Spurgeon, Charles Haddon - Der Seelengewinner - Was heißt es, eine Seele gewinnen?
Ich habe vor, liebe Brüder, wenn Gott mir Kraft verleiht, Ihnen einen kleinen Kursus Vorlesungen unter dem allgemeinen Titel „Der Seelengewinner“ zu geben. Seelengewinnen ist das Hauptgeschäft des christlichen Predigers; eigentlich müsste es das Hauptstreben jedes wahren Gläubigen sein. Jeder von uns sollte mit Simon Petrus sprechen: „Ich will hin fischen gehen“; und mit Paulus sollte unser Ziel sein, „dass ich allenthalben ja etliche selig mache.“ Wir wollen unsere Reden über diesen Gegenstand damit beginnen, dass wir die Frage erwägen:
Was heißt es, eine Seele gewinnen?
Diese Frage wollen wir zuerst beantworten, indem wir beschreiben, was es nicht heißt. Wir betrachten es nicht als Seelengewinnen, Mitglieder anderer Kirchengemeinschaften zu stehlen und sie dahin zu bringen, unser besonderes Schibboleth auszusprechen: wir streben mehr danach, Seelen zu Christo zu führen, als Konvertiten in unsere Synagoge zu bringen. Es gibt Schafdiebe, von denen ich nur sagen. will, dass sie nicht „Brüder“ sind oder wenigstens, dass sie nicht in brüderlicher Weise handeln. Ihrem Herrn müssen sie stehen oder fallen. Wir halten es für sehr niedrig, unser eigenes Haus aus den Ruinen der Häuser unserer Nachbarn zu bauen; wir ziehen es weit vor, für uns selber die Steine auszubrechen. Ich hoffe, wir stimmen alle mit der weitherzigen Gesinnung des Dr. Chalmers überein, der, als man ihm sagte, eine gewisse Sache wäre für die „besonderen Interessen der Freien Kirche Schottlands“ nicht gut, obwohl förderlich für die Religion des Landes im allgemeinen, erwiderte: „Was ist die freie Kirche im Vergleich mit dem geistlichen Wohle des schottischen Volkes?“ Was, in der Tat, ist irgendeine Kirche oder was sind alle Kirchen zusammen, als bloße Organisationen betrachtet, wenn sie mit dem sittlichen und geistlichen Wohl des Volkes im Widerstreit stehen oder wenn sie das Reich Christi hindern? Weil Gott die Menschen durch die Kirchen segnet, darum wünschen wir ihr Gedeihen, und nicht bloß um der Kirchen selber willen. Zuweilen mischt sich Selbstsucht in unsern Eifer für die Vergrößerung unserer Partei und von diesem bösen Geiste möge die Gnade Gottes uns befreien! Die Vermehrung des Reiches ist mehr zu wünschen als das Wachstum einer Familie. Wir würden viel tun, einen Bruder, welcher die Kindertaufe lehrt, zu einem Baptisten zu machen, denn wir schätzen unseres Herrn Stiftungen hoch; wir würden ernstlich arbeiten, einen, der an die Seligkeit durch den freien Willen glaubt, zu dem Glauben an die Seligkeit aus Gnaden zu bringen, denn wir sehnen uns, alle religiöse Lehre auf den festen Fels der Wahrheit gebaut zu sehen und nicht auf den Sand der Einbildungskraft; aber doch ist unser Hauptziel nicht die Berichtigung von Meinungen, sondern die Wiedergeburt der Menschen. Wir wollen sie zu Christo bringen und nicht zu unsern eigenen, besonderen Ansichten vom Christentum. Unsere erste Sorge muss sein, dass die Schafe zu dem großen Hirten gesammelt werden; nachher ist Zeit genug da, sie für unsere verschiedenen Hürden zu sichern. Proselytenmachen ist eine passende Arbeit für Pharisäer: Menschen für Gott zu zeugen, ist das ehrenvolle Streben der Prediger Christi.
Ferner halten wir nicht dafür, dass es Seelengewinnen ist, wenn man eiligst mehr Namen in das Mitgliederverzeichnis einträgt, um am Ende des Jahres einen guten Zuwachs zu zeigen. Das ist leicht getan, und es gibt Brüder, welche große Mühe, um nicht zu sagen Künste, anwenden, dies zu bewerkstelligen; aber wenn es als das Alpha und Omega der Bemühungen eines Predigers betrachtet wird, so wird das Resultat beklagenswert sein. Auf alle Fälle lasst uns wahrhaft Bekehrte in die Kirche hinein bringen, denn es ist ein Teil unserer Arbeit, sie alles halten zu lehren, was Christus ihnen befohlen hat; aber Jünger, und nicht bloß mit dem Munde Bekennende, sollen wir dieses lehren; und wenn keine Vorsicht gebraucht wird, so mögen wir hierbei mehr Schaden als Gutes tun. Wenn man Unbekehrte in die Kirche aufnimmt, so schwächt und entwürdigt man dieselbe, und deshalb mag ein scheinbarer Gewinn ein wirklicher Verlust sein. Ich gehöre nicht zu denen, welche gegen die Statistik sind, glaube auch nicht, dass sie alle Arten von Übel erzeugt, denn sie tut viel Gutes, wenn sie genau ist und rechtmäßig gebraucht wird. Es ist gut, dass die Leute die Blöße des Landes sehen, wenn die Statistik eine Abnahme aufweist, damit sie auf die Knie getrieben werden und den Herrn um Segen bitten; und auf der andern Seite ist es durchaus nicht schlecht, wenn die Arbeiter ermutigt werden, indem ihnen ein Bericht von Ergebnissen vorgelegt wird. Es würde mir sehr leid tun, wenn das Zuzählen und Abzählen und das Darlegen des reinen Ergebnisses aufgegeben würde, denn es ist und muss richtig sein, dass wir unsern numerischen Stand kennen lernen. Man hat bemerkt, dass diejenigen, welche gegen dies Verfahren Einwand erheben, oft Brüder sind, die durch unbefriedigenden Bericht gedemütigt werden; dies ist nicht immer der Fall, aber oftmals verdächtig. Ich hörte neulich von dem Bericht über eine Kirche1), in welchem der Prediger, von dem es bekannt war, dass er seine Zuhörer bis zu einem Minimum vermindert, recht gescheit geschrieben hatte: „Unsere Kirche sieht hinauf.“ Als er darüber befragt ward, erwiderte er: „Jedermann weiß, dass die Kirche auf dem Rücken liegt, und sie kann nichts anderes tun als hinaufsehen.“ Wenn Kirchen in dieser Weise hinaufsehen, so sagen ihre Pastoren gewöhnlich, dass die Statistik ein sehr trügerisches Ding sei und dass man das Werk des Geistes nicht tabulieren und das Gedeihen einer Kirche nicht nach Zahlen berechnen könne. Die Wahrheit ist, man kann sehr richtig rechnen, wenn die Zahlen ehrlich sind und wenn man alle Umstände in Erwägung zieht; wenn kein Zuwachs da ist, kann man mit ziemlicher Genauigkeit annehmen, dass nicht viel getan worden ist, und wenn eine klare Abnahme unter einer wachsenden Bevölkerung da ist, kann man voraussetzen, dass die Gebete der Mitglieder und die Predigten des Pastoren nicht von der kräftigsten Art sind.
Aber doch, jede Eile, Mitglieder in die Kirche hinein zu bringen, ist sehr schädlich, sowohl für die Kirche, wie für die mutmaßlich Bekehrten. Ich erinnere mich sehr wohl einiger junger Männer von sittlich reinem Charakter, die auch in Bezug auf Religion zu Hoffnungen Anlass gaben; aber statt ihre Herzen zu prüfen und auf ihre wirkliche Belehrung abzuzielen, ließ ihnen der Pastor keine Ruhe, bis er sie überredet hatte, ein Bekenntnis des Glaubens abzulegen.
Er meinte, sie würden dann in religiösen Dingen sich unter höherer Verpflichtung fühlen, und glaubte ganz sicher zu gehen, wenn er sie dazu antriebe, denn sie gäben „so viel Anlass zu Hoffnungen“. Er bildete sich ein, dass eine aufmerksame Prüfung sie entmutigen und hinwegtreiben könne, und um sich ihrer zu versichern, machte er sie so zu Heuchlern. Diese jungen Männer sind jetzt viel ferner von der Kirche Gottes, als sie gewesen sein würden, wenn man sie an dem für sie geeigneten Platz gehalten, sie gewarnt und ihnen gesagt hätte, dass sie nicht zu Gott bekehrt seien. Es ist ein ernstlicher Schaden für jemanden, wenn er in die Zahl der Gläubigen aufgenommen wird, falls nicht guter Grund da ist, zu glauben, dass er wirklich wiedergeboren sei. Ich bin gewiss, dass es so ist, denn ich spreche nach sorgfältiger Beobachtung. Einige der offenbarsten Sünder, die mir bekannt sind, waren einst Mitglieder von Kirchen und waren, wie ich glaube, durch ungehöriges, wohlgemeintes, aber unweises Drängen dahin gebracht, ein Bekenntnis abzulegen. Halten Sie deshalb nicht dafür, dass Seelengewinnen gesichert ist oder gesichert werden kann durch Vervielfältigung von Taufen und Vergrößerung des Umfanges ihrer Kirche. Was bedeuten jene Depeschen vom Schlachtfelde? „Gestern Abend wurden vierzehn Seelen zur Erkenntnis ihrer Sünde gebracht, fünfzehn wurden gerechtfertigt und acht empfingen völlige Heiligung.“ Ich bin müde dieses öffentlichen Prahlens, dieses Zählens ungelegter Eier, dieser Schaustellung zweifelhafter Beute. Geben Sie es auf, dieses Zählen der Personen, diese eitle Anmaßung, in einer halben Minute das festzustellen, was die Prüfung einer Lebenszeit nötig haben wird. Hoffen Sie das Beste, aber seien Sie vernünftig in Ihrer höchsten Aufregung.
Es ist auch nicht Seelengewinnen, liebe Freunde, wenn man bloß Aufregung erzeugt. Aufregung begleitet jede große Bewegung. Wir mögen mit Recht fragen, ob die Bewegung ernst und mächtig gewesen, wenn sie ebenso ruhig wie eine Bibelstunde im Salon verlaufen ist. Man kann nicht wohl große Felsen sprengen ohne das Geräusch der Explosionen und auch nicht eine Schlacht liefern und dabei jeden so ruhig wie eine Maus halten. An einem trockenen Tage bewegt ein Wagen sich nicht weit die Straße entlang, wenn nicht Geräusch und Staub da ist; Reibung und Erregung sind das natürliche Ergebnis einer Kraft, die in Bewegung ist. So müssen und werden, wenn der Geist Gottes über einer Versammlung schwebt und die Seelen der Menschen bewegt sind, gewisse sichtbare Zeichen der Bewegung da sein, obgleich diese nie mit der Bewegung selber verwechselt werden dürfen. Wenn die Leute sich einbilden, der Zweck beim Fahren eines Wagens sei der, Staub zu machen, so können sie einen Besen nehmen und sehr bald ebenso viel Staub aufwirbeln wie fünfzig Kutschen; aber sie werden mehr Unannehmlichkeiten schaffen als Nutzen. Aufregung ist etwas ebenso Beiläufiges wie der Staub, und keinen Augenblick soll man darauf abzielen. Als das Weib ihr Haus fegte, tat sie es, um ihr Geld zu finden und nicht, um eine Wolke aufzuwirbeln.
Zielen Sie nicht auf Sensation und „Effekt“ ab. Fließende Tränen und strömende Augen, Schluchzen und Schreien, volle Nachversammlungen und alle Art von Verwirrungen mögen vorkommen und ertragen werden als Begleiter wahrer Gefühle; aber, bitte, legen Sie es nicht auf Erzeugung derselben an.
Es geschieht sehr häufig, dass die Bekehrten, welche während einer Aufregung geboren sind, sterben, wenn diese vorüber ist. Sie gleichen gewissen Insekten, die das Erzeugnis eines sehr warmen Tages sind und die sterben, wenn die Sonne untergeht. Gewisse Bekehrte leben wie die Salamander im Feuer; aber in einer vernünftigen Temperatur hauchen sie ihr Leben aus. Ich habe keine Freude an einer Religion, die einen heißen Kopf nötig hat oder ihn erzeugt. Gebt mir die Gottseligkeit, die mehr auf Golgatha gedeiht, als auf dem Vesuv. Der äußerste Eifer für Christum verträgt sich mit gesundem Verstand und mit Vernunft; Raserei, Geschrei, Fanatismus sind Erzeugnisse eines andern Eifers, der „mit Unverstand“ verbunden ist. Wir möchten die Menschen für die „Kammer des Königs“ vorbereiten und nicht für das ausgepolsterte Zimmer im Irrenhause. Niemanden tut es mehr leid als mir, dass eine solche Warnung nötig ist; aber wenn ich an die tollen Einfälle gewisser wilder Erweckungsprediger denke, so kann ich nicht weniger sagen und könnte sehr viel mehr sagen.
Was ist das wirkliche Gewinnen einer Seele für Gott? Soweit dieses durch Mittel geschieht, worin besteht das Verfahren, durch welches eine Seele zu Gott und zum Heil geleitet wird? Ich halte dafür, dass eins der Hauptmittel darin besteht, die Menschen zu unterweisen, so dass sie die Wahrheit Gottes kennen lernen. Unterweisung durch das Evangelium ist der Anfang aller wahren Arbeit an den Menschenseelen. „Geht hin und lehrt alle Völker und tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende.“ Lehren beginnt das Werk und krönt es auch.
Das Evangelium nach dem Jesaia heißt: „Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir; hört, so wird eure Seele leben.“ Es ist also unsere Sache, den Menschen etwas zu geben, was des Hörens wert ist, kurz, sie zu unterweisen. Wir sind gesandt zu evangelisieren oder das Evangelium aller Kreatur zu predigen, und das tun wir nicht, wenn wir den Menschen nicht die großen Wahrheiten der Offenbarung predigen. Das Evangelium ist gute Botschaft. Wenn man einige Prediger hört, könnte man denken, das Evangelium sei eine Prise heiligen Schnupftabaks, um die Leute aufzuwecken oder eine Flasche feurigen, geistigen Getränkes, um ihr Gehirn zu erregen. Es ist nichts der Art; es ist eine Botschaft, es ist Belehrung darin, Unterweisung über Dinge, welche die Menschen wissen müssen, Ankündigungen, welche denjenigen zum Segen werden sollen, die sie hören. Es ist nicht eine magische Beschwörungsformel oder ein Zauber, dessen Kraft in einer Sammlung von Lauten besteht; es ist eine Offenbarung von Tatsachen und Wahrheiten, welche Kenntnis und Glauben erfordern. Das Evangelium ist ein vernunftgemäßes System und wendet sich an den Verstand der Menschen; es ist eine Sache für das Nachdenken und die Betrachtung und es wendet sich an das Gewissen und die Denkkraft. Wenn wir deshalb die Menschen nicht etwas lehren, mögen wir rufen: „Glaubt! Glaubt! Glaubt!“ aber was sollen sie glauben? Jede Ermahnung fordert eine entsprechende Unterweisung, sonst bedeutet sie nichts. „Entrinnt!“ Wem? Dies erfordert als Antwort die Lehre von der Strafe der Sünde. „Flieht!“ Aber wohin? Dann müssen Sie Christum und seine Wunder predigen; ja, und die klare Lehre von der Versöhnung durch das Opfer. „Tut Buße!“ Wofür? Hier müssen Sie Fragen beantworten wie die: Was ist Sünde? Was ist das Übel der Sünde? Was sind die Folgen der Sünde? „Bekehrt euch!“ Aber was heißt, sich bekehren? Durch welche Macht können wir bekehrt werden? Wovon? Wozu? Das Feld der Unterweisung ist groß, wenn die Menschen die errettende Wahrheit kennen lernen sollen. „Es ist nicht gut, dass die Seele ohne Kenntnis sei“ (Spr. Sal. 19,2 n. d. engl. Üb.), und als des Herrn Werkzeuge ist es unsere Sache, den Menschen die Wahrheit so bekannt zu machen, dass sie dieselbe glauben und ihre Kraft fühlen mögen. Wir sollen nicht versuchen, sie im Dunkeln zu erretten, sondern in der Kraft des Heiligen Geistes sollen wir streben, sie von der Finsternis zum Licht zu kehren.
Und glauben Sie nicht, liebe Freunde, dass Sie, wenn Sie in Erweckungsversammlungen oder zu besonderen evangelistischen Gottesdiensten gehen, die Lehren des Evangeliums weglassen müssten; denn Sie sollten alsdann die Lehren von der Gnade eher mehr als weniger verkünden. Predigen Sie die evangelischen Lehren klar, mit Liebe, einfach und deutlich, und besonders diejenigen Wahrheiten, welche sich auf den Zustand des Menschen und die Gnade Gottes beziehen. Einige Schwärmer scheinen die Idee gefasst zu haben, dass ein Prediger, sobald er die Unbekehrten anredete, absichtlich mit seinen gewöhnlichen Lehrpredigten in Widerspruch treten müsste, weil keine Bekehrungen stattfinden würden, wenn er den ganzen Rat Gottes predigte. Es läuft im Grunde darauf hinaus, Brüder, dass wir Wahrheit verhehlen und eine Falschheit aussprechen sollen, um Seelen zu retten. Wir sollen die Wahrheit zu Gottes Kindern reden, weil diese nichts anderes hören wollen; aber wir sollen Sünder in den Glauben hineinlocken, indem wir einen Teil der Wahrheit übertreiben und den übrigen verbergen bis zu einer gelegeneren Zeit. Dies ist eine seltsame Theorie, und doch heißen viele sie gut. Ihnen zufolge mögen wir die Erlösung einer auserwählten Zahl den Kindern Gottes predigen, aber die allgemeine Erlösung muss unsere Lehre sein, wenn wir mit denen, die draußen sind, reden; wir sollen den Gläubigen sagen, dass die Errettung ganz aus Gnaden ist, aber zu Sündern sollen wir sprechen, als wenn sie sich selber erretten müssten; wir sollen die Christen lehren, dass Gott der Heilige Geist allein bekehren kann, aber wenn wir mit den Unerretteten sprechen, darf der Heilige Geist kaum genannt werden. Wir haben Christum nicht also gelernt. Andere haben so gehandelt; aber lasst sie uns als Warnungszeichen und nicht als Beispiel dienen. Der, welcher uns sandte, Seelen zu gewinnen, gestattet uns weder Falschheiten zu erfinden, noch die Wahrheit zu unterdrücken. Sein Werk kann ohne solche verdächtige Methoden getan werden.
Vielleicht werden einige von Ihnen erwidern: „Aber doch hat Gott halbwahre Aussagen und wilde Behauptungen gesegnet.“ Seien Sie dessen nicht ganz so gewiss. Ich wage zu behaupten, dass Gott Falschheiten nicht segnet; er mag die Wahrheit segnen, welche mit Irrtum vermischt ist; aber viel mehr Segen wäre gekommen, wenn die Predigt mehr in Übereinstimmung mit seinem eigenen Worte gewesen wäre. Ich kann nicht zugeben, dass der Herr evangelistischen Jesuitismus segnet, und die Unterdrückung der Wahrheit ist nicht zu hart benannt, wenn ich sie so beschreibe. Die Vorenthaltung der Lehre von dem gänzlichen Verderben des Menschen hat vielen Leuten, die eine gewisse Art von Predigten gehört haben, ernstlichen Schaden getan. Sie werden nicht wahrhaft geheilt, weil sie nicht die Krankheit kennen, an der sie leiden; sie sind niemals wahrhaft bekleidet, weil nichts getan ist, sie zu entkleiden. In vielen Predigten wird die Entfremdung des Menschen von Gott und die Selbstsucht und Schlechtigkeit eines solchen Zustandes nicht genügend enthüllt, und darum wird nicht genug Herzenserforschung und Gewissenserweckung durch sie bewirkt. Es muss den Menschen gesagt werden, dass sie ewig verloren sind, wenn nicht die göttliche Gnade sie aus ihrer Feindschaft gegen Gott herausbringt, und sie müssen an die Unumschränktheit Gottes erinnert werden und daran, dass er nicht verpflichtet sei, sie aus diesem Zustand herauszubringen, dass er gerecht sein würde, wenn er sie darin ließe, dass sie kein Verdienst vor ihm geltend machen können und keine Ansprüche an ihn haben, sondern dass, wenn sie errettet werden sollen, es aus Gnaden sein muss, und aus Gnaden allein. Des Predigers Werk ist, die Sünder niederzuwerfen in völliger Hilflosigkeit, damit sie gezwungen werden, zu dem aufzublicken, der allein ihnen helfen kann.
Der Versuch, eine Seele für Christum zu gewinnen dadurch, dass man sie in Unwissenheit betreffs irgendeiner Wahrheit erhält, ist dem Willen Gottes entgegen, und das Bemühen, Menschen zu erretten durch bloßes Haschen nach Beifall oder durch Aufregung oder Redekunst ist ebenso närrisch wie die Hoffnung, einen Engel durch Vogelleim zu halten oder einen Stern mit Musik anzulocken. Das Anziehendste ist das Evangelium in seiner Reinheit. Die Waffe, womit der Herr die Menschen besiegt, ist die Wahrheit, wie sie in Jesu ist. Man wird finden, dass das Evangelium jeder Anforderung entspricht: ein Pfeil, der das härteste Herz durchbohren kann, ein Balsam, der die tödlichste Wunde heilt. Predigen Sie es, und predigen Sie nichts anderes. Verlassen Sie sich unbedingt auf das alte, alte Evangelium. Sie brauchen keine anderen Netze, wenn Sie nach Menschen fischen; die, welche Ihr Meister Ihnen gegeben hat, sind stark genug für die großen Fische und haben Maschen, die fein genug sind, um die kleinen zu halten. Spannen Sie diese Netze aus und keine andern, so brauchen Sie nicht zu zweifeln an der Erfüllung seines Wortes: „Ich will euch zu Menschenfischern machen.“
Zweitens, um eine Seele zu gewinnen, ist es notwendig, nicht nur unsern Hörer zu unterweisen und ihn die Wahrheit kennen zu lehren, sondern sie ihm so einzuprägen, dass er sie fühlt. Eine bloß lehrhafte Predigtweise, die sich stets an den Verstand wendet und das Gefühl unberührt lässt, wäre sicherlich eine hinkende. „Die Beine des Lahmen sind nicht gleich,“ sagt Salomo (Spr. Sal. 26,7 n. d. engl. Üb.); und die ungleichen Beine einiger Prediger machen sie zu Krüppeln. Wir haben einen solchen umher hinken sehen mit einem langen Lehrbein und einem sehr kurzen Gefühlsbein. Es ist etwas Grauenvolles, wenn ein Mann so lehrhafter Natur ist, dass er kühl von dem Geschick der Gottlosen sprechen kann, so dass, wenn er auch nicht wirklich Gott dafür lobt, es ihm doch keine Angst des Herzens verursacht, an das Verderben von Millionen unseres Geschlechtes zu denken. Dies ist entsetzlich! Ich hasse es, die Schrecken des Herrn verkünden zu hören von Männern, deren hartes Gesicht, harter Ton und fühllose Seele eine Art von doktrinärer Austrocknung verraten; alle Milch menschlicher Freundlichkeit ist in ihnen vertrocknet. Da ein solcher Prediger selbst kein Gefühl hat, so erzeugt er keines und die Leute sitzen und hören zu, während er trockene, leblose Behauptungen aufstellt, bis sie dahin kommen, ihn zu schätzen, weil er „gesund“ im Glauben ist; und sie selber werden auch „gesund“, ich brauche nicht hinzuzufügen, dass sie auch in gesunden Schlaf fallen oder wenn sie noch etwas Leben haben, es damit zubringen, Ketzerei auszuschnüffeln und ernstmeinende Männer um eines Wortes willen zu verurteilen. Mögen wir nie in diesem Geist getauft werden! Was ich auch glaube oder nicht glaube, das Gebot, meinen Nächsten zu lieben wie mich selbst, gilt immer noch für mich, und Gott verhüte, dass irgendwelche Ansichten oder Meinungen meine Seele so zusammenziehen und mein Herz so verhärten, dass ich dies Gesetz der Liebe vergesse! Die Liebe Gottes ist das Erste, aber dies verringert keineswegs die Verpflichtung, die Menschen zu lieben; in der Tat, das erste Gebot schließt das zweite ein. Wir sollen unseres Nächsten Bekehrung wünschen, weil wir ihn lieben, und wir sollen von Gottes liebevollem Evangelium in liebevollen Ausdrücken zu ihm sprechen, weil unser Herz sein ewiges Wohl wünscht.
Ein Sünder hat ein Herz sowohl wie einen Kopf; ein Sünder hat Gefühle sowohl wie Gedanken, und wir müssen uns an beide wenden. Ein Sünder wird nie bekehrt werden, bis seine Empfindungen erregt sind. Wenn er keinen Schmerz über die Sünde empfindet und wenn er nicht etwas Freude bei der Aufnahme des Wortes fühlt, können Sie nicht viel Hoffnung für ihn haben. Die Wahrheit muss in seine Seele eindringen und sie mit ihrer eigenen Farbe färben. Das Wort muss wie ein starker Wind sein, der durch das ganze Herz hindurch fährt und den ganzen Menschen lenkt, eben wie ein Feld reifenden Korns in dem Sommerwind hin und her wogt. Religion ohne Gefühl ist Religion ohne Leben.
Aber dennoch müssen wir acht darauf haben, wie diese Empfindungen verursacht werden. Spielen Sie nicht auf der Seele, indem Sie Gefühle erregen, welche nicht geistlich sind. Einige Prediger lieben es sehr, Begräbnisse und sterbende Kinder in ihre Reden hineinzubringen, so dass die bloß natürliche Liebe die Leute weinen macht. Dies mag zu etwas Besserem führen, aber welchen Wert hat es an und für sich? Wozu nützt es, einer Mutter Kummer oder einer Witwe Schmerzen wieder aufzureißen? Ich glaube nicht, dass unser barmherziger Herr uns gesandt hat, um die Menschen über ihre abgeschiedenen Lieben weinen zu machen, indem wir von Neuem ihre Gräber graben und vergangene Auftritte der Trennung und des Wehes wiederum vorführen. Warum sollte er das? Zugegeben, dass Sie mit Nutzen das Totenbett eines Christen oder eines sterbenden Sünders brauchen können als einen Beweis von der Ruhe des Glaubens in dem einen Fall und den Schrecken des Gewissens in dem andern; aber aus der bewiesenen Tatsache und nicht aus der Illustration muss der Nutzen kommen. Natürlicher Schmerz dient an sich zu nichts; in der Tat, wir betrachten ihn als eine Ablenkung von höheren Gedanken und als einen Preis, der zu groß ist, um ihn von weichen Herzen zu verlangen, wenn wir sie nicht entschädigen können, indem wir bleibende geistliche Eindrücke in den Stamm natürlicher Liebe pfropfen. „Es war eine glänzende Rede, voll Pathos,“ sagte einer, der sie gehört hatte. Ja, aber was bewirkt dieses Pathos für das praktische Leben? Ein junger Prediger machte die Bemerkung: „Ergriff es Sie nicht sehr, eine so große Versammlung weinen zu sehen?“ „Ja,“ erwiderte sein einsichtiger Freund, „aber noch mehr ergriff mich der Gedanke, dass sie wahrscheinlich noch mehr bei einem Schauspiel geweint haben würde“. Gerade so, und das Weinen mag in beiden Fällen gleich wertlos sein. Ich sah ein Mädchen an Bord eines Dampfschiffes ein Buch lesen und weinen, als wenn ihr das Herz brechen wollte; aber als ich einen Blick auf das Buch warf, sah ich, dass es nur einer jener albernen Romane war, die an den Bahnhöfen in solcher Menge verkauft werden. Ihre Tränen waren reine Verschwendung von Feuchtigkeit, und das sind die auch, welche durch bloße Kanzelgeschichtchen und Totenbettmalereien erzeugt werden.
Wenn unsere Hörer über ihre Sünden und vor Sehnsucht nach Jesu weinen wollen, so mögen ihre Tränen in Strömen fließen; aber wenn die Ursache ihres Schmerzes bloß natürlicher und ganz und gar nicht geistlicher Art ist, was für Gutes wird dadurch getan, dass man sie zum Weinen bringt? Es mag etwas Gutes darin sein, die Leute froh zu machen, denn es ist Leid genug in dieser Welt, und je mehr wir die Fröhlichkeit fördern können, desto besser; aber wozu nützt es, unnötiges Elend hervorzubringen? Was für ein Recht haben Sie, durch die Welt zu gehen und jeden mit Ihrer Lanzette zu stechen, bloß um Ihre Geschicklichkeit in der Chirurgie zu zeigen? Ein wahrer Arzt macht nur Einschnitte, um Heilungen zu bewirken, und ein weiser Prediger erregt nur schmerzliche Empfindungen in den Menschen mit der bestimmten Absicht, ihren Seelen dadurch Segen zu bringen. Sie und ich müssen fortfahren, auf die Herzen der Menschen einzudringen, bis sie gebrochen sind, und dann müssen wir dabei bleiben, Christum den Gekreuzigten zu predigen, bis ihre Herzen verbunden sind; und wenn dies getan ist, müssen wir anhalten mit der Verkündigung des Evangeliums, bis ihre ganze Natur dem Evangelium untertan worden ist. Schon bei dieser vorbereitenden Arbeit werden Sie fühlen, dass Sie des Heiligen Geistes bedürfen, der mit Ihnen und durch Sie arbeitet; aber dieses Bedürfnis wird noch klarer werden, wenn wir einen Schritt weiter gehen und von der neuen Geburt selbst sprechen, in welcher der Heilige Geist in einer ganz göttlichen Art und Weise wirkt.
Ich habe schon dabei verweilt, dass Unterweisung und Eindringlichkeit sehr nötig zum Seelengewinnen sind; aber diese sind nicht alles, sie sind in der Tat nur Mittel zu dem gewünschten Zwecke. Ein weit größeres Werk muss getan werden, ehe ein Mensch errettet ist. Ein Wunder göttlicher Gnade muss an der Seele gewirkt werden, das weit über alles hinausgeht, was durch Menschenkraft vollbracht werden kann. Von allen, die wir gern für Jesum gewinnen möchten, ist es wahr: „Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, kann er das Reich Gottes nicht sehen.“ Der Heilige Geist muss die Wiedergeburt in den Menschen, die wir lieben, wirken, sonst können sie niemals die ewige Glückseligkeit erlangen. Sie müssen zu einem neuen Leben erweckt werden, und sie müssen neue Kreaturen in Christo werden. Dieselbe Kraft, welche die Auferstehung und die Schöpfung bewirkt, muss in all ihrer Macht an ihnen tätig sein; nichts Geringeres als dieses genügt. Sie müssen von oben wiedergeboren werden. Auf den ersten Anblick mag es scheinen, als wenn dies menschliche Werkzeuge ganz bei Seite schöbe; aber wenn wir uns zu der Schrift wenden, so finden wir nichts, was eine solche Schlussfolgerung rechtfertigt, und vieles von ganz entgegengesetzter Tendenz. Sicherlich lesen wir da, dass der Herr alles in allem ist, aber wir finden keinen Wink, dass deshalb auf den Gebrauch von Mitteln verzichtet werden muss. Des Herrn oberste Majestät und Macht wird umso glorreicher gesehen, weil er durch Mittel wirkt. Er ist so groß, dass er es nicht fürchtet, den Werkzeugen, die er gebraucht, Ehre zu geben, indem er in hohen Ausdrücken von ihnen spricht und ihnen großen Einfluss beilegt. Es ist leider möglich, zu wenig von dem Heiligen Geist zu sagen; in der Tat, ich fürchte, dies ist eine der schreienden Sünden unserer Zeit; aber dennoch spricht das unfehlbare Wort, welches stets die Wahrheit im richtigen Gleichgewicht hält, während es den Heiligen Geist hoch erhebt, nicht leichthin von den Menschen, durch welche er wirkt. Gott sieht seine Ehre nicht als so fraglich an, dass sie nur aufrecht gehalten werden könnte durch Herabsetzung des menschlichen Werkzeuges. Es sind zwei Stellen in den Episteln, die, wenn nebeneinander gehalten, mich oft in Staunen gesetzt haben. Paulus vergleicht sich sowohl mit dem Vater als der Mutter in Sachen der neuen Geburt; er sagt von dem einen Bekehrten: „Den ich gezeugt habe in meinen Banden,“ und von einer ganzen Gemeinde sagt er: „Meine lieben Kinder, welche ich abermals mit Ängsten gebäre, bis dass Christus in euch eine Gestalt gewinne.“ Das heißt, sehr weit gehen; in der Tat viel weiter, als die moderne Orthodoxie dem am meisten gesegneten Prediger gestatten würde, und doch ist es eine Sprache, die von dem Geist Gottes sanktioniert, ja, diktiert ist und deshalb nicht kritisiert werden darf. Solch' geheimnisvolle Macht gießt Gott den Werkzeugen ein, die er verordnet, so dass wir „Gottes Mitarbeiter“ genannt werden; und dies ist zu gleicher Zeit die Quelle unserer Verantwortlichkeit und der Grund unserer Hoffnung.
Die Wiedergeburt oder die neue Geburt wirkt eine Veränderung in der ganzen Natur des Menschen, und soweit wir beurteilen können, liegt ihr Wesen in der Einpflanzung und Schöpfung einer neuen Grundkraft im Innern des Menschen. Der Heilige Geist erschafft in uns eine neue, himmlische und unsterbliche Natur, welche in der Schrift „der Geist“ genannt wird, zum Unterschied von der Seele. Unsere Theorie von der Wiedergeburt ist die, dass der Mensch in seiner gefallenen Natur nur aus Leib und Seele besteht, und dass, wenn er wiedergeboren wird, in ihm eine neue und höhere Natur erschaffen wird - „der Geist“ welcher ein Funke von dem ewigen Feuer des Lebens und der Liebe Gottes ist; dieser fällt in das Herz und bleibt da und macht den Empfänger „teilhaftig der göttlichen Natur.“ Von da an besteht der Mensch aus drei Teilen, Leib, Seele und Geist, und der Geist ist die herrschende Kraft von den dreien. Sie werden sich alle jenes denkwürdigen Kapitels über die Auferstehung erinnern, 1. Kor. 15, wo im Original der Unterschied sehr ans Licht tritt und selbst in der Übersetzung wahrgenommen werden kann2). Die Stelle „Es wird gesät ein natürlicher Leib“ usw. kann übersetzt werden: „Es wird gesät ein seelischer Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib.“ Es gibt einen seelischen Leib und es gibt einen geistlichen Leib. Wie geschrieben steht: Der erste Mensch, Adam, war gemacht zu einer lebendigen Seele; der letzte Adam war gemacht zu einem lebengebenden Geiste. Aber das, was geistlich ist, war nicht zuerst, sondern das, was seelisch ist; und danach das, was geistlich ist. Wir sind zuerst in dem natürlichen oder seelischen Stadium des Seins, wie der erste Adam, und in der Wiedergeburt treten wir dann in einen neuen Zustand ein, in den Besitz des lebengebenden „Geistes“. Ohne diesen Geist kann kein Mensch das Himmelreich sehen oder in dasselbe eingehen. Es muss deshalb unser dringender Wunsch sein, dass der Heilige Geist unsere Hörer besucht und sie von neuem erschafft - dass er auf diese dürren Gebeine herabkommt und das ewige Leben in die hineinhaucht, welche tot in Sünden sind. Bis dieses getan ist, können sie niemals die Wahrheit aufnehmen, denn „der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geiste Gottes; es ist ihm eine Torheit und kann es nicht erkennen, denn es muss geistlich gerichtet sein.“ „Fleischlich gesinnt sein, ist eine Feindschaft wider Gott; sintemal es dem Gesetz Gottes nicht untertan ist, denn es vermag es auch nicht.“ Ein neuer und himmlischer Sinn muss durch die Allmacht geschaffen werden, sonst muss der Mensch im Tode bleiben. Sie sehen also, dass wir ein gewaltiges Werk vor uns haben, zu dem wir in uns selber ganz untüchtig sind. Kein lebender Prediger kann eine Seele erretten; ebenso wenig können wir alle zusammen oder alle Heiligen auf Erden und im Himmel die Wiedergeburt in einem einzigen Menschen bewirken. Die ganze Sache ist unsererseits die höchste Abgeschmacktheit, wenn wir uns nicht als solche betrachten, die vom Heiligen Geist gebraucht werden und mit seiner Macht erfüllt sind. Andererseits sind die Wunder der Wiedergeburt, welche unsere Predigt begleiten, die besten Siegel und Zeugnisse unseres Amtes. Während die Apostel sich auf die Wunder Christi und auf die, welche sie in seinem Namen taten, berufen konnten, berufen wir uns auf die Wunder des Heiligen Geistes, welche ebenso göttlich und ebenso wirklich sind wie die unseres Herrn. Diese Wunder sind die Schöpfung eines neuen Lebens in der menschlichen Brust und die völlige Veränderung des ganzen Wesens derjenigen, auf die der Geist herabkommt.
Da dieses Gottgezeugte, geistliche Leben im Menschen ein Geheimnis ist, so wird es nützlicher sein, wenn wir bei den Zeichen verweilen, die ihm folgen und die es begleiten, denn die sind es, auf welche wir abzielen müssen. Zuerst wird die Wiedergeburt sich zeigen in dem Sündengefühl. Dies halten wir für ein unentbehrliches Zeichen von dem Werk des göttlichen Geistes; das neue Leben verursacht, wenn es in das Herz kommt, tiefen innerlichen Schmerz. Obgleich wir heutzutage von Leuten hören, die geheilt worden, ehe sie verwundet waren und zu einer Gewissheit ihrer Rechtfertigung gebracht sind, ohne dass sie je ihre Verurteilung bejammert haben, so bezweifeln wir doch sehr den Wert solcher Heilungen und Rechtfertigungen. Diese Art und Weise ist nicht der Wahrheit gemäß. Gott bekleidet die Menschen nicht, ehe er sie zuvor entkleidet hat, und er macht sie auch nicht lebendig durch das Evangelium, ehe er sie durch das Gesetz getötet hat. Wenn Sie Personen antreffen, in denen keine Spur von Sündengefühl ist, so mögen Sie ganz gewiss sein, dass der Heilige Geist nicht auf sie gewirkt hat; denn, „wenn derselbige kommt, der wird die Welt strafen um die Sünde, um die Gerechtigkeit und um das Gericht“. Wenn der Geist des Herrn uns anhaucht, so lässt er verdorren alle Herrlichkeit des Menschen, die nur wie die Blume des Grases ist, und dann offenbart er eine höhere und bleibendere Herrlichkeit. Seien Sie nicht erstaunt, wenn Sie dieses Sündengefühl sehr heftig und beängstigend finden; aber verurteilen Sie andererseits diejenigen nicht, in denen es weniger heftig ist, denn so lange die Sünde betrauert, bekannt, aufgegeben und verabscheut wird, haben Sie eine klare Frucht des Geistes. Viel von dem Schrecken und dem Unglauben, der sich mit dem Sündengefühl verbindet, ist nicht vom Geist Gottes, sondern kommt vom Satan oder von der verderbten Natur; doch muss ein wahres und tiefes Sündengefühl da sein und der Prediger muss dahin arbeiten, dies zu erzeugen, denn wo es nicht ist, hat die neue Geburt nicht stattgefunden.
Ebenso gewiss ist es, dass die wahre Bekehrung erkannt werden kann an dem einfachen Glauben an Jesum Christum. Es ist nicht nötig, hierüber mit Ihnen zu sprechen, denn Sie selbst sind völlig davon überzeugt. Der Glaube ist der wahre Mittelpunkt des Ziels, nach dem Sie Ihre Pfeile richten. Der Beweis, dass Sie die Seele eines Menschen für Jesum gewonnen haben, liegt Ihnen nie vor, bis er mit sich selbst und seinem eigenen Verdienst fertig ist und sich Christo hingegeben hat. Große Sorgfalt muss darauf verwandt werden, dass dieser Glaube an Christum der an ein vollständiges Heil und nicht nur an einen Teil desselben ist. Sehr viele meinen, dass der Herr Jesus die vergangenen Sünden vergibt, aber sie können ihm nicht vertrauen, dass er sie in der Zukunft bewahren werde. Sie vertrauen ihm betreffs der vergangenen Jahre, aber nicht betreffs der kommenden, während in der Schrift von keiner solchen Teilung des Heils je gesprochen wird. Entweder trug Christus all' unsere Sünden oder keine, und entweder errettet er uns ein für alle Mal oder gar nicht. Sein Tod kann nie wiederholt werden, und muss die Sühne gewesen sein für die künftige Sünde der Gläubigen, sonst sind sie verloren, da keine fernere Versöhnung angenommen werden kann, und sie sicherlich in der Zukunft Sünde begehen werden. Gelobt sei sein Name, „durch ihn sind alle, die da glauben, gerechtfertigt von allen“ (Apgesch. 13, 38. 39. n. d. engl. Üb.). Die Errettung aus Gnaden ist ewige Errettung. Die Sünder müssen Christo ihre Seelen für die ganze Ewigkeit anbefehlen, dass er sie bewahre; wie können sie anders Errettete sein? Ach, nach der Lehre einiger sind die Gläubigen nur zum Teil errettet und müssen sich in betreff des übrigen Teils auf ihre eigenen künftigen Bemühungen verlassen. Ist dies das Evangelium? Ich meine nicht. Echter Glaube traut auf einen ganzen Christus und auf eine ganze Errettung. Ist es zu verwundern, dass viele Bekehrte abfallen, wenn sie in der Tat niemals gelehrt waren, von Jesu eine ewige Errettung zu hoffen, sondern nur eine zeitweilige Bekehrung? Eine fehlerhafte Darstellung Christi erzeugt einen fehlerhaften Glauben, und wenn dieser an seiner eigenen Schwäche dahinsiecht, wer ist dafür zu tadeln? Ihnen geschieht nach ihrem Glauben; der Prediger und der Besitzer eines teilweisen Glaubens müssen gemeinsam die Schuld tragen, wenn ihr armes, verstümmeltes Vertrauen zusammenbricht. Ich möchte umso ernstlicher hierauf bestehen, weil ein halbgesetzlicher Glaube so häufig ist. Wir müssen den zitternden Sünder antreiben, ganz und allein und für immer dem Herrn Jesu zu vertrauen, sonst zieht er den Schluss, dass er im Geiste anfangen und im Fleische vollenden muss. Er wird sicher im Glauben wandeln, soweit es die Vergangenheit betrifft, und dann in Werken, wenn die Zukunft in Betracht kommt, und dies wird verhängnisvoll sein. Wahrer Glaube an Jesum empfängt ewiges Leben und sieht vollkommene Errettung in ihm, dessen eines Opfer das Volk Gottes ein für alle Mal geheiligt hat. Das Gefühl, errettet zu sein, vollständig errettet in Christo Jesu, ist nicht, wie einige annehmen, die Quelle fleischlicher Sicherheit und der Feind heiligen Eifers, sondern das gerade Gegenteil. Befreit von der Furcht, welche die Errettung des Selbst zu etwas Dringenderem macht, als die Errettung vom Selbst, und angetrieben von heiliger Dankbarkeit gegen seinen Erlöser, wird der Wiedergeborene der Tugend fähig und mit Eifer für Gottes Ehre erfüllt. So lange er in einem Gefühl von Unsicherheit zittert, richtet er seine Hauptgedanken auf seine eigenen Angelegenheiten; aber fest auf den Felsen des Heils gepflanzt, hat er Zeit und Herz, das neue Lied zu singen, welches der Herr in seinen Mund gelegt hat, und dann ist seine sittliche Errettung vollständig, denn das Selbst hat nicht mehr die Herrschaft über ihn. Seien Sie nicht zufrieden, bis Sie in Ihren Bekehrten ein klares Zeugnis von einem einfachen, aufrichtigen und entschiedenen Glauben an den Herrn Jesum sehen.
Zusammen mit ungeteiltem Glauben an Jesum Christum muss auch ungeheuchelte Buße sein. Buße ist ein altmodisches Wort, von den neueren Erweckungspredigern nicht viel gebraucht. „O,“ sagte eines Tages ein Pastor zu mir, „es bedeutet bloß eine Sinnesänderung.“ Er hielt dies für eine tiefsinnige Bemerkung. „Nur eine Sinnesänderung;“ aber was für eine Änderung! Eine Sinnesänderung in Bezug auf alles! Statt zu sagen: „Es ist bloß eine Sinnesänderung,“ scheint es mir wahrer zu sagen, dass es eine große und tiefe Änderung ist - ja, eine Änderung des Sinnes selber. Aber was immer das griechische Wort bedeuten mag, Buße ist keine Kleinigkeit. Sie werden keine bessere Definition finden, als die in einem Kinderliede, wonach Buße heißt, die Sünden verlassen, die wir einst liebten und unsere ernstliche Reue dadurch zu zeigen, dass wir sie nicht mehr begehen. Wahre Bekehrung ist stets begleitet von einem Sündengefühl, worüber wir schon gesprochen haben; von einem Schmerz über die Sünde, einem heiligen Kummer darüber, dass wir sie begangen; von einem Hass gegen die Sünde, welcher beweist, dass ihre Herrschaft zu Ende ist; und von einem Aufgeben der Sünde, welches zeigt, dass das innere Leben der Seele auf das äußere Leben einwirkt. Wahrer Glaube und wahre Buße sind Zwillinge; es würde müßig sein, sagen zu wollen, wer zuerst geboren ist. Alle Speichen eines Rades bewegen sich zugleich, wenn das Rad sich bewegt, und ebenso beginnen alle Gnaden, wenn die Wiedergeburt vom Heiligen Geist gewirkt ist. Buße indessen muss da sein. Kein Sünder blickt auf den Heiland mit einem trockenen Auge oder einem harten Herzen. Streben Sie deshalb danach, dass das Herz bricht, das Gewissen sich verdammt und die Seele von der Sünde entwöhnt wird, und seien Sie nicht zufrieden, bis der ganze Sinn tief und gründlich verändert ist.
