Schlachter, Franz Eugen - Samuel und Saul - 11. Israel verlangt nach einem König.

Schlachter, Franz Eugen - Samuel und Saul - 11. Israel verlangt nach einem König.

1. Sam. 8.

Es ist ein nach unsern Begriffen sonderbares Begehren, welches das Volk Israel an den Propheten Samuel in dessen alten Tagen stellt, das Begehren, dass er einen König über sie setzen soll. In unserer Zeit tritt fast allerwärts ein immer stärkeres Verlangen nach der republikanischen Staatsform hervor. Der Kaiser von Brasilien wurde gegen Ende des Jahres 1889 abgesetzt und daraufhin ist auch der Thron des Könige von Portugal bedenklich ins Wanken geraten, als hätte der Wellenschlag der republikanischen Bewegung von jenseits des Ozeans seine Stufen erreicht. Wer weiß, ob dieses Jahrhundert zu Ende geht, ohne dass nicht in den meisten Ländern die Monarchie der Demokratie gewichen ist?

Bei dem Volk Israel nun fand eine der jetzigen politischen entgegengesetzte Bewegung statt, denn hier entwickelte sich aus der Republik die Monarchie. Ja, es gab vor der Einrichtung des Königtums in diesem Volk sogar eine Zeit der Anarchie; damals, als kein König über Israel herrschte und nur hie und da ein Richter ober Heerführer aufgestanden ist, da tat jedermann, was ihn recht däuchte (Richt. 21,25). Trotzdem war der israelitische Staat niemals eine Demokratie. Das Volk war nicht souverän, wie in der Schweiz, die Israeliten stimmten nie über ihre Gesetze ab und wählten auch ihre Priester und Richter nicht durch das Stimmenmehr. Gott hatte ihnen ihre Gesetze ein für alle Mal gegeben und es gab ein von Ihm auserwählte Priestergeschlecht, während das Priesteramt von den Ältesten gehandhabt ward oder von Männern, die von Gott besonders dazu begabt gewesen sind. Im israelitischen Staat hatte man also nicht Volksherrschaft, sondern Gottesherrschaft, keine Demokratie, sondern eine Theokratie.

Nun verlangen die Kinder Israels die Umwandlung der Theokratie in eine Monarchie. Sie wollen, dass statt der unsichtbaren Gottesherrschaft eine sichtbare Königsherrschaft eingerichtet wird. Darum ist es nicht zu verwundern, dass dem Propheten Samuel dieses Begehren des Volkes sehr übel gefällt, und auch der Herr Sein Missfallen daran deutlich zu erkennen gibt, indem ER zu Samuel spricht: „Sie haben nicht dich verworfen, sondern Mich, dass Ich nicht soll König sein über sie.“ Wir fragen uns nun freilich, wieso denn das Verlangen des Volkes nach einem König die Verwerfung des HErrn in sich schloss. Der HErr beabsichtigte doch selbst, ihnen mit der Zeit einen König zu geben. Aber eben darin lag einerseits ihre Sünde, dass sie eigenwillig verlangten, was der HErr ihnen zu geben Sich vorbehalten hatte. Sie konnten nicht warten, bis der HErr ihnen einen König schenkte, sie wollten einfach einen haben und beauftragten Samuel mit dessen Einsetzung. So sehr ihnen Samuel auch abriet von diesem Begehren, blieben sie hartnäckig dabei und sagten: „Nein, sondern es muss ein König über uns sein!“ Das ist aber ein Betragen, welches dem HErrn missfällt, wenn man etwas absolut erzwingen will und nicht warten kann, bis ER es gibt. Man setzt sich auf diese Weise eigenmächtig über den Ratschluss Gottes hinweg, und das sieht der HErr an als eine Verwerfung Seiner Selbst. Hieraus ist ersichtlich, wie leicht man den Herrn beleidigen kann, nicht nur, wenn man wie Israel, absolut einen König haben will, denn in diesen Fall kommen wir ja nicht; aber vielleicht einen Mann, oder eine Frau, oder eine gute Stelle oder ein Vermögen, oder ein Haus, oder irgend ein Ding, das man sich so schön vormalt, wie das Volk Israel den König, den es wollte, das einem der HErr aber nicht oder noch nicht geben will. Dies ist auch die Gelegenheit, bei welcher mancher Mensch tatsächlich den HErrn und Seine Nachfolge verlässt, wenn er sich so einen Wunsch in den Kopf gelegt hat, den er absolut verwirklicht sehen will. Nicht selten verwirft ein Mensch den HErrn aus dem Grund und damit, dass er einen Lebensgefährten oder eine Lebensgefährtin erwählt, welche ihm der HErr nicht gibt, oder weil er um jeden Preis die und die Stelle, den und den Vorteil erlangen will. Und da ist gar oft auch der Grund bestimmend, welchen das Volk Israel in seinem Begehren nach einem König geltend macht: „dass auch wir seien wie die andern Heiden“ (V. 20). Gerade das wollte der HErr ja nicht, dass Sein Volk wie die andern Heiden sei, und nun macht es doch das zu seinem Maßstab, was andere Völker tun. Wir brauchen nicht zu erklären, welche Gewalt dieser Wunsch, dass man auch wolle wie die andern Leute sein, auf unser natürliches Herz ausübt. Eben darum aber missfiel das Begehren des Volkes dem HErrn, weil es diesem Wunsch entsprang, wie die andern Völker zu sein. Der HErr will ein auserwähltes Volk; warum wollen wir denn doch wie die andern Leute sein: Ist es denn nicht eben unsere Aufgabe, uns zu unterscheiden von der Welt? Ruft nicht der Apostel den Christen zu: Stellt euch nicht dieser Welt gleich? Selbst auf die Gefahr hin, dass wir von der Welt verachtet werden, müssen wir uns als Kinder Gottes unterscheiden von der Welt, und zwar gerade in dem Punkt, dass der HErr allein unser König ist und wir keinem andern HErrn dienen wollen als Ihm allein, und ER uns allein genügt. Denn wir merken wohl, es ist das, was den HErrn betrübt, dass das Volk Israel nicht mehr an Ihm allein genug haben will und noch nach einem König außer Ihm verlangt. Jesus nun ist es, der Seinen Schafen Leben und volle Genüge verspricht, der erwartet, dass ein Kind Gottes sich an Seiner Gnade genügen lässt und Niemand sieht als Ihn allein. Und da ist es denn die Sünde, die den Herrn am meisten betrübt, dass unser Herz so oft etwas neben Ihm und außer Ihm haben will und irgend einen anderen König an den Platz setzt, den ER allein in unsern Herzen einnehmen will.

Am meisten fällt es uns nun vielleicht auf, dass der HErr dem Volk, das auf wiederholte Vorstellungen Samuels hin nicht nachgeben will, seinen Willen lässt. Der HErr kann dir deinen Willen lassen, sodass du meinst, ER sei nun sogar einverstanden mit deinem Wunsch, Er spricht zu Samuel: „Gehorche ihrer Stimme und mache ihnen einen König!“ Der HErr geht in dieser Seiner Handlungsweise von der Überzeugung aus, dass es die größte Strafe für den menschlichen Eigenwillen ist, wenn man ihn seinen selbsterwählten Wegen überlässt, bis er genug davon bekommt, Hieher gehört die Drohung, die Samuel ausspricht gegen das Volk, dass der HErr sie nicht erhören werde, wenn sie später zu Ihm schreien werden über ihren König, den sie sich erwählt haben. Das mag für Manche eine allerdings wehtuende Erklärung sein, die sich wundern, dass ihr Gebet nicht erhört wird um Befreiung aus einer unerträglichen Lage, in die sie sich doch durch ihre eigene Wahl, oft geradezu durch ihren Eigensinn, gebracht. Da kann man dann Gott anklagen, ER erhört die Gebete nicht, anstatt dass man sich selbst anklagt und endlich einmal Buße tust für seinen Eigensinn. Gott kann aber auch dem Volk seinen Willen lassen, weil ER Seinen Rat doch auszuführen weiß, und die Entwicklung Seines Reiches selbst durch die menschlichen Fehlgriffe nicht gehindert werden kann. Wenn das Volk Israel auch zur Strafe den verlangten König bekommt, so müssen wir doch sagen, dass das Königtum mit der Zeit auch eine segensreiche Einrichtung für dasselbe geworden ist.

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