Scriver, Christian - Gottholds zufällige Andachten. - 51. Das Spiel.

Scriver, Christian - Gottholds zufällige Andachten. - 51. Das Spiel.

Gotthold kam in eine Gesellschaft, da zwei gute Freunde im Brettspiel sich ergötzten; nachdem sie ihn mit höflicher Freundlichkeit empfangen, fragten sie, was er vermeinte, für gute Gedanken zur Erbauung des Christenthums über solches und dergleichen Spiel zu haben. Er sagte darauf: Wenn ich wüßte, daß ihr Spötter wäret und mehr, mich zu versuchen, als euch zu unterrichten, diese Frage vorgebracht, wollt ich sie keiner Antwort würdigen; weil ich euch aber anders befunden, so wisset, daß es schon genug wäre, wenn ich euch Bericht gäbe, wie ihr mit gutem Gewissen, ohne Vernachtheilung der Gottesfurcht und christlichen Liebe spielen solltet; allein, weil ihr schon vorhin davon unterrichtet seid, so bedenket mit mir, ob nicht ein solches Spiel das ganze menschliche Leben gar artig abbildet. Es geräth nicht allemal der Wurf, wie ihr wollt, und dann ists eine Kunst, was unglückliche Augen verwirren, durch vorsichtiges Setzen wieder einzubringen; so gehts in unserm Leben, da vieles anders laust, als unser Herz wünscht. Der ist aber für gottselig klug zu achten, der mit emsigem Gebet und gebührender Aufsicht seinen Unfällen begegnet, und was nicht zu ändern steht, mit standhafter Geduld erträgt und überwindet. Ihr seht auch, wie sich das Spiel so wunderlich oft verändert und mehrmals dem den Gewinnst zuschiebt, dem es anfangs den Rücken zugewandt, daher es auch das Verkehren genannt wird; so wechselt sichs im Leben, in welchem nichts beständiger ist, als Unbestand, welcher doch der göttlichen Vorsehung und kräftigen Regierung dermaßen unterworfen ist, daß nichts, anders kommt, als wie der Herr will und es gut befindet. Sprüchw. 16, 33. Ueber das mag nichts sein, welches die Gemüthsneigung des Menschen mehr entblößt und ohne Umhang zu betrachten darstellt, als der Trunk und das Spiel; darum auch die vorsichtigen Alten in Heirathssachen nicht leicht schlüssig geworden, ehe und bevor sie einen Heirathsmann in diese Proben gesetzt und sich seiner Art versichert. Darum spielet also, daß nicht eure Begierden den Meister spielen, und ihr durch eure Gewinnsucht, Betrügerei, Zorn, Rachgier, Starrkopf und Eigenwillen euren guten Namen nicht verspielet. Uebet euch vielmehr in diesen geringen Dingen, daß ihr auch in größern eures Nächsten Freundschaft und anderer Leute rühmliches Urtheil eurem Nutzen und Ergötzlichkeit vorzuziehen wisset.

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