Quandt, Carl Wilhelm Emil - Prediger Salomo - Fünftes und sechstes Kapitel.

Quandt, Carl Wilhelm Emil - Prediger Salomo - Fünftes und sechstes Kapitel.

Diese beiden Kapitel bringen eine Reihe von Sprüchen, aus der Erfahrung des Weisen über die Eitelkeit der Dinge entnommen und hinzielend auf ein Leben in Gottesfurcht und ohne Geiz. „Dienet Gott und nicht dem Mammon, wenn ihr Ruhe finden wollt in diesem eitlen Leben,“ das ist die Hauptsumma. Man könnte diese beiden Kapitel eine alttestamentliche Predigt nennen über den neutestamentlichen Text Ev. Matth. 6, 24: „Niemand kann zweien Herren dienen. Entweder er wird einen hassen und den andern lieben; oder wird einem anhangen und den andern verachten. Ihr könnet nicht Gott dienen und dem Mammon.“ Unter sich hängen die Sprüche mehr oder minder lose zusammen, sie schließen sich aber insofern eng an das vorige Kapitel an, als dort der Verfasser seine Betrachtungen über die Eitelkeit damit geschlossen hatte, hinzuweisen auf das Heiligthum des Herrn als das Asyl für die nach Frieden sich sehnenden Seelen. Das Ganze scheidet sich deutlich in zwei Haupttheile; der erste Theil Kap. 5, 1-8 behandelt die Stellung zu Gott; der zweite Kap. 5, 9-6,11 die Stellung zum Mammon.

Kap. 5, V. 1. Sei nicht schnell (vorschnell) mit deinem Munde und laß dein Herz nicht eilen etwas zu reden vor Gott (ein Wort hervorzubringen vor Gott); denn Gott ist im Himmel und du auf Erden, darum laß deiner Worte wenig sein.

Der Verfasser hatte im letzten Verse des vorigen Kapitels gemahnt, Gotte zu dienen, aber im Geiste und in der Wahrheit: Bewahre deinen Fuß, wenn du zum Hause Gottes gehest und komme, daß du hörest. Aber der Mensch kommt in das Haus des Herrn nicht blos um zu hören, was Gott ihm sagt, sondern auch um zu reden mit Gott, um zu beten. Wer im Hause Gottes nur beten wollte, wäre geistlich taub; wer nur hören wollte, wäre geistlich stumm. Man soll das Eine thun und das Andere nicht lassen. Das Beten ist der Seele so nothwendig, wie das Athemholen dem Leibe; wo überhaupt noch irgendwelches religiöses Leben ist, da ist auch Gebet. „Glaube und Gebet,“ sagte einmal der selige Claus Harms, „ist ein Paar, von welchen beiden mir eines so geringen Werth hat, wie nur ein Handschuh.“ Aber wer da betet, soll wohl bedenken, daß es der allmächtige Gott im Himmel ist, zu dem er spricht, und daß er zu ihm spricht als ein Kind des Staubes dieser Erde, wie das Abraham, der Erzvater, so schön bedachte, der da sprach: Ach siehe ich habe mich unterwunden zu reden mit dem Herrn, wiewohl ich Erde und Asche bin! Manche, die lange nicht so vertraut mit Gott sind, wie Abraham, bedienen sich oft in ihren Gebeten einer ungeziemenden und spielenden Vertraulichkeit. Es gilt auch im innigsten Glaubensverhältniß mit dem Herrn seiner unendlichen Majestät stets in Demuth eingedenk zu sein. Allerdings Furcht soll nicht in der Liebe sein, wohl aber Ehrfurcht! Wir sollen Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen. Und diese Ehrfurcht soll sich besonders darin zeigen, daß der Beter nicht vorschnell ist mit seinem Munde, seine Zunge nicht eilen läßt zur Rede, sondern vielmehr seiner Worte wenig sein läßt. Alles jähe, hastige, schwatzhafte Beten ist vom Uebel - eine Wahrheit, die auch heutzutage nicht genug vorgehalten werden kann, da namentlich in öffentlichen Gebetsversammlungen die liebe Eitelkeit sich selbst in Gebete einschleichen kann und einschleicht und Manchen verleitet, statt in einem kurzen Stoßgebetlein, wie Luther sie so gerne hatte, zum Himmel zu seufzen, vielmehr dem lieben Gotte eine lange Predigt zu halten und ihm allerlei Dinge zu sagen, die ganz recht sind, wenn sie von ihm, aber sehr unrecht, wenn sie zu ihm gesagt werden. Schon im gewöhnlichen Leben und unter Menschen ist „das viele Worte machen“ vom Uebel, wie vielmehr dem großen Gotte gegenüber, darum auch unser Heiland mahnt: Ihr sollt nicht plappern, wie die Heiden! Wahrer Glaube ist sparsam in Worten und spricht nicht mehr aus, als ihm selbst tiefste Herzenswahrheit ist. Der Zöllner betete nur die fünf Worte: „Gott sei mir Sünder gnädig!“ und erbetete sich doch die ganze Seligkeit, Der Schächer betete nur ein armes: Herr, gedenk' an mich! und der Herr nahm ihn mit in's Paradies. Des Gerechten Gebet vermag viel, nicht wenn es lang ist, sondern wenn es ernstlich ist.

V. 2. Denn wo viel Sorgen ist, da kommen Träume; und wo viele Worte sind, da höret man den Narren.

Aus der Menge der Mühen kommen die Träume, so heißt es wörtlich. Die Träume sind in der Schrift theils ein Sprüchwort für Flüchtigkeit und Unwirklichkeit, theils bedeutungsvolle und göttlich gewirkte Sinnbilder. Hier kommen sie in dem ersten Sinne in Betracht; viele äußerliche Geschäftigkeit erregt verworrene und regellose Träume; so umnebelt das viele Plappern das Gemüth dessen, der da betet, daß er bald selbst nicht mehr weiß, was er betet und nicht gerechtfertigt von dannen geht. Einen Narren nennt der Verfasser so einen träumerischen Beter. Das hebräische Wort (Kesil) bezeichnet den trotzigen Narren, der sich in der Thorheit steift und sein Herz verhärtet hat - es ist die Narrheit der Gewohnheitsfrömmigkeit, die sich täglich äußerlich mit Gott meint abfinden zu können durch leere Worte und die aller Mahnungen: „Gieb mir mein Sohn dein Herz“ spottet, zwar noch immerhin ein religiöses Leben, aber ein Traumleben, das mit einem schrecklichen Erwachen endet.

V. 3. Wenn du Gott ein Gelübde thust, so verziehe es nicht zu halten; denn er hat Keinen Gefallen an den Narren. Was du gelobest, das halte.

Zu den äußeren Satzungen des Kindheitszustandes im alten Bunde gehörten auch die Gelübde - entweder Weihgelübde oder Entsagungsgelübde -, freie, feierliche Versprechungen, um sich der besonderen Gnade, namentlich des besonderen Schutzes Gottes zu versichern. kann es auch nicht verkannt werden, daß solche Gelübde der menschlichen Schwachheit zu Hülfe kommen und bei unsrer angebornen Trägheit uns ein heilsamer religiöser Sporn sein können, so ist doch mit den Gelübden die Gefahr der Werkheiligkeit und Selbstgerechtigkeit nahe verbunden. Man denke an die Mönchsgelübde. Daher werden schon im alten Testamente Gelübde nie ausdrücklich allgemein befohlen; im Gegentheil es heißt 5 Mose 23, 22: „Wenn du das Geloben unterwegen lässest, so ist dies keine Sünde;“ im neuen Bunde aber haben Gelübde eigentlich gar keine Stelle mehr, denn der Christ begiebt sich jederzeit mit Leib und Seele und Allem, was sein ist, Gotte zum Opfer und da er ihm eben Alles opfert, so bleibt nichts Einzelnes mehr übrig, was er ihm noch durch ein besonderes Gelübde darzubringen versprechen könnte. „In der Heiligung frei geworden, bedarf der christliche Wille nicht des Zwanges der Gelübde.“ Es ist so etwas wie ein Hineinragen des alttestamentlichen Geistes in die evangelische Christenheit, wenn die Gelübde z. B. in den s g. Enthaltsamkeitsvereinen wieder auftauchen. Die Bekehrung zu dem Herrn Jesu Christo schafft eine bessere Enthaltsamkeit, als das drohende Schwert des Gelübdes. Hat man aber dem Herrn einmal etwas gelobt in alttestamentlichem Sinn und Geiste, nun dann ist es allerdings heilige Pflicht, das Gelübde zu halten; ein laut ausgesprochenes Gelübde ist ein mit Eideskraft bindendes, wie geschrieben steht 4 Mose 30, 3 u. a. St. - Wer nicht hält, was er gelobt, ist unserm Verfasser ein ebensolcher Narr, als der, der zu Gott betet in gedankenlosem Plappern. Wenn schon zwischen Mensch und Mensch „das Versprechen und Halten“ recht und nöthig ist, wie vielmehr zwischen dem Menschen und dem Herrn im Himmel!

V. 4. Es ist besser, du gelobest nichts, denn daß in nicht hältst, was du gelobest.

Es ist anders mit dem Geloben, als mit dem Beten. Während das Nichtbeten ebenso schlecht ist, als das schwatzhafte Beten, ist das Nichtgeloben tausendmal besser, als das leichtsinnige Geloben. Denn Beten ist Pflicht, das Gelübde aber Sache des freien Beliebens, Besser, ich verpflichte mich gar nicht zu einer Sache, für die ich mich nicht verbindlich zu machen brauche, als ich verpflichte mich und erfülle die Verpflichtung nicht.

V. 5. Verhänge deinem Munde nicht, daß er dein Fleisch verführe; und sprich vor dem Engel nicht: Ich bin unschuldig! Gott möchte erzürnen über deiner Stimme und verdammen alle Werke deiner Hände.

Verhängen - das Wort steht in der jetzt nicht mehr gebräuchlichen Bedeutung: zulassen, verwilligen. Der Gottesfürchtige soll dem Munde nicht verwilligen, „sein Fleisch sündig zu machen“ d. i. in diesem Zusammenhange: den ganzen Menschen durch ein leichtsinniges Gelübde in schwere Schuld zu stürzen. Denn wenn man hinterher auch vor dem Engel, vor dem Boten d. i. dem Boten Gottes, dem Priester, den Bruch seines Versprechens durch ein Opfer zu sühnen sucht und sich so selbst für frei von aller Schuld erklärt, wer weiß, ob der große Gott die so leichtsinnig aufgehäufte Schuld auch wirklich seinerseits vergiebt? Traurige Beispiele für diesen Gedanken sind unter uns solche Menschen, die das Enthaltsamkeitsgelübde feierlich abgelegt und es dennoch übertreten haben; da hält die Besserung doppelt schwer. Die Priester Gottes Engel zu nennen, ist eine Lieblingssprechweise des Propheten Maleachi, vergleiche Mal. 2, 7; 3, 1, mit dessen Buche auch der ganze Ton und die Sprache des Prediger Salomo die allermeiste Aehnlichkeit hat.

V. 6. Wo viele Träume sind, da ist Eitelkeit und viele Worte, aber fürchte du Gott!

Leichtsinniges Geloben und vorschnelles, schwatzhaftes Beten - das ist eine Doppelpflanze, die auf dem Boden eines träumerischen, verworrenen religiösen Lebens wuchert. Der Verfasser aber dringt auf eine Anbetung Gottes im Geiste und in der Wahrheit, im Lichte und in der Klarheit, darum mahnt er: Fürchte du Gott! Die wahre Gottesfurcht ist etwas Lichtes, Klares; sie ist schnell zu hören, aber langsam zu reden, darum auch langsam zu geloben; sie ist zuverlässig und treu und hält darum auch, wenn sie verspricht, was sie verspricht.

V. 7. Siehest du im Lande Unrecht thun und Recht und Gerechtigkeit im Lande wegreißen, wundere dich des Vornehmens nicht, denn es ist noch ein hoher Hüter über den Hohen, und sind noch Höhere über die Beiden.

Es hat etwas ungemein Anfechtungsvolles, wenn man wahrnehmen muß, daß selbst diejenigen, die von Gott und Rechts wegen dazu da sind, die Gerechtigkeit auf Erden zu vertreten, das Recht beugen und ihre Hände mit Frevel bestecken. Das redliche Gemüth muß sich allerdings verwundern, wenn das Laster im Lande blüht unter dem Schutze der Gewalt und Hoheit. Der Verfasser aber löst die Räthsel, die die zeitweilige Herrschaft der Ungerechtigkeit auf Erden dem Gemüthe aufgiebt, durch die Bemerkung: „Ueber die Hohen wacht ein Höherer, und Hohe (oder Höchste) sind über sie Alle.“ Nach dem Zusammenhang ist jedenfalls der Sinn: Auch der hochgestellteste Mensch hat einen Höheren über sich, der an ihm Vergeltung üben wird. Aber schon die Juden sahen in diesen Worten ein hohes Geheimniß, und manche christliche Ausleger lassen diese Worte auf die heilige Dreieinigkeit zielen. Die Hohen, die Höchsten, die über Alle sind, es sind ja allerdings - so erkennen wir im Lichte des neuen Testaments - Gott Vater, Sohn und heiliger Geist. Unter dem Höheren ist wohl nicht ein Engel, sondern höhere irdische Obrigkeiten zu verstehn.

V. 8. Ueber das ist der König im ganzen Lande, das Feld zu bauen.

Wörtlich: Und ein Vortheil des Landes ist in alle dem, daß ein König da ist für ein bebautes Feld. So schrecklich ein tyrannisches Regiment ist, es ist doch wenigstens noch ein Regiment, und darum tausendmal vorzuziehn jenem Zustande der Unordnung, da sich die Völker selbst befrein und unter dem Feldgeschrei Freiheit und Gleichheit die Frechheit und die Liederlichkeit an das Steuerruder setzen. Die Bibel verdammt Alles, was auch nur von ferne mit Empörung und Revolution zusammenhängt, auf's Entschiedenste. Paulus hat unter dem Regimente des Tyrannen Nero das Wort geschrieben: Jedermann sei unterthan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat Röm. 13, und das andre, daß wir vor allen Dingen thun sollen Bitte, Gebet, Fürbitte für die Könige und für alle Obrigkeit. Ach, wenn die Unterthanen so fleißig beteten für die Obrigkeit, als sie derselben oft Böses nachreden und ihr fluchen, so würde es besser um das Regiment im Lande stehn. Es ist hier wohl an der Stelle, eines herrlichen Wortes Luthers zu gedenken, der einmal sagte: „Obrigkeit ändern und Obrigkeit bessern sind zwei verschiedene Dinge, die so weit von einander sind, als Himmel und Erde. Aendern mag leichtlich geschehn, bessern ist mißlich und gefährlich; es steht allein in Gottes Hand und Willen. Der tolle Pöbel kriegt dann Hummeln für Fliegen und zuletzt Hornissen für Hummeln. Und wie die Frösche vor Zeiten auch nicht mochten den Klotz zum Herrn leiden, kriegten sie den Storch dafür, der sie auf die Köpfe hackte und fraß sie. So ja Unrecht soll gelitten sein, so ist's zu erwählen, von der Obrigkeit zu leiden, als daß die Obrigkeit von den Unterthanen leide. Denn der Pöbel hat und weiß kein Maaß, es steckt in einem Jeglichen mehr denn fünf Tyrannen. Nun ist's aber besser von Einem Tyrannen Unrecht leiden, denn von unzähligen Tyrannen, das ist dem Pöbel.“

V. 9. Wer Geld liebet, wird Geldes nimmer satt; und wer Reichthum liebet, wird keinen Gewinn davon haben. Das ist auch eitel.

Von diesem Verse an bis zum Ende des sechsten Kapitels folgt nun eine längere, sehr beherzigenswerthe Auseinandersetzung zur Würdigung des Reichthums, die schon früher Gesagtes theils einfach wieder aufnimmt, theils näher ausführt. Zwischen diesem Verse und dem vorigen ist zum Uebergang der Zwischengedanke zu ergänzen: „Bei der Eitelkeit aller Dinge, die im Lande herrscht, könnte man sprechen: Ist doch alles eitel, dann will ich wenigstens so viel irdische Schätze sammeln als möglich.“ Das ist auch eitel - spricht der Verfasser. Geld macht den suchenden Geist nicht satt, Reichthum nützt der unsterblichen Seele nichts.

V. 10. Denn wo viel Guts ist, da sind Viele, die es essen; und was genießt sein, der es hat, ohne daß er es mit Augen ansiehet.

Wie oft in unserm Buche hoher geistlicher Sinn sich mit sehr einfachen Bemerkungen, die aus der Erfahrung des gemeinen Lebens gegriffen sind, berührt, so auch hier. Der viel irdisches Gut hat, bedarf zu desselben Verwerthung und Verwaltung ein Heer von Dienern und Mitessern an seinem Tisch, und er selbst hat vor diesen nicht viel mehr voraus, als daß er das Gut ansieht und sagen kann: dies Alles ist mir unterthänig - was doch wahrlich auch nicht ein besonders großes Glück ist.

V. 11. Wer arbeitet, dem ist der Schlaf süße, er habe wenig oder viel gegessen; aber die Fülle des Reichen lässet ihn nicht schlafen.

Ebenfalls ein Satz der Erfahrung aus dem gemeinen Leben. Wie mancher reiche Mann beneidet den armen Arbeiter um seinen süßen Schlaf. Der Schlaf gehört zu denjenigen Wohlthaten der ewigen Güte Gottes, die des Dankes so werth sind und für die doch so wenig gedankt wird; es ist wohl ein rührendes und ergreifendes Bild eine schlafende Arbeiterfamilie mit dem Verslein als Unterschrift: „Da sich der Tag geendet hat, die Sonne nicht mehr scheint, -schläft Alles, was sich abgematt't und was zuvor geweint.“ Dem frommen Reichen enthält der große Gott ja auch die Wohlthat des Schlafes nicht vor; bei ihm findet auf des Tages Neige ja auch das Wörtlein Platz: Müde bin ich', geh' zur Ruh, schließe beide Augen zu. Denn nicht am Gelde klebt der Fluch der Schlaf- und Ruhelosigkeit, sondern an dem Herzen, das das Geld zu seinem Götzen macht. Fülle mit Gottlosigkeit und Geiz verbunden läßt nicht schlafen, weil der Geiz ein Mörder des Schlafes ist. Immer mehr haben wollen und in beständiger Angst schweben, ob auch die Diebe nach den Schätzen graben, das jagt auch unter Baldachinen reichster Pracht den Schlummer von den Augen.

