Tersteegen, Gerhard – Briefe in Auswahl -Es gilt wahre Einsiedler zu werden, die überall nichts finden, als Gott allein.

Tersteegen, Gerhard – Briefe in Auswahl -Es gilt wahre Einsiedler zu werden, die überall nichts finden, als Gott allein.

Lieber Bruder!

Deinen Brief habe ich richtig erhalten. Gott sei gelobt, der in seiner Güte mit Dir ist nach Leib und Seele. Wenn Du auch nicht viel Zeit oder Gelegenheit zu äußerer Abgeschiedenheit hast, so wird Dich doch die Gnade belehren, um so viel eifriger die innere zu suchen und zu bewahren. Richten wir unsre Liebe und Gedanken auf Gott, dann werden wir wahre Einsiedler sein, die überall nichts finden, als Gott allein. Der HErr selbst will uns in diese Entblößung und Reinheit einführen! So können wir zuweilen in das Kämmerlein einkehren, wo wir nichts von dem Gebrause dieser Welt hören, sondern in dem Vorzimmer des göttlichen Willens unsre äußern Geschäfte versehen und alles Getümmel ohne Teilnahme und Schaden sehen und hören könnten, wenn wir zu dem rechten Fenster hinausschauten, ich will sagen, mit reiner Liebe und lauteren Gedanken auf Gott sehen würden. Du musst nur bei Deinen Geschäften, beim Kaufen und Verkaufen auf dem Weltmarkte umherwandeln, wie Paulus durch die abgöttischen Tempel in Athen (Apostelgesch. 17). Wenn die Welt Dich beschäftigt sieht, dann wird sie denken, Du wollest auch ihren Abgöttern opfern; dies sei aber ferne von Dir! Richte Deine Gedanken und Liebe rein auf Gott, der Dir überall so innig nahe ist; diesem der Welt unbekannten Gott opfere allein alles auf, wo Du auch seist bei Menschen und wo Du auch gehst über die Straßen; opfere Ihm alle Deine Tritte und Schritte, alle Deine Atemzüge, alle Deine Mühseligkeiten, ja, alles, was Du tust, alles, was Du bist, wünsche ich, dass Du allein diesem wahren Gott zuwendest, der einem jeden von uns nahe ist, in dem wir leben, uns bewegen und sind. Er selbst bewirke dies wahrhaft in Dir und mir und halte uns mit seiner Hand, damit wir nirgends anstoßen! Amen. Wir miteinander grüßen Dich und alle andern guten Freunde, die Du gelegentlich siehst.

Ich bleibe durch die Gnade

Dein verbundener Mitpilger.

Mülheim, den 21. Juni 1735.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/t/tersteegen/briefe_in_auswahl/tersteegen-briefe-12.txt · Zuletzt geändert: von aj
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain