Schlatter, Adolf - Einleitung in die Bibel - Obadja.

Schlatter, Adolf - Einleitung in die Bibel - Obadja.

Auch Obadja war ein Meister des prophetischen Worts, der es mit Macht verwaltet hat, wenn schon nur ein einziger kurzer Spruch von ihm aufgezeichnet oder wenigstens aufbehalten ist. Dieser Spruch geht gegen Edom.

Edom war häufig eine harte Plage für Jerusalem. In seinen Bergen jenseits des toten Meeres war es schwer angreifbar. Es trotzte auf seine Felsen. Seine Macht war gering, aber in den Notzeiten Jerusalems, wenn andere Feinde es bedrängten, dann kamen auch jene wilden Gesellen aus ihren Bergen hervor und plünderten und mordeten. Wer aus Jerusalem eilig fliehen mußte, wandte sich dem Jordan zu. Edoms Berge wären für Juda der natürliche Zufluchtsort gewesen. Aber dort bereitete der Haß Edoms den Flüchtigen sicheren Tod. Und dies war um so bitterer, weil sein Stamm Juda so nah verwandt war wie Edom.

Der Prophet verkündigt ihm, daß Gott ihm einen Stärkeren senden wird, der seinen Trotz durch harte Kriegsnot brechen wird. Dies hat es durch seinen Haß und seine Missethaten an Jerusalem verdient. 1-16.

Und nun stellt er das Geschick beider Völker nebeneinander. Edom scheint unbesieglich und vergeht. Jerusalem, über das schon harte Stürme gingen und dessen Kinder zum Teil in weiter Ferne gefangen sind, bleibt bestehen. Es ist Gottes Heiligtum und darum unzerstörbar. Seine Kinder werden wieder gesammelt, seine Grenzen erweitert; von Zion her werden Edom die Richter kommen, die an ihm Gerechtigkeit üben, und dies alles deshalb, weil dem Herrn das Regiment und Königtum gehört und bleibt. 17-21.

Es wäre verkehrt, wenn wir in diesem Kampf beider Völker, wie ihn der Spruch darstellt, nur „Nationalhaß“ sähen. Es war eine tief innerliche Frage mit im Spiel: wo liegt die überlegene, sieghafte Macht, in Edoms wilder Naturkraft oder im Namen und der Verheißung des Herrn, auf der Jerusalems Existenz beruht? Äußerlich schien Jerusalem gefährdeter, schwächer und vielfach härter geschlagen als Edom. Der Blick auf Edoms Sicherheit, Kriegsglück und Trotz war für Juda eine Versuchung. In jeder Unglückszeit Jerusalems lachte Edom: wo ist nun dein Gott? Hier weist unser prophetisches Wort mit fester Hand Jerusalem die richtige Stellung an. Darum blieb auch dieser kurze Spruch, der ja leicht hätte verschwinden können, erhalten. Es haben sich auch die späteren Geschlechter an ihm gekräftigt und gestützt.

Da Obadja von einer Eroberung Jerusalems redet, bei der die Edomiter mitmachten und in Jerusalem wilde Feste feierten, V. 11 u. 16, hat man oft für unseren Spruch an Nebukadnezars Zeit gedacht, und in der That hat Edom damals so gehandelt, wie es der Prophet beschreibt. 1) Allein Obadjas Spruch ist älter als Jeremia, der denselben in sein eigenes Wort über Edom teilweise eingeflochten hat, vgl. Jer. 49,7-22. Also geht er jedenfalls den Feindseligkeiten voran, deren sich Edom damals schuldig machte. Sodann spricht Obadja nirgends von der Zerstörung der Stadt und der Wegführung des ganzen Volks nach Babylonien. Seine Äußerungen treffen sehr nah mit denjenigen Joels zusammen und können recht gut auf ein Ereignis gehen, wie die Eroberung Jerusalems durch die Philister und Araber unter Jorams Regierung, 2 Chr. 21,16. Er wird in die Nähe Joels zu setzen sein, nur daß er wohl jenen Unglück der Stadt noch etwas näher steht. Jedenfalls haben Joel, 3,24, und Amos, 1,11, Edom schon in ganz ähnlicher Weise bedroht.

1)
Klgl. 4,21. Ps. 137,7. Ez. 35,1 ff. Jes. 63,1 ff.
Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/s/schlatter_a/einleitung_in_die_bibel/schlatter_eidb_obadja.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain