Schlatter, Adolf - Der Hebräerbrief - Kap. 9, 1-14. - Der alte Gottesdienst weissagt Christum.

Es wird uns ein weiteres Zeugnis vorgehalten, welches uns zeigen soll, dass der alte Priester und Tempel uns neben Christus verschwinden muss. Dieses Zeugnis liegt in der Einrichtung des alten Gottesdienstes selbst. Dieser stellt uns selbst seine Schranke und Schwäche offen dar und deutet auf Christum hin', in dem all das, was dort Form und Schatten blieb, auf höherer Stufe so wieder erscheint, dass es nun in ihm Kraft und Wahrheit ist.

Der Brief zählt auf, was Israels Heiligtum zu Moses Zeit enthielt, V. 1-51). Er deutet an, dass in all dem bleibende Grundordnungen für unsere Gemeinschaft mit Gott ausgedrückt und himmlische Verhältnisse angezeigt sind. Er will jetzt aber nur einen einzigen Punkt hervorheben, nämlich die Einteilung der Stiftshütte in zwei Räume, in ein vorderes und in ein hinteres Zelt, in ein Heiliges und in ein Allerheiligstes. Dieses Allerheiligste war nicht nur der Gemeinde, sondern sogar auch (den Priestern gänzlich verschlossen und verhüllt. Einzig der Hohepriester ging in dasselbe hinein und auch er nur ein einziges Mal im Jahr und nur mit der Schale voll Opferblut in der Hand, welches ihm allein erlaubte, so nahe zu Gott hinzutreten, ohne dass ihn der Zorn Gottes traf. Was war die Meinung des Heiligen Geistes, wenn er Mose unterwies, das Heiligtum und den Priesterdienst so einzurichten und das eigentliche, innerste Heiligtum so streng und vollständig jedem menschlichen Blick und Zutritt zu entziehen? Der Geist zeigte damit an, dass der Weg ins Heiligtum noch nicht offenbar geworden. ist, V. 8. Gäbe es für uns gar keinen Weg ins Heiligtum, wollte Gott uns ewig verborgen und verschlossen bleiben und uns nicht herzulassen in sein Licht und seine Gegenwart, dann hätte auch Israel kein Allerheiligstes erhalten, und Gott hätte ihm nicht in einem Bild und Zeichen wenigstens seine Gegenwart in ihrer Mitte und sein Wohnen unter ihnen zugesagt. Das Allerheiligste verkündet: es gibt einen Weg ins wahrhafte Heiligtum, aber es verkündet zugleich: derselbe ist noch nicht offenbar.

Damit dass das Gesetz einen Vorbau vor das rechte Heiligtum stellte und in diesen den Priester und seinen Gottesdienst einschränkte, bezeugt es selbst die Vergänglichkeit seines Tempels. So lange diese vordere Hütte, dieses Heilige vor dem Allerheiligsten, dieses geringere Heiligtum, das doch allein dem Gottesdienst geöffnet war, besteht, so lange, sagt V. 8, ist der rechte Weg ins Heiligtum noch nicht offenbar. Diese Hütte muss fallen und verschwinden, wenn das wahre Heiligtum uns aufgeschlossen wird. Dann hat sie ihren Zweck erfüllt, und ihre Zeit ist vorbei.

Sie ist ein Gleichnis, und das Gleichnis fällt dahin, wenn die Sache, die es in ein Bild einhüllt, wirklich und lebendig vor uns steht. Nun sagt aber der Brief, dieses Gleichnis sei nicht bloß für die frühere, sondern auch für die gegenwärtige Zeit bestimmt, V. 9. Ist denn der Weg ins Heiligtum nicht durch Christus offenbar geworden? Gewiss! Er zeigt und bahnt ihn uns. Aber Christi eigner Gang zum Vater hat uns wohl die Hoffnung auf den Zugang zum Allerheiligsten des Himmels gebracht, aber noch nicht den Zutritt selbst, noch nicht dessen Genuss und Besitz. Unsere Hoffnung ist freilich durch keinen Vorhang mehr gehindert, sondern dringt durch denselben durch, dahin wo Christus ist, aber der Vorhang selbst ist auch für uns noch da. Jenes Allerheiligste in der Mitte Israels bedeutet mehr als nur dies, dass wir unser Herz und unsere Gedanken, unser Bitten, Hoffen und Glauben aufwärts schicken dürfen. Das deutet auf ein Gut, welches erst mit Christi neuer Gegenwart zu Stand und Wesen kommen wird. Dann erst wird es heißen: sieh eine Hütte Gottes bei den Menschen, und er wird wohnen in ihrer Mitte, und dann ist das Gleichnis, das in der alten Hütte enthalten war, erfüllt. Darum fasst hier der Brief seine hebräischen Christen mit dem früheren Israel zusammen und sagt: die Weissagung, die in der Einrichtung des Heiligtums euch vorgehalten ist, besteht auch noch für euch und umfasst auch euch.

Warum blieb Israel das Allerheiligste verschlossen, und Gottes Angesicht verhüllt? Warum war es bei all seinem Gottesdienst doch in die Ferne von ihm gestellt? Sein Opfer brachte ihm keine Vollendung, V. 9. Dem vollkommenen Anbeter geht das Heiligtum auf. Solche Vollkommenheit müsste ihm sein Opfer bringen, wenn es rechter Art wäre. Das bringt er ja Gott gerade als den Ersatz für seinen Mangel, zur Deckung für seine Sünde, zum Empfang der Gabe, die ihm fehlt. Aber um uns zu vollenden, bedarf es eines anderen Opfers, als dasjenige, das Israel auf seinen Altar brachte. Ein solches Opfer war auch in der alten Hütte nicht möglich. Dazu bedarf es eines anderen Heiligtums.

Die Vollendung muss in unserem Gewissen geschehen, in unserem inwendigen Leben, in der Werkstätte unserer Gedanken und Begehrungen, in dem was unser Bewusstsein füllt, und dort einem stillen aber unbestechlichen Gericht und Urteil unterliegt. Hier muss Ordnung und Frieden und Eintracht einkehren und das Bewusstsein der Schuld und des Mangels getilgt, die Empörung und der Streit der sündigen Begierden aufgehoben, der inwendige Riss, Zwiespalt und Bruch geheilt werden. Aber das erreichen wir mit denjenigen Opfern nicht, welche Israel bringen konnte. Es war wohl Trost im Opfer, Beugung und Aufrichtung vor Gott. Es erweckte zum Glauben und zur Buße, zur Dankbarkeit und zur Hingabe an Gott. Aber, fragt unser Brief, bringt euch euer Opfer eine Vergebung, an der eure ganze Sündigkeit völlig dahin gefallen ist? Nein. Und hören an eurem Opfer eure sündigen Begierden und Lüfte auf? Nein. Dann ist euer Gewissen durch euer Opfer noch nicht zurecht gebracht. Dann kann sich aber auch das Allerheiligste für euch noch nicht öffnen und euer Verkehr mit Gott bleibt gebunden und gehemmt. Es bleibt am alten Opfer derselbe Mangel wie am alten Gesetz. Wie das Gesetz nicht ins Herz hinein geschrieben war, so dringt auch das Opfer nicht ins Gewissen hinein.

