Stoeckicht, Wilhelm Damian - Apostolischer Zuruf zur Reformationsfeier.

Stoeckicht, Wilhelm Damian - Apostolischer Zuruf zur Reformationsfeier.

Reformationspredigt, gehalten über die Epistel des 21. Sonnt. n. Trin. am 1. November 1868 vom Pfarrer Wilhelm Damian Stoeckicht zu St. Goarshausen a. R.

HErr GOtt, Du bist unsre Zuversicht und starke Festung; in Deinem Namen wollen wir Taten tun; sei Du unsre Hilfe, unserer Kirche Hort und Retter! Amen.

Ephes. 6, 10-17.

Zuletzt, meine Brüder, seid stark in dem Herrn, und in der Macht Seiner Stärke. Zieht an den Harnisch GOttes, dass ihr bestehen könnt gegen die listigen Anläufe des Teufels. Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel. Um des willen, so ergreift den Harnisch GOttes, auf dass ihr an dem bösen Tage Widerstand tun, und Alles wohl ausrichten, und das Feld behalten mögt. So steht nun, umgürtet eure Lenden mit Wahrheit, und angezogen mit dem Krebs der Gerechtigkeit, und an Beinen gestiefelt, als fertig zu treiben das Evangelium des Friedens, damit ihr bereitet seid. Vor allen Dingen aber ergreift den Schild des Glaubens, mit welchem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösewichts. Und nehmt den Helm des Heils, und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort GOttes.

Im HErrn Geliebte! Wenn jede Neutestamentliche Schriftbetrachtung zurückleitet in die Heilszeit, in welcher der HErr unser Heiland als das Fleisch gewordene Wort geredet, gehandelt, gelitten, die Versöhnung vollbracht hat, und in die apostolische Zeit, in welcher die von Ihm berufenen Sendboten gepredigt, geschrieben, gekämpft und geduldet haben, so greifen wir heute in diese Zeit umso mehr zurück am Reformationsfeste, als es die wesentlichste Tat der Reformation gewesen ist, sich hindurchzuwinden durch allen im Lauf der Jahrhunderte aufgehäuften Schutt von Irrlehren und Menschensatzungen und zurückzuführen zum klaren Worte des HErrn und seiner Apostel, danach die reine christliche Lehre herzustellen und das kirchliche Leben allseitig zu reformieren. Denn immer wieder müssen wir mit aller Entschiedenheit der falschen Beschuldigung entgegentreten, als habe die Reformation mit der kirchlichen Vergangenheit gebrochen, Neuerungen eingeführt, eine neue Kirche gegründet, die jetzt gegen 350 Jahre alt sei, während die römischkatholische die eigentlich von Christus und seinen Aposteln gegründete, die älteste und darum allein berechtigte wäre.

Das ist nicht wahr. Es lag überhaupt gar nicht im Plan der Reformatoren, sich von der bestehenden Kirche zu trennen, vielmehr wollten sie dieselbe reinigen, und solches Bedürfnis war längst anerkannt, die Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern war auf Kirchenversammlungen schon über 100 Jahre vorher erstrebt, aber nicht erzielt worden. Erst im 16. Jahrhundert hatte dazu die Stunde des HErrn geschlagen, und erst als die Werkzeuge, deren sich dazu der HErr bediente, ein Luther, Melanchthon, Zwingli, Calvin u. A., alle ihre Verbesserungsversuche von den Häuptern der katholischen Kirche verworfen sahen, als man sie mit Bannflüchen hinausdrängte, als auf der Tridentiner Kirchenversammlung im Todesjahre Luthers die bisher geduldeten Irrlehren und Missbräuche kirchenrechtliche Gültigkeit erlangten, da war der Riss vollzogen, auf Grund der apostolischen Lehre bildeten die Protestanten eine von der römischen abgesonderte evangelische Kirchengemeinschaft. Die Reformation ist nimmer Revolution gewesen, nicht eine Umwälzung des Bestehenden auf gewaltsame Weise, sondern die Herstellung der wahren Kirche auf dem Wege der Glaubensüberzeugung. welch' schwere innere und äußere Kämpfe mussten gestritten werden vom Allerheiligentag an im Jahr 1517, da Luther seine weltberühmten Thesen veröffentlichte, bis zu seinem Tode im Jahr 1546; welche hartnäckigen Kämpfe von da an bis zum Westfälischen Friedensschluss 1648, wo unsre Kirche staatsrechtliche Anerkennung erlangte! Und wie viel macht Rom mit seinen Kerntruppen, den Jesuiten im Vordertreffen, noch immer uns zu schaffen und legt's darauf an, uns zu schwächen, unsre Kirche zu vernichten! So wenig es den Christen der ersten Jahrhunderte beschieden war, in ungestörtem Frieden zu leben, so wenig ist es uns beschieden. Wie bei ihnen Lehrstreitigkeiten auftauchten, die oft in großer Erbitterung gegen einander ausgefochten wurden und unter dem ungeeigneten Eingreifen der weltlichen Macht, wenn die Verfolgungen Seitens der Heiden nachließen, so fand dasselbe in unserer Kirche statt und dazwischen bald hier, bald da Verfolgungen der Evangelischen, Beraubung, Verbannung, Scheiterhaufen.

Während aber ein Bollwerk der einst weltmächtigen, den Kaisern gebietenden römischen Kirche nach dem anderen in Trümmer fällt; während die politische Macht des Papsttums immer eingeschränkter, seine Macht über die Gemüter schwächer, sein Einfluss auf die weltlichen Angelegenheiten immer geringer wird; während die katholischen Mächte Frankreich, Österreich, Italien, Spanien den Protestanten immer größere Freiheiten gewähren, versucht es der Papst, die verlorene Welt, wie seine Getreuen sagen, zu retten durch die Berufung einer allgemeinen Kirchenversammlung nach Rom, zu welcher nicht bloß die ihm untergebenen Bischöfe, sondern auch die Vertreter der griechischen Kirche, die auch wieder erobert werden soll, eingeladen sind. Ja auch an die Protestanten hat der oberste katholische Kirchenfürst eine Ansprache erlassen und sie aufgefordert, sich seinem Stuhle zu unterwerfen. In seiner Ansprache findet sich kein Wörtlein davon, dass die katholische Kirche Buße zu tun bereit sei, kein Zugeständnis ihrer Verirrungen, und dass der Papst sich wirklich der Hoffnung hingibt, wir würden zu den alten Irrtümern zurückkehren, zeugt von einer unbegreiflichen Verblendung, aber sagt uns auch, dass es weit mit uns gekommen sei und unsre Kirche kläglich in den Augen der Katholiken dastehen muss, weil ihr Oberhaupt uns solches bieten kann. In solcher Zeit, meine Zuhörer, wo es sonderlich nottut, das protestantische Bewusstsein zu stärken, sowohl Rom gegenüber als den unevangelischen Parteien, welche das Band des einigenden Glaubens aufgeben und aus unserer Kirche eine Unglaubensgenossenschaft, machen möchten, hat eine Reformationsgedenkfeier ihre besondere Bedeutung, und wie geeignet erscheint grade zu unserer Festbetrachtung die vorgelesene heutige Epistel mit ihrer Aufforderung zu geistlicher Kampfrüstung! Der Apostel schloss damit seine Ermahnungen an die Gemeinde zu Ephesus ab; es ist ein kräftiges Schlusswort, worin er alles Wichtige und Nötige zusammenfasst. Wir hören daraus einen apostolischen Zuruf zur Reformationsfeier, welcher lautet:

1) Seid stark in dem HErrn!
2) Führt tapfer die Kriege des HErrn!
3) Haltet fest an dem Wort des HErrn!

Er aber, dessen Wort wir aus diesem Zuruf vernehmen, öffne demselben Ohren und Herzen!

I.

„Seid stark in dem HErrn, meine Brüder, und in der Macht seiner Stärke!“ o ein kräftiger apostolischer Zuruf, und wie nottut es, ihn gründlich zu beachten, ihn zu Herzen zu nehmen! Ja wir bekennen es bei dem Einblick in uns selbst und bei dem Hinblick auf die Zerrissenheit und Knechtsgestalt unserer teuren evangelischen Kirche: wir bedürfen der Aufrüttelung aus unserer sicheren Ruhe, wir bedürfen solcher Ermahnung.

Stark sein ist erforderlich zu jedem Kampfe, der siegreich vollendet werden soll. Wer nicht unterliegen will, sei es im Kampf wider innere oder äußere Schwierigkeiten oder im offenen Kampfe der fleischlichen oder der geistlichen Waffen, darf kein Schwächling, kein Feigling sein, kein Mensch, dem im Rausche flüchtiger Begeisterung schnell der Mut sinkt, sondern muss ausdauernd, mutig, muss stark sein.

Bei unserer natürlichen Ohnmacht, Sündhaftigkeit und Beschränktheit reicht aber im Kampf um Wahrheit, Licht, Geistesfreiheit und Frieden wider Irrtum, Lüge, Hass und Bosheit einzig das Starksein in dem HErrn aus, jene Stärke, von der St. Paulus schreibt: „ich vermag Alles durch den, der mich mächtig macht, Christus,“ von welcher der Prophet sagt: „der HErr gibt den Müden Kraft und Stärke genug den Unvermögenden, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht müde, wandeln und nicht matt werden.“ Das ist im Unterschied von starken Knochen und Sehnen, sowie im Unterschied von weltlichem Können und fleischlicher Gewalt die Stärke des christlichen Charakters, die Entschiedenheit des Willens in der Richtung auf das Gute, in dem Dienste des HErrn, die Beständigkeit des Glaubens, die christliche Überzeugungstreue, der christliche Opfermut, der mit Luther spricht:

„Nehmen sie den Leib,
Gut, Ehr', Kind und Weib,
lass fahren dahin, sie haben's kein Gewinn,
das Reich muss uns doch bleiben.“

Seid stark in dem HErrn: das sollen sich ja recht gesagt sein lassen die Bekenner des Evangeliums, die sich JEsum zum HErrn erkoren haben, oder die vielmehr Er zu seinem Eigentum sich erwählt und erkauft hat, die Glieder der evangelischen Kirche, die keinen Stellvertreter JEsu auf Erden anerkennen, sondern Ihm allein als dem Haupte sich völlig unterordnen. In dem HErrn seid stark, nicht aber in der Vermessenheit eitelrühmiger Protestanten, welche pochend auf ihre Aufklärung und Geistesstärke, hinter welcher sich viele Unwissenheit und sittliche Schwachheit verbirgt, gegen Alles protestieren, nicht bloß gegen die katholischen Überlieferungen, sondern auch gegen das Evangelium und seine Forderungen, gegen das göttliche Ansehen der Heiligen Schrift. Im HErrn sollen wir stark sein, nicht wie die Katholiken in äußeren, vergänglichen Dingen, in der politischen Macht des Papstes, in Konkordaten1) mit weltlichen Mächten, in Formen, Gebräuchen und Satzungen, in der strammen Handhabung der Kirchengesetze, wonach man edle Bestrebungen hindert, die ihnen huldigen in den Bann tut und Toten die kirchlichen Ehren versagt, den Glaubensgehorsam fordernd die Liebe verleugnet. Seid vielmehr stark in dem HErrn, im Glauben an Ihn, in der Liebe zu Ihm, im Bunde mit Ihm, und zwar ihr Alle, die ihr der evangelischen Kirche angehört, nicht bloß Prediger und Lehrer, auch ihr Männer aller Stände, auch ihr Frauen, auch ihr Kinder als im Evangelio Unterwiesene; seid stark und mutig, auch vor der Welt und vor Andersglaubenden euch zum HErrn zu bekennen und - wenn es sein muss - zu leiden, um seinetwillen.

