Sittig, Andreas Gottlieb - Das Bekenntnis der Hoffnung.

Sittig, Andreas Gottlieb - Das Bekenntnis der Hoffnung.

Predigt am Reformationsfeste 1868, in der Kirche zu Kulmbach gehalten von A. G. Sittig, Dekan.

HErr!

Uns Deine Gläubigen wolltest Du
Fest in der Wahrheit gründen,
Dass wir für unsre Seelen
Ruh In Deiner Gnade finden.
Mach unsers Glaubens uns gewiss,
Vor Irrtum und vor Finsternis
Bewahr uns bis ans Ende! 1)

Amen.

Text: Hebr. 10, 23:

Lasst uns halten an dem Bekenntnisse der Hoffnung und nicht wanken, denn Er ist treu, der sie verheißen hat.

Andächtige in dem HErrn! Ich brauche das Fest nicht mit Namen zu nennen, dessen Feier uns heute im Hause GOttes vereinigt. Wer es erst dadurch kennen lernen müsste, der möchte sich zwar zu uns halten; aber von uns wäre er in der Tat nicht nicht ein wirklicher Genosse der evangelisch-lutherischen Kirche: denn diejenigen, welche wirkliche Genossen dieser Kirche sind, kennen nicht bloß den Tag, sondern freuen sich auch herzlich auf die jährliche Wiederkehr seiner Gedächtnisfeier, welchem die christliche Kirche ihre Wiedergeburt, ihren festen Bestand und ihre große Zukunft zu verdanken hat. Es ist bekannt, wie die Gegner der Reformation nicht nur vom Anfang an unserer evangelischen Kirche jede Zukunft abgesprochen, sondern auch schon oftmals getan haben, als ob sie bereits in den letzten Zügen liege. Allein es ist das nur eins von den Manövern, womit diese Gegnerschaft ihre eigene Schwäche und Zukunftsbesorgnis zu bedecken und ihrem Lager möglicher Weise eine Mehrung wenigstens an Kopfzahl durch Verlockung Schwacher am Geiste und feiler Knechte des Fleisches zu gewinnen suchte. Das Erste konnte ihr nicht gelingen und ist ihr nicht gelungen; je mehr sie ihre Schwäche und Zukunftslosigkeit zu bedecken suchte, desto mehr ist sie von Jahr zu Jahr zu Tage getreten und wenn auch ihr Verlockungssystem da und dort bei Einzelnen verfangen hat, so konnte sich die Gegnerschaft doch der Überzeugung nicht verschließen, dass auf diesem Wege nur faule und tote Glieder von unserer evangelischen Kirche abgelöst werden und die Kirche damit nicht geschädigt, sondern innerlich vielmehr gestärkt und gekräftigt wird. Darum greift diese Gegnerschaft jetzt zu einem anderen Mittel, wovon sie sich einen großartigeren Erfolg verspricht und das sie bereits mit ziemlicher Siegeszuversicht an die Glocke der Öffentlichkeit gehängt hat. Der Papst zu Rom hat nämlich auf das nächste Jahr 1869 ein ökumenisches Konzil eine allgemeine Kirchenversammlung nach Rom ausgeschrieben und dazu auch die Protestanten eingeladen in der Hoffnung, die in dem Ausschreiben nicht bloß zwischen den Zeilen zu lesen, sondern sehr deutlich ausgesprochen ist, dass sich die Protestanten von ihrem bisherigen Irrweg würden bekehren und zum Abfall von ihrem kirchlichen Bekenntnisse bewegen lassen. Dürfen wir nun, Gottlob! auch der guten Zuversicht sein, dass durch diesen Schritt des Oberhauptes der katholischen Kirche die Reformation noch um ein gut Stück weiter gefördert und unserer evangelischen Kirche, ohne sich durch persönliche Vertreter im Konzil daran zu beteiligen, eine bedeutende Ernte zugeführt werden wird; so liegt in diesem Vorgehen doch eine Aufforderung an unsere Kirche, bei jeder Gelegenheit und vorab an dem heutigen Tage ihren Genossen das Bekenntnis der evangelischen Kirche in seinem ganzen Vorzug und seiner gewaltigen Herrlichkeit recht hell und klar ins Licht zu stellen und zu zeigen, wovon sie durch Abfall davon fallen würden. Ich meines Teils will mich dieser Aufforderung nicht entschlagen und glaube ihr dadurch nach meinen schwachen Kräften nachzukommen, dass ich mich auf Grund des Textes über

das Bekenntnis der Hoffnung, als das Bekenntnis der evangelisch-Lutherischen Kirche verbreite.

Wir sehen

1) auf den Kern dieses Bekenntnisses,
2) auf die Berechtigung, darin das Bekenntnis der Hoffnung zu sehen und
3) auf die Pflicht, an diesem Bekenntnisse zu halten und nicht zu wanken.

Du aber, Du treuer HErr und Heiland, der Du den Vätern gnädig warst, dass sie ein gut Bekenntnis abgelegt haben vor vielen Zeugen, gib auch uns Gnade, an diesem Zeugnisse zu halten bis ans Ende. Amen.

Wir sehen

I.

auf den Kern des Bekenntnisses unserer evangelisch-lutherischen Kirche. Dieser ist das GOtteswerk, das durch den Mund des heiligen Apostels Paulus gegangen und in dessen Brief an seinen rechtschaffenen Sohn Titus im 3. Kapitel vom 5. bis 7. Vers zu lesen ist: „Nicht um der Werke willen der Gerechtigkeit, die wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit machte er uns selig durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des Heiligen Geistes, welchen er ausgegossen hat über uns reichlich durch JEsum Christum, unsern Heiland, auf dass wir durch desselbigen Gnade gerecht und Erben seien des ewigen Lebens nach der Hoffnung.“ Auf Grund dieses GOtteswortes hat sich unsere evangelisch-lutherische Kirche herausgereinigt und auferbaut: denn es ist ja eine allgemein bekannte Sache, dass es. der Glaubenssatz war, dass der Mensch nicht aus Verdienst der Werke, sondern allein durch den Glauben an JEsum Christum gerecht und selig werde, gegen welchen sich die katholische Kirche stemmte und wodurch sie die Spaltung herbeiführte, die bis auf den heutigen Tag zwischen ihr und der evangelischen Kirche besteht. Nun, könntet ihr fragen, ist denn aber dieser Glaubenssatz nicht das uralte Bekenntnis der christlichen Kirche gewesen? Ja freilich! Wenn dem nicht so gewesen wäre, dann stände es schlecht um unsere evangelisch-lutherische Kirche und sie hätte schon längst verschuldet, dass das Kreuz über sie geschlagen worden wäre: denn alsdann wäre ihr Bekenntnis ein neues, selbstgemachtes, dem jede Berechtigung abginge, weil in der christlichen Kirche nichts Berechtigung hat, was nicht diese Kirche aus GOttes Wort vom Anfang an in sich aufgenommen hat. Alles, was damit in Widerspruch steht und tritt, ist Neues, was von der Kirche als menschliche Erfindung zurückgewiesen, verworfen und ausgestoßen werden muss. Die katholische Kirche beschuldigt allerdings die unsrige fortwährend, dass sie sich um ein neues Bekenntnis gesammelt habe und sie weiß gar wohl, warum sie es tut. Wenn ihre Beschuldigung Wahrheit wäre, dann wäre unsere Kirche in der Tat ihres christlichen Charakters entkleidet und hätte ihr Recht, zu existieren, verwirkt. Allein diese Beschuldigung widerlegt sich dadurch gründlich und augenfällig, dass das Bekenntnis, dem unsere Kirche ihr Dasein zu verdanken hat, dasselbe Bekenntnis ist, welches die eine alte heilige apostolische Kirche zu ihrem Pulsschlag hatte, mithin kein von Menschen fabriziertes, sondern ein aus GOttes Wort in die Kirche hineingewachsenes Bekenntnis ist.

Sonderbar, denkt ihr, wenn dieses Bekenntnis der uralten christlichen Kirche angehört, wie wäre es denn zum ausschließenden Eigentum und unterscheidenden Merkmal unserer Kirche jener anderen gegenüber geworden, die auch den Namen einer christlichen behauptet und sich gerade damit brüstet, dass sie die alte christliche Kirche sei? Die Antwort auf diese Frage gibt die Geschichte. Je weiter sich die Kirche von der Zeit der Ur- und Anfangskirche entfernte, desto weiter entfernte sie sich von ihrem Grund und Boden, dem Worte GOttes, bis das zuletzt zu einem ganz unbekannten Ding in der Kirche geworden war. Wo aber GOttes Wort nicht als das Licht auf unserem Wege leuchtet, da setzt sich überall eitel Menschenwerk an. Und dahin war es in der Kirche zur Zeit der Reformation gekommen. Die Grundartikel des göttlichen Wortes von dem Erlösungsverdienste JEsu Christi, von der Gerechtigkeit vor GOtt durch ihn, von der Sündenvergebung um seines bitteren Leidens und Sterbens willen waren in Menschenwerk verkehrt worden durch die Lehre von der Verdienstlichkeit der guten Werke, von der Notwendigkeit leiblicher Übungen und Büßungen zur Erlangung der Seligkeit und von der Vergebung der Sünden kraft der Beicht- und Ablasszettel. Dass es da, wo Menschenwerk GOttes Wort so überwuchert hat, mit dem Christentume aus sei, erkannte nicht bloß Luther, der durch GOttes Gnade zum Suchen in der Schrift gekommen war, sondern fühlte sich auch durch die gewonnene Erkenntnis zum öffentlichen Bekenntnisse davon gedrungen. Seine Predigt: es gibt kein Christentum ohne den Christus, der um unserer Sünden willen begraben und um unserer Gerechtigkeit willen wieder auferweckt ist, fand schnell hörende Ohren da und dort. Seine freie Verkündigung durch Wort und Schrift, dass dem Menschen, wenn er selber durch Geld und Bußübungen seine Sünden tilgen und durch Eigenverdienst sich vor GOtt gerecht machen könne, der liebe heilige Christus nicht mehr Not tue und dass man, wo der liebe heilige Christus nicht Not tue, nur das Maul vom Christentum nicht voll nehmen solle, weil es da keins gebe, erregte bald das Volk und machte Lärm in der Kirche. Möchte, erklärte dieser GOttesmann furchtlos und unerschrocken, in allen Stücken den Widersachern nachgegeben werden können, an dem Bekenntnisse müssen wir unnachgiebig halten, dass uns GOtt nicht aus Verdienst der Werke, sondern allein aus Gnaden durch den Glauben an JEsum Christum gerecht und selig macht. Und damit war der Bruch mit der katholischen Kirche, welche sich diesem Bekenntnisse verschloss, fertig. und dieses Bekenntnis zum unvergänglichen Vorzug und ausschließenden Eigentum unserer evangelischen Kirche geworden und ist's bis auf diesen Tag geblieben.

Der Apostel nennt im Texte dieses Bekenntnis das Bekenntnis der Hoffnung und das leitet auf den

II.

Teil unserer Betrachtung über, der den Grund der Berechtigung bloß legen soll, in dem Bekenntnis unserer Kirche das Bekenntnis der Hoffnung zu erkennen. Die Hoffnung hat ihr Ziel in der Zukunft und wir meinen damit die Zukunft, wo der Name des HErrn durch Anbetung im Geist und in der Wahrheit verherrlicht werden wird, alle Kniee sich vor ihm beugen und alle Zungen bekennen werden, dass Er der HErr sei zur Ehre des Vaters. Kraft ihres Bekenntnisses schließt unsere evangelisch-lutherische Kirche alle Bedingungen einer Zukunftskirche in sich und wir rühmen uns nicht einer eitlen Ehre, wenn wir sie dafür schätzen und ausgeben, sondern tun es auf Bürgschaften hin, deren wir uns dafür zu erfreuen haben. Die gewichtigste Bürgschaft ist gleich in unserem Texte genannt in den Worten: „denn Er ist treu, der die Hoffnung verheißen hat.“ Und haben wir denn nicht für unsere evangelische Kirche die Verheißung: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen“ und die andere: „Auf diesen Felsen will ich bauen meine Gemeine und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen“ und die dritte: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde: denn es ist eures Vaters Wohlgefallen, euch das Reich zu geben.“ Und der diese Verheißungen gegeben hat, Er ist treu: des HErrn Wort ist wahrhaftig und was er zusagt, hält er gewiss. Er ist nicht ein Mensch, dass er lüge, noch ein Menschenkind, dass ihn etwas gereue. Sollte er etwas sagen und nicht tun? Sollte er etwas reden und nicht halten? Und so voll Sterne der Himmel ist, so voll Zeugnisse von der Treue des HErrn ist die Erde. Ich darf zum Beweise dieser Wahrheit nicht so weit ausgreifen, dass ich mich in Aufzählen der einzelnen Zeugnisse verliere, weil ich damit nicht fertig werden könnte und würde; sondern ich will den Beweis durchs Gegenteil antreten mit der Frage: wo ist eine Zusage vom HErrn, die Er nicht gehalten hätte? Ich kenne keine und wenn ihr auch keine kennt; so müssen wir einmütig die Beteuerung unseres Textes unterschreiben: Er ist treu, der unserer Kirche die Zukunft verheißen hat und sie wird ihr auch und muss ihr werden.

Weiter werft einen Blick auf den Umschwung der Dinge und der Ereignisse in der Neuzeit, geben sie sich nicht als prophetische Vorläufer einer großen und gewissen Zukunft unserer evangelischen Kirche kund? Jahrhunderte lang hat man vor der Macht Roms gezittert, das ungefügige Länder und Reiche mit ihren Herrschern durch Bann und Interdikt zu seinen Füßen zu legen wusste, aber wer fragt heute noch nach diesen Machtmitteln Roms? Sie haben sich abgenützt. Rom hat sie zwar erst noch in neuer Zeit gegen die Widerspenstigen im eigenen Heimatlande angewendet; aber es hat sich Niemand darum bekümmert bis auf den heutigen Tag. Der Kirchenfürst, dem sonst die weltlichen Fürsten in Unterwerfung den Steigbügel halten mussten, vor dem einst Heinrich IV., deutscher Kaiser, 3 Tage lang unter freiem Himmel im Büßergewande stand und um Absolution vom Banne flehte, dieser Kirchenfürst hat sich in seinem Nachfolger in unseren Tagen unter den Schutz französischer Bajonette geflüchtet, um nicht aus der Engelsburg verjagt zu werden. Und wie hat sich die vieljährige Anklage widerlegt, die von katholischer Seite in öffentlichen Blättern immer und immer wiederholt wurde, dass der Protestantismus der Herd der Revolutionen sei, um die evangelische Kirche bei den weltlichen Machthabern zu verdächtigen und sie um jeglichen äußeren Schutz zu bringen? Die Tatsachen erweisen diese Anklage als Verleumdung. Wo sind die Throne, die durch Revolution wankend gemacht und gestürzt worden sind? Sind Italien und Spanien, wo die Revolution jetzt als das heiligste Völkerrecht sanktioniert und die Beteiligung daran als die unerlässlichste Bürgerpflicht proklamiert wird, nicht echt katholische Staaten und gehören nicht ihnen die vertriebenen Fürsten und die verjagte Königin an? Mit wem liegt das katholische Österreich bei seiner staatlichen Neubildung in Kampf und Streit? Nicht mit Rom wegen des Konkordats, unter dessen Fesseln das Aufkommen jeder religiösen, bürgerlichen und politischen Freiheit eine Unmöglichkeit ist? Welches protestantische Land, um nur bei der Gegenwart stehen zu bleiben, macht sich der Mitschuld an solchen revolutionären Bewegungen und gewaltsamen Umstürzen teilhaftig? Haben Tatsachen eine entscheidende und siegende Macht, wie sie sie haben, muss davor nicht die böswillige Verdächtigung des Protestantismus, dass er zum Aufruhr gegen die Obrigkeit reize und schüre, endlich verstummen und die, die sich damit befleckt haben, erröten machen, wenn sie noch eines Errötens fähig sind? Was dem Protestantismus in die Schuhe geschoben werden wollte, das hat jetzt seine Gegnerschaft offen auf ihre Fahne geschrieben!

Und die evangelische Kirche geht unterdessen ihren stillen, sicheren und festen Gang. Sie weiß, dass das Reich Christi nicht von dieser Welt ist und mischt sich darum nicht in weltliche Händel. Sie weiß, dass ihr Ziel in jener Welt liegt und steuert ihm darum auf dem Wege geistlicher Ritterschaft zu. Sie meidet Verketzern und Verdammen Andersgläubiger und sieht mit freudiger Zuversicht der Erfüllung des Verheißungswortes entgegen: es wird eine Herde und ein Hirte werden, weil sie die Bürgschaften für sich hat, dass sie zu der Zeit das Banner siegreich tragen wird.

Des wollen wir uns aber nicht bloß freuen und rühmen, sondern auch

III.

der Pflicht nachkommen, die uns im Texte ans Herz gelegt ist, an unserem Bekenntnis der Hoffnung festzuhalten und nicht zu wanken. Wer an Etwas nicht hält, sondern es hingibt, der tut es meist, um etwas Anderes und zwar Besseres dafür zu erwerben und zu bekommen. Was kann uns denn aber die katholische Kirche für den Abfall von unserem guten kirchlichen Bekenntnisse, wozu sie verlocken will, bieten und geben? Etwa ihren sichtbaren Stellvertreter Christi mit seiner beanspruchten Unfehlbarkeit und Herrschaft über die Gewissen? Ach, damit soll sie uns nicht kommen, die wir wissen, wie es mit menschlicher Unfehlbarkeit und der angemaßten Herrschaft über die Gewissen steht. Wir lassen uns nicht wieder unter das knechtische Joch fangen, wovon uns das einzig wahre Oberhaupt der Kirche befreit hat, von dem wir das Wort haben: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Oder den äußeren Glanz und Pomp ihres Gottesdienstes? Ach, danach begehren wir nicht: denn wir wissen gar wohl, dass es der Kirche nicht ziemt, da Pracht und eitles Wesen zu treiben, wo ihr HErr und Meister in Knechtesgestalt einhergegangen ist. Oder ihre Erblehre, ihr ungeschriebenes Wort, dessen sie sich berühmt und womit sie sich zum Meister und Richter des geschriebenen GOtteswortes in der Bibel aufwirft? Nein, mit dieser Erblehre soll sie uns verschonen; wir können sie nicht brauchen, die wir vom HErrn lediglich an das Suchen in der Schrift Alten und Neuen Testaments gewiesen sind. Oder ihren Marien- und Heiligendienst mit Einschluss des erst jüngst in Rom zurechtgemachten Glaubensartikels von der unbefleckten Empfängnis der heiligen Jungfrau? Ach, wie könnte denn ein solcher Dienst bei uns Eingang finden, die wir wissen, dass es nur einen einigen Mittler gibt zwischen dem einigen GOtt und den Menschen, nämlich den Mensch Christus JEsus, der sich selbst gegeben hat für Alle zur Erlösung. Oder ihre hochgehaltenen Legenden und Mirakelgeschichten, die niemals geschehen und niemals passiert sind? Ach, die lassen wir der katholischen Kirche und ihren Gläubigen recht gerne; für solchen Aberglauben hat unser Bekenntnis keine Spalte und unser protestantisches Volk keine Empfänglichkeit. Oder ihren Rosenkranz, der die Gebetserhörung von der Anzahl der Gebete abhängig macht? Wollten wir uns dazu hergeben, dann müssten. wir das Wort des HErrn nicht kennen: wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern, wie die Heiden, denn sie meinen, sie würden erhört, wenn sie viele Worte machen. Oder ihre Wallfahrten, womit am Tage betend und singend die Orte durchzogen und die Nachtlager mit Sünden gebaut werden? Wir kennen eine würdigere Stätte zum Beten; es ist die, auf welche uns der HErr angewiesen hat in den Worten: „Wenn du betest, so gehe in dein Kämmerlein und schließe die Türe zu und bete zu Deinem Vater im Verborgenen.“ Oder ihre Seelenmessen? Die können sich doch unmöglich eindringen in eine Kirche, die nichts vom Fegfeuer weiß, weil GOttes Wort nichts davon weiß und die es mit Luther für einen Gräuel erkennt, in der Kirche GOttesdienst anrichten ohne alle Schrift und GOttes Wort. Oder ihre Beicht- und Ablasszettel? Nun das wäre uns noch das Letzte! Wir haben eine andere Garantie für die Vergebung unserer Sünden, als diese papiernen Zettel; unsere Garantie liegt in dem Glauben an diese Worte: für euch gegeben und vergossen zur Vergebung der Sünden. Mögen wir nun demnach nichts von Allem, was uns die katholische Kirche für den Abfall von unserem guten Bekenntnisse bietet und bieten kann, und können wir von Allem, was sie hat, nichts brauchen, wäre es nicht Wahnsinn, auf ihre Verlockungen zu solchem Abfall zu hören, nicht frevelvoller Mutwille, nicht fest und unverbrüchlich an dem Bekenntnisse zu halten, nicht verdammliche Schwäche, in diesem Bekenntnisse zu wanken?