Die Ohnmacht des Opfers zeigt sich auch an dem, was im Gesetz mit demselben verbunden und ihm gleichgestellt wird. Die gottesdienstlichen Ordnungen Israels setzten nicht bloß Opfer fest, sondern bezogen sich weiter auf Speise und Trank und Waschungen. Speise und Trans waren ja dadurch mit dem Opfer aufs engste verbunden, dass dasselbe in der Opfermahlzeit sein Ende fand. Was vom Opfer nicht auf den Altar kam, wurde gegessen. Aber auch sonst bildete die Speiseordnung einen wesentlichen Bestandteil des jüdischen Gottesdienstes. Ebenso standen die Waschungen mit dem Opfer in enger Beziehung. Sie bildeten mit diesem das Mittel zur Wiederherstellung der Reinigkeit. Da zeigt sich aber, dass das Opfer uns nicht innerlich vollenden kann. Denn die Speise und das Bad wirken nicht erneuernd ins Gewissen hinein. Das alte Opfer tut es ebenso wenig. Das sind Ordnungen fürs Fleisch, V. 10, nicht für die Sünde, sondern gegen die Sünde, welcher sie als Damm entgegengestellt sind, um die Gottesvergessenheit einzuschränken, wohl aber fürs Fleisch, für den natürlichen irdischen Bestand und Lauf des Lebens, damit derselbe unter Gottes Güte, Geduld und Schutz erhalten bleibe. Das alles lässt den Menschen in seiner natürlichen Art auf seiner irdischen Stufe. Da ist keine Kraft drin, die von oben käme und nach oben führte, nicht Geist und Leben aus dem Allerheiligsten. Mit seinem Opfer, seiner Speiseordnung, seinen Waschungen blieb der Israelite in der Gemeinschaft seines Volkes und unter dem göttlichen Segen, der demselben verheißen war. Aber es war ein Natursegen, Gaben und Güter, wie sie Fleisch und Blut bedarf, die ihm Glück und Wohlsein bringen für die kurze Frist, bis es zerfällt. Darum war dies alles nur verordnet, bis etwas Besseres käme und Gott seine vollkommene Gabe offenbaren würde.

Da nun Christus in seinem Priesteramt die zukünftigen Güter verwaltet und die ewige Gabe Gottes uns darreichen soll, hat er mit seinem Priestertum nicht mehr in der alten Hütte Raum, noch kann er das alte Opfer hierzu brauchen. Und doch bleibt sein priesterlicher Gang mit demjenigen des alten Hohenpriesters in Ähnlichkeit. Das Gesetz erweist sich auch in diesem Stück nicht als leer und nichtig, sondern kommt durch Christus zur Erfüllung, da er auf höherer Stufe wiederholt, was das Gesetz mit seinem Gleichnis auf dem irdischen Boden eingerichtet hat. Es kommt auch in Christi Leben zu einem großen Versöhnungstage, der zum alten Versöhnungstage des Gesetzes eine Parallele ist. Wie dort der Hohepriester am Versöhnungstage durch das Heiligtum hindurch ins Allerheiligste ging, so geht auch Christus mit seiner Erhöhung durch ein Heiligtum hindurch ins Allerheiligste. Aber das Heiligtum, das er durchschreitet, ist der Himmel mit seinen Engeln und Geistern, und das Allerheiligste, das für ihn geöffnet wird, ist Gottes Thron. Und wie der Hohepriester einst um seines Opfers willen ins Allerheiligste treten durfte mit dem Blut in der Hand, so vollbringt auch Christus in Kraft seines Opfers und Blutes seinen Priestergang. Aber das, was ihm den Zutritt zu Gott gewährt, ist nun sein eignes Blut.

Nicht das steht hier, dass Christus sein Blut in den Himmel gebracht habe, ein Gedanke, der uns nur zur dunkeln Träumerei führen würde und uns von Christus abzöge, als gäbe es zwei Heilmittel, Christus und neben ihm, von ihm gesondert und unterschieden, noch sein Blut. Hier gibts überhaupt keine Heilmittel, sondern nur einen Heilsmittler, und mit ihm, mit Christo selbst, haben wirs zu tun und nicht neben ihm auch noch mit seinem Blut. Vielmehr sagt die Stelle dies, dass Christus durch sein Blut, deswegen weil er sein Blut Gott geopfert hat am Kreuz, den Zugang gefunden habe zu Gott. Und zwar handelt es sich nicht darum, dass Jesus für sich selbst vor Gott treten darf, um selber der Herrlichkeit Gottes zu genießen, sondern darum, dass er als unser Priester den Zutritt findet zu Gott, als der, der sich uns verbunden hat, uns Vergebung und Erlösung bringen will, uns mit dem begaben will, was ihm der Vater gibt. So trat auch der alte Hohepriester nicht seiner selbst wegen ins Allerheiligste, sondern um der Sünden des Volks willen, damit die Gemeinde in Gottes Bund und Gnade erhalten sei, und die Erlaubnis und Ermächtigung dazu hatte er deshalb, weil er mit dem Opferblute kam. Ebenso steht Christi priesterlicher Eingang zu Gott, dessen Frucht und Gewinn uns zufallen und uns das Heiligtum öffnen und uns zum Thron der Gnade führen soll, darauf, dass er sein Blut dahingegeben hat. So gibt ihm der Vater seine priesterliche Macht; deshalb erhöht er ihn und in ihm auch uns.

Dieses Opfer hat das volle Wohlgefallen Gottes und dieser priesterliche Gang kam zum Ziel. Hieran ist nichts zu wiederholen oder zu ergänzen. Das ist für immer geschehen und ewig wirksam und die ewige Erlösung ist da.

Worin steht die Kraft des Blutes Christi? Darin, dass er sich selbst durch ewigen Geist ohne Makel Gott dargebracht hat, V. 14. Wir dürfen nicht bloß auf Jesu Blut und Wunden achten, wenn wir sein Sterben verstehen wollen. Hinter diesem Auswendigen steht ein Inwendiges und gibt jenem seine Kraft. Darin liegt gerade der Vorzug des Blutes Christi vor jedem anderen Opfer, dass es sich hier nicht nur um ein auswendiges Zeichen handelt, das weder von innen kommt noch nach innen dringt, sondern hier ist der leibliche Vorgang die Folge, Frucht und Vollendung dessen, was im Geist und Herzen Jesu geschah. Dort stieg sein Verlangen nach oben zum Vater und legt alles, was er ist und hat, in seine Hand und will ihm nichts vorenthalten, nichts für sich selbst reservieren, sondern alles an seiner Person soll ihm hingegeben sein. Das ist's, was den Blutstrom Christi zum Opfer macht. Er wurde für Gott vergossen. Die vollkommene Liebe schüttete ihn aus, eine wahrhaftige Liebe, die nicht nur genießen und sich an Gottes Freundlichkeit ergötzen und an seinem Reichtum sich selbst erhöhen und verherrlichen wollte, sondern Gott in seiner Majestät vor Augen hatte und sich selbst vergaß, um seinetwillen und vor ihm sich beugte in den Tod, weil sie ihn ehren und ihm in seinem heiligen Gericht und seiner versöhnenden Gnade dienen wollte. Es gilt auch hier: er entäußerte sich selbst, und stellte Gott als Herrn und König, Richter und Heiland über sich. Das ist die Weihe, die Jesu Blut kostbar macht. Keine Gabe, die Gott je geweiht wurde, kann ihm verglichen werden. Denn keine andere Gabe schließt das in sich, was Jesu Blut in sich trägt, eine Hingabe an Gott, die ihn allein vor Augen hat und sich völlig zum Werkzeug seiner Gerechtigkeit und Gnade macht.

Es hat freilich seinen guten Grund, wenn uns unser Brief so nachdrücklich nicht bloß auf den innerlichen Sinn und Willen Christi, sondern auf sein auswendiges leibliches Opfer, auf sein Blut, verweist. Er tut es nicht bloß dem alttestamentlichen Gesetz zu lieb, das den Hohenpriester mit der Schale voll Blut ins Allerheiligste gehen hieß, sondern hierin steht die Wahrheit und Völligkeit des Opfers Christi. Wir haben es hier nicht mit einem bloßen Wünschen und Verlangen, Streben und Begehren zu tun, das sich nur innerlich zu Gott hin bewegt und nicht Tat wird und nicht hinauswirkt in den Leib. Was bloß inwendig bleibt, erweist sich dadurch als ohnmächtig und gebunden. Es fehlt ihm die Wahrheit noch; denn es ist noch nicht bewährt. Eben jene geteilte nichtige Liebe, die Gott wohl Herz und Gedanken gönnt, aber den Leib mit seinem reellen Empfinden und Erleben sich selbst vorbehalten will, macht unsere Befleckung aus. Christi Aufgabe bestand nicht nur darin, sich in Gedanken Gott hinzugeben, sondern es galt den Kreuzblock anzufassen und die Hand hinzuhalten, damit der Nagel in dieselbe dringe, und sie bluten zu lassen. Nun war seine Beugung vor Gott Wahrheit und seine Hingabe an ihn vollkommen. Nun war das Opfer geschehen und vollbracht; nun war es Tat. Christi Opfer ist ein Ganzes, bei dem das Inwendige und Auswendige vollkommen zusammenstimmt. Darin steht seine Herrlichkeit.

Er hat sich selbst unbefleckt Gott dargebracht. Was sollte eine Gabe, auf der Gottes Auge nicht mit Wohlgefallen ruhen kann? Deshalb forderte das Gesetz schon vom Opfertier, dass es ohne Makel und Schaden sei. Wer nur ein frankes und geschädigtes Tier dem Altare gönnen wollte, der würde ja Gott nicht ehren, sondern triebe mit ihm Hohn und Spott. Das gilt auch für Jesus. Er war unbefleckt. Das bahnte ihm den Weg zum Kreuz. Darum durfte er sich vor Gott stellen als ein Opfer, das ihm geheiligt ist. Daher stammt sein Mut, sein Blut zu vergießen in der Absicht, damit es für viele zur Vergebung ihrer Sünden vergossen sei. Er hat Gott bisher nicht verlassen und verraten; so darf er ihn auch auf dem Kreuzesweg suchen. Er hat für ihn getan, was es auf seinem Lebensgang zu tun gab, und kein Ungehorsam zeugt wider ihn; so darf er auch sein Leiden und Sterben vollbringen im Dienst der Gnade an unserer statt. Er hat den Heiligen nicht entehrt mit seinem Wandel auf Erden; so darf er ihn auch ehren mit seinem Blut. Er hat des Vaters Liebe nicht getäuscht, so darf er ihr auch jetzt sein Blut zum Werkzeug darbieten, damit in ihm eine ewige Erlösung gestiftet sei. Darum ist auch sein Opfer hoch und wert geachtet bei Gott. Es ist sein eignes Bild, das in Jesus vor Gott steht, und in Christi Werk findet er seinen Willen und sein Gebot wieder. So wird ihm die Antwort des Vaters zuteil: du bist mein Sohn, und er öffnet ihm um seines Opfers willen sein Allerheiligstes, und bestätigt und besiegelt es, so dass die Gnade Christi und die Liebe des Vaters eins und unteilbar sind und uns in ihm Versöhnung geschaffen ist.

Durch ewigen Geist hat Jesus sich selbst Gott dargebracht. Es war nicht der Trieb seines Fleisches, der Jesum hieß, das Kreuz zu erwählen und sein Blut Gott zu lassen. Er hat denselben auf seinem Todesgang vielmehr überwinden und verleugnen müssen, indem er ihn dem Willen Gottes unterwarf. Sein Opfersinn und Heilandswille war vom Geiste in ihm entzündet und getragen. Der Geist trieb und führte ihn in sein priesterliches Werk. Aus dem Geiste hat er auch die Kraft geschöpft, sein Leiden zu tragen und das Opfer zu vollbringen und Gottes Name zu heiligen bis zum letzten Atemzug. Er handelt auch in dieser Sache als der Gesalbte, der im Geiste Gottes von oben Ziel und Kraft seines Lebens empfängt. Wie sollte sein Opfer nicht wirksam sein? Es stammt von oben aus geistlichem, göttlichem Sinn und aus geistlicher, göttlicher Kraft; so dringt es auch nach oben und öffnet ihm und in ihm auch uns das Heiligtum. Es ist Gott nicht fremd, sondern seines eignen Geistes Rat und Vorsatz; so ist es auch gültig vor ihm. Der Geist ist die verklärende Macht, die Leben schafft. Darum setzt sich das Opfer Jesu, das er am Kreuz vollbracht hat, dadurch fort, dass er auferweckt und erhöht im Allerheiligsten droben Gott sich dargeben kann und des höchsten Gottesdiensts gewürdigt wird.

