Schlatter, Adolf - Der Hebräerbrief - Kap. 7, 26-28. - Jesu Unterschied von den alten Priestern.

Als der Brief zum ersten Mal die Eigenschaften eines Priesters aufzählte, 5, 1-4, da hob er dessen menschliche Schwachheit, die ihn selbst unter die Sünder stellt und ihn nötigt, nicht nur für die Gemeinde, sondern auch für sich selbst zu opfern, als einen Vorzug am Priester hervor, weil das ihn Milde lehrt und es ihm erleichtert, den Verirrten Hilfe und Handreichung zu bieten. Darauf hat er zunächst gesagt: auch Jesus wurde schwach! Seht doch den bittenden und weinenden Christus! seht ihn, wie er Gehorsam lernt. Ihr braucht nicht mit dumpfem Staunen ferne von ihm zu stehen, sondern dürft euch ein Herz zu ihm fassen. Allein gerade in dieser Hinsicht ist die Ähnlichkeit zwischen Christus und den alten Priestern keineswegs vollständig, sondern neben ihr besteht zwischen ihnen ein tiefer, wichtiger Unterschied. Denn Jesus ist nicht ein Sünder wie jene und muss mit seinem Opfer nicht für sich selbst Vergebung suchen. Auf diesen Unterschied Christi von der Priesterschaft Israels hat uns das, was uns der Brief seither über Jesu priesterliches Werk gesagt hat, nachdrücklich aufmerksam gemacht, und er spricht nun denselben nach seiner ganzen Größe in einer zusammenfassenden Betrachtung aus. Dieser Unterschied Christi von Aaron ist jedoch kein Nachteil und Hindernis für sein Priestertum, sondern macht seinen Vorzug aus. Ein solcher Hohepriester, wie es Christus ist, steht mit dem, was wir brauchen, in Übereinstimmung; ein solcher passt für uns, V. 26.

Er ist heilig, in sich selbst ohne Arges und durch die Welt um ihn her nicht befleckt. Oben wurden wir an die Kraft des unlöslichen Lebens erinnert, von der alles erfüllt ist, was Christus tut. Allein solche Lebenskraft ist nur da, wo Heiligkeit und Freiheit von aller Verderbnis der Sünde ist. An ihn, der ohne Sünde versucht worden ist, erging das verklärende Wort des Vaters: du bist mein Sohn. Wo soll nun aber der Heilige seine Stelle erhalten? In unserer Mitte, unter uns Sündern? Nein! hierher gehört er nicht. Und wenn er in seiner Barmherzigkeit uns gleich ward und in unsere Mitte trat, so hat er doch nicht hier seinen bleibenden Ort, sondern er ist von den Sündern abgesondert worden, und aus ihren Lebensverhältnissen herausgenommen und höher als die Himmel gestellt. Nur von uns Sündern, nicht vom Himmel wird gesagt, dass Christus von ihm abgeschieden sei. Den Sündern ist er verborgen und unsichtbar geworden, dem Himmel ist er gegenwärtig und offenbar. Aber auch dieser hat Christum über sich und steht in der Beugung vor ihm. Denn er ist da, wo auch die himmlischen nicht sind, nämlich im Vater mit jener Einigung, die das Herrlichkeitsgeheimnis des göttlichen Wesens ist.

Damit fällt aber die Notwendigkeit des beständigen Opferns für ihn weg, und von einem Opfer seiner eignen Sünde wegen kann noch weniger die Rede sein. Allerdings hat er sich selbst zum Opfer gebracht, der Sünde seiner Brüder wegen. Nur durch dieses Opfer erwarb er sich seinen priesterlichen Zutritt zu Gott. Aber es gilt nun von demselben: es ist vollbracht! Sein Opfer hat ewigen Wert. Weil keine Sünde und Befleckung an ihm haftet, ruht auf ihm ein göttliches Wohlgefallen, das nie abnimmt und nie erbleicht. Hier gibt es nichts zu erneuern, weil nichts veraltet und hinfällig wird. Sein Opfer steht nun in ewiger Frische über aller Zeit.

So kommt die Betrachtung, wenn der Priester Israels neben Jesus gestellt wird, zum selben Resultat, wie wenn Mose mit ihm verglichen wird. Dort steht der Mensch, hier der Sohn, und dem Sohn tritt keiner zur Seite, am allerwenigsten, wenn es sich nicht nur, wie bei Mose, um die Ausrichtung einer göttlichen Botschaft handelt, sondern um die Ausübung des Priestertums, mit jener tätigen Wirkung, Gabe und Macht aus und vor Gott, wie sie ein Priester haben und üben soll. Beim Priestertum hängt alles davon ab, wie nah der Priester selber Gott steht. Was suchen wir denn bei ihm? Gott! Wozu soll er uns bringen? zu Gott! So muss zuvörderst er selbst ihn kennen und in seiner Gemeinschaft stehen. Niemand ist jedoch dem Vater so nah wie der Sohn; niemand ist mit ihm eins als er. Darum kann auch niemand in Kraft und Wahrheit Priester sein als er allein, und es ist ein unermesslicher Unterschied, wenn dort der Mensch als Priester steht, der in seiner Sünde zum Schwächling geworden ist, und hier der Sohn, der ewige Vollendung empfangen hat. Deshalb brauchte es dort ein Gesetz, damit ein Priestertum zu Stande komme. Der von Schwachheit umfangene und durch Sünde von Gott geschiedene Mensch kann nicht Priester sein, wenn es ihm nicht befohlen wird. Christus dagegen ist durch ein neues und höheres Wort Gottes zu seinem priesterlichen Amt berufen, welches nun durch Gottes Eid das Siegel der unveränderlichen Festigkeit und Gültigkeit erhalten kann, V. 28.

Wollen wir nun sagen: Israel hatte es besser! Es hatte seinen Priester in seiner Mitte und dessen Opfer geschah täglich vor seinen Augen, während unser Priester unsichtbar ist und nicht vor uns steht und sein Opfer einmal weit ab von uns in entlegener Ferne geschehen ist? Allein wir sehen ja, dass dieser Unterschied darin beruht, dass dort der Mensch und Sünder und hier der reine und vollkommene Sohn Gottes den Priesterdienst vollzieht. Wer ist nun der rechte Priester, der Sünder oder der Heilige, der Geschwächte oder der Vollendete, der Mensch oder der Sohn? Wer hat die priesterliche Macht, die wahrhaft hilft? Wer bringt uns zu Gott? Nein, nur ein solcher Hohepriester entspricht dem, was wir brauchen. Nur der Heilige und zu Gott Erhöhte, nur der Sohn wird uns zum Weg zu Gott.

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