Spurgeon, Charles Haddon - Die Individualität und ihr Gegenteil.

Spurgeon, Charles Haddon - Die Individualität und ihr Gegenteil.

Eröffnungsrede bei der Konferenz 1875.

Als der verstorbene treffliche Feldmarschall, Sir John Burgoyne, im Tabernakel bei einem Vortrage von Mr. Henry Vincent präsidierte, erfüllte er seine Pflicht als Vorsitzender kurz, aber ausgezeichnet, indem er sagte, dass er als Vorsitzender sich nur berufen halte, die Glocke zu läuten, um das Abgehen eines Zuges anzukünden. Dies ist so ungefähr meine Stellung in Bezug auf diese Konferenz, nur dass die meine sich zu einem höheren Grad der Verantwortlichkeit erhebt, weil Ihr Präsident nicht nur den Zug guter Gedanken und Worte für diese Woche in Bewegung zu setzen hat, sondern in großem Maße auch für alles Folgende den Ton, zum Besseren oder Schlechteren, angeben wird. Ich gleiche deshalb mehr der Tonpfeife in alten Zeiten, welche den Sängern auf dem Chor und durch sie der ganzen Gemeinde den Schlüssel gab, und mir liegt unaussprechlich viel daran, dass dieser Schlüssel ein richtiger sei. Brüder, ein gewisses Gefühl der Verantwortlichkeit ist nützlich, und befähigt einen Mann in vieler Weise dazu, das Rechte zu sagen, aber es kann zu weit getrieben werden, es mag über die Demütigung der Seele hinausgehen und zu einer Zermalmung des Geistes werden; es kann uns so überwältigen durch die Vorstellung dessen, was zu tun ist, dass es uns gänzlich unfähig macht, es zu tun. Ich bin, was meinen Anteil an der heutigen Konferenz betrifft, so ziemlich in dieser Stimmung. Ich sehne mich, Ihren Eifer anzufeuern, und nicht niederzudrücken, mich verlangt danach, Sie in die höchste geistliche Gemütsstimmung hinauf zu leiten und Ihre Aufmerksamkeit nicht auf niedrigere Dinge abzulenken, und diese starken Wünsche übermannen mich; mein Herz bemeistert meinen Kopf und stört das für die Erzeugung und Äußerung der Gedanken so notwendige Gleichgewicht. Indessen, ich werde mein Bestes tun, und mich den Händen unseres großen Erleuchters, des Heiligen Geistes, überlassen, dass Er durch mich sprechen möge, wie Er will.

Unser Gegenstand ist ein doppelter, und umfasst die Verteidigung der Persönlichkeit, oder, sagen wir, der Individualität und ihres Gegenteils, für welches ich das genaue Wort weder in unserer noch in der lateinischen Sprache finden kann. Ich wünsche zu zeigen, dass ein Jeder von uns ein Mensch für sich ist, und dann, dass Niemand allein für sich ist. Unsere Individualität und unsere Gemeinschaft, unsere Persönlichkeit und unsere Vereinigung mit dem HErrn, unsere Einzel-Existenz und unser Aufgehen in Christo: dies sind die Themata, über die ich mich auslassen möchte.

Vielleicht wird dieser mein Einer Gedanke besser hervortreten, wenn ich Ihnen einen Text gebe aus dem 1. Korintherbriefe, dem 10. Verse des 15. Kapitels: „Ich habe viel mehr gearbeitet, denn sie Alle, nicht aber ich.“ „Ich und nicht Ich,“ ich, ganz und voll, jedes Stückchen von mir: Paulus, einst der Pharisäer, der Lästerer, der Verfolger, jetzt berufen, ein Apostel zu sein, der es eine Ursache zur Freude findet, dass mir gegeben ist, zu verkündigen unter den Heiden den unerforschlichen Reichtum Christi: ich, der ich nichts weniger bin, denn die hohen Apostel sind; und doch nicht ich, denn ich fühle, dass ich Nichts bin, ja und weniger, denn Nichts, und Christus ist Alles und in Allem. So ist es Ich und nicht Ich.

Lasst uns nun zum Anfang von unserer Individualität sprechen. Lieben Brüder, möchten wir, ein Jeder von uns, so weit wie nur möglich von Allem, was Egotismus1) ist, entfernt sein; denn dieser ist hassenswert bis aufs Äußerste. Es steht zu hoffen, dass Eitelkeit selten bei Predigern ist; denn Eitelkeit ist das Laster der Neulinge, und kann eher bei jungen Studenten, als bei wirklichen Lehrern des Wortes entschuldigt werden. Erfahrung, wenn sie des Habens wert ist, rottet die Eitelkeit eines Mannes aus; aber, so schlecht ist unsere Natur, dass sie seinen Stolz vergrößern kann, wenn es eine mit dem Erfolg versüßte Erfahrung ist. Es wäre schwer zu sagen, welches die größere Sünde ist, Eitelkeit oder Stolz, aber wir wissen, welche von beiden törichter und lächerlicher ist. Ein Stolzer mag einiges Gewicht haben, aber ein Eitler ist leicht wie die Luft, und beeinflusst Niemanden. Mögen wir vor diesen beiden Arten des Egotismus bewahrt bleiben, denn beide sind schädlich für uns und vor Gott verhasst. Eine zu häufige Aufdrängung des eignen Ich ist eine andere Form des Egotismus, die zu vermeiden ist. Ich hoffe, unsere Predigten werden nie von derselben Art. sein, wie jene, die in einer gewissen Druckerei gesetzt wurden, wo der Hauptsetzer den Verwalter bitten musste, einen extra Vorrat von großen I's2) zu senden. zu senden. Der Buchstabe I ist ein edler Vokal, aber er kann zu laut ertönen. Das große I wird sehr leicht bei uns Allen hervorragend; selbst diejenigen, welche nach Demut streben, können dem kaum entgehen. Wenn das Ich in einer Form getötet ist, so steht es in einer andern wieder auf, und ach, es gibt so etwas, wie stolz auf seine Demut sein, und sich rühmen, dass man nun rein ist von allem Selbstruhm.

Brüder, ich hoffe, dass wie nützlich uns Gott auch in unsern Kreisen werden lässt, wir uns doch nicht einbilden, sehr wichtig zu sein; denn in Wahrheit sind wir es durchaus nicht. Der Hahn war der Meinung, dass die Sonne jeden morgen früh aufstände in der Absicht, ihn krähen zu hören, aber wir wissen, dass Sol nichts der Art tat. Die Welt dreht sich nicht, die Sonne leuchtet nicht, der Mond nimmt nicht ab und zu, die Sterne scheinen nicht einzig und allein zum besonderen Nutzen irgend eines Bruders hier, wie vortrefflich er auch an seinem eigenen Platze sein mag; ebenso wenig existiert das Christentum zu dem Zwecke, uns Kanzeln zu verschaffen, oder unsere Sonderkirche, um uns mit einer Gemeinde und einem Einkommen zu versorgen; nein, nicht einmal ein einziger Gläubiger existiert, um sich allein für unsre Annehmlichkeit und Ehre abzumühen. Wir sind zu unbedeutend, um von irgendeiner großen Wichtigkeit in Gottes großem Universum zu sein; er kann sowohl mit als ohne uns fertig werden, und unsere An- oder Abwesenheit wird Seine Pläne nicht in Unordnung bringen. Des Allem ungeachtet ist unser Thema die Individualität, und wir hoffen, dass ein jeder Mann seine Persönlichkeit anerkennen und mit Ehren behaupten wird. Die richtige Anerkennung des Ego ist ein unserer Aufmerksamkeit würdiger Gegenstand. Ich will, wenn ich es darf, ein Wort machen: lasst Egotismus für die stolze, ruhmredige, aufdringliche Selbstsucht stehen, und Egoismus für die demütige, verantwortliche und redliche Selbstheit, welche, da sie sich einmal im Dasein findet, entschlossen ist, Gott zu Gebote zu stehen und so gut zu sein, wie sie es nur vermag, zur Ehre Gottes. In diesen Zeiten, wo ganze Scharen ihren Führern folgen und kühne Männer leicht über einen Anhang gebieten, wo die Herden nicht ohne ihre Leithammel sich bewegen können und raue Unabhängigkeit selten sich findet, da ist es gut für uns, auf eignen Füßen zu stehen, ganze Männer, und nicht Glieder eines Körpers zu sein, und die Integrität unseres persönlichen Denkens und Gewissens, unserer persönlichen Manieren und Handlungen zu behaupten. Die Monopolisten verdrängen heutzutage den einzelnen Händler fast vom Markte: eine Partei preist Holz als das einzige Material zum Aufbau des Hauses Gottes an, und eine andere Sekte rühmt mit ebenso großem Eifer ihr eignes Heu und Stroh. Wir werden uns durch all ihre Bemühungen nicht dahin bringen lassen, dass wir aufhören, mit den wenigen Edelsteinen, die der HErr uns anvertraut hat, weiter zu bauen; nicht einmal unsere Brüder, die so trefflich das Gold und Silber aufstapeln, werden uns überreden, diese Achaten und Karfunkeln zu verbergen. Wir müssen Jeder mit dem Material bauen, was wir haben, und sollten auch nicht, wenn das Werk wahr und ehrlich ist, Andere tadeln oder uns selbst verdammen, weil unsere Arbeit nach unserer eigenen Art ist.

In Betreff dieser Individualität wollen wir zuerst beachten die Notwendigkeit eines ernsten Gefühls unseres individuellen Anteils an dem Evangelium, das wir predigen. Brüder, wir werden niemals den Heiland der Sünder besser predigen, als wenn wir fühlen, dass wir selbst die Sünder sind, die Er zu erretten kam. Eine bußfertige Trauer über die Sünde macht uns geschickt, Buße zu predigen. „Ich predigte,“ sagt Bunyan zuweilen, „als ein Mann in Ketten zu Männern in Ketten und hörte das Klirren meiner eigenen Fesseln, während ich denen predigte, die da gefangen waren im Zwang und Eisen.“ Predigten, die aus zerbrochenem Herzen herausgepresst werden, sind oft die Mittel zur Tröstung verzweifelter Seelen. Es ist gut, zu Zeiten auf die Kanzel zu treten mit dem Gebet: „Gott sei mir Sünder gnädig“, zu oberst in unserer Seele. Einige Trauernde werden niemals aufgeheitert, bis sie den Prediger an seine eigene Brust schlagen sehen und ihn sein persönliches Gefühl der Unwürdigkeit bekennen hören. Es würde indes nicht recht sein, wenn wir immer auf so niedrigem Boden weilen wollten, denn wir predigen das Evangelium, und nicht das Gesetz; wir sind deshalb verbunden, uns zu freuen, weil wir die Kraft des Blutes Jesu, das uns Frieden und Vergebung in Ihm gibt, an unserem eigenen Gewissen fühlen; unsere Freude wird unserer Botschaft Leben geben. Wir haben auch von dem Honig der Gemeinschaft mit Jesu gekostet, wir haben vielleicht nicht handvollweise davon genossen, wie einige unserer Simsone es getan, aber wir haben wenigstens wie Jonatan die Spitze unseres Stabes darein getunkt, und unsere Augen sind erleuchtet, so dass unsere Hörer sie vor Freude funkeln sehen können, wenn wir ihnen verkünden, wie köstlich Jesus ist. Dies gibt unserem Zeugnis Nachdruck. Wenn wir als Pastoren sprechen, und nicht als Menschen, als Prediger statt als Bußprediger, als Theologen statt als Jünger, so gehen wir fehl: wenn wir unser Haupt zu sehr an den Kommentar lehnen und zu wenig an die Brust des Heilandes, wenn wir zu viel vom Baum des Erkenntnisses essen und zu wenig vom Baum des Lebens, so verlieren wir die Kraft unserer Predigt. Ich bin ein Sünder, ein Sünder, selbst in dem Blute gewaschen, befreit von dem zukünftigen Zorn durch das Verdienst meines HErrn und Meisters all dieses muss frisch im Herzen sein. Persönliche Gottseligkeit muss niemals kärglich bei uns werden. Unsere eigene persönliche Rechtfertigung in der Gerechtigkeit Christi, unsere persönliche Heiligung durch die inwohnende Kraft des Heiligen Geistes, unsere lebendige Vereinigung mit Christo und Erwartung der Herrlichkeit in Ihm, ja unsere eigene Förderung in der Gnade oder unser Rückschreiten in derselben; all dieses müssen wir gut kennen und erwägen.

Wir dürfen nie Andern mit nachgeahmter Stimme predigen, indem wir eine Erfahrung erzählen, deren wir uns selber nicht erfreut, sondern müssen, wenn wir fühlen, dass wir rückwärtsgegangen sind, uns wieder um die Fahne scharen oder bußfertig von dem Standpunkte aus sprechen, auf dem wir in Wirklichkeit stehen. Wenn wir hingegen in der Gnade gewachsen sind, so ist es schlecht zu verbergen, was wir geschmeckt und gefühlt haben, und eine falsche Demut zu affektieren; in der Tat, wir dürfen dies nicht tun, denn wir können nicht anders, als sprechen, was Christus uns gelehrt hat. Wir müssen aus der Gottgegebenen Fülle im Innern heraus reden, und nicht von einem Anderen borgen; weit besser, zu schweigen, als dies zu tun. Wir müssen wahr sein in Betreff unserer persönlichen Stellung zu Gott; denn vielleicht lässt der HErr den Herzenszustand Seiner Prediger wechseln, damit ihre Kreuz- und Querpfade zur Entdeckung seiner verirrten Schafe dienen. Ich bin zuweilen auf einem Teil des Pilgerpfades gewandert, der keineswegs wünschenswert ist, und habe in meiner Seele geseufzt: „HErr, warum und weshalb ist ist es so mit mir?“ Und ich habe in einer Weise gepredigt, die mich in den Staub darnieder warf und mich fürchten ließ, dass der HErr nicht durch mich gesprochen hätte, und die ganze Zeit über führte Er mich doch bei der Hand auf einem Wege, den ich nicht kannte, zum Besten der Seinen. Nicht lange, so kamen ein oder zwei, gerade die Leute, welche Gott zu segnen beabsichtigte, und sie waren eben durch diese Predigt getroffen, die mich so viel kostete und die aus einer so bitteren Erfahrung hervorwuchs. „Er führte mich hinaus im Geist des HErrn“, sagt einer der Propheten, und solches Führen ist, so oft es stattfindet, eine Sache, wofür wir Gott preisen müssen. Nicht so sehr zu unserem eigenen Besten oder unserer Erbauung, als zum Nutzen unserer Mitmenschen werden wir in das Tal der verdorrten Gebeine und in die Kammern der Gebilde (Hes. 8,12) geführt. Wir müssen auf diese Stimmungen Acht haben und den göttlichen Antrieben folgen. Ich würde selber nicht über die Freude im HErrn predigen, wenn ich mich zerbrochenen Herzens fühlte, und ebenso wenig würde ich mich über das tiefe Gefühl der innewohnenden Sünde verbreiten, während ich mich eines vollen Gefühls der Reinigung durch das Wort erfreute. Wir müssen den Heiligen Geist bitten, unser individuelles Leben in seiner Verbindung mit unserem Amt zu erhalten und zu kräftigen. Wir müssen immer dessen eingedenk sein, dass wir nicht eine Lehre predigen, die nur für Andere gut ist, sondern eine köstliche Wahrheit, die sich als gut für uns selber erwiesen hat. Wir dürfen keine Schlachter sein, die am Block für Hungrige das Fleisch abhauen, von dem sie selber nicht genießen; sondern wir müssen selber davon essen und sogar in unserem Antlitz zeigen, welch nährende Speise es ist, die wir den vor Hunger sterbenden Menschenkindern bieten.