Von Haus aus fehlt uns diese Stärke. Sie kommt nicht von unten, sondern von oben. Vorher hatte der Apostel für die Epheser gebetet zum Vater unsres HErrn JEsu Christi, dass er ihnen Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist am inwendigen Menschen. Jetzt ermuntert er sie: „seid stark in dem HErrn.“ Es findet also ein göttliches und menschliches Zusammenwirken statt, wie auch in irdischen Dingen ähnlich es zugeht. Einem schwachen Kinde gibt man kräftige Nahrung, aber es muss sie auch zu sich nehmen, damit es erstarke. Einem Unbeholfenen rät man allerlei Leibesübungen an, aber er muss sie auch vornehmen. So können auch wir dazu tun, dass wir stark werden in dem HErrn, dadurch dass wir zunehmen an geistlicher Erkenntnis und uns üben in geistlicher Selbstzucht. Hierzu besitzt unser Volk die Bibel in seiner Muttersprache, und kein Kirchenverbot hindert mehr die Verbreitung derselben. Jeder Protestant kann sie lesen, kann sonntäglich ihre Auslegung hören; ach Viele machen von diesem Vorrecht nur wenig Gebrauch. Aber das Lesen des Wortes GOttes tut es allein nicht, es ist auch jedes Protestanten Pflicht, danach zu tun, die Buße zu tun, die es fordert, Christum anzuziehen, im Glauben und in der Liebe festgewurzelt und gegründet zu werden, und an diese Aufgabe müssen die Hohen und Niedrigen sich dringend mahnen lassen in unseren Tagen.

Stark in dem HErrn, sein heiliges Volk sein: Das sollte das Erkennungszeichen der evangelisch-protestantischen Kirche sein. Bis dahin ist sie in landeskirchlichen Grenzen durch staatliches Regiment geschützt, gepflegt, geleitet, zusammengehalten worden. Nach allen Zeichen der Zeit wird das anders werden, und alsdann kann nur ein mächtiges Geistesband, das Einssein und Starksein im HErrn, dem Auseinandergehen um Besonderheiten willen Einhalt tun; denn den äußeren Zusammenhalt, den der Katholizismus im Papsttum hat, haben wir nicht, wollen ihn auch nicht. In dem HErrn muss unsre Stärke ruhen. Die in Ihm eins sind, halten auch im Leben einträchtig zusammen und sind beflissen, die kirchliche Gemeinschaft zu erhalten und zu erweitern, die armen Glaubensgenossen zu unterstützen, die Unmündigen zu erziehen, die Fremden zurechtzuweisen, die Sterbenden zu stärken, die Abgewichenen zurückzuleiten und die noch draußen sind, Juden und Heiden, zu sammeln zur Gemeinde des HErrn; sie sind im Stande, auch den Kampf aufzunehmen, der ihnen verordnet ist, zu dem wir aufgerufen werden:

II.

Führt tapfer die Kriege des HErrn. In der Erwägung dieses Zurufs halten wir uns einfach an den Zusammenhang des Textes, der wie ein Schlachtruf zu den Fahnen sammelt die Streiter Christi mit dem Armeebefehl: „Zieht an den Harnisch GOttes, auf dass ihr bestehen mögt gegen die listigen Anläufe des Teufels.“ Der Harnisch ist die gesamte Waffenrüstung, deren einzelne Bestandteile hernach aufgeführt werden. Ohne Waffen ist ein ordentlicher Kampf unmöglich. Wie will man sich ohne sie wehren gegen feindlichen Anlauf? Und solcher kommt, wie der Apostel schreibt, von einer finsteren, unsichtbaren, unheimlichen, bösen Macht, vom Teufel, der nirgends eifriger agitiert, als auf kirchlichem Gebiet, weil er da dem Reich GOttes am meisten schaden kann als der Widersacher, der den HErrn Christus in den Seinigen verfolgt und sie Ihm zu entführen trachtet. „Denn - so fährt der Apostel fort - wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel.“ Wahrlich, ihr Lieben, ohne den Einfluss solcher dämonischen, finsteren Macht könnte die Feindschaft gegen das Evangelium in der heilsbedürftigen Welt nicht so hartnäckig, das Heer der ihm entgegengestellten Vorurteile nicht so mächtig, der Unglaube nicht so unverdrossen und eifrig, könnte die Mischung von Wahrheit und Irrtum im Katholizismus nicht so bestechlich, das finstere Treiben der Jesuiten nicht so erfolgreich sein. Geister der Bosheit, Geister aus der Tiefe sind, so lange sie Zeit haben, sehr geschäftig in diesem Erdenleben, mehr als das Auge gewahrt, und an der Spitze steht der, von dem Luther sang auf Grund mannigfacher Erfahrung: Groß Macht und viel List
sein grausam Rüstung ist,
auf Erd'n ist nicht seins Gleichen.“

„Um deswillen so ergreift den Harnisch GOttes, auf dass ihr am bösen Tage Widerstand tun und Alles wohl ausrichten und das Feld behalten mögt.“ Widerstand tun, das ist unsre Aufgabe. Wir haben unsre Stellung als evangelische Christen zu wahren, gegen jeden Angriff zu verteidigen, siegreich das Feld zu behaupten. Unsre aus dem Evangelium hergeleiteten Grundsätze gestatten uns nicht, Andersglaubende in unsre Kirche zu locken mit irdischen Vorteilen, die wir versprechen, oder im Beichtstuhl den Streit in gemischte Ehen hineinzutragen, und Seelen zu fangen mit Lift oder Drohung. Aber unsere protestantischen Grundsätze gebieten uns, für unser evangelisches Bekenntnis und für die teuer erworbenen Rechte unserer Kirche mannhaft einzustehen, und das soll die Gemeinde nicht bloß ihren Vorstehern und Hirten überlassen, sondern auch selber tun als ein geistliches Priestervolk, aber allzeit mit geistlichen Waffen. So steht nun, umgürtet eure Lenden mit Wahrheit und angetan mit dem Krebs, d. i. Brustharnisch der Gerechtigkeit.“ Paulus nimmt bei seiner Ermahnung das veranschaulichende Bild aus der damaligen Weise, sich zum Kampfe zu rüsten. Um ihre weiten Gewänder, wie sie noch jetzt die Morgenländer tragen, schlangen die Soldaten einen Gürtel, um im Gehen und Kämpfen ungehindert zu sein, und die Brust bedeckte ein eherner Panzer, der keinen Pfeil durchließ. Des Christen Gürtel ist die Wahrheit, sowohl die Erkenntnis der geoffenbarten Wahrheit als die dadurch geheiligte, wahrhaftige, lautere Gesinnung, das freie Gewissen, und was sein Herz deckt und schützt, das ist die Gerechtigkeit, die uns JEsus, der am Kreuz um unserer Sünde willen Gestorbene, erwarb, und die dem Glaubenden zugerechnet wird. Wie haben die Reformatoren diesen Brustharnisch, die Gerechtigkeit aus dem Glauben, so hoch geschätzt!

„Seid an den Beinen gestiefelt, als fertig zu treiben das Evangelium des Friedens.“ Denn auf Frieden geht aller ehrliche Geisteskampf aus, den Frieden zu gewinnen im eigenen Herzen, auch den Frieden mit allen Menschen, dass das verheißene Friedensreich komme. Dazu muss der Boden geebnet werden in allen Herzen, denn ohne Gerechtigkeit aus dem Glauben, ohne gläubige Aufnahme des Evangeliums kein wahrer Friede. Drum war es der Apostel, drum ist es auch jetzt der evangelischen Kirche Aufgabe, das Evangelium des Friedens zu treiben, und sie tut es durch evangelische Unterweisung der Jugend, durch evangelische Predigt und Seelsorge, durch evangelische Anstalten, durch die Pflege der Wissenschaften in evangelischem Geiste, durch Verbreitung der Bibel unter dem Volke, durch Übersetzung derselben in fremde Sprachen, durch Aussendung evangelischer Friedensboten zu den Heiden. Lasst es nicht bloß Andere tun, beteiligt auch ihr euch.

„Vor allen Dingen aber ergreift den Schild des Glaubens, mit welchem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösewichts.“ O das sind brennende Pfeile, wenn im geistigen Kampfe unvermerkt die Leidenschaften erregt werden, wenn Erbitterung, Zorn, Hass zum Äußersten sich steigern. Keine Streitigkeiten wurden seit Alters erbitterter geführt, als die um religiöse Wahrheiten, keine Kriege gewalttätiger und grausamer, als Religionskriege. Aber der echte, ungefärbte, im HErrn gegründete und lebende, in der Liebe tätige, sanftmütige, weitherzige, aber des eigenen Heils gewisse Glaube ist der Schild, an dem diese Pfeile abprallen, dass sie unschädlich werden. Wie etwas Großes ist es um den wahren Glauben!

Habt ihr, Geliebte! diese geistliche Waffenrüstung, gebraucht ihr sie? Oder kommen euch diese Dinge gar fremdartig vor? Ja leider Vielen! Fleischlich Gesinnte haben dafür kein Verständnis. Was St. Paulus von dem Teufel und den Mächten der Finsternis schreibt, dünkt ihnen törichter Aberglaube; in ihrer oberflächlichen Weltanschauung haben sie dafür keinen Raum. Der Gurt der Wahrheit, der Brustharnisch der Gerechtigkeit, der Schild des Glaubens sind ihnen überflüssige Waffen in ihrer modernen Kampfweise. Die gehören meinen sie der alten Zeit an, wie die Köcher und Pfeile. Andere probieren's, aber es geht ihnen wie David in Sauls Waffenrüstung. Das christliche Kampfgewand passt ihnen nicht, es drückt und beengt sie. Und doch bleibt der Glaube - freilich nicht die veränderliche Glaubensform, sondern der echte Glaube, die Herzens- und Lebenshingabe an den HErrn und das Leben in Ihm - der Sieg, der die Welt überwindet.

Fassen wir die bisherigen apostolischen Ermahnungen zusammen, sie fordern: Siehe den Feind, der zu bekämpfen ist, nicht zu gering an; bekämpfe ihn nicht fleischlich, sondern geistlich; mache einen Unterschied zwischen Person und Sache, Feinden und Feindschaft, Irrtum und Verirrten, Sündern und Sünde.

Die Letztere soll eine Duldung finden; die Ersteren suche liebend zu bekehren vom Irrtum ihres Weges. Führe ein Jeder diesen Kampf, wo und wie es not ist. Die heutige Reformationsfeier legt es uns nahe, namentlich den Gegensatz zur römisch-katholischen Kirche ins Auge zu fassen. Viele Protestanten in rein evangelischen Gegenden merken es kaum oder nur von Ferne, wie angriffsmutig trotz aller in letzter Zeit erlittenen Niederlagen die katholische Kirche vorgeht; wir, die wir unter Katholiken leben, wissen's. Soweit es nur tunlich ist, leben wir gern mit ihnen im Frieden, aber wir wollen unserer evangelischen Kirche nichts vergeben und unsres Glaubens Kleinod bewahren. Die Zeiten des dreißigjährigen Krieges sind vorüber, wo man mit fleischlichen Waffen entscheiden wollte, welches der rechte Glaube sei. Der Kampf um die Wahrheit wird immer mehr ein geistlicher, und das ist gut. Denn jeder Sieg, mit fleischlichen Waffen erfochten in Glaubenssachen, ist doch nur eine Niederlage; das bezeugen die traurigen Zustände in Deutschland nach dem dreißigjährigen Religionskrieg, die damalige geistliche Unwissenheit, Sittenlosigkeit, Verwilderung, der Aberglaube, der in Hexenprozessen traurige Opfer genug forderte, als wäre es an dem auf den Schlachtfeldern vergossenen Blute nicht genug gewesen. Dass aber GOtt der HErr, der es in Einer Stunde ändern könnte, die römisch-katholische Kirche neben der evangelischen bestehen lässt, darin erkennen wir einen Fingerzeig. Der Kampf ist nötig um unserer selbst willen; er bewahrt uns vor Sicherheit und Erschlaffung; im Kampf der Geister um die Wahrheit wird Einem die gefundene Wahrheit umso teurer; in der Anfechtung erstarkt der Glaube, darum ergeht an uns die apostolische Weisung zur Reformationsfeier: Führt tapfer die Kriege des HErrn, und

III.

Haltet fest an dem Wort des HErrn. Mit solcher Ermahnung schließt der Apostel. Das Wichtigste stellt er an den Schluss mit den Worten: „Nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort GOttes.“ Der Helm ist eine militärische Kopfbedeckung, welche das Haupt als den wichtigsten Teil des Körpers im Kampfe schützt. Das Schwert ist die wichtigste Angriffs- und Verteidigungswaffe gewesen, ist es, soviel ich verstehe, noch im Kampfe Mann gegen Mann. Des Christen Schutz ist das Heil, das uns der Herzog unserer Seligkeit in dem Kampf erwarb, darin Keiner Ihm half, ist die Heilsgewissheit, die wir im Glauben besitzen, da wir uns in der Hut des HErrn wissen, sein Eigentum im Leben und Sterben. Wohl dem, der diesen Helm hat! Bei allem Streite hat er innerlich Frieden, und wie es auch gehen mag in der Welt, in der es nach unsrem Bedünken bei der Langmut GOttes oft recht verkehrt geht, so ist doch die eigene Seele gerettet. -Des Christen Schwert ist das Wort GOttes, das aus dem Schutte der Menschensatzungen wieder herausgeholte, von den Reformatoren wieder zu Ehren gebrachte Wort GOttes, das unvergängliche, mit seinen herrlichen Verheißungen und seiner klaren Weisung zur Seligkeit.

Nehmt diesen Helm des Heils, dies Schwert des Geistes, ihr Erben der von den Reformatoren erkämpften teuren Errungenschaften, und hört nicht auf die verführerischen Reden derer, die euch Flittergold anbieten und euch raten: werft die Bibel über Bord, sie ist veraltet! Mit allen ihren Schlagwörtern von Bildung, Freiheit und Fortschritt schlagen sie den Feind nicht aus dem Felde. Die Reformation hat nichts zu tun mit moderner freigemeindlicher Reform, die unseren Heiland seiner göttlichen Würde entkleidet, die Versöhnung unnötig erklärt und es Jedem freistellt, ob er an einen lebendigen GOtt glaubt oder nicht. Die Reformation, grade weil sie dem wahren Fortschritt auf allen Gebieten des Lebens Bahn gebrochen hat und von ihr an ein neuer Zeitabschnitt datiert in unserer Geschichte, war entschiedene bewusste und gewollte Rückkehr zu dem Grunde, außer dem keiner gelegt werden kann, Christus, dem im Evangelium bezeugten lebendigen Christus. Auf diesem Grunde lasst uns beharren, feststehend auf diesem Grunde, den keine Zeitströmung unterwühlt, seid stark in dem HErrn, führt tapfer die Kriege des HErrn, haltet fest an dem Wort des HErrn, und Er selbst, das erhöhte Haupt seiner teuer erkauften Gemeinde, wird mit uns sein. Amen.

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