Quandt, Emil - Die sieben pastoralen Sendschreiben der Offenbarung Johannis - Vorrede.
Seit fünfundzwanzig Jahren ist es mir eine liebe Gewohnheit gewesen, regelmäßig in meinen Sommerferien die Apokalypse und in ihr vornehmlich die sieben Sendschreiben zu lesen, zu studieren und in meinem Herzen zu bewegen. Im Drange der Amtsgeschäfte gewann ich nie die genügende Zeit, um mich in das ehrwürdige Schluss- und Abschlussbuch des Neuen Testamentes als in das letzte göttliche Erbauungsbuch tiefer zu versenken; so wurde es mein Ferienbuch, und ich habe es, in jedem Jahre mit Benutzung der neuesten Kommentare, sowohl der wissenschaftlichen, als der praktischen, gelesen und studiert am heimischen und am fremden Meeresstrande, am deutschen Rhein und an der Ache des Gasteiner Tals, am Fuß des Brocken und am Fuß der Jungfrau, immer unter andrer Beleuchtung, aber immer mit demselben Eindruck: Das Buch ist von Gott, und die sieben apokalyptischen Sendschreiben sind Episteln des erhöhten Heilandes.
Was ein Pastor in seinen Ferien geistlich erbeutet, das bringt er seiner Gemeinde mit. Ich habe die sieben Sendschreiben in Bibelstunden vor Jünglingsvereinen, vor Vereinen junger Kaufleute und vor gemischten Gemeindegliedern auslegen dürfen, dieselben in biblischen Besprechungen mit Männern und (mit Auslassungen, die sich von selbst ergeben) in solchen mit Frauen und Jungfrauen behandelt, über dieselben gepredigt in Abendgottesdiensten und jüngst sie noch mit den Kandidaten meines teuren Wittenberger Predigerseminars durchdacht und durchgesprochen. Ich gab dabei nicht nur, was ich empfangen, sondern ich empfing auch immer, wenn ich gab.
Wenn ich jetzt meinen werten Brüdern im Amt und im Herrn meine praktische theologische Auslegung der sieben Sendschreiben gebe, so gebe ich sie denselben für ihre Erholungszeiten als eine anspruchslose Gabe amtsbrüderlicher Liebe. Die beigefügten Predigtdispositionen über die sieben Sendschreiben sollen keine Musterproben sein; aber sie sind vielleicht manchem Amtsbruder als Ausgangspunkte für homiletische Meditation willkommen.
Wittenberg, im November 1888.
Emil Quandt.