Riggenbach, Christoph Johannes - I. Der Zorn Gottes.

Riggenbach, Christoph Johannes - I. Der Zorn Gottes.

Die drei Vorträge, die Sie bisher vernommen1), suchten Ihnen den Weg zu zeichnen, der einen Zweifler könne zur Ueberwindung seines Zweifels führen. Wie ist es möglich, daß ein Mensch des unsichtbaren Gottes so gewiß, ja gewisser als der Sichtbarkeit werde? Wie kann es geschehen, daß er zur völligen Gewißheit der evangelischen Wahrheit, des Friedens mit Gott durch Jesum Christum, der Kindschaft Gottes und darin des ewigen Lebens gelange? Das waren die Fragen, darauf die bisherigen Vorträge die Antwort zu geben unternahmen.

Etwas anderer Art sollen meine Betrachtungen sein; die heutige: vom Zorne Gottes; die nächste: von der Erbsünde; die dritte sodann: von der Sünde, die nicht verziehen wird, handelnd. Sie sehen: wir stellen uns hier von vornherein auf biblischen Boden. Es sind Lehrstücke der heiligen Schrift, die sollen zur Sprache kommen; aber solche Lehrstücke, an denen die Zeitdenkweise mehr als an manchen andern Anstoß nimmt; also, daß sie Vielen zum Anlaß werden, um ihretwillen die Bibel zu verwerfen, oder wenigstens in diesen Stücken ihr zu widersprechen; wogegen es andere giebt, die haben wohl einen Zug zur Schriftwahrheit, eine Ehrfurcht davor von Kind auf, einen Anfang von eigner Erfahrung ihrer seligmachenden Kraft, nur um so mehr erleben sie aber, wie sehr sie durch solche Lehrstücke und durch die Weise, wie die Zeitmeinung darüber urtheilt, innerlich bearbeitet werden, sich peinlich hin und hergezogen fühlen, nach Ausschluß fragen und ihn oft lange nicht finden können.

Daß nun in diesen Abendstunden gerade solche Fragen zur Sprache kommen, das ist in Uebereinstimmung mit ihrem ursprünglichen Zwecke. Nicht eine Predigt, wie sie die versammelte Gemeinde zu erbauen trachtet, sondern eine Besprechung sollte hier von Anfang an geboten werden, die auf Anstände, Zweifel, Bedenken eingienge. Wir wollen solches Keinem aufnöthigen, der ohne so viel zu fragen und zu forschen seines Glaubens lebt; thut er es in rechter Wahrheit, trachtet er mit aufrichtigem Ernst nach einem rechtschaffenen praktischen Christenthum, so hat er das gute Theil erwählt, das soll nicht von ihm genommen werden. Hält uns doch der Apostel vor, daß man kann Fragen aufwerfen, thörichte Fragen, die nichts als Zank gebären und gar nichts austragen zur Besserung.

Aber es giebt doch auch Fragen einer bessern Art; es giebt Gegenstände der Erkenntniß und eine Art sie zu behandeln, es giebt Aufgaben des Nachdenkens über die Wahrheit Gottes, die dürfen nicht gering geachtet werden auch nicht von denen, welche persönlich weniger Sinn und Anlage dafür haben. Denn warnt uns wohl der Apostel vor einem Wissen, welches bläht, das vielmehr nur ein vermeintes Wissen, das noch gar kein wahres Wissen ist, so steckt uns doch auf der andern Seite der Herr Jesus selber ein höheres Ziel, wenn er spricht: das ist aber das ewige Leben, daß sir dich, daß du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesum Christum erkennen.

Angesichts dieses großen Wortes wäre es die Vernachläßigung einer heiligen Aufgabe, wenn wir es versäumten, alle uns verliehene Kraft des Denkens daranzustrecken, daß wir die Wahrheit Gottes erkennen. Es ist eine ungesunde Entwicklung, wenn in unseren Tagen an die Erforschung der Naturkräfte, an die Erkenntniß aller Dinge auf Erden ein rastloser Eifer gewendet wird, die Wahrheit des Evangeliums hingegen auch von denen, die sie nicht mit der großen Menge verachten, für etwas angesehen wird, das nicht ebenso zu den Gegenständen des Denkens, Forschens, Prüfens gehöre. Diese Versäumniß bleibt aber selbst an denen, welche keine Gegner des Evangeliums sind, nicht ungestraft. Denn zum wenigsten wissen sie dann, wenn der Zeitgeist sie herausfordert, nicht Rechenschaft von ihrem Glauben zu geben, ja sie werden wohl durch die Einflüsterungen desselben auch an ihrem Theile mehr oder minder geschwächt.

Müssen wir es somit als eine heilige Pflicht erkennen, daß wir nach der Wahrheit Gottes forschen, über ihren Zusammenhang nachdenken, nach einer Lösung der Anstöße trachten, so dürfen wir doch in dieser Beziehung keine falschen Ansprüche hegen, keine grundlosen Erwartungen wecken. Die Wahrheit Gottes hat eine Seite, nach der sie dem Menschen als eine harte Rede entgegentritt, von der er sagt: wer kann sie hören? Da dürfen wir uns nicht herausnehmen, das Harte weich machen, das Rauhe glätten, jeden Anstoß beseitigen zu wollen. Christus tritt nicht nur als Fels des Heils uns entgegen, sondern auch als Fels des Aergernisses; und sein Evangelium nicht nur als ein Geruch des Lebens zum Leben, sondern ebenso als ein Geruch des Todes zum Tode; das eine nicht ohne das andere; das eine so nothwendig als das andere.

Somit kann die rechte Hebung der Anstöße unmöglich darin bestehen, daß wir einen Theil der Wahrheit unterdrücken oder die zweischneidige Schärft derselben abstumpfen. Vielmehr nur das kann unsere Aufgabe sein, daß wir die Natur der Anstöße näher untersuchen: ob nicht in unserm Denken grundlose Vorurtheile der Wahrheit Gottes gegenüberstehen? ob nicht mißverständliche menschliche Deutungen, den reinen Glanz derselben getrübt haben? In Sachen der sinnenfälligen Wirklichkeit zweifelt kein vernünftiger Mensch, daß die Wahrheit wahr ist, auch wenn er sie noch nicht entdeckt und begriffen hat. In Dingen der göttlichen Offenbarung können wir uns oft schwer zu diesem Zutrauen entschließen; und doch muß es hier noch viel mehr von vornherein gelten, daß die Wahrheit wahr ist, ob wir sie begreifen oder nicht;, daß sie unabhängig von uns wahr ist und es nicht erst durch unser Erkennen wird;, daß die Wirklichkeit dasteht, groß und heilig und majestätisch, bevor wir an dieselbe herantreten, ja dagestanden ist schon lange bevor wir gewesen sind, und noch immer dasteht unantastbar und gewaltig, wer darf sich unterwinden sie zu meistern? vielmehr nur das soll unser Trachten sein, wenn wir es wagen von ihr zu reden, daß wir nicht allzu tief unter ihr bleiben.