Ein anderer Beweis, dass eine Seele für Christum erobert ist, findet sich in einer wirklichen Änderung des Lebens. Wenn ein Mensch nicht anders lebt als vorher, sowohl im Hause, als außer dem Hause, hat seine Buße es nötig, dass Buße für sie getan wird, und seine Bekehrung ist eine Erdichtung. Nicht nur Handlung und Sprache, sondern Geist und Temperament muss verändert werden. „Aber,“ sagt jemand, „die Gnade wird oft auf einen Wildling gepfropft.“ Ich weiß das, aber was ist die Frucht des Pfropfens? Die Frucht wird wie das Pfropfreis sein, und nicht wie der ursprüngliche Stamm. „Aber,“ sagt ein anderer, „ich bin sehr hitziger Natur und ganz plötzlich überkommt mich der Zorn. Er ist bald vorbei, und ich bereue ihn sehr. Obwohl ich mich nicht beherrschen kann, bin ich doch ganz gewiss, dass ich ein Christ bin.“ Nicht so schnell, mein Freund, sonst möchte ich antworten, dass ich des Gegenteils ebenso gewiss sei. Was nützt es, dass du bald abkühlst, wenn du in zwei oder drei Minuten alles um dich her verbrühst? Wenn ein Mann mich in seiner Wut mit dem Dolch sticht, so wird es meine Wunde nicht heilen, wenn ich sehe, dass ihm sein Wahnsinn leid tut. Ein heftiges Temperament muss überwunden und der ganze Mensch muss erneuert werden, sonst ist die Bekehrung zweifelhaft. Wir sollen nicht unsern Hörern eine eingeschränkte Heiligkeit vorhalten und sagen: „Es wird ganz recht um euch stehen, wenn ihr diesen Grad erreicht.“ Die Schrift spricht: „Wer Sünde tut, der ist vom Teufel.“ Das Bleiben unter der Macht einer erkannten Sünde ist ein Zeichen, dass wir die Knechte der Sünde sind, denn „des Knechte seid ihr, dem ihr gehorsam seid.“ Müßig sind die Prahlereien eines Menschen, der in seinem Innern die Liebe zu irgendeiner Übertretung hegt. Er mag fühlen, was er will und glauben, was er will, er ist noch voll bitterer Galle und verknüpft mit Ungerechtigkeit, so lange eine einzige Sünde sein Herz und sein Leben beherrscht. Wahre Wiedergeburt pflanzt einen Hass gegen alles Böse ein, und wenn jemand an einer Sünde Freude hat, so ist das hinreichend, um keine gegründete Hoffnung für ihn aufkommen zu lassen. Ein Mann braucht nicht ein Dutzend Gifte zu nehmen, um sein Leben zu vernichten, eins ist genug.
Es muss Übereinstimmung zwischen dem Leben und dem Bekenntnis sein. Ein Christ bekennt, dass er der Sünde entsagt; wenn er dies nicht tut, so ist schon sein Name ein Betrug. Ein Betrunkener trat eines Tages auf Rowland Hill zu und sagte: „Ich bin einer von Ihren Bekehrten.“ „Ich glaube wohl, dass Sie das sind,“ erwiderte der scharfsinnige und verständige Prediger; „aber Sie sind keiner von des Herrn Bekehrten, sonst würden Sie nicht betrunken sein.“ Auf diese praktische Probe müssen wir alle unsere Werke stellen.
In unsern Bekehrten müssen wir auch wahres Gebet sehen, denn dies ist der Lebensodem der Gottseligkeit. Wenn kein Gebet da ist, können Sie sicher sein, dass die Seele tot ist. Wir sollen nicht die Menschen zum Gebet antreiben, als wäre es die große evangelische Pflicht und der eine vorgeschriebene Weg des Heils; denn unsere Hauptbotschaft ist: „Glaubt an den Herrn Jesum Christum“. Es ist leicht, das Gebet an den unrechten Platz zu setzen und es darzustellen als eine Art Werk, durch welches die Menschen leben sollen; aber dies werden Sie, wie ich hoffe, sorgfältig vermeiden. Der Glaube ist die große Gnadengabe des Evangeliums; jedoch können wir nicht vergessen, dass der wahre Glaube immer betet, und wenn ein Mensch bekennt, dass er an Jesum glaubt, und doch nicht täglich zum Herrn schreit, so dürfen wir seinen Glauben oder seine Bekehrung nicht für echt halten. Des Heiligen Geistes Zeugnis, durch das er Ananias von der Bekehrung des Paulus überzeugte, war nicht: „Siehe, er redet laut von seiner Freude und seinen Gefühlen,“ sondern: „Siehe, er betet,“ und dies Gebet war ernstes, aus gebrochenem Herzen kommendes Sündenbekenntnis und Flehen. O, dass wir dieses sichere Zeugnis bei allen sehen, welche behaupten, unsere Bekehrten zu sein!
Es muss auch eine Willigkeit sich finden, dem Herrn in allen seinen Geboten zu gehorchen. Es ist eine Schande, wenn ein Mensch sich als einen Jünger bekennt und sich doch weigert, in gewissen Punkten den Willen seines Herrn kennen zu lernen oder sogar wagt, den Gehorsam zu verweigern, wenn ihm dieser Wille bekannt ist. Wie kann ein Mensch ein Jünger Christi sein, wenn er in offenem Ungehorsam gegen ihn lebt?
Wenn der, welcher sich einen Bekehrten nennt, deutlich und überlegter Weise erklärt, dass er seines Herrn Willen kennt, aber ihn nicht zu erfüllen beabsichtigt, dürfen Sie nicht seiner Vermessenheit nachgeben, sondern es ist Ihre Pflicht, ihn zu versichern, dass er nicht errettet sei. Hat der Herr nicht gesprochen: „Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein?“ Irrtümer über das, was des Herrn Wille ist, sollen mit Sanftmut berichtigt werden, aber jeder eigensinnige Ungehorsam ist verderblich; ihn zu dulden, wäre Verrat an dem, der uns sandte. Jesus muss ebenso wohl als König wie als Priester angenommen werden, und wo sich in diesem Punkt irgendein Schwanken findet, da ist der Grund der Gottseligkeit noch nicht gelegt.
So sehen Sie, meine Brüder, die Zeichen, welche beweisen, dass eine Seele gewonnen ist, sind keineswegs unbedeutend, und von dem Werke, das getan werden muss, ehe diese Zeichen sich finden können, darf nicht leichthin gesprochen werden. Ein Seelengewinner kann nichts ohne Gott tun. Er muss entweder auf den Unsichtbaren seine Zuversicht setzen oder dem Teufel ein Spott werden, denn dieser blickt mit gänzlicher Verachtung auf alle, die da meinen, mit bloßen Worten und Argumenten die menschliche Natur bezwingen. zu können. An alle, welche hoffen, eine solche Arbeit werde ihnen in ihrer eigenen Kraft gelingen, möchten wir die Worte richten, die der Herr zu Hiob sprach: „Kannst du den Leviathan ziehen mit dem Hamen und seine Zunge mit einer Schnur fassen? Kannst du mit ihm spielen, wie mit einem Vogel? Oder ihn für deine Dirnen binden? Wenn du deine Hand an ihn legst, so gedenke, dass es ein Streit sei, den du nicht ausführen wirst. Siehe, seine Hoffnung wird ihn fehlen; schon wenn er seiner ansichtig wird, stürzt er zu Boden.“ Vertrauen auf Gott ist unsere Stärke und unsere Freude; in diesem Vertrauen wollen wir ausgehen und suchen, Seelen für ihn zu gewinnen.