Brüder, während wir diese Persönlichkeit des Lebens in Christo wohl im Gedächtnis behalten, wird es gut für uns sein, dass wir niemals unseren persönlichen Auftrag, das Evangelium zu predigen, vergessen, denn ich hoffe, dass Jeder von Ihnen einen solchen persönlichen Auftrag empfangen hat; oder warum wären Sie sonst hier? Geben Sie das Predigtamt auf, Brüder, wenn Sie es nicht von dem HErrn empfangen haben. Ich predige - ich darf es sagen - weil ich nicht anders kann; ich kann mich nicht zurückhalten; ein Feuer brennt in meinen Gebeinen, das mich verzehren wird, wenn ich still schweige. Jeder Gottgesandte christliche Prediger ist ebenso sehr berufen, das Evangelium zu predigen, als jener Apostel es war, dem der HErr Jesus auf dem Wege erschienen war. Dies macht unser Predigen zu einem feierlichen Werk. Gesetzt, dass heute Morgen, wenn Sie die Treppe dieses College allein hinunter gingen, Ihnen ein Engel begegnete, seine Hand auf Sie legte und spräche: „Der HErr, der allmächtige Gott hat mich gesandt, um dich zu beauftragen, fortan das Evangelium zu predigen.“ Bruder, Sie würden fühlen, dass eine Last auf Sie gelegt wäre, und doch würden Sie erneuerte Zuversicht und Inbrunst fühlen. Keines Engels Hand hat Dich berührt, Bruder: der HErr Jesus Christus selbst, der dich mit Seinem kostbaren Blute erlöst hat, hat diese Notwendigkeit auferlegt. Die durchbohrte Hand, die dir Heilung verlieh, verordnet Dich jetzt zu Seinem Dienst und ergreift Dich als ein auserwähltes Rüstzeug, Seinen Namen zu tragen. Höre von Seinen Lippen das Gebot: „Weide Meine Schafe“ und „Weide Meine Lämmer,“ wie Petrus dies am galiläischen Meer tat. Behalten Sie dieses klar vor Augen! Wer soll aufstehen und Ihrer Predigt entgegentreten, wenn der HErr Sie predigen heißt? Wer soll Ihnen Ihre Botschaft diktieren oder Sie dahin treiben, dieselbe zu ändern, wenn die fleischgewordene Weisheit Sie gelehrt hat, was Sie sagen sollen? Sie sind gut für das Zeugnis ausgerüstet, wenn Sie mit Wahrheit sagen können: „Ich habe es von keinem Menschen empfangen, noch gelernt, sondern durch die Offenbarung Jesu Christi.“ Liebe Brüder, wir müssen gerade so fühlen. Ich glaube, Sie tun es. Ich möchte, dass Sie sich dieses Gefühl frisch und warm erhielten. Könige, wie Sie wissen, erheben den Anspruch, von Gottes Gnaden zu regieren. Es mag so sein. Gott ist sehr gnädig, dass Er Einigen von ihnen gestattet, zu regieren. Aber dessen bin ich gewiss: jeder wahre Pastor ist ein Verteidiger des Glaubens, „Dei gratia“, „Von Gottes Gnaden bin ich, der ich bin“, als Pastor sowohl wie als Gläubiger. Die Legitimität der Monarchen mag in Frage gestellt werden, und ein Tribunal von Richtern ist zu oft nötig, um die Wahl der Volksvertreter zu prüfen, aber wenn der Heilige Geist in uns Zeugnis gibt, so kann unser Reich nicht erschüttert, unsere Wahl nicht als ungültig bewiesen werden.

Brüder, wir sollten in Verbindung mit unserer Individualität eine große Achtung fühlen für unsere eigene Arbeitssphäre. Sie, die Sie Pastoren sind, sind nicht nur zu Wächtern der Seelen gesetzt, sondern zu Wächtern der Seelen an bestimmten Orten. Sie sollen, als Ganzes betrachtet, in alle Welt gehen, um das Evangelium zu predigen, aber ein Jeder von Ihnen muss diejenige Herde Christi weiden, über die der Heilige Geist ihn zum Aufseher gesetzt hat. (Apg. 20,28.) Hieran muss Ihre Hauptarbeit gewandt werden, denn hier liegt Ihre Hauptverantwortlichkeit. Ich möchte, dass jeder Bruder sehr hoch von der Stellung dächte, in die Gott ihn gesetzt hat. Wenn ich eine Schildwache bin, um die Armee an einem gewissen Posten zu hüten, so weiß ich, dass jeder Posten im ganzen Cordon wichtig ist; aber ich muss nicht träumen, dass der meinige es nicht sei. Wenn das, so mag ich zum Schlafen geneigt werden, und der Feind kann das Lager an dem Punkt überfallen, den ich hätte hüten sollen. Ich muss fühlen, als wenn alle Sicherheit des ganzen Lagers von mir abhinge wenigstens muss ich so eifrig und wachsam sein, als wenn dies der Fall wäre. Sie sehen die Glieder dieser Kette: jedes von ihnen hat seine Bedeutung. Gesetzt, dass eines sagte „ich kann durchrosten; es macht nichts aus, denn viele andere Glieder sind stark.“ Nein, mein Freund, die Kette ist von jedem einzelnen Gliede abhängig; und ebenso liegt in Betreff der Vollständigkeit des Werkes der Kirche und der vollkommenen Erbauung des Leibes Christi ein großes Gewicht der Verantwortlichkeit auf Ihnen. Ich bin sehr verantwortlich; ich gebe das zu; aber Sie haben Jeder Ihr Maß der Verantwortlichkeit, das Sie nicht auf eines Andern Schultern werfen können. Wenn die ganze Welt gesegnet würde und das kleine Dörfchen, dessen Pastor Sie sind, ungesegnet bliebe, so würde die allgemeine Erweckung Ihnen keine Freude sein, falls Ihre Nachlässigkeit Ihren kleinen Weinberg zu einer traurigen Ausnahme gemacht hätte. Sie würden sich freuen über die Zunahme des Segens an andern Orten, aber umso tiefer würde Ihr Bedauern sein, dass Sie daheim keinen Segen hätten.

Bleibe ein Jeder bei seinem Werke. Wenn ich fühlte, dass ich den Beruf hätte, ein Evangelist zu sein und überall umher zu gehen, um das Wort zu predigen, so würde ich mein Pastorat nicht behalten, weil das ungerecht gegen die Leute sein würde, die mich ihren Pastoren nennen. Ich freue mich, wenn ich Brüder, die sehr viel Nutzen schaffen, weit und breit umherreisen sehe, aber ich beklage es, wenn ich ihre Gemeinde dem Hunger und der Zerstreuung preisgegeben sehe. „Man hat mich zur Hüterin der Weinberge gesetzt, aber meinen eigenen Weinberg, den ich hatte, habe ich nicht behütet.“ Wenn wir nicht Beides tun können, so täten wir besser, es nicht zu versuchen. Ich wünsche keinen unserer Brüder von den ausgedehntesten Arbeiten abzuschrecken je weiter Sie gehen können, desto besser, denn die ganze Welt ist Ihre Gemeinde; aber dies muss nicht auf Kosten des Werkes getan werden, zu dem Sie sich durch Annahme eines Pastorats verpflichtet haben. Ein lieber Bruder sagte zu mir: „Ich wollte, Sie gingen umher und predigten überall im Land“, und machte als Grund geltend, dass meine Gemeindeglieder mich besser schätzen würden, wenn sie weniger von mir hätten. Ich erwiderte, ich wünschte nicht, dass sie mich mehr schätzen möchten, denn sie gingen in dieser Richtung schon so weit, als zulässig sei, und versicherte ihn, dass ich zu Hause bleiben würde aus Furcht, dass sie mich noch mehr schätzen würden. Ich hätte die ganze Welt durchstreifen und viel Gutes tun können, wenn dies mein Beruf gewesen, aber jener Tag wird's klar machen, ob ich nicht mehr auf dem Pfade der Pflicht und wirklichen Nutzenstiftens gewandelt, indem ich daheim Anstalten förderte und das Wort durch meine gedruckten Predigten viel weiter ausbreitete, als ich je mit meiner Stimme vermocht hätte.3) Sei dem so oder nicht, Brüder, wenn Sie wissen, welchen Teil Seines Werkes der HErr Ihnen anvertraut hat, so geben Sie Ihre ganze Seele demselben hin. Als ich neulich durch die berühmte Fabrik zu Sèvres ging, bemerkte ich einen Künstler, der eine sehr schöne Vase malte. Ich sah ihn an, aber er sah mich nicht an. Seine Augen waren mit etwas Besserem beschäftigt, als mit dem Anstarren eines Fremden. Es waren mehrere Personen dicht hinter mir, und sie alle sahen ihn an und machten Bemerkungen, doch des Arbeiters Auge bewegte sich nie von seiner Arbeit. Er hatte das Bild auf jener Vase zu malen, und welchen Nutzen konnte es ihm bringen, wenn wir von ihm oder er von uns Notiz nahm? Er blieb bei seinem Werk. Wir würden gerne eine solche Abstraktion und Konzentration in jedem Manne sehen, der des HErrn Werk zu tun hat. „Dieses Eine tue ich.“ Einige runzeln die Stirne, Andere lächeln über „dieses Eine tue ich.“ Manche denken, sie könnten es besser tun, aber „dieses Eine tue ich.“ Wie sie es tun könnten, mag ihre Sache sein; aber es ist sicherlich nicht die meinige.

Erinnern Sie sich, lieber Bruder, wenn Sie Ihre ganze Seele an den Ihnen überwiesenen Auftrag hingeben, so macht es nicht viel aus, wenn es eine kleine und unbedeutende Sache zu sein scheint, denn es kann sich ebenso viel Geschicklichkeit in der Verfertigung einer ganz kleinen Taschenuhr zeigen, als in der Zusammensetzung einer Turmuhr; in Wahrheit, ein sehr kleiner Gegenstand kann mehr Verwunderung erregen, als ein anderer von größeren Dimensionen. Qualität ist viel wertvoller, als Quantität. Haben Sie je das berühmte Gemälde im Haag gesehen, das man „Paul Potters Stier“ nennt? Es ist eins von den unsterblichen Gemälden der Welt. Was ist es? Nun, es ist nur ein Stier, und außerdem sind ein Mann und ein Baum und ein Frosch und ein paar Kräuter da. Es ist nur ein Stier. Ach, aber es gibt auf der Leinwand keinen anderen Stier in der Welt, der ihm gleichkommt. Mancher Mann hat es unternommen, eine wundervolle Landschaft in den Alpen oder Cumberland zu zeichnen, oder hat seinen Pinsel an einem prächtigen Seestück versucht, einer Flotte von Yachten, die auf den Wellen tanzen, und es ist ihm nicht gelungen. Die Gegenstände waren erhabener, aber die Kunst war armselig. Wir müssen niemals denken, dass wir das besondere Werk, welches wir in Händen haben, darum, weil es unbedeutend scheint, nicht von Grund aus gut tun könnten oder sollten. Wir brauchen göttliche Hilfe, um einer Gemeinde von Einer Seele richtig zu predigen. Wenn etwas überhaupt wert ist, getan zu werden, so ist es wert, gut getan zu werden. Wenn Sie die Straße zu fegen hätten, so wäre es gut, sie besser als jeder Andere zu fegen. Wenn Sie nur in Krähwinkel predigen, so lassen Sie Krähwinkel wissen, dass Sie Ihr Bestes tun, und sein Wohl wünschen. Mancher Prediger hat Berühmtheit erlangt, und was weit besser ist, hat zu Gottes Ehre gewirkt in einer Gemeinde, die sich nach Einzelnen zählen ließ, während ein Anderer einer großen Kirche vorgestanden. hat, und obgleich zuerst sehr in die Posaune gestoßen ward, so hat es doch in Stillschweigen und in Trauer über gänzliches Misslingen geendet. Kennen Sie Ihr Werk, und widmen Sie sich demselben, indem Sie Herz und Seele ganz hineinlegen, denn, ob es groß oder klein sei, Sie werden Gott in alle Ewigkeit zu danken haben, wenn Sie treu darin erfunden worden sind.

Gehe es gut oder übel, meine Kameraden, halten Sie die Festung. Einige Leute wollen ihre eigene Nachlässigkeit entschuldigen, indem sie die Zeiten tadeln. Was haben Sie und ich mit den Zeiten zu tun, ausgenommen, unserem Gott in denselben zu dienen? Die Zeiten sind immer schlecht für die, welche ein mürrisches Temperament haben. Ein Gelehrter erzählte uns, er habe einmal eine Stelle aus einem Buche einem würdigen Herrn von der verzagten Schule vorgelesen; sie beschrieb diese Tage der Lästerung und des Scheltens“ ich meine, das ist der richtige Ausdruck und beklagte die Abnahme der Gläubigen unter den Menschen. „Ach, wie wahr!“ sagte der würdige Mann, es ist das genaue Bild der Zeiten.“ „Welcher Zeiten?“ rief der Gelehrte aus. Dieser Zeiten, natürlich, war die Erwiderung. „Verzeihen Sie,“ sagte der Gelehrte, „diese Meinung wurde vor ungefähr 400 Jahren ausgesprochen: prüfen Sie selber das Datum des Bandes.“ Es würde schwer sein, den Nutzen des Schmähens auf die Zeiten ausfindig zu machen, denn Schmähen macht sie nicht besser. Was haben Sie mit den Zeiten zu tun? Tun Sie Ihr eigenes Werk. Karl XII. von Schweden hatte seinen Sekretär, dem er diktierte, an seiner Seite sitzen, als eine Bombe durch das Dach in das Nebenzimmer fiel. Der Sekretär ließ vor Schrecken seine Feder fallen, worauf der König fragte: „Was tun Sie?“ Der arme Mann stammelte: „Ach, Sire, die Bombe!“ Des Königs Antwort war: „Was hat die Bombe mit dem zu tun, was ich Ihnen sage.“ Sie werden entgegnen, dass des Sekretärs Leben in Gefahr war. Ja, aber Sie sind in jedem Falle sicher, denn Sie sind an Jesu Seite in heiligem Dienste, und kein Übel kann sie befallen. Wachen Sie weiter und wirken Sie weiter, selbst bis zum Krach des Jüngsten Gerichts. Überlassen Sie Gott die Zeiten und fahren Sie mit Ihrer Arbeit fort. Carlyle spricht irgendwo von dem Heimchen am Herde, das fortzirpt, während die Posaune des Erzengels ertönt: wer tadelt es dafür, dass es dies tut? Wenn Gott Sie zu einem Heimchen gemacht und Sie zirpen geheißen hat, so können Sie nichts besseres tun, als Seinen Willen erfüllen. Heute hat Er Sie zum Prediger gemacht, und Sie müssen in Ihrem Berufe bleiben. Wenn die Erde sich bewegte, und die Berge mitten ins Meer sänken, würde das unsere Pflicht ändern? Ich meine nicht. Christus hat uns gesandt, das Evangelium zu predigen, und wenn unser Lebenswerk nicht geendigt ist (und das ist es nicht), so wollen wir fortfahren, unsere Botschaft unter allen Umständen auszurichten, bis der Tod unsren Mund schließt.

Wir sollten erwägen, viertens, unsere persönliche Tauglichkeit, mit dem Wunsche, sie immer im besten Zustande zu erhalten. Es ist nicht nur ein Werk für jeden Menschen bestimmt, sondern jeder Mensch ist auch passend gemacht für sein Werk. Menschen werden nicht zu Tausenden in Eine Form gegossen; Jeder von uns ist von seinem Nächsten verschieden. Als Jeder von uns gemacht war, wurde die Form zerbrochen ein sehr befriedigender Umstand bei einigen Menschen, und es ist mir sehr fraglich, ob es nicht bei uns Allen ein Vorteil ist. Wenn wir indes Gefäße zum Gebrauch für den HErrn sind, so sollten wir keine Wahl verlangen, welches Gefäß wir sein wollten. Es war ein Kelch da, der auf dem Kommuniontische stand, als unser HErr jenes Osterlamm aß, nach dem Ihn so verlangt hatte, es mit Seinen Jüngern zu essen, ehe Er litt, und gewiss, dieser Kelch ward geehrt, als er an Seine Lippen geführt und den Aposteln gereicht wurde. Wer möchte nicht gern dieser Kelch sein? Aber es war auch ein Becken da, welches der Meister nahm, in das Er Wasser goss und der Jünger Füße wusch. Ich beteure, ich verlange keine Wahl, ob ich der Kelch oder das Becken sein soll. Gerne möchte ich sein, was der HErr will, so lange Er mich nur gebrauchen will. Aber dies ist klar - der Kelch würde ein sehr unzureichendes Becken gewesen sein und das Becken wäre ein sehr unpassender Kelch für die Kommunionfeier gewesen. So mögen Sie, mein Bruder, der Kelch sein, und ich will das Becken sein, aber lassen wir den Kelch einen Kelch sein und das Becken ein Becken, jedes das, wozu es tauglich ist. Sei du selber, lieber Bruder, denn wenn Du nicht Du selber bist, du kannst nicht Jemand anders sein, also musst Du dann, wie Du siehst, Niemand sein. Die allerschlimmsten Noten in der Musik sind die, welche unwahr sind; jeder wahre Ton hat seine eigene Musik. In einem Vogelhaus sind viele Vögel, und sie singen sehr lieblich, aber es sind drei Graspapageien unter ihnen, die nicht singen, sondern die andern Vögel nachahmen und sehr wirksam das Konzert stören. Ihre Nachahmung scheint die natürliche Musik der anderen zu übertäuben. Seien Sie nicht ein bloßer Kopist, ein Borger und Verderber der Noten Anderer. Sagen Sie, was Gott Ihnen gesagt hat, und sagen Sie es auf Ihrer eigenen Weise, und wenn es so gesagt ist, so bitten Sie persönlich um des HErrn Segen dazu.