Aber wie findet nun das Gesagte seine Anwendung auf die Lehre der Schrift vom Zorne Gottes? Dieselbe ist Vielen in unseren Tagen ein Anstoß, den sie nicht leiden mögen; und nicht erst in unseren Tagen, schon vor Alters wurden die gleichen Widersprüche dagegen erhoben. Die Anhänger jener Philosophenschulen, die dem Apostel Paulus in Athen entgegentraten, die Epikuräer nämlich und die Stoiker behaupteten: die ersten, es lebten die Götter in seliger Ruhe, unbekümmert um die irdischen Dinge, gleichmäßig unberührt von Zorn und Tüte; die andern wenigstens, das Zürnen sei dem göttlichen Wesen fremd, und nichts als segnende Güte sei ihm eigen. Das letztere war im zweiten Jahrhundert die Lehre des Gnostikers Marcion; was in der Schrift von Gottes Zorn gelehrt werde, das gelte nur von dem Gott der Juden, der aber gar nicht der wahre Gott des Evangeliums sei. Also ganz wie die neuere Lehrart meint, die wir Rationalismus nennen:, daß Gott zürne und seinen Grimm ausschütte, sei nur eine Vorstellungsart der Juden, nach der Art des rohen Zeitalters ausgedacht, etwa um das Volk durch Furcht im Zaume halten; oder wie ein Theologe predigt, der sonst einen höhern Rang einnimmt, in diesem Stück aber völlig rationalistisch lehrt, ich meine Schleiermacher, der in einer subtilen Predigt den Satz ausführt: im Amt, das die Versöhnung predigt, haben wir gar keine Veranlassung, von einem Zorne Gottes zu reden, und je mehr wir es dennoch thun, desto mehr entfernen wir uns vom wahren Geiste des Christenthums. Er meint: im Alten Testament freilich, sowohl im Gesetz als in den Propheten, sei viel vom Eifer und Zorne Gottes die Rede. Aber das gehöre zu dem Alten, das vergangen sei. Also auch bei Schleiermacher ganz ein Urtheil, wie man nicht selten vom „alttestamentlichen Zorngott“ reden hört, welchem dann der Gott des Neuen Testaments als der Gott der Liebe gegenüber gestellt wird. „Ein Gott, der zürnt, ist ein Gott, der nicht liebt“; so redet etwa ein Prophet der Zeitdenkweise, und kann sicher sein, daß Viele ringsumher Beifall rufen. Hat er aber auch die Wahrheit für sich?

Schon dem Gnostiker Marcion gab der Nordafrikaner Tertullian zur Antwort: ein Gott ohne Zorn und Unwillen gegen die Verächter seines Willens müßte ein starrer, stumpfer, fühlloser Gott sein. Ohne Eifer gegen den Widersacher gebe es in Gott auch keine die Menschen befreiende Güte; nicht anders sei er völlig gut, als wenn er des Bösen Feind sei. Und den heidnischen Philosophen hielt in Constantins Zeitalter Lactantius entgegen: wenn Gott durch gar nichts bewegt werde, so lebe er gar nicht, denn bewegt werden gehöre zum Leben; und was man von seiner Güte ohne alles Zürnen behaupte, das sei wohl blendend und für Viele verlockend geredet, aber wenn Gott den Gottlosen und Ungerechten nicht zürne, so liebe er auch nicht die Frommen und Gerechten.

Vollends unsre Reformatoren waren weit von jener Denkart entfernt, die vom Zorne Gottes nichts wissen will. Als unsre Stadt im Jahr 1526 durch Pestilenz, durch Hagelschlag und durch die Entzündung eines Pulverthurms, in, welchen der Blitz geschlagen hatte, hart erschreckt und betroffen wurde, hielt es Oekolampad für hochnöthig, unsern Vätern vom Zorne Gottes zu reden, woher er rühre und wie er besänftigt werden könne. Und Luther, wie voll sind seine Schriften von den mächtigsten Verkündigungen dieser ernsten Wahrheit! „Der Zorn Gottes,“ sagt er, „ ist ein ernstlicher und schrecklicher Zorn. Er ist nicht ein schlecht gering Ding, sondern solcher Ernst, den kein Mensch ertragen kann, und müssen darunter zu Boden gehen.“ „Außerhalb Christi ist Gott gegen die Sünder ein verzehrend Feuer und ein eifriger Gott; ein solch Feuer, das nicht feiert, sondern frisset und verzehret; ein solcher Gott, der euch verzehret und aufräumet, so ihr gottlos seid, eifert, frisset und macht zu Aschen und Staub.“ „Wollte Gott, daß die Welt das gläubte und dies Wort für Wahrheit hielte, aber sie läßt sich solches Zorns nicht bereden, daß sie glauben könnte, daß Gott wahrhaftig zürnete; ihr scheinet es also, als wäre Gott ein lauter Gähnemaul oder ein guter Mann oder nur als ein Strohpotzen, der im Hanf den Vögeln zur Abscheu gesteckt wird!“ So meinens die Leute, „die sich alleine einen solchen Gott selbst erdichten, der barmherzig sei, wie jetzt die Welt pfleget zu thun, und weiß sich meisterlich darauf zu behelfen.“

Aber ist denn Gott nicht wirklich barmherzig? weiß nicht Luther selbst mit überströmender Freudigkeit wie kein Anderer diesen Trost zu rühmen? Freilich wohl; und noch mehr: er kann dabei Behauptungen aufstellen, die dem eben Gehörten schnurstracks zu widersprechen scheinen; er kann sagen: „bei Gott ist kein Zorn, er ist nicht ein Gott des Zorns“; wer sich ihn so vorstellt, „der erdichtet sich einen Abgott und macht aus Gott einen Teufel“; er kann die Meinung, daß Gott zornig sei, als eine schwere Teufelsversuchung bestreiten. Und dennoch ist der Widerspruch zwischen seinen Aeußerungen nur scheinbar. Die Lösung liegt darin, daß Gott außer Christo und für die Menschen, die nicht in Christo stehen, nach Luther nichts als Zorn und Gericht hat; wohingegen Gott in Christo und für diejenigen, die wider Gott zu Gott fliehen, die von seinem Richterstuhl sich zu seinem Gnadenstuhl wenden, ein Vater voller Gnade und Vergebung ist. Diesem Gnadengott gegenüber sollen sie nicht meinen, sie müßten oder könnten ihn, den schon versöhnten, erst noch mit ihren Werken versöhnen. Dazu sollen sie sich um so weniger verführen lassen gerade weil der Zorn Gottes viel wahrer und wirklicher ist, als, daß der Mensch aus sich selbst ihn versöhnen könnte.

Also auf Luther so wenig als überhaupt auf die Reformatoren sollen sich die heutigen Leugner des Zornes Gottes berufen. Und wir hinwiederum wollen nicht verlangen, daß sie die Frage durch Berufung auf jene Vater unsrer Kirche schon für entschieden halten, sondern wollen ihre Prüfung selbst vornehmen.

Vor allem wie steht es mit dem Satze: die Lehre vom Zorne Gottes sei nur eine alttestamentliche Lehre? Für jeden, der nicht Künste sucht, um seine Meinung an die Stelle der Schriftlehre zu setzen, steht es so damit, daß die Behauptung als völlig bodenlos dahinfällt.

Wie straft denn der Täufer die Pharisäer? ihr Otterngezüchte, wer hat euch gewiesen, daß ihr dem zukünftigen Zorn entrinnet? Was droht er denen, die dem Sohne Gottes nicht Glauben schenken? ein solcher wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibet über ihm. Und der Apostel Paulus, wie leitet er die Entwicklung der großen seligmachenden Wahrheit ein, daß im Evangelium geoffenbart werde die Gerechtigkeit von Gott, die aus Glauben in Glauben kommt? damit, daß er vor allem zeigt, wie Gottes Zorn vom Himmel geoffenbart wird über alles gottlose Wesen und Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit in Ungerechtigkeit niederhalten. Wer den Reichthum seiner Güte, Geduld und Langmüthigkeit verachtet, der häufet sich selbst den Zorn auf den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes. Das gilt allen, die nicht durch Christum vom zukünftigen Zorn erlöset werden; denn von Natur sind alle Kinder des Zorns, und so kommt dieser Zorn über alle Söhne des ungläubigen Ungehorsams.

