Spurgeon, Charles Haddon - Der Seelengewinner - Das Seelen-Erretten ist unser Hauptgeschäft.
“Ich bin jedermann allerlei geworden, auf dass ich allenthalben ja etliche selig mache.“
1. Kor. 9,22.
„Auf dass ich durch alle Mittel etliche errette.“ (N. d. engl. Üb.)
Es ist etwas Großartiges, einen Mann völlig von einer Hauptleidenschaft hingerissen zu sehen. Solch' ein Mann ist sicherlich stark und wird, wenn seine Haupttriebkraft eine treffliche ist, auch trefflich sein. Der Mann mit einem Ziel ist in der Tat ein Mann. Ein Leben mit vielen Zielen gleicht dem Wasser, das durch unzählige Bäche rieselt, von denen keiner weit oder tief genug ist, auch nur eine Muschelschale von einem Boot zu tragen; aber ein Leben mit einem Ziel ist wie ein mächtiger Strom, der zwischen seinen Ufern dahinflutet, eine Menge Schiffe dem Ozean zuführt und Fruchtbarkeit zu beiden Seiten verbreitet. Gebt mir einen Mann, der nicht nur ein großes Ziel hat, sondern auch völlig davon hingerissen ist, seine Kräfte alle darauf richtet und voll Feuer und heftigem Eifer für sein höchstes Streben ist, so habt ihr mir eine der größten Quellen der Kraft, welche die Welt erzeugen kann, vor Augen gestellt. Gebt mir einen Mann, dessen Herz voll heiliger Liebe ist und dessen Kopf von einem erhabenen, himmlischen Gedanken erfüllt ist, und ein solcher Mann wird bekannt werden, wohin auch sein Los ihn wirft, und ich wage zu prophezeien, dass man sich seines Namens noch lange erinnern wird, wenn auch der Ort seines Grabes vergessen ist.
Ein solcher Mann war Paulus. Ich beabsichtige nicht, ihn auf ein Piedestal zu stellen, damit ihr ihn anblickt und bewundert, viel weniger, damit ihr niederknieet und ihn als einen Heiligen verehrt. Ich nenne Paulus, weil jeder von uns sein sollte, was er war; denn obwohl wir nicht sein Amt haben können, da wir keine Apostel sind, und obwohl wir nicht seine Talente oder seine Inspiration haben können, sollten wir doch denselben Geist haben, der ihn beseelte, und lasst mich hinzufügen, wir sollten ihn in demselben Maße haben. Bezweifelt ihr das? Ich frage euch, was war durch Gottes Gnade in Paulus, das nicht in euch sein könnte, und was hat Jesus für Paulus mehr getan, als für euch? Er war göttlich verwandelt, und das seid ihr auch, wenn ihr von der Finsternis zu seinem wunderbaren Lichte gekommen seid. Ihm war viel vergeben, und euch ist auch viel verziehen worden. Er war durch das Blut des Sohnes Gottes erlöst, und das seid ihr auch, wenigstens behauptet ihr, es zu sein. Er war voll von dem Geiste Gottes, und das seid ihr auch, wenn ihr wirklich so seid, wie ihr nach eurem christlichen Bekenntnis sein solltet. Da ihr also euer Heil Christo verdankt, Schuldner des teuren Blutes Jesu seid und durch den Heiligen Geist lebendig gemacht, so frage ich euch, warum nicht dieselbe Frucht aus demselben Samen kommen sollte? Warum nicht dieselbe Wirkung aus derselben Ursache? Sagt mir nicht, dass der Apostel eine Ausnahme sei und nicht als Regel oder Muster für gewöhnlichere Leute aufgestellt werden könne, denn ich habe euch zu sagen, dass wir so sein müssen, wie Paulus war, wenn wir hoffen zu sein, wo Paulus ist. Paulus hielt nicht dafür, dass er „es schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei.“ Sollen wir ihn dafür halten, ihn so ansehen, dass wir ihn als unnachahmbar betrachten und zufrieden sind, hinter dem zurückzubleiben, was er war? Nein, wahrlich, als Gläubige lasst es unser beständiges Gebet sein, dass wir seine Nachfolger sein mögen, soweit er Christo nachfolgte, und dass wir da, wo er es unterließ, seine Füße in Christo Fußstapfen zu setzen, ihn sogar übertreffen möchten und noch eifriger, noch hingebender sein, als selbst der Apostel der Heiden es gewesen. O, dass der Heilige Geist uns dahin brächte, unserem Herrn Jesu gleich zu sein!
Diesmal will ich mit euch reden über das große Lebensziel des Paulus; er sagt uns, es sei, „etliche selig zu machen;“ wir wollen darauf in das Herz des Paulus blicken und einige der wichtigen Gründe aufweisen, die es ihn für so wichtig halten ließen, dass wenigstens etliche selig gemacht würden; dann drittens, wollen wir einige der Mittel, welche der Apostel zu diesem Zwecke brauchte, nennen; und alles mit der Absicht, dass ihr, meine lieben Hörer, suchen möchtet, „etliche selig zu machen;“ dass ihr dies sucht aus starken Gründen, denen ihr nicht widerstehen könnt, und dass ihr es auf weise Art sucht, so dass es euch gelingt.
I.
Zuerst also, Brüder: Was war das große Ziel des Paulus in seinem täglichen Leben und Predigtamte? Er sagt, es sei: „etliche selig zu machen.“
Es sind Prediger Christi hier gegenwärtig, zusammen mit Stadtmissionaren, Bibelfrauen, Sonntagsschullehrern und andern Arbeitern im Weinberge meines Herrn, und ich bin kühn genug, jeden von ihnen zu fragen: Ist dies euer Zweck bei all' eurem christlichen Dienst? Strebt ihr vor allem, Seelen zu erretten? Mir ist bange, einige haben dies große Ziel vergessen; aber, liebe Freunde, irgendetwas Geringeres ist nicht wert, der Lebenszweck eines Christen zu sein. Ich fürchte, es gibt einige, die in der Absicht predigen, die Menschen zu amüsieren; und so lange die Leute in Menge angezogen und ihnen die Ohren gekitzelt werden können, so dass sie mit Gefallen an dem, was sie gehört, weggehen, ist der Redner befriedigt, faltet die Hände und geht selbstzufrieden heim. Aber Paulus strebte nicht danach, dem Publikum zu gefallen und eine Menge Hörer um sich zu sammeln. Wenn er sie nicht errettete, so fühlte er, dass es nichts nütze, ihr Interesse zu wecken. Wenn die Wahrheit ihnen nicht durchs Herz gegangen wäre, ihr Leben verändert und neue Menschen aus ihnen gemacht hätte, so wäre Paulus heimgegangen und hätte gerufen: „Aber wer glaubt unserer Predigt? Und wem wird der Arm des Herrn offenbart?“
Es scheint die Meinung einer großen Partei in der jetzigen Zeit zu sein, dass der Zweck der christlichen Bemühungen sein sollte, die Menschen zu erziehen. Ich gebe zu, dass Erziehung an sich etwas sehr Wertvolles ist, so wertvoll, dass ich gewiss bin, die ganze christliche Kirche freut sich sehr, dass wir endlich ein nationales Erziehungssystem haben, was nur sorgfältig ausgeführt zu werden braucht, dann wird jedes Kind im Lande die Schlüssel der Erkenntnis in seiner Hand haben. Was für einen Wert andere auf Unwissenheit auch Legen mögen, wir sind Beförderer des Wissens, und je mehr es verbreitet werden kann, desto lieber wird es uns sein. Aber wenn die Kirche Gottes denkt, dass sie in die Welt gesandt sei, bloß um die geistigen Fähigkeiten auszubilden, so befindet sie sich in einem schweren Irrtum, denn das Ziel des Christentums ist nicht, die Menschen für ihren weltlichen Beruf zu erziehen, auch nicht einmal, sie für die feineren Künste oder die höheren Berufsarten heranzubilden oder sie fähig zu machen, die Schönheit der Natur und die Reize der Poesie zu genießen. Jesus Christus kam nicht um derartiger Dinge willen in
die Welt, sondern er kam, zu suchen und selig zu machen, was verloren war; und mit demselben Auftrag hat er seine Kirche gesandt, und sie begeht Verrat an dem Herrn, der sie sandte, wenn sie sich verführen lässt durch die Schönheiten des Geschmacks und der Kunst, und vergisst, dass der einzige Zweck, zu dem sie unter den Menschenkindern existiert, der ist, Christum, den Gekreuzigten zu predigen. Die Aufgabe der Kirche ist Errettung. Der Prediger soll alle Mittel gebrauchen, um etliche zu erretten; er ist kein Diener Christi, wenn dies nicht der eine Wunsch seines Herzens ist. Missionare sinken tief unter das, was sie sein sollen, herab, wenn sie damit zufrieden sind, zu zivilisieren; ihr erster Zweck ist, zu erretten. Das Gleiche gilt von dem Sonntagsschullehrer und von allen andern Arbeitern unter den Kindern; wenn sie das Kind nur gelehrt haben, zu lesen, Gesänge auswendig zu lernen usw., so haben sie ihren wahren Beruf noch gar nicht berührt. Wir müssen die Kinder errettet haben. Diesen Nagel müssen wir hinein treiben, und der Hammer muss stets auf den Kopf desselben niederfallen, dass wir ja etliche erretten, denn sonst haben wir nichts getan.
Paulus sagt nicht einmal, dass er versuchte, die Menschen sittlich gut zu machen. Das beste Beförderungsmittel der Sittlichkeit ist das Evangelium. Wenn ein Mensch errettet ist, wird er sittlich; er wird mehr, er wird heilig. Aber zuerst auf Sittlichkeit abzielen, heißt ganz und gar das Ziel verfehlen; und wenn wir es erreichten was wir nicht tun werden so würden wir doch nicht das erreicht haben, wozu wir in die Welt gesandt sind. Die Erfahrung des Dr. Chalmers ist sehr wertvoll für die, welche meinen, die christlichen Prediger sollten bloß Sittlichkeit predigen, denn er sagt, in seiner ersten Gemeinde hätte er dies getan und hätte nichts Gutes danach kommen sehen. Aber sobald er Christum, den Gekreuzigten gepredigt, wäre eine Bewegung und viel Opposition entstanden, doch die Gnade hätte die Oberhand behalten. Wer Wohlgerüche wünscht, muss die Blumen ziehen; wer die Sittlichkeit fördern will, muss Menschen errettet sehen. Wer wünscht, dass eine Leiche sich bewege, muss erst suchen, sie lebendig zu machen, und wer ein gut geführtes Leben zu sehen wünscht, sollte erst wünschen, eine innere Erneuerung durch den Heiligen Geist zu sehen. Wir sollen nicht zufrieden sein, wenn wir die Menschen ihre Pflichten gegen ihre Nächsten oder sogar ihre Pflichten gegen Gott gelehrt haben; dies würde für Moses genügen, aber nicht für Christus. Das Gesetz ist durch Moses gekommen, aber Gnade und Wahrheit ist durch Jesum Christum gekommen. Wir lehren die Menschen, was sie sein sollten, aber wir tun weit mehr; durch die Kraft des Evangeliums und die Macht des Geistes Gottes machen wir sie zu dem, was sie sein sollen. Wir legen nicht vor die Blinden die Dinge, welche sie sehen sollen, sondern wir tun im Namen Jesu ihre Augen auf. Wir sagen dem Gefangenen nicht, wie frei er sein sollte, sondern wir öffnen die Tür und nehmen seine Fesseln ab. Wir begnügen uns nicht, den Menschen zu sagen, was sie sein müssen, sondern wir zeigen ihnen, wie sie es werden können und wie Jesus Christus umsonst alles, was zum ewigen Leben nötig ist, allen denen darbietet, die kommen. und ihr Vertrauen auf ihn setzen.
Nun beachtet, Brüder, wenn ich oder ihr oder einer von uns oder wir alle unser Leben damit zugebracht haben, die Menschen zu amüsieren oder zu erziehen oder sie sittlich zu machen, so werden wir in einer traurigen Lage sein, wenn wir am jüngsten Tage Rechenschaft ablegen sollen und wir werden einen traurigen Bericht zu geben haben; denn was wird es einem Manne nützen, gebildet zu sein, wenn er nun verdammt wird? Welchen Gewinn wird es ihm bringen, amüsiert worden zu sein, wenn die Posaune erschallt und Himmel und Erde beben, und der Abgrund weit seinen feurigen Rachen öffnet und die unerrettete Seele verschlingt? Was wird es selbst einem Manne helfen, sittlich besser geworden zu sein, wenn er doch zur Linken des Richters steht und das: „Geht hin von mir, ihr Verfluchten“ sein Teil sein wird? Blutrot vom Morde der Menschenseelen werden die Kleider derer sein, die sich Christen nennen, wenn nicht Zweck und Ziel all ihrer Arbeit gewesen ist, „etliche selig zu machen.“ O, ich beschwöre euch, liebe Freunde, besonders euch, die ihr in Sonntags- und Lumpenschulen und anderswo arbeitet, denkt nicht, dass ihr irgendetwas getan habt, wenn die Seelen der Kinder nicht errettet sind. Lasst es feststehen, dass dies Anfang und Ende des Werkes ist, und werft eure ganze Kraft im Namen Jesu und durch die Macht des ewigen Geistes in dieses Streben hinein, dass ihr ja allenthalben etliche selig macht und einige zu Jesu bringt, damit sie vom zukünftigen Zorn befreit werden.
Was meinte Paulus, wenn er sagte, dass er etliche „selig zu machen“ oder zu „erretten“ wünschte? Was heißt errettet werden?
Paulus meinte nicht weniger damit, als dass einige wiedergeboren werden möchten; denn kein Mensch ist errettet, bis er zu einer neuen Kreatur in Christo Jesu gemacht ist. Die alte Natur kann nicht errettet werden, sie ist tot und verdorben; das Beste was damit getan werden kann, ist, sie zu kreuzigen und in dem Grabe Christi begraben zu lassen. Es muss durch die Macht des Heiligen Geistes eine neue Natur in uns eingepflanzt werden, sonst können wir nicht selig werden. Wir müssen so sehr neue Schöpfungen. werden, als wenn wir noch nie gewesen wären; wir müssen ein zweites Mal so frisch von der Hand des ewigen Gottes kommen, als wenn wir heute von der göttlichen Weisheit geformt wären, wie Adam es im Paradiese ward. Die Worte des großen Lehrers lauten: „Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, von wannen er kommt und wohin er fährt. Also ist ein jeglicher, der aus dem Geiste geboren ist.“ „Es sei denn, dass jemand von neuem (von oben) geboren werde, kann er das Reich Gottes nicht sehen.“ Dies meinte Paulus also, dass die Menschen neue Kreaturen in Christo Jesu sein müssen, dass wir niemals ruhen dürfen, bis wir eine solche Veränderung in ihnen gewirkt sehen. Dies muss das Ziel unseres Lehrens und Betens sein, in der Tat das Ziel unseres Lebens, dass „etliche wiedergeboren werden“.
Er meinte außerdem, dass einige von ihrer früheren Missetat gereinigt werden möchten durch das Verdienst des Sühnopfers des Sohnes Gottes. Niemand kann von seiner Sünde anders errettet werden als durch das Sühnopfer. Unter dem jüdischen Gesetz stand geschrieben: „Verflucht sei, wer nicht alle Worte dieses Gesetzes erfüllt, dass er danach tue.“ Dieser Fluch ist niemals aufgehoben worden, und der einzige Weg, ihm zu entfliehen, ist dieser: Jesus ward ein Fluch für uns, denn es steht geschrieben: „Verflucht ist jedermann, der am Holz hänget.“ Nun, wer an Jesum glaubt, wer seine Hand auf das Haupt Jesu von Nazareth, des Sündenbockes für sein Volk, legt, der hat seine Sünde nicht mehr. Sein Glaube ist ein sicherer Beweis, dass seine Missetaten vormals auf das Haupt des großen Stellvertreters gelegt worden sind. Der Herr Jesus Christus wurde an unserer Statt gestraft und wir sind nicht mehr dem Zorne Gottes ausgesetzt. Siehe, das Sünden versöhnende Opfer ist geschlachtet und am Altare dargebracht, und der Herr hat es angenommen und es ist ihm so wohlgefällig, dass er erklärt hat,
wer an Jesum glaubt, soll völlige und ewige Vergebung empfangen. Nun, wir sehnen uns, Menschen so begnadigt zu sehen. Wir schmachten danach, den verlorenen Sohn an des Vaters Busen zu legen, das verirrte Schaf auf die Schulter des guten Hirten, den verlorenen Groschen in des Eigentümers Hand; und ehe dies getan ist, ist nichts getan, ich meine, Brüder, nichts Geistliches, nichts Ewiges, nichts, was der ängstlichen Sorge eines Christenlebens wert ist, nichts, was verdient, dass ein unsterblicher Geist all sein Feuer daran verwendet. Herr, unsere Seele verlangt danach, Jesum durch die Errettung der Blut-Erkauften belohnt zu sehen! Hilf uns, durch deine Gnade, Seelen zu ihm zu führen!
Noch eins: Wenn der Apostel wünschte, dass er einige erretten. möge, so meinte er, dass sie, nachdem sie wiedergeboren und begnadigt seien, auch gereinigt und heilig gemacht werden möchten, denn ein Mensch ist nicht errettet, so lange er in Sünden lebt. Mag er sagen, was er will, er kann nicht von der Sünde errettet sein, so lange er ihr Sklave ist. Wie ist ein Trunkenbold vom Trunke errettet, wenn er immer noch an Gelagen teilnimmt, wie vorher? Wie könnt ihr sagen, dass der Flucher von der Lästerung errettet ist, wenn er immer noch ruchlos redet? Worte müssen in ihrem wahren Sinne gebraucht werden. Nun, das große Ziel der Arbeit eines Christen sollte sein, dass einige von ihren Sünden errettet, gereinigt und zu Vorbildern der Lauterkeit, Keuschheit, Ehrlichkeit und Gerechtigkeit gemacht würden, und wo dies nicht der Fall ist, da haben wir vergeblich gearbeitet und unsere Kraft unnütz verbraucht.
Nun, ich beteuere vor euch allen, dass ich in diesem Gebetshause niemals etwas anderes gesucht habe, als die Bekehrung von Seelen, und ich rufe Himmel und Erde zu Zeugen an, und eure Gewissen auch, dass ich nie für etwas anderes gearbeitet habe, als dafür, dass ich euch zu Christo brächte, damit ich euch zuletzt Gott darstellen könnte als „angenehm in dem Geliebten.“ Ich habe nicht gesucht, einen verderbten Geschmack zu befriedigen durch neue Lehren oder neues Zeremoniell, sondern ich bin bei dem einfachen Evangelium geblieben. Ich habe keinen Teil von dem Worte Gottes euch vorenthalten, sondern mich bemüht, euch den ganzen Rat Gottes zu verkünden. Ich habe keine Feinheiten der Rede gesucht, sondern habe deutlich gesprochen und geradenwegs in eure Herzen und Gewissen hinein; und wenn ihr nicht errettet seid, so betraure und beklage ich vor Gott, dass ich bis zu diesem Tage, obwohl ich euch Hunderte von Malen gepredigt, doch vergeblich gepredigt habe. Wenn ihr euch nicht Christo hingegeben habt, wenn ihr nicht in dem mit Blut gefülltem Born gewaschen seid, so seid ihr wüste Stücke Landes, von denen noch keine Ernte gekommen ist.
Ihr sagt mir vielleicht, dass ihr durch euer Kommen hierher von vielen Sünden zurückgehalten seid und viele Wahrheiten gelernt habt. So weit gut; aber wäre ich im Stande, bloß dafür zu leben, um euch gewisse Wahrheiten zu lehren und euch von offenen Sünden zurückzuhalten? Wie könnte das mich befriedigen, wenn ich wüsste, dass ihr noch unerrettet wäret und deshalb nach dem Tode in die Flammen der Hölle geworfen werden müsstet? Nein, Geliebte, vor dem Herrn: Ich halte nichts für wert, mein Leben, meine Seele und meine Kraft daran zu sehen, als das Gewinnen eurer Seelen für Christum. Nichts als eure Errettung kann mir je das Gefühl geben, dass meines Herzens Wunsch gewährt ist. Ich bitte jeden Arbeiter hier, dahin zu sehen, dass er niemals ablässt, nach dieser Zielscheibe sein Geschoss zu richten, und zwar nach dem Mittelpunkte derselben, nämlich, dass er Seelen für Christum gewinne, sie für Gott geboren und in dem mit Blut gefüllten Born gewaschen sehe. Lasst das Herz der Arbeiter weh tun und sich sehnen, und ihre Stimme rufen, bis der Hals heiser ist; aber lasst sie dafür halten, dass sie durchaus nichts vollbracht haben, bis wenigstens einige Menschen wirklich errettet sind. Wie der Fischer wünscht, Fische in seinem Netz zu fangen, wie der Jäger sich sehnt, seine Beute heimzutragen, wie die Mutter schmachtet, ihr verlorenes Kind an ihre Brust zu drücken, so verlangt uns nach der Errettung von Seelen; und wir müssen diese haben, sonst können wir nicht leben. sie, o Herr, errette sie um Christi willen!
Aber jetzt müssen wir diesen Punkt verlassen und zu einem anderen übergehen.
II.
Der Apostel hatte wichtige Gründe, warum er ein solches Ziel sich erwählte.
Wäre er hier, so, denke ich, würde er euch sagen, dass seine Gründe ungefähr folgende seien, Seelen zu erretten! Wenn sie nicht errettet werden, welche Unehre wird Gott angetan! Dachtet ihr je daran, wie viel Unehre dem Herrn, unserem Gott in jeder Stunde des Tages angetan wird? Nehmt, wenn ihr wollt, diese Stunde des Gebets, wenn wir hier versammelt sind, dem Anschein nach zum Gebet. Wenn die Gedanken dieser großen Versammlung alle gelesen werden könnten, wie viele von ihnen würden dem Höchsten Unehre antun! Aber außerhalb jedes Gebetshauses, außerhalb jeder Stätte der Gottesverehrung, denkt an die Tausende, die Zehntausende, die Hunderttausende, die diesen ganzen Tag sich auch nicht einmal den Anschein gegeben, den Gott zu verehren, der sie geschaffen und der sie erhält! Denkt daran, wie oft die Tür der Branntweinschenke sich in ihren Angeln gedreht hat während dieser Heiligen Stunde, wie viele Male Gottes Name in der Trinkstube gelästert worden ist! Es gibt schlimmere Dinge als dies, wenn etwas schlimmer sein kann, aber ich will den Schleier nicht heben. Geht mit euren Gedanken in eine spätere Stunde hinein, wenn der Schleier der Dunkelheit sich herabgelassen hat. Die Scham gestattet uns nicht, daran zu denken, wie Gottes Name verunehrt wird in denen, deren erster Vater nach dem Bilde Gottes gemacht ward, die sich aber jetzt so verunreinigen, dass sie die Sklaven Satans und die Beute bestialischer Lüste sind! Wehe, wehe dieser Stadt, sie ist voll Gräuel, von denen der Apostel spricht: „Denn was heimlich von ihnen geschieht, das ist auch schändlich zu sagen.“
Christliche Männer und Frauen, nichts als das Evangelium kann das soziale Übel hinwegfegen. Laster sind wie Vipern, und nur die Stimme Jesu kann sie aus dem Lande treiben. Das Evangelium ist der große Besen, womit man den Schmutz dieser Stadt Hinauskehren kann, und nichts anderes wird helfen. Wollt ihr um Gottes willen, dessen Name jeden Tag gelästert wird, suchen, einige zu erretten? Wenn ihr eure Gedanken weiter gehen lassen wollt, zu allen großen Städten Europas; ja, und noch weiter, zu allen Götzendienern Chinas und Indiens, zu den Verehrern des falschen Propheten und des Antichrists, was für Massen von Sünde haben wir da! Was für ein Rauch“ muss diese falsche Gottesverehrung in der Nase Jehovas sein! (Jes. 65,5) Wie oft muss er seine Hand an das Heft seines Schwertes legen, als wenn er sprechen wollte: „Ich werde mich rächen an meinen Feinden.“ Aber er trägt es geduldig. Lasst uns nicht gleichgültig gegen seine Langmut werden, sondern Tag und Nacht lasst uns zu ihm rufen, und täglich lasst uns für ihn arbeiten, dass wir ja ihrer etliche erretten um seiner Ehre willen.
Denkt auch, liebe Freunde, an das große Elend dieses unseres menschlichen Geschlechtes. Es würde etwas Schreckliches sein, wenn ihr irgendeine Vorstellung bekommen könntet von der Menge des Elendes in den Hospitälern und Arbeitshäusern Londons. Nun, ich wollte kein Wort gegen die Armut sagen, wo immer sie kommt, ist sie ein bitteres Übel; aber ihr werdet wahrnehmen bei sorgfältiger Beobachtung, dass, während einige wenige durch unvermeidliche Umstände arm geworden, ein sehr großer Teil der Armut in London bloß die Folge von Verschwendung, Mangel an Vorsorge, Trägheit und Trunksucht ist. O, diese Trunksucht! Die ist das Hauptübel. Wenn wir nur den Trunk los werden könnten, so könnten wir den Teufel selbst überwinden. Die Trunkenheit, welche durch die infernalen Schenkwirtschaften erzeugt wird, welche diese ganze, ungeheure Stadt verpesten, ist Schrecken erregend. Nein, ich sprach nicht in Hast, und mir entfuhr kein hastiges Wort; viele dieser Trinkhäuser sind nicht weniger als infernalisch, in einiger Hinsicht sind sie schlimmer; denn die Hölle hat ihren Nutzen als der göttliche Widerspruch gegen die Sünde, aber zu Gunsten des Branntweinpalastes lässt sich nichts sagen. Die Laster dieser Zeit verursachen drei Viertel aller Armut. Wenn ihr die Häuser sehen könntet, die elenden Wohnstätten, wo die Weiber zittern, wenn sie den Fußtritt ihres heimkehrenden Mannes hören, wo kleine Kinder sich voll Furcht auf ihrem Strohhaufen zusammenkauern, weil das menschliche Vieh, das sich einen „Mann“ nennt, nach Hause getaumelt kommt von dem Platz, wo es seiner Begierde gefrönt hat, wenn ihr dies sehen könntet und daran gedenken, dass das Gleiche zehntausend Mal an diesem Abend gesehen wird, so denke ich, würdet ihr sprechen: „Gott helfe uns, dass wir ja etliche erretten!“ Da die große Art, welche an die Wurzel des tödlichen Upasbaumes gelegt werden muss, das Evangelium von Christo ist, so möge Gott uns helfen, diese Art daran zu legen und beständig damit zu arbeiten, bis der ungeheure Stamm des Giftbaumes hin und her zu schwanken beginnt und niederstürzt, und London und die Welt errettet ist von dem Elend und dem Jammer, die jetzt von jedem Zweige tröpfeln!
Der Christ hat noch andere Gründe, weshalb er etliche zu erretten sucht; und besonders die schreckliche Zukunft unbußfertiger Seelen. Nicht jeder Blick kann durch den Schleier dringen, der vor mir hängt, aber der, dessen Auge mit himmlischer Augensalbe berührt ist, sieht hindurch, und was erblickt er! Myriaden auf Myriaden Geister, die sich vom Körper trennen und in furchtbarer Prozession vorübergehen wohin? Unerrettet, unwiedergeboren, ungewaschen in dem teuren Blut, sehen wir sie hinaufgehen zu den ernsten Schranken, von denen in Stille der Urteilsspruch ausgeht, und sie werden verbannt von dem Angesichte Gottes, verbannt in Schrecken, die nicht zu beschreiben, nicht einmal vorstellbar sind. Dies allein ist genug, uns bei Tag und Nacht Trauer zu verursachen. Eine furchtbare Feierlichkeit schwebt über dieser Entscheidung des Geschickes. Aber die Posaune der Auferstehung tönt. Jene Geister kommen aus ihrem Gefängnis heraus. Ich sehe sie zu der Erde zurückkehren, von dem Abgrund sich erheben zu den Leibern, in welchen sie lebten: und nun sehe ich sie stehen Massen, Massen, Massen, Massen in dem Tal der Entscheidung. Und er kommt, sitzend auf einem großen, weißen Throne, mit der Krone auf dem Haupte und den Büchern vor ihm, und da stehen sie als Gefangene vor den Schranken. Ich sehe sie jetzt in meinem Gesicht, wie sie zittern! Wie sie beben gleich Espenlaub im Winde! Wohin können sie fliehen? Felsen können sie nicht verbergen, Berge werden nicht ihre Eingeweide öffnen, um sie zu verstecken! Was wird aus ihnen werden? Der fürchterliche Engel nimmt die Sichel, schneidet sie, wie der Schnitter das Unkraut für den Ofen, und wenn er sie gesammelt, wirft er sie hinab, wo Verzweiflung ihre ewige Qual sein wird. Weh ist mir, mein Herz ist trübe, wenn ich ihr Geschick sehe und das furchtbare Geschrei ihres zu späten Erwachens höre. Errettet einige, o Christen! Durch jedes Mittel, errettet einige! Bei jenen Flammen und der äußersten Finsternis und dem Weinen und Heulen und Zähneknirschen, sucht einige zu erretten! Lasst dies, wie beim Apostel, das große, das herrschende Ziel eures Lebens sein, dass ihr ja etliche errettet.
Denn, o! wenn sie errettet sind, beachtet den Gegensatz! Ihre Geister steigen zum Himmel auf und nach der Auferstehung erheben sich ihre Leiber auch, und da preisen sie die erlösende Liebe. Keine Finger sind behänder auf den Harfensaiten, als die ihren! Keine Töne lieblicher, als die ihrigen, wenn sie singen: „Ihm, der uns geliebt hat und gewaschen von den Sünden mit seinem Blut; und hat uns zu Königen und Priestern gemacht vor Gott und seinem Vater; dem selbigen sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit.“
Was für eine Seligkeit, die früheren Empörer zu Gott heimgebracht und Erben des Zornes zu Besitzern des Himmels gemacht zu sehen! All' dieses ist in der Errettung mit einbegriffen. O, dass Myriaden in diesen seligen Zustand kommen möchten! „Errettet etliche“, o, errettet etliche wenigstens. Strebt, dass einige dort in der Herrlichkeit seien! Schaut auf euren Herrn. Er ist euer Vorbild. Er verließ den Himmel, um einige zu erretten. Er ging ans Kreuz, ins Grab, um „etliche zu erretten“; dies war das große Ziel seines Lebens, sein Leben für seine Schafe hinzugeben. Er liebte seine Gemeinde und gab sich selbst für sie, auf dass er sie sich heiligte. Ahmt eurem Meister nach. Lernt seine Selbstverleugnung und seine Hingebung, damit ihr durch alle Mittel etliche errettet.
Meine Seele verlangt danach, selbst einige zu erretten, aber mein Wunsch geht weiter. Ich möchte, dass jeder von euch, meine geliebten Freunde, die ihr Mitglieder dieser Gemeinde seid, geistliche Kinder zeugte. Ja, meine ehrwürdigen Brüder, ihr seid nicht zu alt für den Dienst Gottes. Ja, meine jungen Freunde, ihr jungen Männer und Mädchen, ihr seid nicht zu jung, um Rekruten in des Königs Dienst zu sein. Wenn das Reich jemals unseres Herrn werden wird - und das wird es wird es nie durch ein paar Prediger, Missionare oder Evangelisten dahin kommen. Es muss dadurch geschehen, dass jeder von euch es predigt im Laden und am Kamin, beim Umhergehen draußen und beim Sitzen in der Kammer. Ihr alle müsst euch immer bemühen, einige zu erretten. Ich möchte euch alle von neuem heute Abend anwerben und des Königs Farben euch anheften. Ich möchte, dass ihr von neuem meinen Herrn lieb gewännet und die erste Liebe wieder wach in euch würde.
Ich möchte die Frage an euch stellen, die ihr errettet seid wie viele andere habt ihr zu Christo gebracht? Ihr könnt es selbst nicht tun, das weiß ich; aber ich meine, wie viele hat der Geist Gottes durch euch gebracht? Wie viele, sagte ich? Ist es ganz gewiss, dass ihr irgendjemand zu Jesu geleitet habt? Könnt ihr euch nicht eines einzigen erinnern? Dann bemitleide ich euch! Der Herr sprach zu Jeremia in Bezug auf Chanja: „Schreibet an diesen Mann als kinderlos.“ Das ward als ein furchtbarer Fluch betrachtet. Soll ich euch als kinderlos anschreiben, meine lieben Freunde? Eure Kinder sind nicht errettet, euer Weib ist nicht errettet und ihr seid geistlich kinderlos. Könnt ihr diesen Gedanken ertragen? Ich bitte euch, erwacht aus eurem Schlummer und bittet den Meister, euch nützlich zu machen. „Ich wünschte, die Heiligen kümmerten sich um uns Sünder“, sagte ein junger Mann. „Sie kümmern sich um euch,“ antwortete einer, „sie kümmern sich sehr viel um euch.“ „Warum zeigen sie es denn nicht?“ sagte er, „ich habe oft gewünscht, ein Gespräch über Religion zu führen, aber mein Freund, der ein Mitglied der Gemeinde ist, berührt diesen Gegenstand nie und scheint ihn absichtlich zu vermeiden, wenn ich bei ihm bin.“ Lasst sie das nicht sagen. Erzählt ihnen von Christo und göttlichen Dingen und fasst den Entschluss, jeder von euch, dass die Menschen, wenn sie verderben, nicht verderben sollen aus Mangel an euren Gebeten, und nicht aus Mangel an eurer ernsten und liebevollen Belehrung. Gott gebe jedem von euch Gnade, zu beschließen, auf jede Weise einige zu erretten, und dann diesen Entschluss auszuführen.
III.
Aber meine Zeit ist fast dahin und deshalb muss ich zuletzt noch nennen die großen Methoden, welche der Apostel anwandte.
Wie ging er, der sich so sehnte, etliche zu erretten, ans Werk? Nun, zu allererst, indem er einfach das Evangelium von Christo predigte. Er versuchte nicht, Sensation zu erregen durch überraschende Behauptungen, und er predigte ebenso wenig Irrlehre, um den Beifall der Menge zu erlangen. Ich fürchte, einige Evangelisten predigen etwas, wovon sie selbst wissen, dass es unwahr ist. Sie halten gewisse Lehren zurück, nicht weil sie unwahr sind, sondern weil sie ihnen nicht Spielraum genug für ihre Faseleien gewähren, und sie sprechen in unbestimmter Weise, in der Hoffnung, mehr Herzen zu erreichen. Wie ernst ein Mann es auch mit der Errettung von Sündern nehmen mag, ich glaube nicht, dass er das Recht hat, irgendeine Behauptung aufzustellen, die sein nüchternes Urteil nicht billigt. Ich meine, ich habe von Dingen gehört, die bei Erweckungsversammlungen gesagt und getan wurden, aber nicht der gesunden Lehre gemäß waren und stets entschuldigt wurden mit der Aufregung bei dieser Gelegenheit.“ Ich halte dafür, dass ich kein Recht habe, eine falsche Lehre zu behaupten, selbst wenn ich wüsste, dass sie eine Seele retten würde. Diese Voraussetzung ist natürlich abgeschmackt; aber sie lässt euch sehen, was ich meine. Meine Aufgabe ist, den Menschen Wahrheit einzuprägen, nicht Lüge, und ich werde keine Entschuldigung haben, wenn ich unter irgendeinem Vorwande den Leuten eine Lüge aufhefte. Seid versichert, dass Vorenthaltung eines Teils des Evangeliums weder die rechte, noch die wahre Methode ist, Menschen zu erretten. Verkündet dem Sünder alle Lehren. Wenn ihr calvinistische Lehre glaubt, wie ich hoffe, dass ihr es tut, so stottert nicht und stammelt nicht, sondern sprecht sie aus. Verlasst euch darauf, viele Erweckungen sind bald wieder vergangen, weil kein vollständiges Evangelium verkündet ward. Gebt den Leuten jede Wahrheit, jede Wahrheit in heiliges Feuer getauft, und jede Wahrheit wird ihre eigene nützliche Wirkung auf die Seele haben.
Aber die große Wahrheit ist das Kreuz, die Wahrheit: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingebornen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ Bruder, bleibe dabei. Das ist die Glocke, die du läuten musst. Läute sie, Mann! Läute sie! Fahre fort, sie zu läuten. Lass diesen Ton erklingen auf deiner silbernen Posaune, oder wenn du nur ein Widderhorn bist, so lass ihn erklingen, und die Mauern Jerichos werden umfallen. Ach! die feinen Sachen unserer gebildeten neueren Theologen! Ich höre sie aufschreien und meinen altmodischen Rat tadeln. Dies Reden von dem gekreuzigten Christus soll veraltet, nur herkömmlich und altväterlich sein und durchaus nicht passend für die Verfeinerung dieses wundervollen Zeitalters. Es ist erstaunlich, wie gelehrt wir alle kürzlich geworden sind. Wir werden so sehr weise, mir ist bange, wir werden binnen kurzem zu Narren heranreifen, selbst wenn wir jetzt noch nicht so weit gekommen sind. Die Leute verlangen „Denken“ heutzutage, so sagt man; und die Arbeiter wollen dahin gehen, wo die Wissenschaft vergöttert und „tiefes Denken“ verehrt wird. Ich habe bemerkt, dass im allgemeinen, wo immer das neuere „Denken“ das alte Evangelium vertreibt, mehr Spinnen als Leute sind; wo aber die einfache Predigt von Jesu Christo ist, da ist der Raum voll bis an die Türen. Nichts anders wird auf die Länge ein Gotteshaus voll machen, als die Predigt von Christo, dem Gekreuzigten. Aber betreffs dieser Sache, ob sie beliebt oder unbeliebt ist, haben wir unsern Entschluss gefasst und unsern Fuß niedergesetzt. Eine Frage haben wir nicht mit Bezug auf unsern eignen Weg. Wenn es närrisch ist, die Versöhnung durch das Blut zu predigen, so wollen wir Narren sein; und wenn es Wahnwitz ist, bei der alten Wahrheit zu bleiben, gerade so, wie Paulus sie verkündete, in ihrer ganzen Einfachheit, ohne irgend eine Verfeinerung oder Verbesserung, so haben wir vor, dabei zu bleiben, selbst wenn wir an den Pranger gestellt werden als unfähig, mit der Zeit fortzuschreiten; denn wir sind überzeugt, dass diese „törichte Predigt“ eine göttliche Anordnung ist, und dass das Kreuz Christi, das so vielen ein Anstoß ist und von noch mehreren verlacht wird, immer noch die Macht Gottes und die Weisheit Gottes ist. Ja, gerade die altmodische Wahrheit - wenn du glaubest, wirst du selig werden - dabei wollen wir fest bleiben, und möge Gott seinen Segen darauf senden nach seinem ewigen Ratschlusse! Wir erwarten nicht, dass dies Predigen beliebt sein werde, aber wir wissen, dass Gott es binnen kurzem rechtfertigen wird. Mittlerweile werden wir nicht stutzig, wenn eine blinde Welt die Wahrheiten lästert, die wir lieben und sie für kindische Faselei und wahnwitzige Träume hält, denn die Gefahr, die sie nicht kennt, leugnet sie, verlacht das einzige Heilmittel und geht zu Grunde.
Ferner gebrauchte Paulus viel Gebet. Das Evangelium allein wird nicht gesegnet; wir müssen beten betreffs unserer Predigt. Ein großer Maler ward gefragt, womit er seine Farben mische, und er erwiderte, er mische sie mit Verstand. Das war gut für einen Maler, aber wenn jemand einen Prediger fragte, womit er die Wahrheit mische, so sollte er im Stande sein zu antworten mit Gebet, mit viel Gebet. Als ein armer Mann an der Straße Steine klopfte, lag er auf seinen Knien, während er die Streiche führte, und ein Prediger, der vorbeiging, sagte: „Ach, Freund, hier sind Sie bei Ihrer schweren Arbeit; Ihre Arbeit gleicht der meinigen; Sie haben Steine zu brechen und ich auch.“ „Ja,“ antwortete der Mann, „und wenn Sie harte Herzen brechen wollen, müssen Sie es tun, wie ich es tue, auf Ihren Knien.“ Der Mann hatte recht, niemand kann den Hammer des Evangeliums richtig gebrauchen, wenn er nicht viel auf den Knien ist, aber der Hammer zersplittert bald steinige Herzen, wenn ein Mann zu beten versteht. Überwindet Gott, so werdet ihr Menschen überwinden. Geradenwegs vom Gebetskämmerlein lasst uns auf die Kanzel kommen, mit dem Salböl des Geistes Gottes frisch auf uns. Was wir im Verborgenen empfangen, sollen wir freudig öffentlich austeilen. Lasst uns niemals wagen, mit Menschen für Gott zu sprechen, ehe wir mit Gott für Menschen gesprochen haben. Ja, liebe Hörer, wenn ihr Segen für euer Lehren in der Sonntagsschule oder für irgendeine andere Form christlicher Arbeit wünscht, so mischt sie mit brünstiger Fürbitte.