Nicht, dass wir uns für die Verwirklichung des Wortes in unserem Glaubensbekenntnisse: „eine heilige christliche Kirche“ nicht zu begeistern wüssten, nicht, dass wir alle ehrlichen Versuche und lauteren Bestrebungen, die darauf abzielen, nicht freudig begrüßten und nach Kräften unterstützten, nein, die Einheit der christlichen Kirche ist unser letztes Ziel und unsere große Hoffnung; aber durch Verrat an unserem evangelisch-lutherischen Bekenntnisse mögen und wollen wir sie nicht; auf dem Wege des Abfalls von unserer Kirche, worauf es Rom durch sein ausgeschriebenes Konzil abgesehen hat, soll uns Niemand berücken, der äußeren Einheit den Vorzug zu geben vor der Treue gegen das Bekenntnis, das wir mit der uralten apostolischen Kirche bekennen, das mit dem Märtyrerblute der lautersten - Zeugen des Reiches GOttes besiegelt ist und seine weltüberwindende Macht bewiesen hat und noch in sich trägt. Wo Einheit der Kirche und Bekenntnistreue auf unserer Seite in Frage kommen, da kann und darf keine Wahl sein, da muss die äußere Einheit der Kirche der Bekenntnistreue unbedingt zum Opfer gebracht werden.

Darum die Mahnung des Apostels im Texte zu Herzen genommen: „Lasst uns halten am Bekenntnisse und nicht wanken!“ Das Haltensollen deutet auf Nachstellung nach dem, was man hat und das kann geschehen durch Gewalt und durch Überredung. Die Zeit, wo zur Entreißung des evangelischen Glaubensbekenntnisses Gewalt angewendet wurde, wird hoffentlich vorüber sein. Der dreißigjährige Krieg hat eine Lehre gegeben, die unvergessen ist und bleiben wird. Dagegen gehören Nachstellungen durch Überredung zu den immer wiederkehrenden Erscheinungen, wovon das Vorgehen Roms mit seiner Einladung zum Konzil aufs Neue Zeugnis gibt. Die nicht fest gegründet sind im Glauben, schenken solchen Überredungen Gehör, wanken und geben ihr gutes Bekenntnis, wenn auch zu späterer Reue in die Rappuse2). Leider, dass unsere Kirche in dieser unserer Zeit nicht wenige solcher Wankenden zählt. Es sind die, welchen im Dienste des Zeitgeistes ein Bekenntnis so viel gilt, wie das andere, weil sie überhaupt auf kein Bekenntnis Wert legen; welche es mit dem Grundsatz des großen, aber in diesem Stücke kleinen alten Fritz halten, dass man jeden nach seiner Façon müsse selig werden lassen. Tritt an sie die Überredungskunst heran, so macht ihnen die Hingabe ihres Bekenntnisses kein größeres Bedenken, als der Wechsel eines Kleidungsstückes gegen ein anderes. Ach, dass der HErr mit der Feuertaufe an diesen Wankenden bewirken möchte, was die Wassertaufe nicht vermochte, dass sie abließen, nach beiden Seiten hin hinzuhinken, und anfingen, sichere Schritte zu tun!

Wir aber, Geliebte, wollen uns stets an dem Gedanken ergötzen:

„Wohl schwebt die Kirch allzeit im Streit,
am End doch muss sie siegen,
ihr Ziel, das ist die Ewigkeit,
der Himmel ihr Vergnügen,“

dann wird jeder Angriff auf unser gutes Bekenntnis, als der Grundfeste dieser siegenden Kirche an uns abprallen, wie das Sandkorn am Kieselstein; dann halten wir, was wir haben und Niemand kann und soll uns unsre Krone rauben, die uns schon GOttes Sohn beigelegt im Glauben. Amen.

2)
in die Rappuse geben, preisgeben, verloren geben.
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