Oder ist etwa der Täufer noch im Neuen Testament ein alttestamentlicher Prophet, und Paulus ein Mann, der zu Juden und Judengenossen als zu alttestamentlich Geschulten redet? aber würde ers also thun, wenn es ihm nicht selbst auch Wahrheit wäre? Und Christus der Herr, redet er selber denn im Grunde verschieden? Wohl ist er der Erlöser vom Zorn und sein Evangelium die Freudenbotschaft von Gnade, Frieden, Erlösung, d.h. wie wohl zu merken: Loskauf vom verdienten Verderben. Aber wenn er nun, um von einigen Gleichnissen zu schweigeneben als der sanftmüthige und barmherzige Erlöser den Ausdruck Zorn nur selten braucht, redet er darum weniger ernst und einschneidend vom Verlorengehen, vom Heulen und Zähneknirschen der Hinausgestoßenen, vom schmalen Weg, den wenige finden, vom Zerscheitern der bösen Knechte, vom Verstoßen der Verfluchten ins ewige Feuer? Ja in der Schilderung des Gerichts über das verstockte Jerusalem spricht er wie ein Prophet des Alten Bundes: das sind die Tage der Rache, daß erfüllt werde alles, was geschrieben ist; und es wird große Roth auf Erden sein, und ein Zorn über dieses Volk. Zwar wiederholt er, daß er nicht gekommen sei, die Welt zu richten, sondern sie selig machen; nicht richten ist seine Lust und der Zweck seines jetzigen Kommens auf Erden; aber derselbe Heiland spricht gleichwohl das Wort, daß der Vater alles Gericht dem Sohne gegeben habe, und, daß neben der Auferstehung zum Leben eine Auferstehung zum Gerichte stattfinden werde. Und wenn auch sein Wille bis ans Ende nicht wäre, zu richten: wer ihn verachtet und sein Wort nicht aufnimmt, der hat schon, der ihn richtet; eben das Wort, so spricht er, welches ich geredet habe, das wird ihn richten am jüngsten Tage. Sie sehen, wie weit der Herr Jesus und seine Apostel davon entfernt sind, zu beseitigen, was das Alte Testament vom Ernst des Gerichts, mit anderen Worten vom Zorne Gottes sagt.

Hinwiederum das Alte Testament, ja, es ist wahr, spricht in einer Menge furchtbarer Ausdrücke vom Schnauben, Schäumen, Ueberwallen, vom Entbrennen und Glühen des Zornes Gottes, der die Frevler im Grimm hinwegrafft, und erzählt auch eine ganze Reihe von exemplarischen Zorngerichten. Feuer, Schwert, Seuchen, Dürre, der Grimm fremder Völker sind seine Zuchtruthen. Ein Feuer ist angegangen durch meinen Zorn, spricht der Herr, und brennt bis in die unterste Hölle und verzehret das Land mit seinem Gewächs und zündet an die Grundfesten der Berge. Ich will alles Unglück über sie häufen, ich will alle meine Pfeile in sie schießen. Sie müssen sprechen: wer ist unter uns, der bei einem verzehrenden Feuer wohnen möge? Wer ist unter uns, der bei der ewigen Glut wohne?

Aber damit sind dann wieder aufs engste verbunden, wenigstens ebenso zahlreich und nicht minder gewaltig eine Fülle der herrlichsten Aussprüche über die Geduld und Langmuth, über die Gnade und brünstige Barmherzigkeit Gottes. Die Langmuth ist es, welche der Fürbitte Raum giebt und das Ausbrechen des gerechten Zorns hinausschiebt auf den Tag des Zorns und der abrechnenden Vergeltung. Die Barmherzigkeit und Gnade ist es, welche so gern über alle, die in der Gnadenfrist zu Gott umkehren, neues Licht und Heil aufgehen läßt. Die Wahl thut weh unter dem Reichthum der Stellen. Der Herr euer Gott, spricht Joel, ist gnädig und barmherzig, geduldig und von großer Güte, und reuet ihn bald der Strafe. Was soll ich aus dir machen, Ephraim? fragt der Herr durch Hosea; soll ich dich hingeben, Israel? soll ich ein Adama aus dir machen und dich wie Zeboim zurichten? (Städte, die mit Sodom und Gomorra umgekehrt wurden) aber mein Herz ist anderes Sinnes, meine Barmherzigkeit ist zu brünstig, daß ich nicht thun will nach meinem grimmigen Zorn, noch mich kehren Ephraim gar zu verderben; denn Ich bin Gott und nicht ein Mensch, und bin der Heilige unter dir, und will nicht mit Wuth kommen. Also will ich ihr Abtreten wieder heilen; gerne (mit freier Gnade) will ich sie lieben; dann soll mein Zorn sich von ihnen wenden. Und bei Jesaja lesen wir: Ich habe mein Angesicht im Erguß des Zorns einen Augenblick vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich dein erbarmen, spricht der Herr, dein Erlöser. In meinem Zorn habe ich dich geschlagen und in meiner Gnade erbarme ich mich über dich. Also, daß Micha ausruft: wo ist ein solcher Gott, wie du bist, der die Sünde vergiebt und erlässet die Missethat den Uebrigen seines Erbtheils (denen, welche sich seine schweren Gerichte züchtigen ließen); der seinen Zorn nicht ewiglich behält? Denn er hat Lust zur Gnade. Er wird sich unser wieder erbarmen, unsre Missethat dämpfen und alle unsre Sünden in die Tiefe des Meeres werfen.

Angesichts dieser und zahlloser anderer Stellen im Gesetz, in den Psalmen und Propheten, die den Gnadengott preisen, den Erlöser von Sünden, der nicht ewiglich hadert, bei, welchem viel Vergebung, ist, wie kann man auch vom Gott des Alten Testaments ausschließlich als von einem Zorngott reden? wo wird der Gnadengott majestätischer verkündigt? Der Gott des Alten Testaments ist der Gott, den Christus seinen Vater nennt. Ain. alttestamentlichen Wort hat Christus selbst wie seine Apostel Begriff und Ausdruck der göttlichen Wahrheit gelernt und gebildet. Es muß erfüllt werden, wie geschrieben ist; habt ihr nicht gelesen, wie geschrieben ist? daran findet sich Jesus zurecht bis nach Gethsemane und Golgotha; damit bekämpft er siegreich den Feind und die Feinde; darauf verweist er als der Auferstandene die Jünger und schilt sie Thoren und trägen Herzens, zu glauben allem, was die Propheten geredet haben.

Wahrlich ich darf fragen: wer vom alttestamentlichen Zorngott redet, sollte der sich nicht zum wenigsten der Unwissenheit schämen? Es geht nicht an, denn es ist wider die Wahrheit, so zu unterscheiden. Der Gott des Alten Testaments und der des Neuen ist vielmehr der Eine und gleiche Gott, der Gott der Bibel, der Gott des Zorns und gerechten Gerichts, der Gott des Erbarmens und der ewigen Gnade. Wohl treten im Neuen Testament die Gerichte nicht so zahlreich und nicht so handgreiflich hervor. Aber ein Ananias und eine Sapphira, wenn sie um ihrer Scheinheiligkeit willen niedergestreckt werden, fahren viel hoffnungsloser dahin als die Schaaren, die im Alten Testament hinweggerafft wurden, eben in dem Maß als sie eine viel vollkommnere Gnade erlebt und verachtet hatten. Wehe dir Chorazin! wehe dir Bethsaida! wehe dir Kapernaum! ruft Christus aus; wären solche Thaten zu Tyrus und Sidon geschehen als bei euch geschehen sind, sie hätten vor Zeiten im Sack und in der Asche Buße gethan; ja selbst Sodom stände noch heutiges Tages. Aber es wird Tyrus und Sidon, es wird der Sodomer Land erträglicher ergehen am jüngsten Gericht, denn euch.