Nun, im Berufe unseres Predigtamtes wird uns vieles in dieser Sache des Seelengewinnens fehlschlagen. Es gibt viele Vögel, die ich glaubte, gefangen zu haben; es gelang mir sogar, Salz auf ihren Schwanz zu streuen, aber sie sind dennoch wieder fortgeflogen. Ich erinnere mich eines Mannes, den ich Thomas Sorglos nennen. will. Er war der Schrecken des Dorfes, in dem er lebte. Es waren viele Brandstiftungen in der Gegend, und die meisten Leute schrieben sie ihm zu. Zuweilen war er zwei oder drei Wochen lang fortwährend betrunken, und dann raste und tobte er wie ein Wahnsinniger. Dieser Mann kam, mich zu hören; ich erinnere mich des Aufsehens, das in der kleinen Kapelle erregt ward, als er hereinkam. Er saß da und verliebte sich in mich. Ich denke, das war die einzige Bekehrung, die mit ihm vorging, aber er behauptete, bekehrt zu sein. Dem Anschein nach war er wirklich bußfertig und wurde äußerlich ein ganz anderer, gab sein Trinken und Fluchen auf und war in vieler Hinsicht musterhaft. Ich sah ihn einmal eine Barke schleppen mit vielleicht hundert Leuten an Bord, die er zu einem Orte zog, wo ich predigen sollte; er freute sich der Arbeit und sang so froh und glücklich, wie nur einer von ihnen. Wenn jemand ein Wort gegen den Herrn oder seinen Diener sprach, zauderte er keinen Augenblick, sondern wies ihn gehörig zurecht. Ehe ich die Gegend verließ, fürchtete ich, dass kein wirkliches Gnadenwerk in ihm sei; er war eine Art wilder Rothaut. Ich habe gehört, dass er einen Vogel fing, ihn pflückte und ihn roh auf dem Felde aß. Dies ist nicht die Handlungsweise eines christlichen Mannes, es gehört nicht zu dem, was lieblich ist und was wohl lautet. Nachdem ich aus der Gegend fortgegangen war, habe ich mich nach ihm erkundigt und konnte nichts Gutes von ihm hören; der Einfluss, der ihn äußerlich auf dem rechten Wege hielt, war nicht mehr vorhanden, und er wurde, wenn möglich, schlimmer als zuvor, sicherlich nicht besser, und ihm war auf keine Weise beizukommen! Dieses mein Werk konnte nicht die Feuerprobe bestehen; es konnte nicht einmal gewöhnliche Versuchung ertragen, wie Sie sehen, nachdem derjenige, welcher Einfluss über ihn hatte, fort war. Wenn Sie das Dorf oder die Stadt verlassen, wo Sie gepredigt haben, ist es sehr wahrscheinlich, dass einige, die „fein liefen“, zurückgehen werden. Sie haben eine Zuneigung für Sie, und Ihre Worte haben eine Art mesmerischen Einfluss auf sie, und wenn Sie fort sind, so frisst der Hund wieder, was er gespien hat, und die Sau wälzt sich nach der Schwemme wieder im Kot. Seien Sie nicht zu eilig mit dem Zählen dieser angeblich Bekehrten; nehmen Sie dieselben nicht zu früh in die Gemeinde auf; seien Sie nicht zu stolz auf ihre Begeisterung, wenn diese nicht mit einem großen Grade von Weichheit und Milde verbunden ist, welcher zeigt, dass der Heilige Geist wirklich in ihrem Innern gewirkt hat.
Ich erinnere mich eines andern Falles von ganz verschiedener Art. Ich will diese Person Fräulein Marie Seicht nennen, denn sie war eine junge Dame, die niemals viel Kopf gehabt hatte; aber sie wohnte in einem Hause mit mehreren christlichen jungen Damen und behauptete, bekehrt zu sein. Als ich mit ihr sprach, war scheinbar alles da, was man wünschen konnte. Ich dachte daran, sie zur Aufnahme in die Gemeinde vorzuschlagen; aber es ward für das Beste gehalten, ihr erst noch eine kurze Probezeit zu geben. Nach einer Weile verließ sie den Platz, wo sie wohnte und ging an einen Ort, wo sie nicht viel hatte, was sie in religiösen Dingen fördern konnte; und ich hörte nie wieder etwas von ihr, ausgenommen, dass sie ihre ganze Zeit damit zubrächte, sich so hübsch zu kleiden, wie sie könnte und an Vergnügungen teilzunehmen. Sie ist ein Typus derer, die nicht viel geistige Ausrüstung haben, und wenn die Gnade Gottes nicht den leeren Platz in Besitz nimmt, so gehen sie bald zurück zur Welt.
Ich habe mehrere gekannt, die einem jungen Manne glichen, den ich Karl Geschickt nennen will, ungewöhnlich geschickte Leute in allem und jedem, sehr geschickt darin, Religiosität nachzumachen, wenn sie sich damit befassten. Sie beteten sehr fließend; sie versuchten zu predigen und taten es sehr gut; was sie auch taten, sie taten es aus dem Stegreif, es war ebenso leicht für sie, als ihre Hand zu küssen. Haben Sie es nicht zu eilig, solche Leute in die Gemeinde aufzunehmen; sie haben keine Demütigung ihrer Sünde wegen gekannt, kein zerbrochenes Herz, kein Gefühl göttlicher Gnade. Sie rufen: „Alles gut!“ und weg gehen sie; aber Sie werden finden, dass sie Ihnen niemals Ihre Arbeit und Mühe vergelten. Sie sind im Stande, die Sprache des Volkes Gottes zu gebrauchen so gut wie die Besten seiner Heiligen, sie reden sogar von ihren Zweifeln und Befürchtungen und haben eine tiefe Erfahrung in fünf Minuten. Sie sind ein wenig zu geschickt und tun leicht viel Schaden, wenn sie in die Gemeinde aufgenommen werden; darum lassen Sie dieselben, wo möglich, nicht hinein.
Ich erinnere mich eines Mannes, der sehr heilig in seinem Sprechen war. Ich will ihn Johannes Schönredner nennen. O! wie schlau war der Heuchler; er kam zu unsern jungen Männern, führte sie in alle Arten von Sünde und Schlechtigkeit hinein, und doch besuchte er mich und hatte eine halbe Stunde lang ein geistliches Gespräch mit mir. Ein abscheulicher Elender, der in offener Sünde lebte zu derselben Zeit, wo er suchte, zu des Herrn Tisch zu kommen, in unsere Vereine einzutreten und einer der Führer in jedem guten Werke zu sein. Halten Sie Ihr Wetterauge offen, meine Brüder! Sie werden zu Ihnen kommen mit Geld in den Händen, wie der Fisch des Petrus mit dem Silber im Munde, und sie werden viele Hilfe leisten bei der Arbeit! Sie sprechen so sanft und sind so vollkommene Gentlemen! Ja, ich glaube, Judas war ein Mann genau von dieser Art, sehr geschickt darin, seine Umgebung zu täuschen. Wir müssen, wenn wir es irgendwie können, uns hüten, solche in die Gemeinde aufzunehmen. Sie mögen am Ende eines Gottesdienstes zu sich selber sagen: „Das ist ein glänzender Fischzug!“ Warten Sie ein wenig. Denken Sie an unseres Heilandes Worte: „Das Himmelreich ist gleich einem Netz, das ins Meer geworfen wird, damit man allerlei Gattung fängt. Wenn es aber voll ist, so ziehen sie es heraus an das Ufer, sitzen und lesen die guten in ein Gefäß zusammen, aber die faulen werfen sie weg.“ Zählen Sie Ihre Fische nicht, ehe sie gebraten sind, und rechnen Sie Ihre Bekehrten nicht zusammen, ehe Sie dieselben erprobt und geprüft haben. Dies Verfahren mag Ihre Arbeit etwas langsam machen; aber dann, Brüder, wird es eine sichere sein. Tun Sie Ihr Werk standhaft und gut, so dass Ihre Nachfolger nicht zu sagen brauchen, sie hätten mehr Mühe gehabt, die Gemeinde von denjenigen zu reinigen, die nie hätten aufgenommen werden sollen, als Sie beim Aufnehmen derselben gehabt. Wenn Gott Sie in Stand setzt, dreitausend Steine an einem Tage in seinen geistlichen Tempel hinein zu bauen, so mögen Sie es tun; aber Petrus ist der einzige Maurer gewesen, der bis jetzt eine solche Großtat vollbracht hat. Gehen Sie nicht hin, die hölzerne Mauer anzumalen, als wäre sie solider Stein; sondern lassen Sie all Ihr Bauen wirklich, fest und wahrhaft sein, denn nur diese Art Werk ist es wert, getan zu werden. Lassen Sie all Ihr Bauen für Gott dem des Apostels Paulus gleich sein: „Ich von Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe den Grund gelegt als ein weiser Baumeister; ein anderer baut darauf. Ein jeglicher aber sehe zu, wie er darauf baue. Einen andern Grund kann zwar niemand legen, außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. So aber jemand auf diesen Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stoppeln, so wird eines jeglichen Werk offenbar werden, der Tag wird es klar machen; denn es wird durchs Feuer offenbar werden, und welcherlei eines jeglichen Werk sei, wird das Feuer bewähren. Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen. Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er des Schaden leiden; er selbst aber wird selig werden, so doch, als durchs Feuer.“