Halten Sie Ihre Tüchtigkeit für Ihr Werk stets auf der höchsten Stufe. Haben Sie nicht so große Eile mit dem Tun, dass sie das Sein vergessen, seien Sie nicht so begierig, auszugeben, dass Sie niemals einnehmen. Dies ist die Hast, welche nichts beschleunigt. Der alte Stoffel hatte einen großen Haufen Holz vor sich und sägte sehr fleißig, um diesen Haufen kleiner zu machen. Seine Säge hatte sehr nötig, geschärft und in Ordnung gesetzt zu werden, und es war schreckliche Mühe, sie überhaupt nur in Bewegung zu bringen. Ein ehrlicher Nachbar trat zu ihm und sagte: „Stoffel, warum lässt du die Säge nicht schärfen? Die muss zurecht gemacht werden, dann könntest du viel mehr arbeiten.“ „Geh doch,“ sagte Stoffel „,quäle mich nicht so. Ich habe genug zu tun, diesen Haufen Holz durchzusägen, ohne still zu stehen, um meine Säge zu schärfen.“ Es ist unnötig, auf die Moral dieser Anekdote hinzuweisen; beachten Sie dieselbe in Zukunft und handeln Sie danach. Es ist Verschwendung, nicht Ersparung der Zeit, wenn man Studium, Privatgebet und gehörige Vorbereitung auf das Werk versäumt.

Halten Sie Ihre Tüchtigkeit in gutem Stand, besonders in geistlichem Sinne. Wir haben mehr Ursache, zu beten und unsere Bibel zu lesen, als irgendwelche andere Leute in der Welt. Es war ein sehr regnerischer Tag das letzte Mal, als ich in Köln war, und ich hatte ein Zimmer im Hotel, das mir einen sehr pittoresken Anblick auf eine öffentliche Pumpe darbot. Es war nichts anderes da zu sehen, und es regnete so stark, dass ich mein Quartier nicht verändern konnte, so saß ich und schrieb Briefe und blickte auf die alte Pumpe. Die Leute kamen mit Eimern, um Wasser zu holen und Einer kam mit einem ganzen Fass auf dem Rücken und füllte es. Im Laufe einer Stunde kam dieses Individuum mehrere Male, in der Tat, es kam fast so oft, als alle Andern zusammen und füllte immer sein Gefäß. Er kam und kam und kam die ganze Zeit; und ich schloss mit Recht, dass er ein Wasserverkäufer sei und andere Leute versorgte; darum kam er häufiger, als irgendein Anderer und hatte ein größeres Gefäß. Und dies ist genau unsere Lage. Da wir das lebendige Wasser Anderen zu bringen haben, so müssen wir öfter zu dem Brunnen gehen und mit geräumigeren Gefäßen gehen, als die gewöhnlichen Christen. Achten Sie also wohl auf die Kraft Ihrer persönlichen Frömmigkeit und beten Sie, dass Sie mit aller Fülle Gottes erfüllt werden.

Noch eins, denken Sie an unsere persönliche Verantwortlichkeit. Ich werde mich nicht darauf einlassen, sehr tief in diese Frage hinein zu gehen, aber jeder Bruder sollte sich erinnern, dass wie gut oder schlecht ein Anderer sein Werk tun mag, dies keinerlei Einwirkung auf unsere eigene, persönliche Verantwortlichkeit vor Gott haben kann. Manche tadeln Andre mit einer Art stillschweigender Voraussetzung, dass sie dadurch sich selber rühmen; denn wenn wir die Art und Weise eines anderen Arbeiters kritisieren, so geben wir damit zu verstehen, dass unsere eigene Art und Weise vorzüglicher ist oder sein würde, wenn wir eine hätten. Nun, Bruder, es mag so sein. Es mag sein, dass Andere nicht weise sind, kaum rechtgläubig sind, fanatisch, regellos und dergleichen sind, aber was haben Sie mit ihnen zu tun? Ihrem eigenen HErrn werden sie stehen oder fallen, und Gottes Gnade wird sie stehen machen; aber Ihre Weisheit, die sie kritisiert, mag Ihnen eine Schlinge werden und Sie zu Fall bringen. Sie haben noch Ihr Werk vor Gott zu bringen, um es durchs Feuer prüfen zu lassen. Seelen sind Ihnen anvertraut, und von diesen müssen Sie Rechenschaft ablegen. Gott beabsichtigt nicht diese Seelen durch Jemand anders zu segnen; sie sollen durch Sie bekehrt werden; handeln, leben und predigen Sie in solcher Weise, dass es wahrscheinlich ist, Gott werde sie durch Sie bekehren? Das ist die Frage.

Persönliche Verantwortlichkeit sollten wir jetzt fühlen, sonst mag sie uns eines Tages aufs Herz fallen, schwer sowohl wie schmerzlich. Wenn Sie mit Krankheit geschlagen sind und Stunde nach Stunde sich auf dem Bette wälzen in den stillen Stunden der Mitternacht, so werden Sie, wenn Sie ein wenig Ruhe von den Schmerzen haben, oder selbst, wenn Sie diese nicht haben, aller Wahrscheinlichkeit nach, sich meistens mit dem Überlegen des Werkes beschäftigen, das Sie bisher getan haben oder ungetan gelassen. Glauben Sie mir, Brüder, dieses Überlegen dient nicht zu unserer Befriedigung. Es sind Teile Ihres Werkes da, bei denen Sie mit Freude verweilen werden und sagen: „Ehre sei Gott, dieses Werk ward jedenfalls mit einem reinen Herzen und zu Seiner Ehre getan und Er segnete es“; und Sie fühlen sich bereit, ein Lied darüber zu singen; aber kaum haben Sie Zeit, dies zu endigen, ehe Sie über ein Stück Arbeit zu weinen haben, das oberflächlich getan oder befleckt war, und Sie können nicht anders, als wünschen, dass Sie es alles noch einmal wieder tun könnten. O Brüder, wir werden bald sterben müssen. Wir sehen uns heute einander ins Antlitz in Gesundheit, aber es wird ein Tag kommen, wo Andere auf unser bleiches Angesicht niederblicken werden, wenn wir in unserem Sarge liegen, und wir werden nicht im Stande sein, ihren Blick zu erwidern. Es wird von wenig Belang sein, wer dann auf uns schaut, aber es wird von ewigem Belang sein, wie wir unser Werk im Leben getan haben. „Mene, mene, tekel, upharsin“! „du bist gewogen und zu leicht erfunden“ wird das der Urteilsspruch über Einen von uns sein, wenn wir vor dem HErrn, dem allmächtigen Gott stehen werden, der die Herzen prüft und die Nieren der Menschenkinder erforscht? Sein Feuer ist zu Zion und Sein Feuerofen zu Jerusalem. Seine Eifersucht ist sehr stark über die, welche Ihm am nächsten kommen, Er will die Sünde nicht in Seinen auserwähltesten Knechten dulden, denn Er schlug Nadab und Abihu, weil sie fremdes Feuer auf Seinen Altar brachten, und Er machte den falschen Apostel zu einem ewigen Denkmal der Verachtung. Mögen wir durch die allmächtige Gnade aufrecht erhalten bleiben, sonst wird die Verantwortlichkeit, die auf uns ruht, uns zu Staub zermalmen.

Ich fühle, dass diese Sache der Persönlichkeit Ihnen sehr aufs Herz gelegt werden kann, meine Brüder, in allen ihren fünf Punkten; und in allen wird sie nützlich sein. Wenn wir unsere individuelle Verantwortlichkeit recht fühlen, so werden wir uns des Richtens Anderer enthalten. Wir sind Alle zu bereit, auf den Richterstuhl zu steigen. Der Eine richtet seinen Nächsten und verurteilt ihn, weil so Wenige zu seiner Kirche hinzugekommen sind. Ich würde selber traurig sein, wenn ich wenig Bekehrungen sähe, und ich würde mich strenge tadeln, aber es würde sehr, sehr unrecht sein, wenn ich Andere unterschiedslos tadeln wollte. Unseres Bruders Zuhörerschaft mag kleiner sein, als die unsrige; die Herzen der Leute mögen lange durch kalte, tote, stereotype Predigt hart gemacht sein, und es ist vielleicht sehr viel Arbeit zu tun, ehe sie ein Interesse am Evangelium nehmen, geschweige denn, es auf sich wirken lassen. Möglicherweise kann es geschehen, dass der Prediger, der einen Neubekehrten hat, sagen kann, wie die Löwin von ihrem Einen Jungen, als die Füchsin damit prahlte, dass sie so viele hätte, „Eins, aber das Eine ein Löwe!“ Der Prediger, dessen ganze Jahresarbeit mit Einem Bekehrten schloss, und dieser Eine war Moffat, hatte am Ende doch keine kärgliche Ernte.

Andererseits habe ich bemerkt - und ich glaube, noch häufiger - dass Brüder, welche wenige Bekehrte haben, diejenigen richten, die viele haben. Nun, dies würde auch ein Ende haben, wenn Jeder seinen Platz kennte und Freude an seinem eigenen Werk hätte und nicht auf ein anderes neidisch wäre. Man sagt: „O, aber diese zahlreichen Bekehrungen können nicht alle echt sein.“ Warum nicht? Warum sollte ihre Zahl Verdacht erwecken? Ich habe sehr wenige Sovereigns in meiner Börse, und

es sind Haufen davon in der Bank von England, doch vermute ich, dass sich unter der Menge Goldmünzen, die in die Bank kommen, wahrscheinlich nicht so leicht eine falsche findet, als unter den, wenigen, die meine oder Ihre Tasche erreichen. Die Quantität braucht die Qualität nicht zu verschlechtern. Ich habe zuweilen eine Vorstellung ich weiß nicht, ob sie korrekt ist dass da, wo so sehr wenig Bekehrte zu der Kirche hinzugetan werden, sich etwas Unglaube finden mag. Als ich von Genua auf der Eisenbahn entlang fuhr, war sie an mehreren Stellen beschädigt und an einer Stelle war der Damm nicht ganz zerstört, aber doch schwächer geworden, und deshalb ließ man die Wagen einen nach dem andern hinüberfahren. Man fürchtete den Weg, und erlaubte darum nicht zu vielen, gleichzeitig darauf zu sein. Ich mag nicht richten, aber ich denke zuweilen, wenn die Brüder die Bekehrten so langsam einbringen, dass sie ein wenig zittern in Betreff der Kraft seligmachender Gnade, so Viele zu tragen. Es wäre nicht schwer, auf jeder Seite tadelsüchtig zu sein, aber wir werden dies nicht sein, wenn wir wohl auf das Amt sehen, das uns übertragen ist, und fühlen, dass wir selbst der göttlichen Hilfe bedürfen.

Unsere Individualität wird uns durch Gottes Gnade davor. bewahren, Andere zu beneiden. Dieses Laster ist ekelhaft und frisst um sich wie der Krebs. Zorn ist ein wütiges Ding und Grimm ist ungestüm; aber wer kann vor dem Neide bestehen?“ Ich habe Leute nur in der Absicht, Anderen zu schaden, Meinungen aussprechen hören, durch welche sie selber verdammt wurden. Ihnen war's gleich, ob sie umkamen, wie Simson, so lange sie nur das Haus auf Andere niederrissen. Eine alte Geschichte erzählt uns, dass ein König zwei Männer zu seinem Palaste einlud, von denen, wie er wusste, der Eine ein Sklave des Neides war. „Nun,“ sagte er, ich will euch geben, was euch gefällt, unter der Bedingung, dass dieser Mann zuerst wählen und sein Gefährte zweimal so viel haben soll, als er selbst. Der Erste war neidisch: er wünschte sich großen Reichtum, aber er konnte nicht vertragen, dass der Andere das Doppelte haben sollte. Er wollte deshalb um etwas Geringeres bitten, aber auch dann wäre der Andere im Vorteil gegen ihn gewesen, und wie die Fabel lautet, denn vielleicht war es nur eine Fabel behielt sein Neid so die Oberhand, dass er erwählte, eins von seinen Augen sich ausreißen zu lassen, damit der Andere ganz blind werden möchte. Dem ähnlich ist der Sinn derjenigen, die sich Anderen entgegenstellen und Gründe geltend machen, die über ihr eigenes Werk den Stab brechen. Bruder, tue das nicht. Wenn dein Bruder von Gott begnadigt wird, danke Gott dafür; wenn du nicht so begnadigt wirst, sei gedemütigt und bete ernstlicher. Wenn dir der Segen nicht zu Teil wird, so freue dich doch, dass er deinen Kameraden fröhlich macht. In jedem Fall beneide nicht.

Auf der anderen Seite, liebe Brüder, sollte dieses Gefühl der Individualität uns abhalten, Andere zu verachten. Die Frage kommt zuweilen auf die Lippen in Betreff eines sehr schwachen und wenig begabten Bruders: HErr, was soll aber dieser?“ Die Antwort des HErrn ist: „Was geht es dich an? Folge du Mir nach.“ Es gibt bessere Arten, unsere Zeit zuzubringen, als mit Verlachen oder Verachten unserer Brüder. Ein weit besseres Werk ist es, denen zu helfen, die schwach sind, und die zu ermutigen, die niedergeschlagen sind.

Liebe Brüder, hier ist genug über diesen Punkt und ich will nicht so lange bei dem andern verweilen, damit ich Sie nicht ermüde. Ich wünsche indes, dass das Gesagte in unser aller Herzen bleiben möge.

Kommen wir nun zu der entgegengesetzten Seite der Sache. Ich will nicht die alten Logiker nachahmen, die „widerlegen, die Parteien wechseln und dann abermals widerlegen“ konnten, denn was ich zu sagen habe, ist nicht in Opposition, sondern in Apposition, es ist nicht die Reverse, sondern die Converse. Ich kann das Wort nicht finden, um es auszudrücken. Unsre Sprache ist noch unvollkommen; sie enthält nicht die Converse von Individualität. Ich schlug in „Bogets Thesaurus“ nach, ich tat mehr, ich fragte ein lebendiges, jetzt unter Ihnen befindliches Lexikon um Rat, aber ich konnte das Wort nicht finden, und es gibt kein solches Wort, obgleich es eins geben sollte. Will irgend Jemand hier, der ein Wortmacher ist, so freundlich sein, mir ein Wort zu prägen, das in Opposition oder Apposition zu dem Wort Individualität steht? Bis dahin muss ich mich ohne bezeichnenden Namen behelfen und weiter gehen.

Lassen Sie uns alle fühlen, liebe Brüder, dass, obgleich wir Jeder ein Werk zu tun haben, und die Tauglichkeit dazu besitzen, wir doch nicht die einzigen Arbeiter in der Welt sind. Bruder, Sie sind nicht die einzige Lampe, welche die Finsternis der Erde erleuchtet, nicht der einzige Säemann, der den guten Samen auf das Feld sät, nicht die einzige Posaune, durch welche Gott Sein Jubeljahr ankündigt, nicht die einzige Hand, durch welche Er die Menge speist. Sie sind nur ein Glied des Leibes Christi, ein Soldat des großen Heeres. Dieser Gedanke sollte Sie ermutigen und die Verzagtheit mildern, welche das Alleinsein erzeugt. Als Gott die Fliegen und Heuschrecken und Raupen sandte, um Ägypten zu besiegen, da hätte Pharao jeden einzelnen von diesen unbedeutenden Kriegern verlachen und sagen können: „Was kann diese Raupe tun? Ich trotze dem HErrn und seinen Raupen.“ Aber die Raupe hätte erwidern können: Hüte dich, o König, denn unserer sind zehntausend. Wir kommen in mächtigen Heeren und wollen das ganze Land bedecken. Schwach, wie jede einzelne von uns ist, wird doch der HErr Seine Allmacht durch die Vervielfältigung unserer Zahlen beweisen.“ So war es in den ersten Tagen des Christentums. Christen kamen nach Rom - ein paar arme Juden waren es, und sie wohnten im Ghetto in Obskurität; allmählich wurden ihrer mehr. Mittlerweile waren ein paar nach Spanien hinübergegangen; bald waren ihrer mehr. Ein paar hatten Britannien erreicht: bald waren ihrer mehr. Die Völker, zornig über dieses Eindringen, machten sich daran, diese Plagen der Gesellschaft zu vernichten, welche „die Welt von unten nach oben kehrten.“ Sie quälten, verbrannten und töteten sie, aber sie kamen in Zügen und Schwärmen und obgleich sie ohne Barmherzigkeit erschlagen wurden, waren stets mehr da, die nachfolgten. Die Feinde Gottes konnten unmöglich gegen dieses ungeheure Heer, das vorwärts drang, Stand halten. Ebenso ist es heute noch. „Der HErr gab das Wort: groß war die Menge derer, die es verkündeten.“ Sie verkünden Christum nicht allein, Ihre Stimme ist nur Eine in dem mächtigen Orchester. Die ganze Welt ist voll von dem Preise Gottes; ihre Schnur geht aus in alle Lande, und ihre Rede an der Welt Ende.

Auch denken wir nicht nur an die streitende Kirche, wir heben unsere Augen über das Firmament empor und sehen eine noch herrlichere Schar; denn des Meisters Ehre und Herrlichkeit ist nicht allein in den Händen der müden, abgematteten Arbeiter hienieden gelassen. Sein Ruhm erklingt von Harfen, die nie einen Misston geben und von Händen, die nie befleckt sind, gespielt werden. Als ein College haben wir in jenem Heer unsere Kameraden, deren Gedächtnis noch grün ist. Ich will nicht viele Namen nennen, aber ich kann nie einen unserer frühesten Brüder, A. Searle, vergessen, dessen Gemüt schön war wie eine auserlesene Blume; und Paterson, unbeugsam in seiner Beharrlichkeit, der seine Kräfte in selbstverleugnender Arbeit verzehrte. Nic können wir es unterlassen, uns unseres apostolischen Bruders Sergeant zu erinnern, der eines Denkmals von köstlichen Steinen wert wäre; und des im Dienste seines HErrn unermüdlichen Davis. Es würde nur traurige Erinnerungen erwecken, wenn ich die edle Liste derjenigen fortsetzen wollte, die hinauf gegangen sind; mögen wir uns so treu erweisen, wie sie es waren. Aber nicht nur mit ihnen haben wir Gemeinschaft, wir sind Eins mit allen Gläubigen. Luther und Calvin, und Wycliffe und Latimer, und Whitefield und Wesley und alle Heiligen, welche Jesum Christum gepredigt haben, sind unsere Kameraden. Sie sind jetzt nicht Prediger, das ist wahr, aber sie verherrlichen immer noch Gott, und das in der edelsten Weise. Es erquickt mein Herz, an die zu denken, deren Schlacht geschlagen und auf ewig gewonnen ist. Man erzählt, dass die venetianischen Frauen, wenn ihre Männer auf dem adriatischen Meere fischen, an den lieblichen Sommerabenden zum Meeresufer gehen, wenn Alles ruhig und klar ist, und einen Gesang anstimmen. Sie singen die erste Stanze in den schrillen Silbertönen der weiblichen Stimme, und dann warten sie. Sie können kein einziges Boot auf dem Meere sehen, die blaue Adria ist nirgends mit einem Segel punktiert; aber gleich darauf, geheimnisvoll über die Wasser hinübergetragen, kommt die zweite Stanze. Ihre Männer sind aus dem Bereich des Gesichts, aber nicht aus dem des Gehörs, und sie antworten mit dem zweiten Teil des Gesanges. Ebenso. singen in diesem Augenblick unsere Freunde an den Ufern des Himmels uns zu! Horchen Sie, ich bitte Sie! dies sind die Töne:

Wir Alle, die wir stehen verklärt,
Hier, wo der Sabbat ewig währt,
Wir preisen Jesu Namen.
Sein ist die Macht für alle Zeit,
Lob, Ehre Ihm und Herrlichkeit
Von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Würdig, das Lamm!

Hörten Sie nicht diesen Lobgesang? Sollen wir antworten? Kommt, meine Brüder, lasst uns ihnen antworten! Lasst uns begeistert singen:

Ihr steht vereint um Seinen Thron,
Werft jauchzend nieder eure Kron,
Und preiset Seinen Namen.
Wir, durch Sein Blut von Sünd befreit,
Zu Seinem Dienste hier geweiht,
Verkünden Seine Herrlichkeit,
Würdig' das Lamm!

Brüder, wir sind nicht allein. Legionen Engel sind um uns her. Scharen verklärter Geister blicken auf uns hernieder. Wir sind mit einem mächtigen Heere von Helfern umgeben. Wir sind umringt von einer großen Wolke von Zeugen. „Darum lasst uns ablegen die Sünde, so uns immer anklebt und träge macht, und lasst uns laufen durch Geduld in den Kampf, der uns verordnet ist und aufsehen auf Jesum.“

Es ist gut für uns, wenn wir uns neben diesem allen noch daran erinnern, dass wir, obgleich wir Individuen sind und unsre Persönlichkeit aufrecht halten müssen, doch nur Werkzeuge für göttliche Zwecke sind. Wir sind gar nicht ohne Gott, und gelobt sei Gott, wenn wir nicht ohne Ihn sind. Es ist gut, je dann und wann in gänzlicher Ermattung auf die Prädestination zurückzufallen. Sie ist ein Bett für die Trägheit einiger Menschen; uns sollte sie ein Lager für unsre Erquickung sein. Im Grunde geschieht ja doch Gottes Wille. Seine tiefen, ewigen, unveränderlichen Ratschlüsse werden erfüllt. Weder die Wut der Hölle noch die Feindschaft der Menschen sind im Stande, den Gang der ewigen Bestimmungen aufzuhalten. Gott tut, wie Er will, nicht nur unter den Heeren des Himmels, sondern auch unter den Einwohnern dieser niederen Welt. lässt die Wut der Menschen zu Seinem Preise dienen und aus dem Bösen bringt Er Gutes hervor. Es ist so süß, zu fühlen, dass Gott hinter uns ist, dass Gott in uns ist, dass Er mit uns wirkt. Als Oncken anfing, in Hamburg zu predigen, ward er mehrmals vor den Bürgermeister gebracht und zum Gefängnis verurteilt. Dieser Richter sagte ihm eines Tages in sehr bitteren Worten: „Herr Oncken, sehen Sie diesen kleinen Finger?“ „Ja, Herr Bürgermeister.“ „So lange dieser kleine Finger in die Höhe gehoben werden kann, so lange will ich Sie zum Schweigen bringen.“ „Ach,“ sagte Oncken, „ich glaube nicht, dass Sie sehen, was ich sehe; denn ich sehe nicht einen kleinen Finger, sondern einen großen Arm, und das ist der Arm Gottes, und so lang dieser sich bewegen kann, werden Sie mich nicht zum Schweigen bringen.“ Der Widerstand, der sich gegen den wahren Diener Christi erhebt, läuft doch am Ende auf nicht mehr hinaus, als auf des Bürgermeisters kleinen Finger, während die Macht, welche mit uns ist, jener ewige und allmächtige Arm ist, dessen Kraft die Himmel und die Erde erhält. Wir brauchen uns deshalb nicht zu fürchten. Gottes Gegenwart macht uns kühn.

Lassen Sie uns den Ulanen im letzten Kriege zum Vorbild nehmen. Stellen Sie sich ihn vor, einen einzelnen Mann, tapfer und kaltblütig, auf einem schnellen Pferde reitend. Er trabt eine jener endlosen französischen Straßen entlang, die keine Abwechslung bieten, ausgenommen, dass dann und wann eine Pappel vielleicht einen halben Zoll höher ist, als eine andre; er reitet rasch und furchtlos, obgleich auf allen Seiten Feinde sind. Dieser Eine Mann passiert ein Dorf, und Feder erschrickt. Er betritt eine Stadt. Ist er nicht tollkühn? Ganz allein ist er vors Rathaus geritten, und verlangt Betten und Vorräte. Weshalb ist er so kühn? Augenscheinlich fürchten sich Alle vor ihm. Fragen Sie den Mann, warum er so waghalsig ist, und er antwortet: „Es ist eine Armee hinter mir, darum fürchte ich mich nicht.“ So müssen Sie, lieber Bruder, einer der Ulanen des HErrn, des allmächtigen Gottes, sein und sich niemals fürchten, denn der ewige Gott wird Ihr Lohn sein. Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden,“ spricht unser Befehlshaber, darum geht hin und lehrt alle Völker, und tauft sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Mir ist, als wenn Er hier diesen Morgen wäre, auf Sie, als seine Soldaten, blickte und spräche: „Sieget in Meinem Namen.“ Gehen Sie denn, meine Brüder, reiten Sie in jene Dörfer und wecken Sie dieselben auf. Gehen Sie in jene kleinen Städte und fordern Sie dieselben auf, sich zu ergeben. Gehen Sie in die großen Städte und verkünden Sie ihnen: Christus verlangt, dass ihr eure Herzen Ihm überlasst.“ Tun Sie dies, und Er wird Ihr Wort wirksam machen.