Wenn denn aber Gottes Zorn im Neuen Testament nicht minder als im Alten verkündiget wird, sind vielleicht solche auch unter Ihnen, die sich im Neuen so wenig als im Alten darein schicken können? In einer Protestation hannöverscher Bauern gegen den Katechismus bekamen wir neulich zu lesen: „Wir können nicht glauben an einen Gott, der wie ein leidenschaftlicher Mensch seinen Zorn und Fluch über die eigenen Geschöpfe ausgießt.“ Aber ist denn das wirklich die Lehre der Schrift, was sie da hinstellen, um es zu verwerfen? Lehrt sie uns wirklich, daß er „wie ein leidenschaftlicher Mensch“ seinen Zorn ausgieße? giebt es keinen Unterschied zwischen Zorn und Zorn?

Ja, schon in den Sprüchen Salomes heißt es: ein Mann des Zorns richtet Hader an, und ein Grimmiger thut viel Sünde; und Jakobus stellt es als die Regel auf: des Menschen Zorn thut nicht, was vor Gott recht ist. Aber doch ermahnt der letztere nur, daß wir langsam seien zum Zorn, wie langsam zum Reden; also auch er nicht, daß wir gar nicht zürnen, so wenig als, daß wir gar nicht reden. Er stimmt also mit Paulus, wenn derselbe ermahnt: zürnet, aber dabei sündiget nicht. Es kann Falle geben, wo wir zürnen müssen. Aber freilich es ist sehr zu wachen, denn gar leicht mischt sich beim Menschen Sünde darein. Welche Sünde denn? Vor allem die Selbstsucht voll Hasses und Neides wider den Nächsten, die Bitterkeit des verletzten Ich, die sich freut den andern wehe zu thun; nach diesem verderbten Zug des Herzens kann ja der Mensch sogar ohne Ursache seinem Bruder zürnen. Solches ist ferne von dem heiligen Gott.

Weiter aber giebt es ja doch Greuel, Schändlichkeiten, arge Dinge, die unsern gerechten Zorn herausfordern, wo man sagen muß: wer dagegen keiner Entrüstung, keines heiligen Unwillens fähig wäre, der müßte ein sittlich heruntergekommener Mensch sein; wem vollends in solchen Dingen eine Zucht und Aufsicht befohlen ist, dem wäre es ein Vorwurf träger Schlaffheit, wenn nichts vom Eifer um die Wahrheit in ihm entbrennte. Ein Mose, ein Pinehas, ein Elias hatten Recht in ihrem heiligen Zürnen; ein Eli verfällt dem Gericht durch seine wirkliche Güte. Es giebt Eltern, die meinen, sie wollen bei ihren Kindern alles nur durch „Liebe“ ausrichten, und verstehen unter Liebe die schwächliche Güte, die nicht zürnen kann. Aber ein boshaftes Kind, ein lügnerisches Kind, erfährt es nicht heilsamer, was in Wahrheit Liebe ist, wenn es die Schärfe der Zucht, wenn es den ernsten Unwillen des Vaters zu spüren bekommt? Diese heilige Entrüstung gegen das Böse können wir wohl unterscheiden von dem, was selbstsüchtige Bitterkeit ist. Unser Ich ist gar nicht dabei verletzt; es ist etwas von dem Psalmwort dabei, dessen die Jünger Jesu gedachten, als er den Tempel reinigte: der Eifer um dein Haus hat mich gefressen. So lesen wir auch ausdrücklich von Jesu, daß er mit Zorn und Betrübniß über ihre verstockten Herzen seine Aufpasser anblickte, bevor er jene verdorrte Hand heilete; und, daß er ergrimmte im Geist, da ihm bei Lazarus Grab nichts als Todeselend, Kleinglaube der Seinigen, widerwärtige Reden der Feinde entgegentraten. Wir sehen: Gemüthsbewegungen sind ihm nicht fremd, und zwar recht starke; aber er bleibt doch stärker und beherrscht sie.

Freilich bei uns nach unserer Verkehrtheit mischt sich ins heiligste rechtmäßigste Zürnen gar leicht unmäßige Heftigkeit oder irgend, welche unlautere Regung ein. Darum eben bedürfen wir der Mahnung: zürnet, und dabei sündiget nicht. Aber trotz alle dem bleibt etwas auch in des Menschen Zorn, das recht ist, dessen Unterbleiben ein Mangel wäre, nämlich die mächtige dem Bösen gegenüber eintretende Erregung des wollenden Geistes, die gespannte Energie des sittlichen Willens, die auf Behauptung des Guten, Bekämpfung des Bösen gerichtet ist.

Und diese könnte fehlen bei Gott? Daß alle selbstische Leidenschaft ferne von ihm ist, das versteht sich ja wahrlich von selbst bei dem, der kein beschränkter Mensch ist, sondern der Gott, der von Rechtswegen Herr ist über seine Schöpfung, zugleich aber Herr auch über sich selber, also auch nicht von einer gerechten Aufwallung maßlos dahin gerissen. Aber wenn wir denn also Selbstsucht im Zorn und maßlose Leidenschaft als menschlich gebrechlich ablehnen, wo wir von Gott dem Herrn reden, müssen wir nicht ebensowohl als menschlich ablehnen jene schwächliche Güte, die das Böse gut sein läßt? Wie könnte er ein heiliger Gott sein, wie könnte es ihm Ernst sein mit seinem heiligen Willen, wenn nicht aus seinem innersten Wesen käme eine machtvolle Gegenwirkung gegen alles Böse, wenn er nicht gegen die Uebertreter, Verächter, Abtrünnigen, gegen uns alle, die wir Uebertreter sind, ernstlich und heiliglich zürnte? Du bist nicht ein Gott, dem gottlos Wesen gefällt; wer böse ist, bleibet nicht vor dir; die Ruhmredigen bestehen nicht vor deinen Augen; du hassest alle Uebelthäter; du bringest die Lügner um; der Herr hat Greuel an den Blutgierigen und Falschen. Darum wird das Licht Israels zum Feuer werden und sein Heiliger wird zur Flamme werden, und wird seine (des Uebermüthigen) Dornen und Disteln anzünden und verzehren auf Einen Tag.

Vielleicht indessen gebt ihr zu, daß der heilige Gott gegen das Böse seine Heiligkeit behaupten müsse; nur dünken euch gar manche von den Beispielen besonders des Alten Testaments unwürdig Gottes, ein Zürnen über geringfügige Aeußerlichkeiten, wo wir keinen Grund absehen, warum denn das so schrecklich sein soll und einer so furchtbaren Strafe unterliegen; so wenn zwei Priestersöhne weggerafft werden, weil sie fremdes Feuer auf den Altar gebracht haben; oder wenn eine ganze Schaar von Menschen sterben muß, weil sie die Bundeslade angesehen haben; ja ein andrer gar, weil er sie halten wollte, daß sie nicht vom Wagen falle; oder wenn an einem König der Aussatz ausbrach zur Strafe dafür, das er wie ein Priester hatte räuchern wollen.

Das sind ja freilich fremdartige Dinge, die uns vielleicht hart eingehen. Aber merket doch, daß wenn uns sonst das heilige Recht des göttlichen Zürnens, wo es offenbare Frevel betrifft, unzweifelhaft geworden ist, auch diese Geschichten uns dieses heilige Recht an sich selber nicht ungewiß zu machen vermögen. Nicht der Zorn des heiligen Gottes selber, nur das ist uns vielleicht noch verborgen, warum er auch bei diesen Gelegenheiten entbrannte. Das aber lernen wir nach und nach verstehen, je mehr wir uns in die Denkart des Alterthums überhaupt, je mehr wir uns in die derselben angepaßten alttestamentlichen Ordnungen hineinleben; in jene Ordnungen einer anfängermäßigen, äußern Reinigkeit und Heiligkeit, das ABC der Welt nennt sie Paulus; in jene Ordnungen voll tiefsinniger Bedeutsamkeit und erzieherischer Weisheit für ihre Zeit, an, welche die Kinder jener Zeit gebunden waren wie die Kinder im Haus an manches Gebot des Vaters, das er den erwachsenen Söhnen nicht mehr auflegt; die unmündigen aber, wenn sie sich darüber wegsetzen wollten, würden seine Züchtigung zu spüren bekommen. So verstanden zeugen auch jene Geschichten nichts gegen die große Wahrheit, die sich uns ergeben hat: es giebt ein heiliges Zürnen, ohne, welches Gott nicht Gott ist, nämlich kein heiliger Gott. „Es giebt ein göttliches Zürnen, dem menschlichen Zürnen so ähnlich und so unähnlich, als der Mensch ursprünglich und jetzt seinem Gott“

Ich darf ein letztes Bedenken in dieser Reihe von Gedanken nicht ganz übergehen, weil es manchem störend in den Weg tritt. Ist es nicht doch eine unrechte Menschenähnlichkeit, die wir mit solcher Lehrart Gott zuschreiben? Denn sei auch der Zorn, wie wir ihn verstehen, nichts unwürdig leidenschaftliches, keine beschränkte Selbstsucht und kein maßloser Mangel an Selbstbeherrschung, so bleibt es doch eine Veränderung, die wir Gott zuschreiben, daß er jetzt im Zorn entbrenne und dann wieder vom Zorn zur Liebe zurückkehre; und eine Veränderung zudem, die er durch Einwirkung von Seiten der Geschöpfe erleidet, denn in ihm selber, in seinem ewig seligen Gottesleben läge doch wahrlich keine Ursachen des Zürnens? Kann denn aber Gott also veränderlich und von den Geschöpfen abhängig sein? Was sollen wir hierauf sagen?

Wir antworten:, daß Gott in seinem Wesen unveränderlich, ewig sich selbst gleich ist, das gehört ja freilich nothwendig zu dem, was wir von ihm aussagen. Selbst die Himmel werden vergehen, aber du, Gott, bleibest. Sie werden alle veralten wie ein Gewand; sie werden verwandelt wie ein Kleid, wenn du sie verwandeln wirst Du aber bleibest, der du bist, und deine Jahre nehmen kein Ende. Ja schon in dem Namen Jehovah, das bedeutet:, welcher ist, der er ist, der Ewige, schon in diesem Namen liegt es, daß er wie einzig aus und durch sich selber, so auch ewig und unveränderlich derselbe ist. Aber diese Unveränderlichkeit Gottes im Grund seines Wesens dürfen wir nicht in einer steifen und unlebendigen Weise behaupten, wie es nicht der Schriftoffenbarung, sondern vielmehr der Philosophie der alten Griechen einspräche.

Zu den Wahrheitserkenntnissen, welche selbst die Heiden erreichten, gehört auch dieses, daß z. B. Platon einsah, das göttliche Wesen könne sich weder vom Guten zum Schlechten ändern, denn das zieme ihm nicht, noch vom Schlechten zum Guten, denn es sei nie schlecht gewesen. Wird nun aber die Unveränderlichkeit Gottes wie eine völlige Bewegungslosigkeit gedacht, so wäre das so viel als Leblosigkeit, ein todter Gott. Dann könnte er auch zu keinen wechselnden Zustanden und Thaten seiner Geschöpfe in eine lebendige Beziehung treten; im Zorne nicht, aber auch in rechter wirklicher Liebe nicht. Aber ziemt es denn, ihn von seinen Geschöpfen abhängig zu denken? Wir fragen dagegen: aber sagen wir denn, er sei von seinen Geschöpfen abhängig, als träten ihm diese wie eine fremde Macht, wer weiß, welchen Ursprungs, gegenüber, und brächten ihn in eine veränderte Lage ohne oder wider seinen eigenen Willen? Sind sie nicht vielmehr ganz und gar von Ihm geschaffen? und wenn eine Wechselwirkung besteht zwischen Ihm und den Kreaturen, die Er mit Freiheit begabt, ist das eine Wirkung, die Ihm von außen käme und Ihn so zu sagen überwältigte? Hat nicht Er allein zu der Kreatur, die Er geschaffen, sich selber in Wechselwirkung gesetzt, und hält sie in aller Freiheit ihrer Bewegung doch allzeit in der Gewalt seiner heiligen Allmacht? also, daß Er in Wahrheit nicht von der Kreatur abhängig ist, sondern in der von Ihm selbst gesetzten Verbindung mit den Wesen seiner eignen Schöpfung von Niemand abhängig als auch hierin von sich selber allein; und eben deßhalb auch durch die veränderliche Beziehung zu den veränderlichen Geschöpfen in seinem innersten Wesen unverändert. Ja gerade, daß er dieses sei und sich als den unveränderlich Heiligen behaupte, gerade das erfordert sein Zürnen, das ist die machtvolle Gegenwirkung seines Geistes gegen alles unheilige Wesen.

Aber nun fragt ihr vielleicht: ist denn Gott nur heilig? lautet denn nicht sein höchster Preis über alles: Gott ist die Liebe? Und nun sagen sie uns ja: „ein Gott, der zürnt, ist ein Gott, der nicht liebt?“ Aber wie, wenns vielmehr umgekehrt wäre? ein Gott, der nicht zürnt, gerade der liebt nicht wahrhaft? Er muß zürnen können, gerade damit er könne die rechte, heilige Liebe sein? Ja, so ist es. Denn was ist Liebe? Nichts anderes als Selbstmittheilung; Mittheilung des eigenen Wesens; also Liebe des heiligen seligen Gottes ist Mittheilung seines heiligen seligen Wesens; also nothwendig, damit er sich geben könne, zuvor Hinwegnehmen dessen, was seinem heiligen Wesen ein Greuel ist. Wie könnte er die Liebe sein und zusehen, daß sein Geschöpf, das er liebt, aus Wegen gienge, die nach innerer Notwendigkeit Wege des Verderbens sind? Wie könnte er die Liebe sein, ohne aus Liebe selber alles ungöttliche Wesen zu verzehren? Also im Dienst der Liebe selber steht sein heiliger und ernstlicher Zorn. Er geht durch Mark und Bein, aber doch zum Heil für alle, die es dulden; er schneidet aufs Leben, aber nur bis das Ziel erreicht ist, wo die im Zorn verhüllte Liebe als unverhüllte Gnade hervorbrechen kann.

