Seckendorff-Gutend, Henriette Freiin von - Hausandachten - 34. Andacht.

Seckendorff-Gutend, Henriette Freiin von - Hausandachten - 34. Andacht.

Psalm 5.

Es stehen uns in diesem Psalm zweierlei Leute gegenüber: Die Ruhmredigen, die Übeltäter, die Lügner und die Falschen, welchen der Herr feind ist. Diese stehen auf der einen Seite, und auf der anderen stehen die Gerechten, welche der Herr nach dem 13. Vers segnet, von denen es heißt: „Du krönest sie mit Gnade, wie mit einem Schilde.“ Diese sind es, die ihre eigene Gerechtigkeit weggeworfen und sich Jesu Gerechtigkeit angeeignet und in Ihm fest gegründet bleiben ihr Leben lang. Er bedeckt sie so gnädiglich, dass die feurigen Pfeile des Bösewichts ihnen nicht schaden können. Aber warum richtet dennoch der Satan so entsetzlich viel Schaden an? Weil wir ihm zu viel Raum lassen! Ja, es ist jammervoll, was der Feind nur durch die Fleischeslust und Augenlust anrichtet. Eine einzige Sünde bringt immer ein ganzes Gefolge anderer Sünden mit sich. Kommst du mit der Unreinigkeitssünde hinüber, da wirst du erst sehen, wie übel sie dich zugerichtet hat. Hier schon ruinieren sie Leib und Seele! Manchmal möchtest du davon los werden, der Geist sucht sie zu bekämpfen, allein das Fleisch behält leider meistens die Herrschaft, weil dein Herz nicht fest in dem Herrn steht, und das geschieht nur durch Gnade, die du ernstlich zu erbitten hast. Wie oft will der Geist Gottes mit uns reden, aber wir hören nicht auf ihn. Ich las einst ein Lied vom Stadtpfarrer Knapp, welches mir einen tiefen Eindruck hinterließ; ich will es euch mitteilen, es kommt in seinen Bildern aus dem Scheol vor und heißt:

„Ein Andrer kam mit ungeheurer Weh:
Wie lange stürzt ich nieder aus der Höh'?
Wie lange ging's durch Todesfluten her?
Kein Odem ist in meiner Seele mehr!

Als stumm der Arzt vor meinem Bette stand,
Und federlesend zuckte meine Hand,
Da hat mir's heiß und schrecklich noch geträumt,
Dass mir im Leib die Seele sich gebäumt.

Mein Leben all' und was ich einst gesollt,
Was ich gewusst und nimmer doch gewollt,
Erschien mir als ein dunkler Wassersee,
Darinnen ragt ein Balken in die Höh'.

Da lüftete mich's immer keck und stolz,
Zu springen übers Wasser auf das Holz.
Oft hüpft' ich hin es wankte, wenn ich's traf
Dann rief's: O hüte dich, verlornes Schaf!“

Ich fürchtete die finstre Welle wohl,
Sie schwoll so drohend, murmelte so hohl,
Und in mir sprach's: „sinkst du hinunter hier,
Ertrinkt die arme Seel auf ewig dir!“

Des Bildes Deutung ward mir im Gemüt:
Ach, jedes Jahr, das ohne Jesum flieht,
Es ist ein Sprung aufs schwache Holz im See!
Und wehe! nahet dir das legte Weh!

Ich ließ nicht ab - da kracht es - ich ertrank.
O Schreckensstunde, da ich untersank!!
O Seel! o Seel! wie hab ich dich verkürzt,
Zum anderen Tod bin ich hinabgestürzt.“

Was ist denn das, ihr Lieben, das schwache Holz im See? Es ist die Sünde, besonders auch die Sünde der Unkeuschheit. Der liebe Pfarrer St. sagte neulich in einer Predigt: Wo noch Zweifel und Unglaube herrscht, da liegen Fleischessünden vor, wenn auch ganz subtile! Ja, liebe Seele, du bist nicht im Stande, fest zu glauben und einen lebendigen Heiland zu haben, so lange du noch unreine Gedanken in deinem Herzen hegst. Darum bitte ernstlich den Herrn, dass Er dich davon los mache; aber bete nicht gegen die Unreinigkeit, denn wir sind so verdorbene Naturen und ein solcher Brand, dass wir nicht einmal an diese Sünden denken dürfen, sonst sind wir sogleich wieder von denselben gefangen. Deshalb wirf sie weg! lasse dich durch keinerlei Gedanken in Unreinigkeiten ein, denn dieses Ungeziefer frisst alles geistliche Leben hinweg.

Gehe zu Jesu, erbitte dir, gleich nachdem du die unreinen Gedanken weggeworfen hast, Seine Reinheit und Keuschheit; stehe ganz kindlich unter und lasse dieselben auf dich fallen, wie einen Hegen auf dürres Erdreich, und ruhe nicht eher, bis du die Reinheit und Keuschheit Jesu hast. Bitte oftmals mit jenem Lied:

Keuscher Jesu, hoch von Adel,
Unbefleckter Gottessohn,
Züchtig, heilig, ohne Tadel,
Sieh', ich fleh vor Deinem Thron:
Du Krone keuscher Jugend,
Schenke mir die wahre Tugend,
Dass ich heilig, keusch und rein,
Wie Du warest, möge sein!“

Die Lichtskräfte und Gnadenschätze Jesu haben eine solche Höhe, Tiefe, Länge und Breite, dass du sie nicht ausdenken kannst. Bete darum, sie erneuern dich durch und durch.

V. 4. „Herr, frühe wollst du meine Stimme hören; frühe will ich mich zu dir schicken und darauf merken.“ Am Morgen früh beim Erwachen sei es dein Erstes, den Herrn zu suchen. Je bälder du Ihn findest, einen desto leichteren Lebensweg bekommst du. Sucht besonders ihr ihn, ihr lieben Kleinen; Er wird sich bald von euch finden lassen und euch glücklich, froh und reich in Ihm machen. O bleibt Ihm alsdann auch treu bis ans Ende!

„O wie wohl, wie wohl wird's tun,
Recht gekämpft zu haben
Und dort fröhlich auszuruh'n,
Uns bei Dir zu laben!“

V. 5. „Du bist nicht ein Gott, dem gottlos Wesen gefällt; wer böse ist, bleibt nicht vor dir.“ Er ist ein heiliger, reiner Gott und durchschaut uns bis auf den tiefsten Grund. Er mahnt dich mit Liebe, Er kommt durch Sein Wort und durch Seinen heiligen Geist an dein Herz. Hörst du Ihn auch, liebe Seele, willst du Ihm gehorchen? Der Herr lässt nicht ab, Er wendet Alles an, um dich zu erretten aus der Obrigkeit der Finsternis; darum schickt Er dir oft so viel Schweres zu: Verlust an zeitlichen Gütern, ein Unglück in der Familie, oder den Tod eines dir nahe stehenden Lieben. Hörst du abermals nicht, so kommt noch Schwereres über dich. Satan darf deinen Körper antasten; du wirst krank und immer kränker, der Herr lässt nicht von dir, bis du dich endlich beugst und Ihn fragst: „Herr, was hast Du mit mir zu reden?“ Bleibst du aber in deinem „Ich“ stecken, so kannst du Gottes Stimme nicht vernehmen, sondern du merkst nur auf die Stimme des Feindes, der dir dein Leiden immer ärger hinstellt, als es an sich schon ist. Du fängst an zu klagen, kommst ins Murren wider den Herrn, wirst verzagt, und zuletzt macht man eine geistige Faust gegen den lieben Gott. Warum muss doch auch Alles über mich kommen? So böse war ich doch nicht; womit habe ich das verschuldet? Es ist zu unbarmherzig, wie Gott mit mir umgeht! usw. Seht, so geht es Schritt für Schritt abwärts und weiter und weiter weg von dem Herrn, der dir doch allein helfen kann und will. Ja, prüft euch nur, liebe Seelen, wie oft habt ihr euch schon bemitleidet, anstatt dem Heiland zu danken, dass Er euch Leiden zuschickte, wodurch ihr hättet zu Ihm geführt und innerlich weiter gebracht werden sollen. Ach, fragt in aller Demut den Herrn: „Was hast Du, lieber Herr, mit mir zu reden? Warum schickst Du mir dieses zu? Rede Herr, Dein Knecht, Deine Magd hört!“ Es gibt ein so verschiedenes „Warum?“ Bei dem Einen liegt man demütig und gebeugt zu den Füßen Jesu; man will ablassen von allem Bösen und möchte ein ganz neuer Mensch werden; da kommt man zum Ziel, da wird der Zweck der Züchtigung erreicht. Aber das andere „Warum?“ ist eine Faust gegen den Herrn und bringt uns immer schwerere Leiden. Denn diesen Gott, der durch ein einziges Allmachtswort Milliarden von Welten schaffen kann, kannst du nicht ändern, törichte Seele, du musst dich ändern lassen, und in Seine heiligen Ordnungen und in Seinen heiligen Willen eingehen. O liebe, liebe Seelen, der Herr hat viel mit uns zu reden, aber wir hören ihn nicht, wir bleiben in uns selber stecken; wir lieben mehr die teuflischen Phantasien, die unreine Bilderwelt, diesen elenden Kram, der nichts bringt als Stich im Herzen und Höllenschmerzen. Wende dich zu deinem Gott und Heiland, der dich so gerne segnen und dir wohltun möchte, der Seine Gnade in Fülle über dich ausgießen würde. O, es ist nicht zu sagen, welchen Jammer die Sünde nach sich zieht! Darum lasst doch ab von ihr! Reinigt euch, denn der Herr verlangt ein keusches Leben in und außer der Ehe! Man holt sich keinen Freibrief am Altar, dass man in der Ehe treiben dürfe, was man nur wolle. Was kommen aber für gräuliche Sachen darin vor, und was für Dinge geschehen in diesem heiligen Stande? Schauerliche! O, komme nicht hinüber mit allen diesen Sünden! Die Ehe ist heilig, und der Herr will haben, dass sie heilig von uns gehalten werde. Er wolle uns die Augen öffnen, dass wir nicht in Täuschung und Selbstbetrug dahin gehen. Man sieht oft die Sünden der Eltern an den Kindern. Wie entsetzlich sind die armen Würmlein manchmal zugerichtet! Anstatt dass sie in Mutterleibe mit dem heiligen Geist erfüllt werden, bekommen sie die Lustseuche durch die gräulichen Ehesünden, dass der Herr sie oft mit Krankheit schlagen und wieder wegnehmen muss; wie müssen diese armen Kindlein oft auf dem Totenbett so Vieles leiden! Das ist die Frucht der Sünden der Unkeuschheit ihrer Eltern. Was wird es einmal sein, wenn alle diese Sünden, die hier im Finstern schleichen, diese vielen stummen Sünden einmal in der Ewigkeit offenbar werden, was gewisslich geschieht, wenn wir nicht hier noch Buße darüber tun, hier, so lange es heute, heute heißt. O ihr Lieben, wir müssen uns ändern. Er bleibt sich gleich, Ihn kannst du nicht anders machen. Der Herr ist auch kein Eli, welcher die Sünder ungestraft hingehen lässt; Er ist nicht ein Gott, dem gottlos Wesen gefällt, wer böse ist, bleibt nicht vor Ihm und kann auch vom Herrn keine Hilfe erlangen. Der Gott der Ordnung lässt nichts hingehen, was unrein, unheilig und unkeusch ist. Darum wollen wir uns Ihm ergeben, dass Er uns reinige und heilige durch und durch. Oft scheint der Herr ganz unbarmherzig, Er lässt die Seelen oft lange im heißen Tiegel liegen und ändert nichts an ihrem Zustand. Warum das? Weil die Seele noch nicht los ist von so manchem ungöttlichen Wesen. O wirf doch allen Ungehorsam über Bord, und zwar mit aller Festigkeit, die du dir von dem Herrn zu erbitten hast; denn wenn einmal die Sünde als solche erkannt ist, so darfst du dieselbe unter keiner Bedingung mehr beherbergen, sonst kommst du nicht zum Frieden. Eine Wonne und ein Wohlsein, das unaussprechlich ist, wird dich aber durchdringen, wenn du die Sünde überwindest und besiegst. Der Herr würde dich reichlich segnen, in deiner Ehe und außer der Ehe, wenn du nur ein Leben in Ihm führen würdest; du dürftest Seine Gottestraft erfahren, du lerntest alsdann mit Paulus sagen: Ich vermag Alles durch Den, der mich mächtig macht: Christum. Ist das nicht herrlich? Darum höre auf von Sünden, komme heraus aus dir selbst, lebe dich den Strahlen der Lebenssonne aus, wie Tersteegen so schon sagt:

„Wie die zarten Blumen willig sich entfalten
Und der Sonne stille halten:
Lass mich so, still und froh,
Deine Strahlen fassen
Und Dich wirken lassen.“

Wer das tut, einfältig und kindlich, der darf auch erfahren, welche Kraft und Wirkung die Strahlen Gottes haben. Lasse dich aber nicht bloß anleuchten! O, wie viel gibt es Solche bloß Angeleuchtete! Wer nicht in Jesu Christo steht, der ist bloß angeleuchtet, und da bekommt dann der Satan bald wieder Macht über die Seele; wenn aber eine Seele in Jesu lebt und Alles mit Ihm tut, so ist Er der Wächter unseres Herzens und hält Seinen Glaubensschild vor, so dass die Pfeile des Bösewichts dasselbe nicht verwunden können. Es ist herrlich, in der Kraft Jesu zu stehen; o bleibe in Ihm, dann hast du alles Gute die Fülle in Zeit und Ewigkeit.

„Darum bleibt bei dem, der bleibt,
Und der geben kann, was bleibt,
Der, wenn ihr euch ihm verschreibet,
Euch ins Buch des Lebens schreibt.“

Wir haben heute so manches Ernste betrachtet von dem Fluch, welcher auf die Ungerechten fällt, aber auch manches Liebliche von dem Segen, der den Gerechten zu Teil wird. Möge dieser Segen und die Liebe Jesu uns Alle so durchdringen, dass wir uns durch sie zur Buße leiten lassen, und der Herr nicht Schärfe und Härte bei uns brauchen muss. Das schenke uns Allen der dreieinige Gott in Gnaden. Amen.

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autoren/s/seckendorff/seckendorff-hausandachten/seckendorff_hausandachten_34_andacht.txt · Zuletzt geändert: von aj
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