Es ist uns gut, wenn wir in Verbindung mit dem Bewusstsein der Individualität fühlen, dass wir den Geist Gottes in uns haben. Ich bin, was ich bin; aber ich bin viel mehr, als ich bin; denn es wohnet in mir der Heilige Israels. Wisset ihr nicht, dass eure Leiber Tempel des Heiligen Geistes sind? Nicht die Landhäuser, die Bergschlösser eines hohen Reisenden, der dort eine kurze Zeit weilt. Ihre Leiber sind die Tempel des Heiligen Geistes. Dies sollte uns Achtung vor uns selber einflößen; verstehen Sie mich und missdeuten Sie nicht den Ausdruck. Sie sollten fühlen, dass dasjenige, was Sie unter dem Einfluss des göttlichen Geistes tun, kein so schwaches Werk ist, als es sonst sein würde. Wo der Geist ist, da ist Kraft zur Erfüllung der göttlichen Endzwecke. Es würde weit besser sein, sechs Worte durch den Heiligen Geist zu sprechen, als sechstausend ohne ihn. Eine Predigt ist nicht nach ihren Worten zu beurteilen, eine gewisse innere Kraft ist ihre Seele und ihr Leben; und Gottes Urteil über die Rede wird sich richten nach dem Maße der wirklichen Blüte und Frucht des innewohnenden Geistes, die unter den Blättern der Predigt verborgen liegt. Liebe Brüder, ich habe Leute sagen hören: „Ich hörte N. N. predigen, und es war wirklich nichts darin; aber doch waren Viele davon ergriffen.“ Grad' so; Gott braucht keinen gemalten Tempel; farbiges Glas und alle Art von äußerlichem Schmuck und Pub, darum kümmert ER sich nicht. Wer das meint, ist papistisch, ob er es in Betreff der Tempel, die mit Händen gemacht sind, oder der Tempel unserer Menschheit meint. Gibt es nicht ein Papsttum des Verstandes und ein Papsttum der Beredsamkeit, in Folge dessen wir annehmen, dass Gott nicht in dem ungebildeten oder stockenden Sprecher ist, sondern nur in der Geläufigkeit und Schönheit der Sprache wohnt? Wo es Gott gefällt, zu wohnen, da ist ein Palast. Seine Gegenwart verherrlicht den Ort, wo Er weilt. Ist irgendetwas sehr Wundervolles in der Bauart von Shakespeares Haus in Stratford am Avon? Dennoch kommen von den äußersten Enden der Erde Verehrer des großen Dichters der Welt dahin, weil Shakespeare einst da war. Gesetzt, Shakespeare wäre jetzt da! Was würden seine Verehrer dann tun? Nun, heut, an diesem Tage sind unsere armen, geringen Organismen und Körper und Leibeshütten seien sie, wie sie wollen die Tempel des Heiligen Geistes. Es ist nicht nur, dass er da war, das lässt uns sogar die Asche der Heiligen ehren, sondern er ist jetzt da. Mögen wir nie über Seine Abwesenheit zu trauern haben. Wir können ein schönes Haus sehen, dessen Eigentümer tot ist, nur sein Bild hängt an der Wand; aber unsere Freude ist, dass der lebendige Christus jetzt in uns ist durch die Kraft Seines Geistes. Ich ging vor einigen Jahren in Rom in das Kloster, welches an die Kirche von Sankt Onofrid stößt, und man zeigte mir da die Zimmer, in welchen Tasso wohnte, und sein Bild war so geschickt an die Wand gezeichnet, dass es ganz so aussah, als wenn Tasso da wäre. Es war auch sein Bett da, und seine Feder und sein Tintenfass, und etwas von dem Papier, auf dem er schrieb; aber es waren keine neuen Stanzen von dem „Befreiten Jerusalem“ zu hören. So können wir das Bild Christi in unserer theologischen Kenntnis von Ihm haben, wir können die Feder, womit Er zu schreiben pflegte, in unserer Fähigkeit, für Ihn zu sprechen, besitzen, und wir können das Papier, auf dem Er zu schreiben gewohnt war, haben in Herzen, die sich für das Evangelium interessieren; aber kein Befreites Jerusalem“ wird hervorgebracht werden, wenn nicht Jesus selber da ist. Brüder, wir müssen Christus in uns haben, die Hoffnung der Herrlichkeit; den Geist in uns wohnend haben, das reine, das immerfließende Leben, sonst wird unser Leben ein verfehltes sein. O HErr, bleibe bei uns!

Ich muss mit der Bemerkung schließen, dass es ein sehr köstliches Ding ist, zu fühlen, dass alles Werk, was wir tun, Jesu Christi Werk ist, und dass es nicht halb so sehr unser ist, als Sein. Die Schafe, die wir zu weiden haben, sind Seine Schafe; die Seelen, die wir zu Ihm zu führen haben, wurden mit Seinem Blut erkauft, das geistliche Haus, das erbaut werden soll, ist Seine Wohnung. Es ist alles Sein. Ich freue mich, für meinen HErrn und Meister zu arbeiten, weil ich eine gesegnete Gemeinschaft der Interessen mit Ihm fühle. Das ist nicht meine Sonntagsschule, es ist die meines HErrn, und Er sagt: „Weide Meine Lämmer.“ Es ist nicht meine Kirche, sondern Seine, und Er ruft: „Weide Meine Schafe.“ Meine sind Sein, und Seine sind mein; ja, alle sind Sein. In den Tagen, als Diener noch Diener zu sein pflegten, und Anhänglichkeit für ihre Herren hatten, war bei einem unserer Adeligen ein alter Bedienter, der schon bei seinem Vater gewesen war, und nun grau wurde. Der Edelmann amüsierte sich oft an der Art, in welcher der gute Alte Alles, was seinem Herrn gehörte, als sein eigen ansah. Mir gefiel die Erzählung nicht nur, sondern sie rührte mein Herz, als ich sie hörte. Se. Lordschaft sagte einst zu ihm: John, wessen Wagen ist das, der da gerade mit Sachen beladen heraufkommt?“ „,“ sagte er, „das ist unser. Das sind Sachen aus unserem Stadthause.“ Seine Lordschaft lächelte, und als eine Kutsche den Fahrweg heraufkam, sagte er: „John, wessen Kutsche ist das, die da in den Park hineinfährt?“ „O,“ sagte er, „das ist unsere Kutsche.“ „Aber,“ sagte der Herr, „es sind ein paar Kinder darin, John; sind das unsere Kinder?“ „Ja, Mylord, das sind unsere Kinder, Gott segne sie, ich will hinlaufen und sie hereinbringen.“ Mein HErr Jesus, wie darf ich die Impertinenz haben, etwas zu beanspruchen, was Dein ist? Und doch, wenn ich auf Deine Kirche blicke, bin ich so vollständig Dein Diener, und so ganz in Dir aufgegangen, dass ich sie ebenso wohl als meine ansehe, wie als Deine, und ich gehe hin, um Deinen lieben Kindern zu dienen. Ja, HErr, und alle diese meine Brüder gehen auch. Komm mit uns, HErr, um Deiner Liebe willen. Amen.

1)
Wir haben dieses Wort um des Folgenden willen, nach dem Englischen geformt. Anm. d. Übers.
2)
I engl. Spr. - ich.
3)
Spurgeon, der noch jetzt trotz seiner Überhäufung mit anderen Geschäften, oft in einer Woche an 2-3 andern Stellen redet, predigt doch am Sonntag niemals anderswo, als in seinem eigenen Tabernakel, die wenigen Wochen ausgenommen, wo er zur Stärkung seiner Gesundheit vom Hause abwesend ist. Auch Montags und Donnerstags Abend lässt er sich nur selten dringender Gründe willen durch Andere vertreten. Anm. d. Übers
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