Schlatter, Adolf - Der Galaterbrief - Gal 5, 1-12. Das Urteil über das falsche Evangelium.
Paulus sammelt nun die Ergebnisse aus der bisherigen lehrhaften Ausführung. Er hat uns Christi Amt dargestellt, ebenso die Aufgabe des Gesetzes in Gottes Haushaltung. Jetzt können wir den Weg scharf erkennen, auf dem wir uns zu bewegen haben. Christus hat uns frei gemacht. Also dürfen wir uns nicht beugen unter irgendein knechtendes Joch, sondern haben aufrecht zu stehen als die, welche Christi Gabe nicht aus den Händen lassen. Es steht nicht mehr in unsrer Willkür, ob wir unsre Freiheit schirmen oder lieber knechtisch uns beugen wollen. Diese Frage ist für alle Fälle entschieden dadurch, dass Christus uns frei gemacht hat. Nun darf ich nichts und niemand mehr Herr werden lassen über mich, darf mich vor keiner Satzung beugen, als wäre sie ein unwandelbares Heiligtum und eins mit Gerechtigkeit, darf mich keinem Menschen unterstellen, als hinge an ihm mein ewiges Leben, darf mich durch keine Furcht überwinden lassen, weder vor Gottes Gericht noch vor des Teufels Zorn, weder vor meiner Sünde noch vor dem Tod, weder vor einem Menschen noch vor irgend einem Unglück, darf mich eben so wenig durch irgend eine Lust fesseln lassen, so dass ich den festen Stand verlöre, wo ich meiner selbst mächtig und beruhigt und fest gemacht nichts anderes bedarf, als Christum, durch den ich zur Freiheit erhoben bin.
Daraus folgt nun unmittelbar, dass dem, der sich beschneiden lässt, Christus nichts helfen wird, V. 2. Und weil das ein kühnes Wort ist, so setzt Paulus seinen Namen davor: ich, Paulus, sage das euch, ich stehe dazu; dazu setze ich meine ganze Person. Das Wort ist kühn, denn es verwirft alle trüben und gemischten Formen der Frömmigkeit, die Gesetz und Christum vermengen, ganz und gar. Es stellt die Gemeinden vor eine Wahl. Hier gilt nicht: viel hilft viel, je mehr Arznei, desto mehr Heilung, ein wenig Gesetz und ein wenig Glaube, etwas Sittlichkeit und etwas Erlösung, ein bisschen Rechtfertigung und ein bisschen Heiligung. Denn die Heilung unsres Herzens besteht gerade darin, dass es aus seiner unseligen Zwiespältigkeit zu einem einigen Verlangen gebracht wird, und dazu kommt es nur dann, wenn uns Christus der Eckstein geworden ist, dem wir uns selbst und unser Geschick für jetzt und für immer anvertrauen.
Das erste Wort des Apostels steht auf der Grundregel, die Jesus selbst mehrfach ausgesprochen hat: du wirst Gott und Christus gerade so finden, wie du ihn behandelst. Nach dem Bilde, das du dir von ihm machst, erscheint er dir, und die Erwartung, die du auf ihn stellst, wird das Maß seiner Gabe. Du tust, als sei Christus nicht da, so ist er für dich nicht da; du meinst, du musst dir selbst helfen, weil dir Christus doch nicht helfe, so wird er dir nichts helfen. Du achtest sein Kreuz nicht als genugsam zur Vergebung der Sünden, so ist dir's nicht genug und deine Sünde bleibt. Umgekehrt, du achtest ihn für deine Hilfe und Errettung und Gerechtigkeit, so wird er dir das werden, was du bei ihm suchst. Du kannst ihn haben, wie du willst, hart oder weich, nah oder fern, reich an Hilfe und Gabe, oder verschlossen und unerbittlich. Er hat deinem Verlangen und Bitten die Macht gegeben, seine Gabe zu dir heranzuziehen oder von dir wegzustoßen. Darin steht die Kraft des Glaubens, uns zu erretten, darin zugleich die Kraft unsres Unglaubens, uns zu verderben. Hätte Paulus nicht scharf vom Unglauben geredet, so hätte er auch nicht herrlich vom Glauben sprechen können. Er durfte den Gemeinden nicht sagen: beschneidet ihr euch, so schadet es nicht viel. Er hätte dadurch die Kraft und Wahrheit des Glaubens verleugnet.
Nicht die äußerliche Handlung, der Schnitt in den Leib, macht Christum unnütz. Das Äußerliche ist hier ganz gleichgültig. Die Beschneidung, die die Galater im Sinne hatten, hätten sie des Gesetzes wegen unternommen, sich zur Gerechtigkeit, als einen Dienst Gottes, um des Himmelreichs willen. Darum war eine solche Beschneidung eine wichtige Sache und, weil sie Christo zur Geringschätzung geschah, eine verderbliche. Lag keine Verachtung Christi darin, stand es auch bei der Beschneidung fest, dass Christus unser Weg zum Vater ist und allgenugsam und eines ganzen Glaubens wert, dann war es auch dem Apostel Paulus möglich, jemand zu beschneiden, wie er es mit Timotheus getan hat, um ihm den Verkehr mit den Juden zu erleichtern. In diesen Dingen gibt das Inwendige dem Auswendigen seine Wichtigkeit.
Wer sich beschneidet, ist schuldig, das ganze Gesetz zu tun. Mit leichtem Herzen fasst der Mensch das Gesetz an, ohne Sorge, ob er es auch halten wird. Das hat er gar nicht im Sinn, er will sich nicht ernstlich verpflichten lassen. Er gelobt ohne Bedenken, weil er nicht daran denkt, sein Gelübde zu erfüllen. Aber dabei täuschen wir uns. Wir sind nun Schuldner, verbunden, das Gesetz zu tun. Es ist uns nun wirklich ein Gesetz. Wir haben es geheiligt zu unserm Herrn und schütteln es nicht mehr ab. Wir können mit den göttlichen Ordnungen nicht spielen, so dass wir auch das Gesetz wieder auf die Seite schieben könnten, wie wir Christus behandelten, sondern hier werden wir behaftet. Das Gesetz wird seine Missachtung an uns ahnden. Und zwar sind wir für das ganze Gesetz Schuldner geworden. Wir denken nur an ein Stück des Gesetzes, Gott denkt ans Ganze. Wir wählen uns einiges aus, was uns groß und rühmlich scheint; wir aber haben hier nichts auszuwählen, sondern ganz zu gehorchen. Wir werden nach Gottes Gesetz gerichtet werden, und nicht nach unserm eigenen Gesetz, das wir uns selbst erfunden haben. Und auch das letzte Wort hat sein ernstes Gewicht: ihr seid Schuldner, das Gesetz zu tun. Sa tun! hier beginnt die Schwierigkeit, und das Widerstreben unsrer Seele gegen Gottes Gesetz bricht hervor und unsre Ohnmacht kommt ans Licht.
Ihr seid abgetan von Christo los, ihr, die ihr im Gesetz gerechtfertigt werdet, herausgefallen aus der Gnade. Das ist das Ergebnis, zu dem der gesetzliche Übermut gelangt. Er fährt hoch einher, ist voll Kraft und zu jedem Werk geschickt. Er wird gerechtfertigt werden, ohne dass er etwas anderes braucht als das Gesetz. Aber damit ist der Mensch von Christo abgetrennt, in dem er doch allein Bestand und Kraft und Reichtum an allem guten hat. So wird er leer. Er meint emporzusteigen; aber er hat sich der Gnade Gottes entschlagen; so hält sie ihn nicht mehr und er fällt aus ihr heraus.
Diese Worte wollen die Gemeinden mit gewaltigem Griff aus ihrer Verblendung herausreißen. Sie wünschen auch so Christi Hilfe zu genießen. Nein! er hilft euch nichts; ihr lasst ihn fahren. Sie wünschen nicht, das Gesetz völlig und immer zu halten. Doch! ihr müsst es halten. Wollt ihr Christum nicht fahren lassen, dann fasst ihn ganz. Wollt ihr das Gesetz nicht halten, so lasst es ganz.
Der Christenweg ist anderer Art, und eben weil er anders beschaffen ist, darum gelten die vorangehenden Warnungen. Wir erwarten im Geist aus Glauben die Hoffnung der Gerechtigkeit, V. 5.
Um der Gerechtigkeit willen eilen die jüdischen Leute zum Gesetz. Wir, antwortet Paulus, sind nicht in Unsicherheit über sie. Wir wissen, wie wir zu ihr stehen. Sie ist unsere Hoffnung, auf die wir warten. Das ist der helle Gegensatz sowohl zum Übermut als zur Angst der jüdischen Leute. Sie sind unruhig, häufen Gebot auf Gebot, Werk auf Werk, damit sie die Gerechtigkeit erjagen. Wer weiß, ob sie ihnen nicht entrinnt? Nein, sagt Paulus, so halten es die nicht, die Christum kennen. Ihnen ist die Gerechtigkeit zur gewissen Hoffnung worden, und wir warten auf sie. Aber ebenso steht solches Hoffen der Zuversicht entgegen, mit der die jüdischen Leute die Gerechtigkeit in ihren eigenen Werken suchen, die mit ihrer Unruhe und Angst abwechselt. Wir, sagt Paulus, erwarten sie aus Gottes Hand. Wir sehen auf zu dem, dessen Spruch allein uns Gerechtigkeit verleihen kann, wenn wir vor seinem Throne stehen, und der sie uns verleihen wird, weil er uns nach seiner Gnade ihm verbunden hat. Statt des Wechsels zwischen Angst und Übermut durchdringt sich im Christenwandel beides, die Demut, die unser Auge nicht auf uns selber ruhen lässt, und die freudige Ruhe, welche die Gerechtigkeit als unser Erbe in Christi Hand schon jetzt erblickt.
Warum ist unser Hoffen so verschieden von dem der jüdischen Leute? Wir haben es auf einen andern Grund gestellt, auf Geist und Glauben, nicht auf das Gesetz und unser Werk, nicht auf uns selbst. Unsere Hoffnung besteht darum, weil der Geist sie in uns entzündet hat. Er hat uns zum Glauben an Jesus gebracht, hat uns getrieben, dass wir Jesu Werk ergreifen als für uns getan, sein Kreuz und seine Auferstehung umfassen als für uns geschehen. Darum warten wir auf seine Erscheinung und sind gewiss, dass sie uns die Krone der Gerechtigkeit bringen wird. Wer durch Gottes Geist aus Glauben hoffen gelernt hat, dessen Hoffnung auf die Gerechtigkeit ist lebendig und sucht nicht mehr nach Krücken im Gesetz und Werk.
Alle diese äußerlichen Stützen taugen nichts. In Christo Jesu hat weder die Beschneidung noch die Vorhaut irgendwelche Kraft. In der Gemeinschaft mit Christo werden uns diese Dinge alle bedeutungslos. Sie halten uns ihm nicht verbunden und sind nicht die Träger seiner Gaben. Nicht durch solches führt er uns zu Gott.
Was wird denn dem, der in Christo ist, wichtig? was erweist sich in ihm als Kraft und Lebensquell, als Band mit Gott und Anteil an seinem Reich? Eins! Glaube, der durch Liebe wirksam ist. Das wird durch unsere Einigung mit Christo zum kräftigen und wichtigen Grundakt unserer ganzen Existenz. Daran hängt unser Wachstum und Fortschritt, daraus fließen uns alle neuen Gaben, das erhält unsere Verbindung mit ihm und mit Gott frisch, das bringt auch dereinst unsere Hoffnung auf die Gerechtigkeit zur Erfüllung vor Christi Thron.
Damit wir die Allgenugsamkeit des Glaubens sehen und nicht meinen, wir müssten ihn ergänzen mit Gesetz und Gesetzeswerk, darum schaut der Apostel gerade an dieser Stelle auf die Tätigkeit hin, die der Glaube in uns erweckt. Er könnte nicht das Einzige sein, was uns nottut, wenn er uns untätig ließe und unfähig, unsere Aufgabe auszurichten, die uns unter den Menschen gegeben ist. Aber der Glaube hat eine Gehilfin bei sich, ein Instrument, durch welches er tätig wird; das ist die Liebe.
Sie ist beim Glauben, weil dieser der Anblick der göttlichen Liebe ist, und aus der göttlichen Liebe auch in uns die Liebe geboren und ernährt wird. Die Liebe aber ist ein tätiges Wesen. Sie findet stets Ziele und Mittel zum Werk. Durch sie macht uns der Glaube dazu tüchtig, dass wir den gütigen Willen Gottes in unserem Beruf redlich ausrichten.
