Rieger, Carl Heinrich - Über die zwölf kleinen Propheten - Jona - Das zweite Kapitel
beschreibt, wie der ins Meer geworfene Jona nach GOttes besonderer Schickung von einem großen Fisch verschlungen, darunter aber doch beim Leben erhalten worden sei, in welcher Not er zu GOtt gerufen und bei Ihm Erhörung und Errettung gefunden habe.
I. Was GOtt mit dem ins Meer geworfenen Jona für einen tiefen Leidensweg gegangen sei, und auf demselben gleichwohl seine Erhaltung verschafft habe.
1. Aber der HErr verschaffte einen großen Fisch, Jona zu verschlingen. Und Jona war im Leibe des Fisches drei Tage und drei Nächte.
Innerhalb dieser Zeit konnte freilich Jona unter so anhaltendem Schmecken des Todes gedemütigt und über die weiteren Wege GOttes mit ihm nachdenklich gemacht werden. Wir Alle sollen gern die Tiefen von Gerichten und von Errettungen GOttes, die in solchen Geschichten liegen, ehrerbietig ansehen, und daraus den Samen zum Vertrauen auf GOtt auch in der äußersten Not ins Herz fassen; besonders aber an diesem Zeichen Jonä das Vorbild auf die tiefe Erniedrigung des Sohnes GOttes mitten in die Erde, und auf Sein Lebendig werden aus den Toten, wohl beherzigen, als wovon hernach das Licht auf alle sonst noch so tiefe und dunkle Leidenswege fällt.
II. Jona Gebet, als ein treffliches Muster, wie man in der Not suchen möge seinen GOtt.
2. Und Jona betete zu dem HErrn, seinem GOtt, im Leibe des Fisches, 3. Und sprach: Ich rief zu dem HErrn in meiner Angst, und Er antwortete mir; und schrie aus dem Bauch der Hölle, und Du hörtest meine Stimme. 4. Du warst mich in die Tiefe mitten im Meer, dass die Fluten mich umgaben; alle Deine Wogen und Wellen gingen über mich. 5. Dass ich gedachte, ich wäre von Deinen Augen verstoßen, ich würde Deinen heiligen Tempel nicht mehr sehen. 6. Wasser umgaben mich bis an mein Leben, die Tiefe umringte mich, Schilf bedeckte mein Haupt. 7. Ich sank hinunter zu der Berge Gründen, die Erde hatte mich verriegelt ewig: aber Du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, HErr mein GOtt. 8. Da meine Seele bei mir verzagte, gedachte ich an den HErrn; und mein Gebet kam zu Dir in Deinen heiligen Tempel. 9. Die da halten über dem Nichtigen, verlassen ihre Gnade. 10. Ich aber will mit Dank opfern, meine Gelübde will ich bezahlen dem HErrn, dass Er mir geholfen hat.
Vermutlich ist Jona nicht gar augenblicklich vom Fische verschlungen, sondern noch eine Weile vom Meer hin und hergeworfen worden, daher er seinen Aufenthalt im Fisch schon als eine anfängliche Errettung GOttes ansehen und auf die weitere Hilfe so geziemend andringen konnte. So beten ist freilich etwas Anderes, als eine gewohnte oder erlernte Formel hersagen oder herlesen. Schon da Jona aus dem Schiffe geworfen ward, beteten die Leute dabei, und so ist es noch viel weniger bei ihm selber ohne viele unaussprechliche Seufzer abgegangen, bis er aus der Todesfurcht und Höllenangst so weit genesen ist, dass er zu solchem Gebet kommen konnte, wie uns da beschrieben ist. Denn durch den Zorn hindurch, den man fühlt, und von dem man so umschlossen ist, nach der Güte greifen, ist nichts Geringes. Es ist nicht anders, als ob man durch eitel Spieße und Schwerter durchbrechen müsste. Manche Ausdrücke im Gebet Jonas sind aus den Psalm genommen, man vergleiche Ps. 42, 8. 31, 23. So kommt Einem etwas aus der Schrift oft erst nach langer Zeit wohl, wenn man in ähnliche Umstände kommt. Was führen doch alle unsere Demütigungen für einen Stachel der Ewigkeit bei sich, dass drei Tage und drei Nächte Einem schon so lang werden können, als ob man ewig verriegelt wäre. Wie wunderbar bricht das Licht aus der Finsternis hervor: da meine Seele bei mir verzagte, gedachte ich an den HErrn; und mit dem ersten Angedenken an den HErrn geht auch wieder das erste Fünklein Licht und Leben auf. Die tiefste Wurzel vom Betrug der Sünde in seinem und Anderer Herzen hat Jona darin angetroffen, wenn Einen das Halten über dem Eitlen, es sei hernach eitle Lust oder Furcht, von Seiner Gnade abbringt. Wohl dem, der nur die Rückkehr dazu noch so findet, wie sie Jona gefunden.
III. Die göttliche Antwort auf dies Gebet Jona.
11. Und der HErr sprach zum Fisch, und derselbe spie Jona aus ans Land.
So kann GOtt auf dein Gebet antworten, dass du es zwar nicht hörst, aber die durch Seinen Willen geschaffte Hilfe erfährst.