Für dieses heilige Zürnen, das im Dienst der Liebe steht, braucht die Schrift den Ausdruck Eifer oder Eifersucht Gottes. Gott ist ein eifriger oder eifersüchtiger Gott, der der Väter Missethat noch an den Kindern heimsucht. Darum heißt er ein verzehrendes Feuer, was auch das Neue Testament wiederholt. Sein Verfahren beschreibt er mit den Worten: sie haben mich zum Eifer gereizt an dem, das nicht Gott ist, und mit ihren eiteln Götzen haben sie mich erzürnet; und ich will sie wieder zum Eifer reizen an dem, das nicht ein Volk ist (indem ichs ihnen vorziehe und sie verwerfe), an einem närrischen Volk will ich sie erzürnen. Mit Bezug darauf warnt noch der Apostel: wollen wir den Herrn zum Eifer reizen? sind wir stärker als er?

Vielleicht aber ist gerade diese Rede mehr als alles Bisherige für manchen unter Ihnen befremdlich. Eifer? Eifersucht? sind das nicht vollends Benennungen, die Gottes unwürdig sind? drückt sich nicht hierin dennoch und hierin am unverhülltesten das selbstische und ausschließliche Wesen, das im Zorn liegt, aus? mahnt es uns nicht nahezu an jenes heidnische Wort, daß das göttliche Wesen neidisch sei? Und wenn nun eine Verwandtschaft mit diesem Worte wirklich vorhanden wäre? wer weiß, ob wir nicht gerade von hier aus zum rechten Verständniß vordringen können?

Das göttliche Wesen neidisch, dies Wort der alten Griechen unter andern hat in der That einen unfreundlichen Klang. Da sieht man recht, daß es Heidengedanken sind, einer Denkart entsprungen, der es ein verschlossenes Geheimniß ist, daß Gott die Liebe sei.

Und es ist wahr, das wußten sie nicht. Ja sie schreiben manchmal den Göttern ein feindliches, tückisches Schadenstiften zu, in einer Weise, die ihre besseren Philosophen selbst verwerfen. So völlig schlecht jedoch und verwerflich wie wirs etwa meinen könnten war doch jener Gedanke vom Neide der Gottheit nicht. Wo machen sie denselben geltend? einem Krösus gegenüber oder einem Polykrates, die sich auf dem Gipfel des irdischen Glückes wähnen. Da sagt die Stimme der bedachtsamen Weisheit: das gefällt mir nicht, denn die Gottheit ist neidisch; wo der Uebermuth sich aufwirft, wo der Mensch sich zu überheben beginnt, als wäre er selbstherrlich und hätte keine göttlichen Mächte mehr über sich: da ist zu fürchten, daß die Gottheit den Uebermuth empfindlich dämpfe, denn sie leidet es nicht, daß der Mensch sich ungemessen erhebe. Was hoch strebt, pflegt die Gottheit zu verstümmeln. Kein andrer soll groß von sich denken, als Gott allein. Die gleiche Wahrheit, die gleiche Scheu vor den Göttern, die gleiche Warnung vor Ueberhebung und Maßlosigkeit zieht sich ja nicht minder durch alle Chöre der griechischen Trauerspiele hindurch.

Und nun werfen wir einen Blick auf Jesaja, Jeremia, Ezechiel. Wenn sie Israel strafen, wie haben sie so mannigfache Uebertretungen und Bundbrüchigkeiten zu schelten! Wenn sie aber ihr Strafwort gegen die Heiden richten, worauf am meisten geht dasselbe? Darum, daß er spricht: ich habe es durch meiner Hände Kraft ausgerichtet und durch meine Weisheit, denn ich bin klug; darum wird der Herr Herr Zebaoth unter seine Fetten die Darre senden. Gedachtest du doch in deinem Herzen: ich will in den Himmel steigen, und meinen Stuhl über die Sterne Gottes erhöhen. Ja zur Hölle fährst du nieder, zur hintersten Grube. Du dachtest: ich werde eine Herrin sein ewiglich, also, daß du solches nie zu Herzen nahmest noch daran dachtest, was einer Solchen Ende sein werde. Dein Trotz hat dich betrogen, der Hochmuth deines Herzens, weil du in der Felsen Klüften wohnest und hohe Gebirge inne hast. Wenn du denn gleich dein Nest hoch machest als der Adler, dennoch will ich dich von dannen herunterstürzen, spricht der Herr. Siehe, du Stolz, ich will an dich, spricht der Herr Herr Zebaoth; denn dein Tag ist gekommen, die Zeit da ich dich heimsuche. Und sollt erfahren, daß Ich der Herr bin. Was ist es also, das den verschiedensten Heidenvölkern ganz besonders zur Last gelegt wird? nichts anderes als der Uebermuth, die stolze sorglose Sicherheit, mit der sie sich wider Gott erheben; nichts anderes als was im Gewissen der Heiden selbst als Frevel und Unrecht bezeugt ist; nichts anderes als was auch jene Warnung vor dem Neide der Gottheit meint. O ein wahrhaftiger und gerechter Gott, kein harter Mann, daß er schnitte, wo er nicht gesäet hat, daß er forderte, wo er nicht gegeben hat. Aus deinen Worten wirst du gerichtet. Es liegt eine große Bestätigung der inneren Wahrheit des prophetischen Wortes selbst in jener Heidenrede, daß die Gottheit neidisch sei.

Aber ein Gnadenwort ist es allerdings nicht. Nur auf das Dämpfen und Niederdrücken des Uebermuths, der sich erheben möchte, wäre nach dieser Rede die Gottheit gerichtet; ja noch mehr, wie sie wenigstens hier und da sagen, selbstsüchtig neidisch wäre sie und schadenfroh. Wenn dagegen im Schriftwort Gott ein eifriger oder eifersüchtiger Gott genannt wird, so bedeutet das etwas besseres, denn es will sagen, daß er die Kreatur für sich selbst haben, an sich heran ziehen, zu sich empor heben will. Eifersucht, das Wort hat freilich einen zweideutigen Klang. Eine Neigung zur Untreue setzt es voraus, oder vielleicht auch nur einen Verdacht der Untreue, vielleicht einen grundlosen, kleinlichen und peinlichen Verdacht und niedrige Quälereien aus solcher Wurzel. Aber lasset uns doch auch hier nicht um der menschlichen Verkehrung willen den echten Wahrheitsgrund verkennen. Dem wunderlichsten Zerrbild von Eifersucht liegt ein hohes und heiliges Recht zum Grunde. Nicht eine selbstsüchtige Laune vertheidigt ein Ehemann, sondern eine heilige und unverbrüchliche Ordnung, wenn er den Anspruch auf die Ausschließlichkeit seines Besitzes behauptet. Und Gott der Herr? der Ursprung aller Dinge? der Schöpfer aller Welt? der Erlöser seines Volks? der Einige, außer dem keiner ist? Kann er seine Ehre einem andern geben, oder seinen Ruhm den Götzen? Hat Er nicht das Recht, das ausschließliche Recht, alles Volk und jedes Herz allein und ganz für sich zu wollen? Das und nichts anderes ist das Ziel seines Eifers, seiner Eifersucht, seines Liebeszorns: er eifert wider die, die ihm die Treue brechen; aber er eifert wider sie nur weil er um sie eisern möchte. Wie sie sich von ihren Wegen des Abfalls zu ihm kehren, alsbald wendet sich sein Eifer gegen diejenigen, die sein Volk verderben; wie Joel spricht: So eiferte nun der Herr um sein Land und verschonte seines Volkes; oder wie Jesaja weissagt, indem er das Kind beschreibt mit den wunderbaren Namen, das eine ewige Herrschaft des Friedens und der Gerechtigkeit aufrichten werde: solches wird thun der Eifer des Herrn Zebaoth.