Solcher Glaube hat Kraft in Christo vor Gott. Wer ihn erkannt hat, der schätzt ihn über alles und begehrt nichts anderes zu haben als ihn, und wünscht, nichts mehr zu sein als gläubig, und im Glauben die nimmer verwelkende Wurzel der Liebe zu haben, und in der Liebe die unermüdliche Kraft zu jedem guten Werk.
So sind uns die verschiedenen Wege, zwischen denen die Gemeinden schwanken, beide deutlich abgemalt, dort der jüdische Irrweg mit seinem Ruin, hier der Christenweg, wo im Glauben die Hoffnung und die Liebe empfangen wird. Dass die Gemeinden sich hierüber verwirren lassen, macht ein Strafwort nötig, sowohl an sie, als besonders an deren Verführer.
Sie ließen sich aufhalten in ihrem Lauf, den sie trefflich begonnen hatten. Immer denkt sich Paulus den Christenstand als ein lebendiges Streben, das alle Kräfte in Bewegung setzt, dem Ziele zu, das als leuchtende Hoffnung vor uns steht. Darum ist ihm leicht das sprechende Bild vom Wettlauf bei der Hand, das ja den Eifer, den wir an unsern Beruf zu sehen haben, anschaulich zum Ausdruck bringt. Nun ist's ihnen gegangen wie einem Wettläufer, den jemand gewaltsam in seinem Laufe aufhält und nicht vorwärts kommen lässt. Denn sie gehorchen der Wahrheit nicht, V. 7. Sie kennen sie, lassen sich aber nicht mehr von ihr leiten, während die Majestät der Wahrheit darin steht, dass sie nicht nur unsere Gedanken, sondern uns ganz regieren will. Dass wir die Wahrheit, die uns gegeben ist, nicht zu ihrem Ende kommen lassen, darin steht unsere Bosheit und Schuld. Es lässt sich wohl zur Entschuldigung der Galater sagen, dass sie beredet und bearbeitet worden sind. Aber wirklich entschuldigt sind sie damit nicht. Dieser betörenden Bestürmung stand der Ruf entgegen, der von Gott an sie ergeht. Die Beredung ist nicht aus dem, der euch ruft, V. 8. Das hätten sie merken und geübte Sinne haben sollen zur Unterscheidung des göttlichen Rufs von diesem betörenden Geschwätz. Gott rief sie ja nicht nur dereinst; er ruft sie auch jetzt. Sein Ruf ist sein Evangelium. So lange dasselbe zu ihrer Seele spricht, so lange hören sie Gottes Ruf, der ihnen die Wahrheit bringt, der sie willfahren sollten. Von ihm sich abbringen lassen, heißt, sich aus der Rennbahn forttreiben lassen und auf das Kleinod Verzicht leisten.
Die Trübung ihres Glaubens durch den jüdischen Zusatz ist scheinbar gering. Was ihnen die Verführer beibringen, nimmt sich unschuldig aus; es ist ja mit dem Titel „göttliches Gesetz“ geschmückt. Aber der Sauerteig ist auch eine kleine Masse und durchsäuert doch den ganzen Teig. Gott hat die Regungen unserer Seele in ein enges, untrennbares Gefüge verwoben. Darum ist kein Irrtum unschädlich, keine verkehrte Begehrung ohne nachteilige Folgen, und die Schwächungen unseres Glaubens üben ihren Rückschlag auf unsern ganzen Lebenslauf. Darum haben wir unser Herz vor den kleinen Abweichungen zu hüten. Denn was im Beginne klein ist, ist in seinem Endergebnis groß. Das gesetzliche Wesen, welches die Galater in ihren Christenstand aufnehmen, würde denselben schließlich völlig verderben. Doch fürchtet Paulus noch nicht das schlimmste; vielmehr schöpft er aus Christus für die Mehrzahl der Gemeinde die Zuversicht, dass sie sich von ihm weisen lassen wird. Anders verhält es sich mit dem oder denen, welche die Gemeinde verwirren. Das sind Versündigungen, die nicht vergeben werden.
Mit einem raschen Übergang schaut der Apostel auf seinen leidensreichen Lebenslauf. Gesetz, ich predige noch die Beschneidung, warum werde ich noch verfolgt? Somit ist das Ärgernis des Kreuzes abgetan, V. 11. Er könnte jeden Augenblick der Verfolgung, die er leidet, ein Ende machen, wenn er wollte. Er müsste einfach auch seinerseits als Herold der Beschneidung auftreten; dann wäre er allen Juden lieb. Dann würden sie auch seinen Glauben an Christus stillschweigend dulden, wenn er nur nicht am Gesetz rüttelte, weil ihnen sein Glaube dann ungefährlich schiene. Aber weil er keines ihrer Heiligtümer neben Christus gelten lässt und ihren Vorzug zerstört, den sie sich aus dem Gesetz bereiten wollen, und den Juden ganz so wie jeden Heiden vor Christi Kreuz stellt, damit er dort Erlösung und Gerechtigkeit empfange, darum wird er mit unermüdlichem Hass von Ort zu Ort verfolgt. Das Ärgernis des Kreuzes bringt das hervor. Wenn Jesus nur nicht der Gekreuzigte wäre! Der Jude eifert nicht nur deshalb gegen Jesu Kreuz, weil es das Gegenteil ist zur Herrlichkeit und Herrschaft des Gesalbten. Das ärgerlichste und bitterste war ihm der Vorwurf, den das Kreuz gegen Israel erhebt. Wir, Gottes heiliges Volk, sollen unsern König gekreuzigt haben! Wo bleibt da unsere Gerechtigkeit? wo unser Dienst am Gesetz? Ja wohl! sagt Paulus, aller Ruhm Israels ist fort und alle eure Gerechtigkeit begraben mit Jesu Kreuz, und das Gesetz ist erwiesen als der Weg zu Gottes Zorn und Fluch, und erwiesen ist's, dass wer unter dem Gesetze steht, einer Erlösung bedarf. Diesen Stein des Anstoßens kann niemand wegheben. Gott selbst hat dieses Ärgernis hingestellt in die Welt, damit alle daran anlaufen, die sich nicht vor dem Kreuze beugen wollen. Das würde freilich alles anders, wenn Paulus noch Gesetz und Beschneidung predigte. Dann bliebe der Mensch ein großes und starkes und ruhmwürdiges Wesen trotz des Kreuzes, und der Jude behielte seinen Ehrenplatz und könnte sich noch immer sonnen im Glanz der göttlichen Gunst und sich an seiner Anwartschaft aufs Himmelreich ergötzen, und wäre nicht von seiner Beschneidung weg zu Jesu Kreuz gewiesen, damit er sich aus der Knechtschaft unter dem Gesetz erkaufen lasse. Da freilich wäre der Tod Jesu kein Grund zur Verfolgung mehr. Aber Jesu Kreuz zu verschweigen geht nicht an. Es muss hoch aufgerichtet sein vor aller Welt Augen, mag daran fallen, was fallen will, und mag des Apostels Beruf eine beständige Verfolgung sein. Jesu Kreuz ist Gottes Zeichen voller Gnade und Wahrheit; es muss bleiben, wie es ist.
Paulus ist gebunden und kann nicht anders lehren. Dafür sind seine Leiden der Beweis. Warum sagt er das hier? Weil er soeben die Verführer der Gemeinde mit Gottes Gericht getroffen hat1). Als er den Fluch über jeden, der sein Evangelium verkehrt, an den Anfang des Briefes stellte, fuhr er fort: ich kann nicht den Menschen gefällig sein, ich bin Christi Knecht, 1, 10. Hier, wo er das Urteil über die spricht, welche die Gemeinden ausstören, spricht er es wieder aus: ich kann nicht anders. Sie fallen am Ärgernis des Kreuzes. Das kann kein Mensch ändern. Er selbst leidet ja schweres unter diesem Ärgernis; woher rührt alle seine Verfolgung als von dort? So wenig als er für sich selbst weichlich der Verfolgung aus dem Wege gehen darf, so wenig kann er mit den Verführern der Gemeinden zärtlich reden. Seine Leiden sind der Beweis, dass er nicht für sich selbst eifert. Er ist gebunden an Gottes Wahrheit und darf Christus nicht anders predigen, als er ist. Sein Kreuz muss gekannt sein, als das Ende des Gesetzes und alles Eigenruhms.
Weil er denen, die sich am Ärgernis des Kreuzes stoßen, nicht mehr helfen kann, bleibt ihm nur der Wunsch übrig, dass sie abgeschnitten werden mögen und Gottes Gericht bald und offenkundig über sie komme, den Gemeinden zum Schutz.