dem Kinde ihren Gott, ihren Heiland und ihr Alles sahen, so fühlte zugleich ihr Herz, das Kind sei würdig, dass sie und alle Welt niederfielen und es anbeteten mit der vergnügtesten und tiefsten Ehrfurcht. O, die Seelen, denen Jesus in Gnaden sich auch inwendig offenbart und sich von ihnen finden lässt, die können wohl manchmal nicht viel Worte davon machen, was es ist, das ihrem Herzen offenbart wird; aber sie fühlen es, dass es die Wahrheit sei, es ist ein solcher Jesus, es ist ein solches Heil in Jesu zu finden. Sie spüren ein Gut, das ihnen nahe ist; sie spüren Einen, vor dem sie sich aufs Tiefste beugen und den sie verehren und anbeten müssen. Ja, diese Ehrfurcht, diese vergnügte Ehrfurcht, die die gläubigen, Jesum findenden Seelen, in Jesu gewahr werden, die geht mit ihnen in ihrem ganzen Leben und Wandel, dass solche Seelen dann auch gesetzt werden in einen Wandel der Ehrfurcht vor dem Angesichte ihres Gottes, dass, wo sie gehen und stehen, ihr Alles sich beugt vor dem Gott, der ihr ganzes Heil ist; ja, sie finden, mit den Weisen, je länger je mehr das ganze Vergnügen ihres Herzens in Jesu.

Die Weisen taten ihre Schätze auf, und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhen, und sie schenkten ihm ohne Zweifel auch ihr ganzes Herz. So sollen wir ein Gleiches tun, und unser Herz Jesu schenken und zum Eigentum geben. Der Seele, die Jesum in ihrem Herzen findet, o der kostet's nicht viel Mühe mehr, dass sie sich und dass sie alles dem Kinde schenke; da sind die Verleugnungen kein schweres Joch mehr. O wie wird da, wo Jesus gründlich gefunden wird in dem Herzen, wie wird da die Welt und alles Sichtbare so klein und so gering! Und dies ist eben die Probe, dass uns Christus Jesus bekannt geworden ist in unserem Herzen, wo wir gesetzt sind in eine allgemeine große Losgemachtheit von allen Dingen dieser Welt.

Endlich, zur letzten Erinnerung: Wir sollen Gott und seiner Führung allezeit gelassen stehen und folgen. Die Weisen gingen nun einen andern Weg; da bestand ihre ganze Regel nur darin, dass sie folgten dem, der sie gerufen hatte; den Stern hatten sie nicht mehr, aber Jesum hatten sie. Sie hatten vorhin zwar gedacht, ihren vorigen Weg zurückzukehren, sie hatten wohl gar, wie es scheint, versprochen, dass sie wieder über Jerusalem wollten zurück kommen; aber Gott offenbarte es ihnen anders im Traum, sie sollten einen andern Weg gehen. Und dies ist dann die Regel aller Regeln bei Seelen, die Jesum seliglich gefunden haben in ihrem Herzen; die stehen vor Gott und seiner göttlichen Führung gelassen, sie dürfen und sie wollen nicht mehr leben nach ihrem Gutdünken, nach ihrem Sinn, nach ihrer Wahl; sondern Christus ist nun ihr Leben geworden, ihm allein leben sie, so wie ein natürlicher Mensch sich selber lebet; und Christus, der in dem Herzen geboren ist, lässt auch aus dem Herzen heraus strahlen alle göttliche Tugenden. Siehe, eine solche Gnade, eine solche Liebe, eine solche Seligkeit, können alle, auch die allerärmsten, die allerunwürdigsten, die allerentferntsten noch hier in dieser Zeit erfahren, und zwar noch weit aufgeklärter und unendlich mehr als gesagt und ausgesprochen werden kann.

Nun, wir wollen abbrechen. Lasst uns diese Erinnerungen als einen Spiegel gebrauchen, ein jeder nehme das zu Herzen, was ihm etwa zu seinem Unterricht nützlich mag gewesen sein. Fassen wir es gleich jetzt noch nicht Alles, wer weiß wo es uns heute oder morgen möchte zu statten kommen; lasst uns nur Alles in einem feinen Herzen durch die Gnade Gottes suchen zu bewahren. Amen.

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