Schlatter, Adolf - Der Hebräerbrief - Kap. 8, 7-13. - Der neue Bund Christi.

Darf aber überhaupt von einem Neuen Bund geredet werden? Kann denn Gottes Bund alt werden? Ist er nicht seinem Wesen nach ewig und unveränderlich? Muss es nicht für immer bei dem bleiben, was er einmal als seinen Bund gestiftet und geordnet hat? Ein neuer Bund, das klingt ja fast so unerwartet und unglaublich, als die Abschaffung des Gesetzes. Aber schon die Schrift hat uns durch ihre Weissagung das Recht gegeben, von einem Neuen Bund zu sprechen und heißt uns auf einen solchen hoffen. Die Schrift bezeichnet den Alten Bund selbst als der Besserung bedürftig. Der Brief führt das große Wort Jeremias, 31, 31 an. Dasselbe spricht einen Tadel aus, allerdings zunächst gegen Israel, das nicht im Bunde Gottes blieb, sondern ihn mit seinem sündigen Trotz durchbrach. Aber dieser Tadel dehnt sich damit auch auf den Bund selber aus, der durch den Widerstand des Volks unnütz und unfruchtbar geworden ist, und nicht die Kraft in sich trug, sein Widerstreben zu überwinden, sondern demselben unterlag. Darum wird ihn Gott durch einen Neuen Bund ersetzen, der reicher und kräftiger ist und nicht mehr gebrochen wird, sondern uns wahrhaftig zu Gott führt und bei ihm erhält.

Was ist das Neue, was Gott geben will und womit er den Mangel des Alten Bundes heilt? Er gibt seinem Gesetz eine andere Gestalt. Der Fortschritt im Bunde Gottes mit den Menschen besteht darin, dass sein Gesetz in den Menschen eingeht und Wohnung in ihm macht. Er legt es nicht nur vor uns und auf uns, auf Tafeln und im Buch, im Mund von Propheten und Priestern, sondern Geist und Herz seiner Gemeinde sind die Tafeln, auf die er sein Gebot nunmehr schreibt, während der alte Bund dieselben unbeschrieben ließ. So bleibt sein Gebot nicht nur ein gehörtes Wort, dass sich mit den Hörern innerlich nicht verband; nun ist es mit ihnen selbst verwachsen und geeinigt. In dieser Gestalt erweist es sich nicht nur dadurch als lebendig und kräftig, dass es sie mit der Schärfe des Schwerts durchbohrt und ihre Gedanken und Begehrungen richtet. Jetzt zeigt es seine lebendige Kraft dadurch, dass es unser Denken und Trachten nach Gottes Sinn gestaltet und mit Gottes Reinheit und Güte erfüllt.

Damit verschwindet die Unkenntnis Gottes aus der Gemeinde. Nun stehen sich in derselben nicht mehr zwei Klassen gegenüber, von denen die eine ihn kennt, die andere aber der Mahnung und Bitte bedarf: erkenne ihn doch. So stand der Prophet unter seinem Volk. Er kannte Gott und war von ihm unterwiesen und hörte ihn mit sich reden im Gespräch seines Heiligen Geists. Aber er erkannte ihn allein. Das Volk um ihn her kannte ihn nicht. Ihm war das Auge verschlossen und es vernahm von der Stimme Gottes nichts. Das war das schmerzensreiche Leiden im prophetischen Beruf und die Unvollkommenheit des Alten Bunds. Macht dagegen Gott sein Gebot in uns lebendig, dann kennen wir ihn. Damit fällt die Decke von den Augen und der Name Gottes wird uns hell. Nun ist er uns allen zugänglich und wir werden in ihm eins.

Der Grund, auf dem dieser neue Verkehr Gottes mit uns Menschen ruht, besteht darin, dass er unsere Sünde und Ungerechtigkeit vergibt. Bliebe unsere Sünde vor seinen Augen stehen, so käme sein Gebot nimmermehr in unser Herz und seine Erkenntnis nicht in unseren Sinn. Hier ist zuerst Vergebung nötig, welche unsere Ungerechtigkeit verschwinden macht. Auf sie ist dieser neue Bund gestellt.

Dazu bedarf es denn freilich eines neuen Priestertums. Der neue Bund will tiefer nach innen wirken, so muss er auch höher oben beginnen. Nur was von oben kommt, dringt nach innen. Um Herz und Sinn zu erneuern, so dass Gottes Gesetz in ihnen lebendig wird, um uns alle zu umfassen und in die Kenntnis Gottes zu stellen, um die Ungerechtigkeit mit ihrer von Gott trennenden Macht völlig abzutun, dazu müssen wir einen solchen Priester haben, wie wir ihn in Jesus finden, nicht nur einen Mann, der bloß äußerlich durch ein Gesetz mit dem priesterlichen Amte überkleidet ist und nur Zeichen der göttlichen Heiligkeit und Gnade in den Händen hat und nur in irdischen Maßen, so wie es Fleisch und Blut vermag, seinen Priesterdienst ausrichten kann, sondern einen solchen, der in unbegrenzter Gemeinschaft mit Gott von Gottes Thron aus in Geist und Kraft den Priesterdienst an uns vollzieht.

Jan Auch bei dieser Stelle dürfen wir nicht vergessen, dass unser Brief, wenn er von Christi Werk und Größe spricht, nie bloß an die gegenwärtige Welt und an diejenigen Gaben denkt, die uns jetzt im Glauben an Christus zufallen. Es bleibt bei dem früheren Wort: wir reden von der zukünftigen Welt, vgl. 2, 5. Unser Brief hält uns Christum als den Hohenpriester der zukünftigen Güter vor Augen, vgl. 9, 11. Auch dies kräftige Auferstehen des göttlichen Gesetzes in unseren Herzen und das allgemeine Aufleuchten der Erkenntnis Gottes in uns allen, so dass wir nicht mehr der Mahnung und Lehre bedürfen, deutet über unsere irdische Welt hinaus auf die vollkommene Gemeinde Christi hin. Allein diesem Ziele dient Christi ganzes Werk, auch diejenige Gestalt desselben, die der Gegenwart angehört. Nach diesem Ziele ist seine Erhöhung und Stellung vor Gott bemessen. Dazu rüstet und bereitet uns alles, was er für uns getan hat, tut und tun wird. Es handelt sich bei allem, was Christus ist und was wir an ihm sehen und von ihm empfangen, um die Herstellung einer Gemeinde Gottes, die Gott wahrhaft kennt und durch sein Gesetz inwendig bewegt und getrieben ist.

Vorerst kommt es unserer Stelle noch nicht darauf an, zu zeigen, wie Christi Tod und Erhöhung dem, was hier verheißen ist, entspricht und dient, sondern er will vor allem seine Leser vom Alten Bunde ablösen, V. 13. Wenn Gott einmal von einem Neuen Bunde spricht, so hat er damit den früheren alt gemacht, und unser Hoffen und Suchen eben damit von demselben abgezogen und in eine andere Bahn gelenkt. Ihr könnt euch, sagt der Brief seinen jüdischen Christen, gar nicht verwundern, wenn der alte Bund mit seinem Gesetz, Heiligtum und Priestertum gänzlich untergeht und beseitigt wird. Gerade das ist's vielmehr, was ihr voraussehen und erwarten müsst. Allerdings kann auch das veraltete, überholte und greisenhaft gewordene noch eine Zeit lang fortbestehen, wie denn auch der alte Bund nicht sofort dahinfiel, als Gott durch den Propheten von einem neuen redete, ja nicht einmal als Jesus kam, seinen Priestergang ins rechte Heiligtum vollbrachte und sich eine neue Gemeinde sammelte und heiligte. Scheinbar bestand ja Gesetz und Tempel und Priestertum fort wie bisher. Aber sie sind doch nur eine Ruine und ihr Bestehen ist kein Leben mehr und schließlich kommt die Stunde, wo dies alles völlig bricht. Man konnte in der Gemeinde Jesu nicht anders in die Zukunft blicken, nachdem ihr Jesus so bestimmt und ausdrücklich erklärt hatte, dass vom Heiligtum auf dem Zion kein Stein auf dem anderen bleiben wird.

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