Und dann beachtet etwas anderes. Paulus ging stets an seine Arbeit mit einer großen Teilnahme für die, mit welchen er es zu tun hatte, einer Teilnahme, die ihn sich jedem anpassen ließ. Wenn er mit einem Juden sprach, so stieß er nicht sofort heraus, dass er der Apostel der Heiden sei, sondern er sagte, er wäre ein Jude, wie er es war. Er warf keine Fragen über Nationalitäten oder Zeremonien auf. Er wollte den Juden von ihm sagen, von dem Jesaias sprach: „Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit,“ damit er an Jesum glaube und errettet werde. Wenn er einen Heiden traf, so zeigte der Apostel der Heiden nie etwas von der Bedenklichkeit, die ihm von seiner jüdischen Erziehung her hätte ankleben können. Er aß wie der Heide aß, und trank wie er, setzte sich zu ihm und redete mit ihm; war so zu sagen mit ihm ein Heide; erhob nie eine Frage über Beschneidung oder Vorhaut, sondern wünschte einzig und allein, ihm von Christo zu sagen, der in die Welt kam, beide, Juden und Heiden, zu erretten und sie eine zu machen. Wenn Paulus einen Skythen antraf, sprach er mit ihm in der barbarischen Zunge und nicht in klassischem Griechisch. Wenn er einen Griechen antraf, so sprach er mit ihm, wie er es auf dem Areopag tat, in einer Sprache, die für den gebildeten Athener passte. Er ward allen alles, damit er durch jedes Mittel einige errette.
So lasst es mit euch sein; euer Hauptgeschäft im Leben ist, Menschen durch die Kraft des Heiligen Geistes zum Glauben an Jesum zu leiten, und jedes andere sollte diesem Zwecke dienstbar gemacht werden; wenn ihr nur erlangt, dass sie errettet werden, so wird alles übrige seiner Zeit zurechtkommen. Hudson Taylor, ein teurer Mann Gottes, der viel im Innern Chinas gearbeitet hat, findet es dienlich, sich wie ein Chinese zu kleiden und einen Zopf zu tragen. Er mischt sich stets unter die Leute und lebt möglichst so wie sie. Dies scheint mir eine wirklich lobenswerte Klugheit. Ich kann es verstehen, dass wir mehr Einfluss auf eine Versammlung von Chinesen gewinnen dadurch, dass wir so viel wie möglich Chinesen werden; und wenn dies der Fall, so sind wir verpflichtet, dem Chinesen ein Chinese zu werden, um ihn zu erretten. Es würde nicht unpassend sein, ein Zulu zu werden, um die Zulus zu erretten, obgleich wir achthaben müssen, dass wir es in einem andern Sinne tun, als Colenso1) es tat. Wenn wir uns auf eine Stufe stellen können mit denen, welchen wir wohlzutun suchen, werden wir wahrscheinlicher unsern Zweck erreichen, als wenn wir Fremde und Ausländer bleiben und dann von Liebe und Einheit reden. Sich selbst vergessen, um andere zu erretten, das ist der Gedanke des Apostels. Alle Eigentümlichkeiten über Bord werfen und in tausend gleichgültigen Punkten nachgeben, um Menschen zu Jesu zu bringen, das ist Weisheit, wenn wir unsers Herrn Reich vergrößern wollen. Möge nie eine Grille von uns oder ein Herkommen, an dem wir fest halten, eine Seele hindern, das Evangelium schätzen zu lernen - das wäre schrecklich. Weit besser, dass wir persönlich Unbequemlichkeiten erdulden, weil wir in gleichgültigen Dingen nachgeben, als einen Sünder vom Kommen abhalten durch Streit über Kleinigkeiten.
Wenn Jesus heute hier wäre, so bin ich gewiss, er würde keinen dieser bunten Lappen anziehen, woran der Puseyite sich ergötzt. Ich kann mir unsern Herrn Jesum Christum nicht in solcher Weise herausgeputzt vorstellen. Wie? Der Apostel sagt unsern Weibern, dass sie sich züchtig kleiden sollen, und ich denke nicht, Christus will, dass seine Prediger ein Beispiel von Narrheit geben sollen: aber selbst in der Kleidung kann etwas nach dem Grundsatz unseres Textes getan werden. Als Jesus Christus hienieden war, was trug er da? Um es deutlich zu sagen, er trug einen Kittel. Er trug die gewöhnliche Tracht seiner Landsleute, und ich denke, er will, dass seine Prediger die Kleidung tragen, die am meisten der gewöhnlichen Kleidung ihrer Hörer gleicht, um sich sogar darin ihnen gleich zu stellen. Er will, dass ihr Lehrer, wenn ihr die Kinder erretten wollt, zu ihnen sprecht, wie Kinder, und euch zu Kindern macht, wenn ihr könnt. Ihr, die ihr die Herzen junger Leute erreichen wollt, müsst versuchen, jung zu sein. Ihr, die ihr Kranke besuchen wollt, müsst Mitgefühl für ihre Krankheit haben. Sprecht mit ihnen, wie ihr wünscht, dass man mit euch spräche, wenn ihr krank wäret. Kommt herab zu denen, die nicht zu euch hinauf kommen können. Ihr könnt nicht Leute aus dem Wasser ziehen, ohne euch zu bücken und sie zu ergreifen. Wenn ihr mit schlechten Charakteren zu tun habt, müsst ihr zu ihnen herunterkommen, nicht zu ihrer Sünde, aber zu ihrer Rauheit und ihrer Sprechweise, damit ihr sie erfassen könnt. Ich bete zu Gott, dass wir die heilige Kunst lernen, Seelen durch Anbequemung zu gewinnen. Man nannte Whitefields Kapelle „die Seelenfalle.“ Whitefield war erfreut und hoffte, sie würde immer eine Seelenfalle bleiben. O, dass alle unsere Gotteshäuser Seelenfallen wären und jeder Christ ein Menschenfischer, der sein Bestes täte, wie der Fischer es tut, durch Kunst und List die zu fangen, nach denen er fischt! Wohl mögen wir alle Mittel gebrauchen, um einen so großen Preis zu gewinnen, wie eine zu ewigem Wohl oder Weh bestimmte Seele es ist. Der Taucher taucht tief, um Perlen zu finden, und wir müssen jede Arbeit und Gefahr übernehmen, um eine Seele zu gewinnen. Rafft euch auf, meine Brüder, zu diesem Gott ähnlichen Werke, und möge der Herr euch darin segnen.