Spurgeon, Charles Haddon - Der Seelengewinner - Des Seelengewinners Leben und Werk.

Spurgeon, Charles Haddon - Der Seelengewinner - Des Seelengewinners Leben und Werk.

“Die Frucht des Gerechten ist ein Baum des Lebens; und ein Weiser gewinnt die Herzen.“
Spr. Sal. 11,30.
„Die Frucht des Gerechten ist ein Baum des Lebens; und wer Seelen gewinnt, der ist weise.“ (N. d. engl. Üb.)

Es scheint mir, dass es beim Anblick einer Schar Gläubiger eine höhere Freude gibt, als die, dass man sie nur als Errettete betrachtet. Nicht, als wenn nicht eine große Freude in der Errettung wäre, eine Freude, wert die Harfen der Engel in Bewegung zu setzen. Denkt an des Heilandes Todesleiden bei dem Loskauf eines jeden seiner Erlösten, denkt an das Werk des Heiligen Geistes in jedem erneuerten Herzen, denkt an die Liebe des Vaters, die auf jedem der Wiedergeborenen ruht: Ich könnte nicht, wenn ich auch „meinen Spruch anhöbe“ einen Monat lang, die ganze Masse der Freude schildern, die in einer Menge von Gläubigen zu sehen ist, wenn wir nur auf das blicken, was Gott für sie getan hat, und ihnen verheißen hat und an ihnen erfüllen will. Aber es gibt noch ein weiteres Feld des Gedankens, und meine Seele ist diesen ganzen Tag darüber hingewandert, der Gedanke an die Fähigkeiten zum Dienste Gottes, die sich in einer zahlreichen Schar von Gläubigen finden, die Möglichkeiten, anderen zum Segen zu werden, die in den Herzen der Wiedergeborenen liegen. Wir müssen an das, was wir jetzt schon sind, nicht so viel denken, dass wir darüber vergessen, was der Herr durch uns an anderen ausrichten kann. Hier sind die brennenden Kohlen, aber wer kann die Feuersbrust beschreiben, welche sie verursachen mögen?

Wir sollten die christliche Kirche nicht als ein luxuriöses Hotel betrachten, in denen christliche Herren, jeder gemächlich in seinem eigenen Zimmer, wohnen können, sondern als eine Baracke, in der Soldaten zusammen leben, um eingeübt und für den Krieg herangebildet zu werden. Wir sollten die christliche Kirche nicht ansehen als eine Gesellschaft für gegenseitige Bewunderung und Tröstung, sondern als ein Heer mit Bannern, das zum Kampfe zieht, um Siege für Christum zu gewinnen, die Festungen des Feindes zu stürmen und Provinz auf Provinz zu des Erlösers Reich hinzuzufügen. Wir können Bekehrte, die eine Gemeinde bilden, als Weizen in der Scheuer ansehen. Gott sei gedankt, dass er da ist, und dass soweit die Ernte den Säemann belohnt hat; aber weit begeisternder ist der Anblick, wenn wir denken, dass jeder von diesen Gläubigen wahrscheinlich zu einem lebendigen Mittelpunkt für die Ausbreitung des Reiches Jesu gemacht wird, denn alsdann sehen wir sie die fruchtbaren Täler unseres Landes besäen und verheißen, binnen kurzer Zeit Frucht zu bringen, etliche dreißigfältig, etliche vierzigfältig, etliche fünfzigfältig und etliche hundertfältig. Die Fähigkeiten des Lebens sind staunenswert; aus eins wird hundert in einem wunderbar kurzen Zeitraum. Innerhalb weniger Zeit würden einige Weizenkörner hinreichen, die ganze Welt zu besäen, und einige wahre Heilige möchten genügen für die Bekehrung aller Völker. Nehmt nur das, was aus einer Ähre kommt, verwahrt es gut, sät es alles, verwahrt es wiederum nächstes Jahr und säet es dann wieder, und die Vervielfältigung übersteigt beinahe die Berechnung. O, dass jeder Christ so Jahr auf Jahr des Herrn Saatkorn wäre! Wenn aller Weizen in der Welt verdorben wäre mit Ausnahme eines einzigen Kornes, so würde man nicht viele Jahre brauchen, um die ganze Erde wieder damit zu füllen, und ihre Felder und Ebenen zu besäen; aber in einer weit kürzeren Zeit würde in der Kraft des Heiligen Geistes ein Paulus oder ein Petrus alle Lande evangelisiert haben. Betrachtet euch als Weizenkörner, dazu bestimmt, die Welt zu besäen. Derjenige lebt großartig, der so eifrig ist, als wenn das ganze Dasein des Christentums von ihm abhinge, und der entschlossen ist, allen, die er erreichen kann, den unerforschlichen Reichtum Christi zu verkündigen.

Wenn wir, die Christus als sein Saatkorn gebraucht, nur alle ausgestreut und gesät wären, wie wir es sein sollten und alle aufsprossen und den grünen Halm und das Korn in der Ähre hervorbrächten, was für eine Ernte würde das geben! Wiederum würde es erfüllt werden: Es wird eine Handvoll Korn auf dem Gipfel der Berge sein;“ ein sehr schlechter Platz dafür -“seine Frucht wird beben wie Libanon und wird grünen in den Städten wie Gras auf Erden.“ (Ps. 72, 16. n. d. engl. Üb.) Möge Gott uns verleihen, etwas von der lebendig machenden Kraft des Heiligen Geistes zu fühlen, während wir zusammen reden, nicht so sehr von dem, was Gott für uns getan hat, als was Gott durch uns tun kann, und davon, wie wir uns tauglich machen können, von ihm gebraucht zu werden!

Es sind zwei Dinge in dem Text, und diese sind mit viel Deutlichkeit in den beiden Sätzen desselben dargelegt. Das erste ist: Das Leben des Gläubigen ist oder sollte sein voll geistlichen Segens; „Die Frucht des Gerechten ist ein Baum des Lebens.“ Zweitens: Das Streben des Gläubigen sollte immer sein, Seelen zu gewinnen. Das zweite ist ziemlich dasselbe wie das Erste, nur dass dieses unsern unbewussten Einfluss darstellt, und jenes unsere Bemühungen mit der offenen Absicht, Seelen für Christum zu gewinnen.

Lasst uns mit dem Anfang anfangen, denn das Zweite kann nicht ohne das Erste ausgeführt werden; ohne Fülle des Lebens im Innern kann kein Hinüberfließen des Lebens zu andern stattfinden. Es nützt auch nichts, zu versuchen, Seelengewinner zu werden, wenn ihr nicht Frucht in eurem eigenen Leben tragt. Wie könnt ihr dem Herrn mit euren Lippen dienen, wenn ihr ihm nicht mit eurem Leben dient? Wie könnt ihr sein Evangelium mit eurem Munde predigen, wenn ihr mit Händen, Füßen und Herzen des Teufels Evangelium predigt und den Antichrist auf den Thron setzt durch die Unheiligkeit eures Wandels? Erst müssen wir Leben haben und selbst Frucht zur göttlichen Ehre tragen, dann wird unser Beispiel die Bekehrung anderer bewirken. Lasst uns zur Quelle gehen und sehen, wie wesentlich des Gläubigen eigenes Leben für seine Wirksamkeit unter anderen Menschen ist.

I.

Das Leben des Gläubigen ist voll geistlichen Segens. Diese Tatsache wollen wir erwägen an der Hand einiger Bemerkungen, die aus dem Text hervorwachsen; und zuerst lasst mich darauf hinweisen, dass des Gläubigen äußeres Leben einer Frucht gleicht, die von ihm kommt. Es ist wichtig dies zu beachten. „Die Frucht des Gerechten“ d. h. sein Leben ist nicht etwas, das auf ihm befestigt ist, sondern etwas, das aus ihm heraus wächst, Es ist nicht ein Kleid, das er aus- und anziehen kann, sondern es ist unzertrennlich von ihm. Des aufrichtigen Mannes Religion ist der Mann selbst, und nicht ein Mantel zum Verhüllen. Wahre Gottseligkeit ist das natürliche Gewächs einer erneuerten Natur, nicht die Treibhauspflanze frommer, erhitzter Aufregung. Ist es nicht natürlich für einen Weinstock, Trauben zu tragen? natürlich für einen Palmbaum, Datteln zu tragen? Gewiss, ebenso natürlich, als dass man Sodomsäpfel auf Sodomsbäumen findet und dass schädliche Pflanzen giftige Beeren hervorbringen. Wenn Gott seinen Kindern eine neue Natur gibt, so entspringt das Leben, welches aus dieser neuen Natur kommt, von selbst da heraus. Der Mann, welcher eine Religion hat, die nicht einen Teil seiner selbst bildet, wird bald entdecken, dass sie schlimmer als nutzlos für ihn ist. Der Mann, der seine Frömmigkeit wie eine Maske beim Karneval trägt, so dass er sich, wenn er nach Hause kommt, aus einem Heiligen in einen Barbaren, aus einem Engel in einen Teufel, aus einem Johannes in einen Judas verwandelt - solch' ein Mann, sage ich, weiß sehr wohl, was die Beobachtung der Formen und die Heuchelei für ihn tun können, aber er hat keine Spur von wahrer Religion. Feigenbäume tragen nicht Feigen an gewissen Tagen und Dornen an andern Tagen; sie sind ihrer Natur treu zu allen Zeiten.

Diejenigen, welche meinen, dass Gottseligkeit eine Sache der Gewänder sei und eine nahe Verbindung mit Blau und Scharlach und feiner Leinwand habe, sind konsequent, wenn sie ihre Religion aufbewahren bis zu einer für das Tragen ihres heiligen Pompes geeigneten Zeit; aber der, welcher entdeckt hat, was das Christentum ist, weiß, dass es viel mehr ein Leben, als eine Handlung, eine Form oder ein Bekenntnis ist. So sehr ich das Glaubensbekenntnis der Christenheit liebe, bin ich doch bereit zu sagen, dass wahres Christentum weit mehr ein Leben, als ein Glaubensbekenntnis ist. Es ist ein Glaubensbekenntnis, und es hat seine Zeremonien, aber es ist hauptsächlich ein Leben; es ist ein göttlicher Funke aus des Himmels Flamme, welcher in den menschlichen Busen fällt, darin brennt, vieles verzehrt, was verborgen in der Seele liegt, und dann zuletzt als ein himmlisches Leben herausflammt, das von allen umher gesehen und gefühlt wird. Unter der innewohnenden Kraft des Heiligen Geistes wird ein Wiedergeborner wie jener Busch in Horeb, der ganz von der Gottheit glühte. Der Gott in ihm macht ihn leuchtend, so dass der Platz um ihn her heiliges Land ist, und die, welche ihn ansehen, die Macht seines heiligen Lebens fühlen.

Liebe Brüder, wir müssen Sorge tragen, dass unsere Religion mehr und mehr etwas aus unserer Seele Hervorwachsendes wird. Viele sind eingehegt mit: „Du musst dies nicht tun und das nicht,“ und werden weiter getrieben mit: „Du musst dies tun und du musst das tun.“ Aber es gibt eine Lehre, die nur zu oft verdreht wird, und des ungeachtet doch eine gesegnete Wahrheit ist und in unserem Herzen wohnen sollte: Ihr seid nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade.“ Daher gehorcht ihr nicht dem Willen Gottes, weil ihr hofft, den Himmel dadurch zu erwerben, oder wähnt, dem göttlichen Zorn durch euer eigenes Tun zu entfliehen, sondern weil ein Leben in euch ist, das nach dem strebt, was heilig, rein, recht und wahr ist und dasjenige nicht ertragen kann, was böse ist. Ihr trachtet, reich an guten Werken zu werden, nicht aus gesetzlicher Hoffnung oder gesetzlicher Furcht, sondern weil etwas Heiliges, von Gott Geborenes in euch ist, das seiner Natur gemäß sucht, zu tun was Gott gefällt. Seht mehr und mehr darauf, dass eure Religion wirklich wahr, natürlich, lebendig sei, nicht künstlich, gezwungen, oberflächlich, ein Ding der Zeiten, Tage, Plätze, ein durch Aufregung erzeugter Pilz, eine Gärung, die durch Versammlungen hervorgerufen und durch Beredsamkeit verstärkt ist. Wir alle brauchen eine Religion, die sowohl in der Wüste, als in der Menschenmenge leben kann; eine Religion, die sich in jedem Gang des Lebens und in jeder Gesellschaft zeigt. Gebt mir die Gottseligkeit, die zu Hause gesehen wird, besonders beim Sitzen um den Kamin, denn sie ist nirgends schöner als da; die im Lärm und Kampf des gewöhnlichen Geschäftes gesehen wird, unter Spöttern und Widersprechern sowohl wie unter christlichen Leuten. Zeigt mir den Glauben, welcher den Luchsaugen der Welt trotzen und furchtlos wandeln kann, ebenso wohl da, wo alle mit dem grimmen Auge des Hasses auf ihn blicken, als da wo Beobachter sind, die mitfühlen, und Freunde, die milde richten. Möget ihr mit dem Leben des Heiligen Geistes erfüllt werden, und euer ganzer Wandel das natürliche und gesegnete Erzeugnis von dem Inwohnen dieses Heiligen Geistes sein!

Beachtet danach, dass die Frucht, die von einem Christen kommt, eine seines Charakters würdige Frucht ist: „Die Frucht des Gerechten ist ein Baum des Lebens.“ Jeder Baum trägt seine eigene Frucht, und wird daran erkannt. Der Gerechte trägt gerechte Frucht; mögen wir uns nicht täuschen, Brüder, oder in irgendeinen Irrtum darüber geraten: „Wer recht tut, der ist gerecht“, und: „Wer nicht recht tut, der ist nicht von Gott“ und „wer nicht seinen Bruder lieb hat.“ Wir sind bereit, hoffe ich, für die Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben zu sterben und vor allen Gegnern zu behaupten, dass die Seligkeit nicht aus den Werken ist; aber wir bekennen auch, dass wir gerechtfertigt sind durch einen Glauben, welcher Werke hervorbringt, und wenn jemand einen Glauben hat, welcher keine guten Werke erzeugt, so ist es der Glaube der Teufel. Der errettende Glaube eignet sich das vollbrachte Werk des Herrn Jesu an und errettet so allein, denn wir werden gerecht durch den Glauben, ohne Werke; aber der Glaube, welcher ohne Werke ist, kann niemand Errettung bringen. Wir werden gerecht durch den Glauben; ohne Werke, aber nicht durch einen Glauben, der ohne Werke ist, denn der wirkliche Glaube, der die Seele errettet, wirkt durch Liebe und reinigt den Charakter. Wenn du über den Ladentisch hin betrügen kannst, so ist deine Hoffnung auf den Himmel auch ein Betrug; wenn du auch so hübsch beten kannst, wie nur irgendeiner, und Werke äußerer Frömmigkeit so gut tun kannst, wie jeder andere Heuchler, bist du doch betrogen, wenn du erwartest, dass es am letzten Ende gut mit dir stehen wird. Wenn du als Diener faul, lügnerisch und herumschlendernd bist oder als Herr hart, tyrannisch und unchristlich gegen deine Untergebenen, so zeigt deine Frucht, dass du ein Baum aus Satans Obstgarten bist und Äpfel trägst, die seinem Gaumen munden. Wenn du im Handel Kniffe übst und wenn du lügen kannst, und wie viele lügen jeden Tag über ihre Nachbarn oder über ihre Güter! so magst du so viel du willst, davon reden, dass du durch den Glauben gerechtfertigt bist, aber alle Lügner werden ihr Teil haben in dem Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennt, und unter den größten Lügnern wirst du sein, denn du bist der Lüge schuldig, weil du sprichst: „Ich bin ein Christ,“ während du es nicht bist. Ein falsches Bekenntnis ist eine der schlimmsten Lügen, da es Christo und den Seinen die höchste Unehre bringt. Die Frucht des Gerechten ist Gerechtigkeit; der Feigenbaum bringt keine Dornen hervor, und wir werden ebenso wenig Trauben lesen von den Disteln. Der Baum wird an seiner Frucht erkannt, und wenn wir auch nicht die Herzen der Menschen richten können, und nicht versuchen dürfen, es zu tun, so können wir doch ihr Leben richten; und ich bitte Gott, dass wir alle bereit sein mögen, unser eigenes Leben zu richten und zu sehen, ob wir gerechte Frucht bringen, denn wenn nicht, so sind wir nicht Gerechte.

Lasst es indessen niemals vergessen werden, dass die Frucht des Gerechten, obwohl sie naturgemäß aus ihm kommt, denn seine neugeborene Natur trägt die süße Frucht des Gehorsams, dennoch immer das Ergebnis der Gnade und die Gabe Gottes ist. Keiner Wahrheit sollte mehr gedacht werden als dieser: „An mir soll man deine Frucht finden“1)). Wir können keine Frucht bringen, wenn wir nicht in Christo bleiben. Die Gerechten werden grünen wie ein Zweig“, und nur wie ein Zweig. Wie grünt ein Zweig? Durch seine Verbindung mit dem Stamm und das daraus folgende Einfließen des Saftes; und so werden des Gerechten gerechte Taten, obwohl sie seine eigenen sind, doch stets durch die Gnade hervorgebracht, welche ihm mitgeteilt ist, und er wagt nie, sich etwas Verdienst davon beizulegen, sondern singt: „Nicht uns, Herr, nicht uns, sondern deinem Namen gib Ehre“. Wenn es ihm misslingt, so tadelt er sich selbst; wenn es ihm gelingt, so preiset er Gott. Ahmt sein Beispiel nach, legt jeden Fehler, jede Schwachheit, jedes Gebrechen vor eure eigene Tür; und wenn es euch in irgendeiner Hinsicht an Vollkommenheit mangelt - und ich bin gewiss, das wird der Fall sein - nehmt es alles auf euch und entschuldigt euch nicht; aber wenn irgendeine Tugend da ist, ein aufrichtiges Verlangen, ein wirkliches Gebet, irgendetwas, was gut ist, so schreibt es alles dem Geiste Gottes zu. Gedenkt daran, der Gerechte würde nicht gerecht sein, wenn Gott ihn nicht gerecht gemacht hätte, und die Frucht der Gerechtigkeit würde nie von ihm kommen, wenn nicht der göttliche Saft in ihm dieselbe erzeugt hätte. Gott allein sei alle Ehre und aller Ruhm.

Die Hauptlehre dieses Spruches ist, dass dieses Hervorbrechen des inneren Lebens beim Christen, diese Frucht seiner Seele ein Segen für andere wird. Gleich einem Baume gibt sie Schatten. und Nahrung allen um ihn her. Sie ist ein Baum des Lebens, ein Ausdruck, den ich nicht völlig so auslegen kann, wie ich es wünschte, denn es ist eine Fülle von Lehre in dieser Illustration zusammengedrängt. Das, was für den Gläubigen selbst eine Frucht ist, wird für andere ein Baum; es ist ein seltsames Gleichnis, aber keineswegs ein lahmes. Von dem Kinde Gottes fällt die Frucht heiligen Lebens, eben wie die Eichel von der Eiche fällt; dieses heilige Leben übt Einfluss aus und erzeugt in andern die besten Resultate, eben wie die Eichel selbst eine Eiche wird und ihren Schatten den Vögeln der Luft leiht. Des Christen Heiligkeit wird ein Baum des Lebens. Ich nehme an, dies bedeutet: ein lebendiger Baum, ein Baum, dazu bestimmt, Leben zu geben und es in andern zu erhalten. Eine Frucht wird ein Baum! Ein Baum des Lebens! Dies ist ein wundervolles Ergebnis! Der Wandel des Christen ist die Frucht seines inneren Lebens; dies Leben wächst aus einer Frucht zu einem Baum heran; und als ein Baum trägt es Frucht in andern zur Ehre und zum Preise Gottes. Liebe Brüder und Schwestern, ich kenne einige von Gottes Heiligen, welche sehr in Gottes Nähe leben; sie sind augenscheinlich Bäume des Lebens, denn ihr bloßer Schatten ist tröstend, kühlend und erquickend für viele müde Seelen. Ich habe gesehen, dass die noch Jungen, die Angefochtenen, die Niedergeschlagenen zu ihnen gingen, unter ihrem Schatten niedersaßen, ihren Kummer vor ihnen ausschütteten und es als einen reichen Segen empfanden, wenn sie ihnen ihre Teilnahme bewiesen, ihnen von der Treue des Herrn erzählten und sie auf den Pfad der Weisheit leiteten. Solche Menschen kennen, heißt reich sein; es gibt einige wenige der Art in der Welt. Sie sind Bibliotheken der evangelischen Wahrheit; aber sie sind besser als Bücher, denn die Wahrheit ist in ihnen auf lebendige Seiten geschrieben. Ihre ganze Persönlichkeit ist ein wahrer und lebendiger Baum; sie ist nicht ein bloßer Pfahl von dem toten Holz der Lehre, der eine Inschrift trägt und dabei verfault, sondern sie ist etwas Lebendiges, Organisiertes, Frucht-Erzeugendes, eine Pflanze, die des Herrn Rechte gepflanzt hat.

Nicht nur Trost geben einige Heilige andern Menschen, sondern sie gewähren ihnen auch geistliche Nahrung. Geförderte Christen werden „Pfleger und Säugammen“, welche die Schwachen stärken und die Wunden derer, die gebrochenen Herzens sind, verbinden. So sind auch die starken, kühnen, großmütigen Taten weitherziger Christen ihren Mitchristen von großem Nutzen und dienen dazu, sie auf eine höhere Stufe zu erheben. Ihr fühlt euch erfrischt, wenn ihr seht, wie sie handeln; ihre Geduld im Leiden, ihr Mut in der Gefahr, ihr heiliger Glaube an Gott, ihr fröhliches Antlitz im Unglück all dieses stählt euch für eure eigenen Kämpfe. Auf tausenderlei Weise wirkt das Beispiel des geheiligten Gläubigen heilend und tröstend auf seine Brüder und hilft dazu, sie über Angst und Unglauben hinweg zu heben. Eben wie die Blätter des Lebensbaumes zur Heilung der Völker dienen, so sind die Worte und Taten der Heiligen Arznei für tausend Krankheiten.

Und dann, wie süß ist für den Geschmack der Gottesfürchtigen die Frucht, welche erfahrene Gläubige tragen! Wir können niemals auf Menschen vertrauen, wie wir auf den Herrn trauen, aber der Herr kann auch die Glieder uns zum Segen werden lassen, wie das Haupt uns stets Segen gibt. Jesus allein ist der Baum des Lebens, aber er lässt einige seiner Diener für uns zu kleinen Lebensbäumen werden, durch welche er uns Frucht gibt von gleicher Art, wie er selber sie trägt, denn er legt diese in sie hinein und lässt sie goldene Äpfel hervorbringen, die unsere Seele erfreuen. Möge jeder von uns unserem Herrn gleich gemacht werden, und möge seine Frucht auf unseren Zweigen sich finden.

Wir haben viele entschlafene Heilige ins Grab gelegt und unter ihnen waren einige, von denen ich in diesem Augenblicke nicht besonders sprechen will, deren Leben, wenn ich darauf zurückblicke, immer noch ein Baum des Lebens für mich ist. Ich bitte Gott, dass ich ihnen gleichen möge. Viele von euch haben sie gekannt, und wenn ihr euch nur ihr frommes, heiliges Leben ins Gedächtnis zurückrufen wollt, so wird es stets noch ein Baum des Lebens für euch sein. Wiewohl sie gestorben sind, reden sie noch; hört ihre beredten Ermahnungen! Selbst in ihrer Asche lebt ihr gewohntes Feuer; zündet eure Seelen an bei ihrer Glut. Ihr edles Beispiel ist ihr Vermächtnis an die Gemeinde, deren Mitglieder reicher und edler werden, wenn sie an ihren Wandel im Glauben und an ihre Arbeit der Liebe gedenken. Geliebte, möge jeder von uns ein wahrer Segen für die Gemeinde werden, in deren Garten wir gepflanzt sind! „O,“ sagt einer, „mir ist bange, ich gleiche nicht sehr einem Baume, denn ich fühle mich so schwach und unbedeutend.“ Wenn du Glauben wie ein Senfkorn hast, so hast du den Anfang des Baumes, unter dessen Zweigen die Vögel des Himmels noch wohnen werden. Diese Vögel, die den winzigen Samen hätten fressen können, kommen und wohnen in dem Baum, der daraus erwächst, und die Leute, welche dich verachten und verspotten jetzt, da du ein junger Anfänger bist, werden eines Tages, wenn Gott dich segnet, froh sein, aus deinem Beispiel und deiner Erfahrung Trost zu entnehmen.

Aber noch einen Gedanken über diesen Punkt. Erinnert euch, dass die Vollendung und Entwicklung des heiligen Lebens droben gesehen werden wird. Es gibt eine Stadt, von der geschrieben steht: „Mitten auf ihrer Gasse und auf beiden Seiten des Stroms stand Holz des Lebens.“ Das Holz des Lebens ist eine himmlische Pflanze und auch die Frucht des Christen ist etwas Himmlisches; obgleich noch nicht ins Land der Herrlichkeit versetzt, wird sie doch schon bereitet für ihre künftige Stätte. Was ist Heiligkeit anders, als der Himmel auf Erden? Was ist das Leben für Gott anders, als das eigentliche Wesen des Himmels? Was sind Aufrichtigkeit, Lauterkeit, Christus-Ähnlichkeit? Haben diese nicht noch mehr mit dem Himmel zu tun, als Harfen und Palmen und Gassen vom reinsten Golde? Heiligkeit, Reinheit, Liebenswürdigkeit des Charakters diese bilden einen Himmel in des Menschen eigener Brust, und selbst wenn es keinen Ort gäbe, der Himmel genannt wird, so würde das Herz, das von der Sünde befreit und dem Herrn Jesu ähnlich gemacht ist, ein himmlisches Glück haben. Seht denn, liebe Brüder, von welcher Wichtigkeit es für uns ist, in der Tat vor Gott gerecht zu sein, denn aus dieser Gerechtigkeit wird die Frucht hervorwachsen, die ein Baum des Lebens für andere sein wird und ein Baum des Lebens im Himmel droben ewiglich. O Heiliger Geist, mache es so, und du sollst allen Ruhm haben!

II.

Dies bringt uns zu unserem zweiten Teil. Das Streben des Gläubigen sollte das Gewinnen von Seelen sein. Denn, „wer Seelen gewinnt, der ist weise.“ Diese zwei Dinge sind zusammengestellt zuerst das Leben, dann das Streben: „Was nun Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.“

In unserem Texte liegt, dass es Seelen gibt, denen es Bedürfnis ist, gewonnen zu werden. Ach! alle Menschenseelen sind von Natur verloren. Ihr könnt durch die Straßen Londons wandern und mit Seufzern und Tränen von den Menschenmassen, denen ihr auf diesen vollen Gassen begegnet, sprechen: „Verloren, verloren, verloren!“ Wo kein Vertrauen auf Christum ist und der Geist nicht ein neues Herz geschaffen hat und die Seele nicht zu dem großen Vater gekommen ist, da ist eine Seele verloren. Aber es ist noch Barmherzigkeit da diese verlorenen Seelen können gewonnen werden. Sie sind nicht hoffnungslos verloren; Gott hat noch nicht beschlossen, dass sie auf ewig bleiben sollen, wie sie sind. Es ist noch nicht gesprochen: „Wer unrein ist, der sei immerhin unrein;“ sondern sie sind in dem Lande der Hoffnung, wo die Barmherzigkeit sie erreichen kann, denn es wird von ihnen gesagt, dass sie fähig sind, gewonnen zu werden. Sie können noch befreit werden, aber der Ausdruck deutet an, dass es unserer Anstrengung dazu bedarf: „Wer Seelen gewinnt.“

Was verstehen wir unter dem Wort gewinnen? Wir gebrauchen es bei der Brautwerbung. Wir sprechen von dem Bräutigam, welcher seine Braut gewinnt. Und zuweilen gehört viel Kundgebung der Liebe, manches bittende Wort dazu, ehe das begehrte Herz ganz des Bewerbers eigen wird. Ich brauche diese Erklärung, weil sie in vieler Hinsicht die allerbeste ist, denn man muss die Seelen in dieser Weise für Christum gewinnen, damit sie ihm vermählt werden. Wir müssen uns für Christum um den Sünder bewerben. Jesus ist der Bräutigam und wir müssen für ihn sprechen und von seiner Schönheit erzählen, wie Abrahams Knecht, als er ging, um für Isaak ein Weib zu suchen, an seiner Statt als Bewerber handelte. Habt ihr nie die Geschichte gelesen? Dann schlagt sie auf, wenn ihr nach Hause kommt und seht, wie er von seinem Herrn redete, was für Güter er hätte und wie Isaak der Erbe von allem werden würde usw. und dann seine Rede damit endigte, dass er Rebekka bat, mit ihm zu gehen. Die Frage ward ihr vorgelegt: „Willst du mit diesem Manne ziehen?“ So ist des Predigers Geschäft, seinen Herrn und seines Herrn Reichtümer zu empfehlen und dann die Seelen zu fragen: „Wollt ihr mit Christo vermählt werden?“ Wem dieses sehr zarte Geschäft gelingt, der ist ein weiser Mann.

Wir gebrauchen den Ausdruck auch beim Kriege. Wir sprechen vom Gewinnen einer Stadt, eines Schlosses, einer Schlacht. Wir gewinnen Siege nicht durch Einschlafen. Glaubt mir, Festungen werden nicht durch Leute gewonnen, die nur halb wach sind. Zum Gewinnen einer Schlacht gehört die beste Geschicklichkeit, die größte Ausdauer und der äußerste Mut. Um Festungen, die für fast uneinnehmbar gelten, zu stürmen, muss man das Mitternachtsöl brennen und die Kunst des Angriffs wohl studieren; und wenn die Zeit zum Sturm kommt, so darf kein Soldat träge sein, sondern alle Kraft der Artillerie und der Menschen muss auf den angegriffenen Punkt gerichtet werden. Das Menschenherz durch die Kraft der Gnade zu erobern, es gefangen zu nehmen, die ehernen Türen zu zerbrechen und die eisernen Riegel zu zerschlagen, das erfordert ein Geschick, welches nur Christus geben kann. Die großen Sturmböcke heranbringen und jeden Stein in des Sünders Gewissen erschüttern, sein Herz zittern und beben machen vor dem zukünftigen Zorn mit einem Wort, eine Seele mit der ganzen Artillerie des Evangeliums angreifen, dazu gehört ein weiser Mann und einer, der ganz und gar bei der Sache ist. Die weiße Fahne der Barmherzigkeit empor halten, und wenn diese verachtet wird, den Sturmbock der Drohungen gebrauchen, bis eine Bresche gemacht ist, und dann mit dem Schwert des Geistes in der Hand, die Stadt erobern, die schwarze Fahne der Sünde herunterreißen und das Banner des Kreuzes aufrichten, dazu gehört alle Kraft, die dem besten Prediger zu Gebote steht und noch viel mehr. Die, deren Seelen so kalt sind, wie die Polarregionen und deren Energie bis zu einem verschwindenden Punkt herabgesunken ist, werden wahrscheinlich nicht die Stadt „Menschenseele“ für den Fürsten Emanuel nehmen. Wenn ihr Seelen gewinnen wollt, so müsst ihr mit ganzer Seele bei eurem Werke sein, eben wie ein Soldat mit ganzer Seele bei der Schlacht sein muss, sonst wird der Sieg nicht euer sein.

Wir brauchen das Wort „gewinnen“ mit Bezug auf die Erwerbung eines Vermögens, und wir alle wissen, dass der Mann, der ein Millionär werden will, früh aufstehen und spät ins Bett gehen und das Brot der Sorge essen muss; es gehört sehr viel Arbeit und Sparen und ich weiß nicht, was noch mehr, dazu, ungeheuren Reichtum aufzuhäufen. Wir müssen an das Seelengewinnen gehen mit demselben Eifer und derselben Konzentrierung unserer Fähigkeiten, wie der alte Astor von New-York daran ging, das Vermögen von so vielen Millionen zusammenzubringen, das er jetzt hinterlassen hat. Es ist in der Tat ein Wettlauf, und ihr wisst, dass in einem Wettlaufe niemand gewinnt, wenn er nicht jeden Muskel und jede Sehne anstrengt. „Die, so in den Schranken laufen, die laufen alle, aber einer erlanget das Kleinod;“ und dieser eine ist gewöhnlich der, welcher mehr Kraft hat, als die übrigen; doch, ob er mehr Kraft besitzt oder nicht, sicherlich hat er alle angestrengt, die er hat, und wir werden nicht Seelen gewinnen, wenn wir ihm nicht hierin nachahmen.

Salomo erklärt in diesem Text den, welcher Seelen gewinnt, für weise, und eine solche Erklärung ist umso wertvoller, weil sie von einem so weisen Mann kommt. Lasst mich euch zeigen, warum einer, der Seelen gewinnt, weise ist. Zuerst, er muss von Gott gelehrt sein, ehe er es unternimmt. Der Mann, welcher nicht weiß, dass er, obwohl einst blind, „nun sehend“ ist, täte besser, an seine eigene Blindheit zu denken, ehe er versucht, seine Freunde auf den rechten Weg zu leiten. Wenn ihr nicht selbst errettet seid, so könnt ihr nicht das Werkzeug sein, andere zu erretten. Wer Seelen gewinnt, muss erst weise genug gewesen sein, die eigene Seligkeit zu schaffen.

Dies vorausgesetzt, ist er ein weiser Mann, weil er ein solches Ziel sich wählt. Junger Mann, wählst du dir etwas, das würdig ist, der große Zweck deines Lebens zu werden? Ich hoffe, du wirst weislich urteilen und einen edlen Ehrgeiz haben. Wenn Gott dir große Gaben gegeben hat, so hoffe ich, dass sie nicht für irgendeinen niedrigen, gemeinen oder selbstsüchtigen Zweck vergeudet werden. Angenommen, ich spreche jetzt zu einem, der große Talente hat und die Gelegenheit, zu werden, was er will, ins Parlament zu gehen und zur Annahme wichtiger Gesetze beizutragen, oder sich dem Geschäfte zu widmen und dort ein Mann von Bedeutung zu werden: ich hoffe, er wird die Ansprüche, die Jesus und unsterbliche Seelen an ihn haben, ebenso wohl wägen wie andere Ansprüche. Soll ich mich dem Studium widmen? Soll ich mich dem Geschäft hingeben? Soll ich reisen? Soll ich meine Zeit mit Vergnügungen zubringen? Soll ich der erste Fuchsjäger der Provinz werden? Soll ich meine Zeit zur Förderung politischer und sozialer Reformen anwenden? Denke über alles nach; aber wenn du ein Christ bist, mein lieber Freund, wird nichts dir so viel Genuss, so viel Ehre und so viel dauernden Lohn bringen, als wenn du dich dem Seelengewinnen widmest. O, es ist eine großartige Jagd, das kann ich dir sagen, und es übertrifft alles Fuchsjagen der Welt an Aufregung und Aufheiterung!

Bin ich nicht zuweilen über Hecken und Gräben einem armen Sünder gefolgt und habe Schritt mit ihm gehalten in jeder Wendung und Windung, die er nahm, bis ich ihn durch Gottes Gnade einholte und mich ungemein freute, wenn ich ihn von meinem Herrn in Besitz genommen sah? Unser Herr Jesus nennt seine Prediger Fischer, und keine andere Fischer haben solche Arbeit, solche Trauer und solche Freude, wie wir. Was für eine schöne Sache ist es, dass ihr Seelen gewinnen könnt für Jesum, und sogar, wenn ihr in eurem weltlichen Berufe bleibt! Einige von euch würden auf der Kanzel niemals Seelen gewinnen; es würde zu bedauern sein, wenn ihr es versuchtet, aber ihr könnt Seelen gewinnen in der Werkstatt und in der Waschküche, in der Kinderstube und im Salon. Unser Jagdrevier ist überall; am Wege, am Kamin, im Winkel, in der Menschenmenge.

Bei den Geringen im Volke ist Jesus unser Thema, und bei den Großen haben wir kein anderes. Du wirst weise sein, mein Bruder, wenn bei dir der eine, alles andere verzehrende Wunsch der ist, die Gottlosen von dem Irrtum ihres Weges zu bekehren. Für dich wird es eine von vielen Sternen schimmernde Krone geben, die du zu Jesu Füßen legen wirst am Tage seiner Erscheinung.

Ferner, es wird nicht nur weise sein, dies zu eurem Streben zu machen, sondern ihr werdet auch sehr weise sein müssen, wenn es euch gelingen soll, weil die Seelen so verschieden in ihrer Beschaffenheit, ihren Gefühlen und Zuständen sind und ihr euch ihnen allen anpassen müsset. Die „Trappers“ in Nordamerika müssen die Gewohnheiten der wilden Tiere, die sie zu fangen wünschen, ausspähen, und ebenso werdet ihr zu lernen haben, wie ihr mit jeder Klasse von Menschen verfahren müsst. Einige sind sehr niedergedrückt, ihr werdet sie zu trösten haben. Vielleicht werdet ihr sie zu viel trösten und sie ungläubig machen, und deshalb werdet ihr möglicherweise zuweilen ein scharfes Wort zu sprechen haben, um das Murren, in das sie hinein geraten sind, zu heilen. Ein anderer mag leichtfertig sein, und wenn ihr ein ernstes Gesicht macht, werdet ihr euren Vogel hinwegscheuchen; ihr müsst heiter sein und wie zufällig ein Wort der Ermahnung fallen lassen. Einige Leute werden euch nicht zum Wort kommen lassen, sondern nur selbst reden; ihr müsst die Kunst verstehen, ein Wort hineinzuschieben. Ihr werdet sehr weise sein müssen und allen alles werden, und euer Erfolg wird eure Weisheit zeigen. Theorien über die Behandlung der Seelen mögen. sehr weise aussehen, aber sie zeigen sich oft als nutzlos, wenn man versucht, nach ihnen zu handeln; wer durch Gottes Gnade das Werk vollbringt, ist ein weiser Mann, ob er auch vielleicht gar keine Theorie kennt. Diese Arbeit wird all' euren Verstand erfordern und noch mehr und ihr werdet zu dem großen Gewinner der Seelen droben zu rufen haben, dass er euch seinen Heiligen Geist gebe.

Aber merkt euch, wer Seelen gewinnt, ist weise, weil er mit einer Arbeit beschäftigt ist, welche ihn weiser macht, je länger er damit fortfährt. Ihr werdet zuerst stümpern und wahrscheinlich Sünder von Christo wegtreiben durch eure Versuche, sie zu ihm zu ziehen. Ich habe mit all meiner Kraft versucht, Seelen durch eine gewisse Schriftstelle zu bewegen, aber sie haben diese in ganz entgegengesetzter Meinung verstanden und sind in verkehrter Richtung weiter gegangen. Es ist sehr schwer zu wissen, wie man mit Suchenden verfahren soll. Wenn ihr wollt, dass einige Leute vorwärts gehen sollen, so müsst ihr sie rückwärts ziehen; wenn ihr wollt, dass sie rechts gehen sollen, müsst ihr darauf bestehen, dass sie links gehen, dann gehen sie sofort rechts. Ihr müsst auf diese Torheiten der armen menschlichen Natur vorbereitet sein. Ich kenne eine arme christliche Frau, die fünfzig Jahre ein Kind Gottes gewesen war, aber nun in einem Zustand von Schwermut und Traurigkeit war, aus dem niemand sie herausreißen konnte. Ich besuchte sie mehrmals und bemühte mich, sie aufzuheitern, aber gewöhnlich war sie, wenn ich sie verließ, schlimmer als zuvor. Darum sagte ich, als ich sie wieder besuchte, gar nichts von Christo oder von Religion. Sie fing bald selbst davon an, und ich antwortete ihr, ich wolle mit ihr nicht von solchen heiligen Dingen reden, sie verstünde nichts davon, denn sie glaubte nicht an Christum und wäre ohne Zweifel viele Jahre eine Heuchlerin gewesen. Das konnte sie nicht ertragen und behauptete zu ihrer Selbstverteidigung, dass der Herr droben sie besser kenne, als ich, und dass er ihr Zeuge wäre, dass sie den Herrn Jesum Christum lieb hätte. Sie vergab sich nachher kaum dies Zugeständnis, aber sie konnte nie mehr mit mir ganz so verzweifelnd sprechen. Wahre Liebhaber der Menschenseelen lernen die Kunst, mit ihnen umzugehen, und der Heilige Geist macht sie zu erfahrenen Seelenärzten. Es ist nicht, weil ein Mann mehr Fähigkeiten hat, und auch nicht allein, weil er gottseliger ist, sondern der Herr gibt ihm eine sehr starke Liebe zu den Menschenseelen, und dies verleiht ihm eine verborgene Geschicklichkeit, da meistens das Mittel, Seelen zu Christo zu bringen, das ist, sie zu Christo zu lieben.

Geliebte Brüder, ich will noch einmal sagen, der, welcher wirklich Seelen für Jesum gewinnt, wie er es auch macht, ist ein weiser Mann. Einige von euch geben dies nicht gern zu.

Sie sagen: „Nun, N. N. hat wohl sehr nützlich gewirkt, aber er ist sehr barsch.“ Was tut seine Barschheit, wenn er Seelen gewinnt? „Ach!“ sagt ein anderer, „ich erbaue mich nicht unter ihm.“ Warum gehst du hin, um erbaut zu werden? Wenn der Herr ihn gesandt hat, um niederzureißen, so lass ihn niederreißen, und gehe du anderswohin zu deiner Erbauung; aber murre nicht über einen Mann, der eine Sache tut, weil er nicht ebenfalls eine andere tut. Wir sind auch viel zu geneigt, einen Prediger dem andern gegenüber zu stellen und zu sagen: „Ihr solltet meinen Prediger hören“' Vielleicht sollten wir es, aber es würde besser für dich sein, den Mann zu hören, der dich erbaut, und andere gehen zu lassen, wo sie auch Unterweisung empfangen. „Wer Seelen gewinnt, der ist weise.“ Ich frage euch nicht, wie er es tat. Er fand das Evangelium, und euch gefiel das nicht; aber wenn er Seelen gewann, so war er weise. Seelengewinner haben jeder ihre eigene Art; und wenn sie nur Seelen gewinnen, sind sie weise. Ich will euch sagen, was nicht weise ist, und am letzten Ende nicht dafür gehalten werden wird, nämlich, in den Gemeinden umhergehen, selber nichts tun und spötteln über alle Knechte Gottes, die segensreich wirken.

Hier liegt ein lieber Bruder auf seinem Sterbebett, er hat den süßen Gedanken, dass der Herr ihn in Stand gesetzt hat, viele Seelen zu Christo zu bringen, und die Hoffnung, dass viele Selige ihn empfangen werden, wenn er zu jenen Toren kommt. Sie werden sich an dem Aufgang zum Neuen Jerusalem zusammenscharen und den bewillkommnen, der sie zu Jesu geführt hat. Sie sind unsterbliche Denkmäler seiner Arbeit. Er ist weise. Hier ist ein anderer, der all seine Zeit darauf verwandt hat, die Weissagungen auszulegen, so dass er alles, was er in den Zeitungen las, im Daniel oder in der Offenbarung Johannis sehen konnte. Er ist weise, so sagen einige, aber ich würde lieber meine Zeit damit zubringen, Seelen zu gewinnen. Ich wollte lieber einen Sünder zu Christo bringen, als alle Geheimnisse des göttlichen Wortes enträtseln, denn die Errettung der Sünder ist dasjenige, wofür wir leben sollen. Ich wünschte zu Gott, dass ich alle Geheimnisse verstünde, doch hauptsächlich möchte ich das Geheimnis der Seelenerrettung durch den Glauben an das Blut des Lammes verkünden. Es ist ein verhältnismäßig Geringes für einen Prediger, wenn er sein Leben lang ein eifriger Verfechter der Orthodoxie gewesen ist und seine Kraft daran gewandt hat, die Umhegungen seiner Kirche in Stand zu halten; Seelengewinnen ist das Hauptgeschäft. Es ist etwas sehr Gutes, ernstlich „ob dem Glauben zu kämpfen, der einmal den Heiligen vorgegeben ist;“ aber ich denke nicht, dass ich bei meiner letzten Rechenschaft gern sagen würde: „Herr, ich habe gelebt, um gegen die Romanisten und die Staatskirche zu kämpfen und um die verschiedenen irrenden Sekten zu unterdrücken, aber ich habe niemals einen Sünder zum Kreuze geführt.“ Nein, wir wollen den guten Kampf des Glaubens kämpfen, aber das Gewinnen von Seelen ist eine größere Sache, und wer sich derselben befleißigt, der ist weise. Ein anderer Bruder hat die Wahrheit gepredigt, aber er feilte und glättete seine Predigten so, dass das Evangelium verdeckt ward. Nie hielt er eine Predigt für tauglich, gehalten zu werden, ehe er sie ein Dutzend Mal umgeschrieben, um zu sehen, ob sie jeder von den Regeln des Cicero und Quintilian entsprach, und dann ging er hin und machte die Verkündigung des Evangeliums zu einer großartigen Rede. Ist das weise? Nun, es gehört ein weiser Mann dazu, um ein vollendeter Redner zu sein; aber es ist besser, kein Redner zu sein, wenn schöne Worte es hindern, dass man verstanden wird. Lasst lieber die Beredsamkeit vor die Hunde geworfen werden, als dass Seelen verloren gehen. Was wir wollen, ist Seelen gewinnen, und diese werden durch blumenreiche Reden nicht gewonnen. Wir müssen die Seelen auf dem Herzen tragen und glühendroten Eifer für ihre Errettung haben; und dann, wie viele Versehen wir auch nach Ansicht der Kritiker machen, sollen wir doch unter diejenigen gezählt werden, die der Herr weise nennt.

Nun, christliche Männer und Frauen, mein Wunsch ist, ihr grifft die Sache praktisch an und beschlosst, dass ihr noch heute Abend versuchen wolltet, eine Seele zu gewinnen. Versucht es mit der neben euch im Stuhle, wenn ihr an keine andere denken könnt. Versucht es auf dem Heimwege; versucht es mit euren eigenen Kindern. Hab' ich euch nicht erzählt, was an einem Sonntagabend geschah? In meiner Predigt sagte ich: „Nun liebe Mütter, habt ihr je mit jedem eurer Kinder einzeln gebetet und es angetrieben, Jesum zu ergreifen? Vielleicht ist die kleine Anna jetzt schon im Bett, und du hast nie mit ihr über ewige Dinge gesprochen. Gehe heute Abend nach Hause, wecke sie auf und sage: Anna, es tut mir leid, dass ich nie mit dir von dem Heiland gesprochen und mit dir gebetet habe, aber ich will es jetzt tun. Wecke sie auf, lege deine Arme um ihren Nacken und schütte mit ihr dein Herz vor Gott aus.“ Nun, es war eine gute Schwester anwesend, die eine Tochter Namens Anna hatte. Was denkt ihr? Sie kam am Montag mit ihrer Tochter Anna zu mir in die Sakristei, denn als sie sie aufgeweckt und gesagt hatte: „Ich habe nie mit dir von Jesus gesprochen“, antwortete die Tochter: „O liebe Mutter, ich habe den Heiland schon seit sechs Monaten lieb und mich gewundert, warum du nie mit mir von ihm gesprochen“; da hatte es große Freude gegeben. Vielleicht findet ihr, dass es ebenso mit eurem lieben Kinde ist; und wenn nicht, so ist desto mehr Grund vorhanden, sogleich zu sprechen. Gewannst du nie eine Seele für Jesum? Du wirst eine Krone im Himmel haben, aber keine Juwelen darin. Du wirst kinderlos zum Himmel gehen; und du weißt, wie es in alten Zeiten war, wie die Weiber es fürchteten, kinderlos zu bleiben. Lasst es so mit Christen sein; lasst sie fürchten, im geistlichen Sinne kinderlos zu sein. Wir müssen die Rufe derer hören, die für Gott geboren sind, wir müssen sie hören, sonst rufen wir voll Angst: Schaffe mir Bekehrte; wo nicht, so sterbe ich.“ Junge Männer und alte Männer, und Schwestern jedes Alters, wenn ihr den Herrn liebt, so fasset eine Leidenschaft für Seelen. Seht ihr sie nicht? Sie gehen zu Tausenden hinab in die Hölle; so oft der Zeiger an der Uhr seinen Kreislauf vollendet, so oft verschlingt die Hölle eine ganze Menge, einige, die nichts von Christo wissen, und andere, die ihn eigenwillig verwerfen. Die Welt liegt in der Finsternis: unsere große Stadt schmachtet immer noch nach dem Licht; euere eigenen Freunde und Verwandte sind noch nicht errettet, und sie mögen tot sein, ehe diese Woche vorüber ist. O, wenn ihr irgendwelche Menschlichkeit habt, geschweige denn Christlichkeit, so erzählt den Kranken von dem Heilmittel, das ihr gefunden! Wenn ihr das Leben gefunden habt, so verkündigt es den Toten; wenn ihr die Freiheit gefunden, macht es den Gefangenen bekannt; wenn ihr Christum gefunden, sagt anderen von ihm. Meine Brüder im „College“, lasst dieses eure köstlichste Arbeit sein, während ihr studiert, und lasst es das eine Ziel eures Lebens sein, wenn ihr von uns weggeht. Seid nicht zufrieden, wenn ihr eine Anzahl Hörer um euch sammelt, sondern arbeitet, Seelen zu gewinnen; und je nachdem ihr dieses tut, wird Gott euch segnen. Was uns betrifft: wir hoffen während unserer noch übrigen Lebenszeit, dem zu folgen, welcher der rechte Seelengewinner ist, und uns in die Hand dessen zu geben, der uns zu Seelengewinnern macht, damit unser Leben nicht eine lang fortgesetzte Torheit sei, sondern sich durch Resultate als ein von der Weisheit geleitetes bewähren möge.

O ihr noch nicht für Jesum gewonnenen Seelen, erinnert euch, dass der Glaube an Christum euch errettet! Vertraut auf ihn! Möchtet ihr dahin gebracht werden, auf ihn zu vertrauen, um seines Namens willen!

Amen.

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Von mir wird deine Frucht gefunden.“ (N. d. engl. Üb.
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autoren/s/spurgeon/d/der_seelengewinner/spurgeon_-_seelengewinner_-_xi.txt · Zuletzt geändert: von aj
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