Wenn es so steht mit dem Zorne Gottes, so können wir uns nicht irre machen lassen durch Schleiermachers Besorgniß, wenn er uns fragt: sollen wir es dreist darauf wagen, die Seele erst mit Schrecken vor dem Zorne Gottes zu erfüllen, als ob es uns nicht fehlen könnte, ihn, sobald wir wollen, wieder auszutreiben? und auch das halten wir für grundlos, wenn er seine Befürchtung näher dahin bestimmt, wir möchten nagende Zweifel hervorrufen, ob der Zorn Gottes auch wirklich gestillt sei, und uns dann unfähig finden, dieser Zweifel wieder Herr zu werden. Zwar so viel ist wahr: wir wollen und sollen nicht voreilig taktlos, wo die Milch den Kindern gebührt, denselben starke Speise geben; mit Seligpreisungen liebreich lockend beginnt die Predigt des Herrn Jesu. Ueberhaupt eine Seele mit Schrecken vor Gottes Zorn zu füllen, dafür sorgt zuletzt einzig und sorgt genugsam die Hand Gottes selber. Friedlosigkeit und Oede, wo der Geist Gottes betrübt wurde und aus dem Herzen wich; herunterkommen in immer tieferes Verderben, aus einer Sünde in die andere, wo eine Seele keinen göttlichen Halt hat; versinken in Roth und Trübsal, in Dürre und Verzagen, in Angst des Gewissens und tiefe Anfechtung, in Stumpfsinn, der noch ärger ist und nur von desto schreckhafteren Aufwachen unterbrochen wird; das sind Zustande, die ja wirklich vorkommen, thatsächliche Kundgebungen des göttlichen Zornes, vor denen jene feinen Spekulationen, daß wir von keinem Zorn zu lehren haben, wie dünne Spinnengewebe zerreißen.

Wo aber eine Seele in solcher Lage zur Besinnung kommt, und sei es auch zur furchtbar erschütternden Besinnung, wo sucht sie ihren Halt? sucht sie ihn, findet sie ihn in jenen subtilen Theorien? Gewinnen nicht Tausende bis auf diesen Tag eine weit kräftigere Nahrung, einen viel mächtigeren Trost aus dem alten Psalter, in seinem Bekenntniß: deine Hand liegt Tag und Nacht schwer auf mir, in seinem Flehen: Herr, strafe mich nicht in deinem Zorn und züchtige mich nicht in deinem Grimm? Jene nagenden Zweifel aber, wo sie wirklich aufsteigen wollten, ob der Zorn auch wahrhaft gestillt sei, werden sie denn nicht siegreich gelöst für jeden, der im Geist auf Golgotha angelangt ist?

Im Amt das die Versöhnung predigt, meint Schleiermacher, haben wir gar keine Veranlassung, vom Zorne Gottes zu reden. Müssen wir nicht im Gegentheil sagen, wie vorhin: das ist keine wahre Liebe, wo kein Zorn ist, so jetzt: das ist nicht die volle Lehre von der Versöhnung, wo man von keinem Zorne redet? In zwiefacher Weise ist das wahr. Zuerst: was ist Versöhnung im vollen biblischen Sinn, wie kommt sie zu Stande, wenn nicht durch rechtmäßigen Loskauf vermöge einer Sühne? und der Loskauf, wovon erlöst er uns, wenn nicht vom Zorn, der auf uns lag? und zwar auf uns lag nicht nur als eine jetzt vergangene Meinung, sondern als eine ernste furchtbare Thatsache, die nur für den eine vergangene ist, der jetzt in Christo dem Gekreuzigten ist; also in Christo, der uns vom Fluch zu lösen ein Fluch für uns ward, den Kelch für uns trank, die Glut des Gerichts als grünes Holz für das dürre ertrug. Das ist Versöhnung im biblischen Sinn.

Oder ist etwa das eine jüdische Meinung? Dann ists doch eine, die Christus selbst und die Apostel theilten. Aber lassen Sie mich zur Verdeutlichung einen Blick auf ein andres Völklein werfen. Als es sich darum handelte, die Bibel in die Sprache der Grönländer zu übersetzen, fand sichs, daß ihnen nicht begreiflich zu machen war, was ein Lamm sei. Das dürftige Volk im armen Lande hatte noch nie ein Schaf gesehen. Da entschlossen sich die Missionare, um dem Grönländer die Wahrheit in seinen Gesichtskreis zu rücken, das große Wort: siehe das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt, zu übersetzen: siehe das ist Gottes junger Seehund. Welche Freude! nun wußten sie, was das bedeute; ihr Lieblingsthier, das hatten sie nun; aber auch das Opferlamm? das fehlte doch! Da galt es doch noch zu suchen, wie es ihnen beizubringen sei, daß sie auch dies noch jüdisch verstehen lernten.

Warum denn aber jüdisch? eben dieses wollen wir nicht. Warum nicht jüdisch? ohne dieses werdet ihrs auch nicht lernen christlich verstehen. Ja, in dieser Beziehung ist es völlig wahr: wir müssen Juden werden, um Christen zu werden; nicht im Schattenwerk der Beschneidung und der äußern Ceremonien, wie die pharisäischen Christen meinten; dies von Grund aus zu bekämpfen war Paulus das auserwählte Werkzeug. Aber der gleiche Paulus hat so mächtig als einer der Apostel den Opfertod Christi und unsre Versöhnung einzig durch diesen Opfertod verkündiget. Ja er hat das Schattenwerk der Ceremonien nur darum so gründlich und unnachsichtlich bekämpft, damit er das Gesetz nach seiner innersten Abzweckung in seiner bleibenden heiligen Funktion aufrichte: auf, daß es uns könne das Todesurtheil sprechen und uns keinen andern Weg, um dem Zorn zu entrinnen, übrig lasse, als den Gnadenstuhl, das ist Jesum Christum. Also keine volle Lehre von der Versöhnung im Sinne des Apostels, wenn wir gar nicht vom Zorne Gottes reden.

Aber noch in einer andern Richtung ist das wahr. Nicht nur schließt Versöhnung die Abwendung des Zornes in sich, der auf den Unversöhnten thatsächlich lag, sondern selbst innerhalb des Reichs der Gnade, selbst für die in Christo Versöhnten ist der Liebeszorn Gottes, der um sie eifert, noch nicht beseitigt. Ueberhaupt geht es in der göttlichen Erziehung wechselweise durch Gnade zum Gericht, durch Züchtigung zum Erbarmen. Ein Mose, den Gott aus hoher Gnade beruft, treibt doch die Weigerung aus falscher Demuth, in der That aus hartnäckigem Eigenwillen so weit, daß er erst nachgiebt, wie der Herr sehr zornig über ihn entbrennt. Dem Volk sodann, wie übersieht ihm Gott in den Anfängen vor der Offenbarung auf dem Sinai so überaus langmüthig seinen bösen Trotz! selbst sein Murren nimmt er an, als wärs ein Gebet. Nachher, da ihm schon mehr gegeben war, fordert er auch mehr von ihm. Aber Israel, durch die Kundschafter erschreckt, will nicht ins Land Kanaan ziehen, droht Mose zu steinigen, und empfängt nun ob der verschmähten Gnade das harte Gericht: ihr wollt nicht, also ihr sollt auch nicht ins Land kommen, alle die ihr gemurret habt; dann aber wird gerade dieses Gericht zur neuen Gnade: zur Heranziehung nämlich eines für Gottes Plane tüchtigeren Geschlechts. Aehnlich wars mit dem Gericht der babylonischen Gefangenschaft. Das elende Volk, über das alle Wetter der Trübsal ergiengen, wurde gerade in diesen Wettern mürbe gemacht und zum Empfang einer größern Herrlichkeit zubereitet. So geht das Ringen Gottes vor sich um all sein Volk und um jede Seele. Immer mehr innerlich werden die Züchtigungen; aber eben damit auch immer genauer und schärfer. Die Männer in Christo werden nicht gelinder gehalten, sondern strenger als die Kinder.

Von solchen Anfechtungen auch noch der schon erlösten Sünder, wie weiß Luther so ergreifend und so tröstlich aus vielfacher eigener Erfahrung zu zeugen. „Das Urtheil, damit Gott verdammt, so schreibt er, sähet an in den Heiligen (am Hause Gottes), wenn sie Gott läßt getödtet werden und ihnen lässet widerfahren Alles, das die Welt hasset, und verdammet in ihnen Alles, was die Welt für gut hält, und lässet sie in der Höllenpein leiden, das ist des Todes Nöthe und seinen Zorn fühlen.“ „So geschieht es, daß Gott mit den Christen gleichsam widersinnisch umgehet.“ „Er zieht ihnen seine Hand und seinen h. Geist ab und schenkt ihnen ein Trünklein, das da heißt Höllenangst.“ „Das ist das Gericht, daß er uns allerlei Anfechtung zuschicket, nicht, daß er uns verderbe, sondern, daß er die Sünde in uns strafe und umbringe, uns aber wieder tröste und selig mache.“ „Es sind ja wohl alle Sünden vergeben und zugedecket; aber sie sind noch nicht gar ausgefeget und bleibet noch immer an uns hangen und bekleben, nicht allein die grobe Hefen der Unzucht, Hoffart, Hasses, Zorns und anderer böser Begierden, sondern auch die innerlichen bösen Stücke und heimlichen Befleckungen, als da ist Zweifelung an Gott, Unglaube, Ungeduld und Murren wider Gott.“ „ Darum auf, daß Gott dieselben Gebrechen und Seuchen an seinen Heiligen und Gläubigen heilen möge, gebrauchet er darzu solcher Strafe, daß er sie tödtet und in die Hölle führt.“ „Und selig sind die, denen das im Leben widerfährt. Wenn nun der Mensch also untergeht und zu nichte wird in allen seinen Kräften, Werken, Wesen, daß nicht mehr denn ein elender, verdammter, verlassener Sünder da ist, dann kommt die göttliche Hilfe und Stärke, und es bricht hervor wie der Morgenstern die Güte und Freundschaft, die Gott unter dem Zorn und Strafe verborgen hat und giebt.“

Also mächtig weiß Luther den Zorn Gottes zu preisen, wie er nicht als Richterzorn sondern als Liebeszorn, nicht die Person des Sünders verdammend sondern seine Sünde tödtend das Werk der Erlösung vollenden helfe.

Denn was ist nun der Ausgang des göttlichen Ringens mit dem Sünder? Wenn das Werk durch alle Stufen hinausgeführt ist, so scheidet sichs entweder - oder; entweder läßt sich der Mensch mit Micha„) selbst das schwerste gefallen und spricht: Ich will des Herrn Zorn tragen, denn ich habe wider ihn gesündiget; bis er meine Sache ausführe und mir Recht schaffe; er wird mich ans Licht bringen, daß ich meine Lust an seiner Gerechtigkeit sehe; entweder also er hält sich durch alle Züchtigung hindurch an seinen Gott und findet so das volle Heil in seiner ewigen Gemeinschaft; oder aber in völlig bewußter, völlig verhärteter Verschmähung der errettenden Gnade schließt er sich selber aus von der Liebe; dann bleibt für ihn nichts denn der Zorn als Zorn; der Feuereifer, der die Widerwärtigen verzehren wird; der vollendete Zorn, wie das tiefsinnige Wort der Offenbarung ihn nennt: der Zorn des Lammes. Der gesagt hat: ich bin nicht gekommen, daß ich die Welt richte, sondern, daß ich sie selig mache; der also damit bezeugt hat, daß sein Wille nichts als der lautere Liebeswille wäre, der wird zum Richter eben durch seine Liebe, die nichts versäumt hat, die aber als verschmähte Liebe nichts andres übrig läßt als eben das Gericht.

Warum aber dies? warum werden am Ende nicht alle gerettet? weil Gott ein Gott der Heiligkeit und der Liebe und in beidem ein Gott der Freiheit bleibt. Gott ist Geist und bleibt sich gleich in seinem geistigen Wesen, darin steht seine Heiligkeit. Gott ist die Liebe, also die Mittheilung seiner selbst, aber eben seines geistigen Wesens. Darum zwingt er nicht zu seiner Gemeinschaft.

Wer sie beharrlich verschmäht, den zu nöthigen, wäre gegen sein heiliges Wesen; es wäre aber sogar eine Aufhebung dessen, was seine Liebe einzig wollen kann. Sie kann ja nur freien Geschöpfen sich selbst, ihr heiliges Geistes- und Liebeswesen mittheilen wollen. Wo sie beharrlich verschmäht wird, da spricht sie: ihr habt nicht gewollt. Also „die absolute Liebe behauptet sich selbst und ihr ausschließliches Recht an die Creatur, indem sie der Creatur, welche diese Liebe versagt oder von sich stößt, zum verzehrenden Feuer wird.“ So setzt sie schlechthin ihren Willen durch, seis in der endlichen Wiedergewinnung, seis in der endlichen Verdammniß der Creatur.

Ich habe mich unterwunden, der ich Staub und Asche bin, von einer großen und heiligen Sache zu Ihnen zu reden, die Sie gleichfalls Staub und Asche sind. Meine Absicht war zu versuchen, ob es mir etwa gelinge, einige Anstöße zu heben, die in unserer Zeit fast jeden mehr oder weniger gegen die Wahrheit Gottes beschleichen. Ich wollte Ihnen, so gut ichs vermöchte, an diesem Einen Beispiel zeigen, wie wir Ursache haben dafür zu halten, daß der Grund der Anstöße in uns und nicht in der Wahrheit Gottes liegen, daß diese unser volles Vertrauen verdiene; unsre Beugung, damit sie uns aufrichte.

Aber wäre es nun auch aufs Beste gelungen, hätten wir erkenntnißmäßig aufs Richtigste gelehrt, was hülfe uns das, so wir nicht in der That und Wahrheit Ernst machten, dem zukünftigen Zorne wirklich zu entrinnen? Das somit möge durch Gottes Segen der Gewinn der Wahrheitserkenntniß sein:, daß wir mit rechtem Ernste nach dem Ziele trachten, in solchem Geiste zu stehen, der wirklich der Geist der Kindschaft sei, durch, welchen wir rufen Abba, lieber Vater, und nicht bloß ein Geist der stolzen und sorglosen Sicherheit; auf, daß es in Wahrheit die Liebe sei, und nicht nur der Leichtsinn und Selbstbetrug, wodurch die Furcht bei uns ausgetrieben werde.

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gemeint sind die Vorträge „Das Recht des Zweifels und die Ueberwindung des Zweifels“, von Wolfgang Friedrich Geß
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