Der Geist ist ewig und sein Sinn und Werk steht über aller Zeit. Weil Christus durch den Geist sich Gott geopfert hat, zeigt uns sein Blut für immer, was wir an ihm haben. Denn er lebt auch heute noch im selben Geiste, der ihn nach Golgatha geleitet hat. So offenbart uns sein Blut auch für immer, was in Gottes Herzen ist. Denn Gott verleugnet den Sinn seines Geistes nie. Das, was durch den Geist geschehen ist, ist für immer geschehen, und Christi Blut hat eben deshalb ewige Bedeutung und Kraft, weil es durch ewigen Geist Gott dargebracht worden ist.

Bleibt Christi Blut auch unwirksam in unserem Gewissen wie die anderen Opfer? Nein! Es reinigt es, V. 14. Kann ich noch zweifeln; ob Christus meine Verschuldungen sühnt? Christi Blut hält mir eine vollkommene Liebe und Gnade vor: sie vergibt. Kann ich noch über meinen Mangel und meine Schwachheit klagen? Hier steht ein vollkommener Gehorsam und eine fleckenlose Heiligkeit, die mir vor Gott zugutekommt und auch für mich bestimmt ist; sie ergänzt alles, was mir fehlt. Kann ich noch mit böser Lust gegen mein Gewissen streiten? Wenn ich Jesu Opfer erwäge, dann erlöscht die sündliche Begier. Christi Blut ist eine Macht, die mich im innersten Sitz und Herd meines Lebens zu ergreifen vermag und dort Ordnung schafft und Reinigung vollbringt.

Rührt es nur meine Gedanken an? Nein! es greift viel tiefer. Es löst mein Gewissen von den toten Werken ab. Unser Werk wirkt in unser Herz zurück. Es ist für uns selbst am allerwenigsten bedeutungslos; vielmehr genießen wir zuerst und zumeist seine Frucht. Werke sind Erzeugnisse unseres Geistes, und mit diesen Kindern unseres Herzens bleiben wir verbunden und verflochten. Es strömt ein starker Einfluss von ihnen in unser Inwendiges zurück. Sind sie tot, so verderben wir uns an ihnen; sie werden uns zur Verunreinigung.

Das Gesetz machte dem Israeliten die Berührung eines toten, verwesenden Leichnams zur Unreinheit. Es stellte auch hierin ein Gleichnis auf, und die Wahrheit desselben ist dies, dass unsere toten Werke uns beflecken. Das Tote, das wir wirken, zeigt, dass wir den lebendigen Gott nicht kennen und von ihm geschieden sind, und führt uns immer tiefer von ihm weg. Wir dürfen bei dieser Befleckung nicht nur an das denken, was man ein „böses Gewissen“ zu heißen pflegt, an die Anklagen und Vorwürfe, die in unserem Innern bösen Taten folgen. „Tote Werke“ - das umfasst weit mehr, als was man gemeinhin böse Taten heißt. Tot, erstorben, ohne Lebenswurzel und ohne Lebensfrucht ist alles, was nicht in Gott getan ist. Dies nichtige und leere Treiben befleckt unseren ganzen inneren Lebensschatz. Es verunreinigt unsere Gedanken mit unzähligen eitlen Bildern voll Narrheit und Lüsternheit. Es erzeugt in unserem Gemüt die schwarzen Flecken, die als Last auf unserer Seele liegen, als Schwermut und Unfrieden, als Verzagtheit und Gewissensangst. Es befleckt unsere Begehrungen, verrückt ihnen ihr Ziel, verdreht und verwickelt sie zu unordentlicher Aufregung und entzündet sie zum heißen Brand der Leidenschaft. Al dieser Unrat in unserem Inwendigen wird uns vor Jesu Kreuz offenbar und sein Blut treibt ihn hinweg. Nun zerrinnen die leeren Schatten und lügenhaften Spiegelbilder, die aus unseren toten Werken vor uns aufsteigen, und das Herz hebt sich empor über die dunkeln Wolken, die aus der finstern Tiefe der Seele steigen, und die Begier des Herzens wird frei und streckt sich empor. Wir haben in Jesu Blut den lebendigen Gott vor uns und er wird unser Gott, und unser Gottesdienst hebt an.

Das ist das Ziel bei allem Opfer; es beruft zum Gottesdienst und will eine priesterliche Gemeinde herstellen, die dem lebendigen Gott dienen darf und kann. Sollte uns Jesu Blut nicht kräftig vor Gottes Angesicht stellen und uns nicht willig machen, ihm zu dienen? Es gibt auch uns Priesterrecht. Wenn wir aber Gott dienen mit allem, was wir tun, dann sind es keine toten Werke mehr.

Wir begegneten der Abwendung von den toten Werken schon früher, nämlich da, wo von den Elementen des Christenstands die Rede war, 6, 2. Dort trat das Gebot vor uns: löse deinen Sinn von denselben ab. Hier zeigt sich uns die Kraftquelle zu jenem Gebot. Es wird uns durch das Evangelium deshalb Buße von den toten Werken anbefohlen, weil uns das Blut Christi von denselben reinigt, so dass wir nicht mehr an sie gebunden und von ihnen unterjocht . sind, weder in Selbstanklage und Gewissensangst noch in Begehrlichkeit und Lüsternheit. Hier wird sichtbar, wie der Brief mit seiner reichen Lehre zugleich die Elemente des Evangeliums hell und deutlich macht.

Somit gewährt uns Jesu Blut, was uns sonst kein anderes Opfer geben kann. Denn es gibt kein anderes Opfer, das durch göttlichen Geist geopfert wäre und keinen Makel an sich trüge und eine vollkommene Hingebung an Gott in sich schlösse. Das alles besitzt aber Christi Blut als seine Eigenschaft. Und doch waren auch die anderen Opfer nicht unnütz und unfruchtbar. Es ging nicht nur der Hohepriester um ihretwillen ins Allerheiligste hinein, sondern auch die Gemeinde hatte in denselben das Mittel, sich zu reinigen, so dass sie das heilige Volk Gottes blieb. War der Israelite unrein geworden und dadurch vom Tempel und auch vom Verkehr mit seinem Volke abgetrennt, so machte ihn das Opfer und Besprengungswasser, in welchem die Asche einer verbrannten Kuh enthalten war, wieder rein. Freilich war es nur eine Reinheit des Fleisches, eine Reinheit, die seinen natürlichen Lebensstand anging und ihn nicht höher hob, als Fleisch und Blut steigen kann. Darum überwand dieselbe auch die Unreinheit und Sünde nicht, die am natürlichen Verlauf unseres Lebens haften, sondern ließ sie fortbestehen. Immerhin gab das Opfer dem Israeliten dies, dass er sagen durfte: ich bin heilig und rein, wie ein Glied Israels es sein kann und soll.

Hat schon Israels Opfer Frucht gewirkt und Heiligung gebracht, so schafft Jesu Blut noch viel gewisser und kräftiger seine höhere Frucht, unsere inwendige Reinigung. Denn der Gnadenwille Gottes, der Jesus sein Blut dargeben hieß und ihn um deswillen ins himmlische Heiligtum erhöhte, ist fester und kräftiger als jene Ordnung Gottes, welche Israel sein Opfer zur Reinheit anrechnete. In Jesu Tod haben wir's mit dem innersten und höchsten Rat und Vorsatz Gottes zu tun. Ihm fehlt die Frucht und Wirkung nicht.

1)
In V. 4 ist nicht vom goldenen Rauchfass, sondern vom goldenen Räucheraltar die Rede. Es ist nicht deutlich, warum der Brief denselben zum Allerheiligsten rechnet, während er doch im Heiligtum stand, ob hierin nur eine dunkle unrichtige Erinnerung liegt, oder ob er den Altar trotz seiner Stellung zum Allerheiligsten rechnet, aus inneren Gründen, weil er unmittelbar vor dem Vorhang stand und das Rauchopfer direkt vor den bringen sollte, der über den Cherubim thront.
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