V. 12-16. Es ist eine böse Plage, die ich sähe unter der Sonne, Reichthum behalten zum Schaden dem, der ihn hat. Denn der Reiche Kommt um mit großem Jammer (wörtlich: solcher Reiche kommt um in böser Plage); und so er einen Sohn gezeuget hat, dem bleibet nichts in der Hand. Wie er nackend ist von seiner Mutter Leibe gekommen; so fahret er wieder hin, wie er gekommen ist und nimmt nichts mit sich von seiner Arbeit in seiner Hand, wenn er hinfähret (wörtlich: nimmt nichts mit sich von seiner Arbeit, das er in seiner Hand davon trüge): Das ist eine böse Plage (ein arges Uebel), daß er hinfähret, wie er gekommen ist. Was hilft es ihm denn, daß er in den Wind gearbeitet hat? Sein Lebenlang hat er im Finstern gegessen und in großem Grämen und Krankheit und Traurigkeit.

Von Reichthum, in Gottlosigkeit gewonnen und in Gottlosigkeit gehäuft und zur Gottlosigkeit verwendet, wird es immer gelten: Unrecht Gut gedeihet nicht, und wie gewonnen, so zerronnen. Der gottlose Reiche hat, wenn er den Fuß in's Grab setzt, weiter nichts als Gold und Sünden; das Gold muß er hier lassen, die Sünden aber nimmt er mit, und mit den unvergebnen Sünden fährt er in die Verdammniß. Wie sehr dann aber das unrechte Gut, wenn nicht im ersten Gliede, so doch im zweiten Gliede auch, in irdische Armuth umschlägt, zeigen tausend Beispiele auch unserer Zeit. Man sehe sich z. B. einmal um bei den Familien, die das s. g. große Loos in Lotterien oder große Summen in den beklagenswerthen Spielbanken gewonnen haben, wie lange das vorhält; der Jammer, der daraus erwächst, hält allerdings lange vor, oft in's dritte und vierte Glied, das Geld selbst aber pflegt schon im ersten Gliede und zwar sehr bald zu versiegen.

V. 17-19. So sehe ich nun das für gut an (wörtlich: siehe da, was ich gut fand), daß es fein sei, wenn man isset und trinket und gutes Muths ist in aller Arbeit, die Einer thut unter der Sonne sein Leben (sein kurzes Leben) lang, das ihm Gott giebt, denn das ist sein Theil. Denn (besser: ferner) welchem Menschen Gott Reichthum und Güter und Gewalt giebt, daß er davon isset und trinket für sein Theil (wörtlich: und nimmt sein Theil) und fröhlich ist in seiner Arbeit; das ist eine Gottesgabe. Denn er denket nicht viel an das elende Leben, weil Gott sein Herz erfreuet (wörtlich: Denn er denkt nicht viel an die Tage seines Lebens, weil Gott ihn beschäftigt in der Freude seines Herzens).

Derselbe Gedanke wie 2, 24; 3, 13, nur in weiterer Ausführung. Es ist mitten in der Eitelkeit des Lebens eine Gnade von Gott, wenn der Mensch über dem kindlichen, dankbaren Genuß der Dinge, die Gott bescheert, die Kürze und das Elend des Lebens vergißt. Manche Christen gehen immer so mürrisch und sauersehend einher, das ist nicht fein. Wir sollen vielmehr Alle den Kämmerer aus Mohrenland uns zum Vorbild nehmen, von dem geschrieben steht: Er zog seine Straße fröhlich.

Kapitel 6

Kap. 6, V. 1-3. Es ist ein Unglück, das ich sähe unter der Sonne und ist gemein bei den Menschen. Einer, dem Gott Reichthum, Güter und Ehre gegeben hat, und mangelt ihm Keins, das sein Herz begehrt; und Gott ihm doch nicht Macht giebt, desselben zu genießen, sondern ein Anderer verzehrt es, das ist eitel und eine böse Plage. Wenn er gleich hundert Kinder zeugete und hätte so langes Leben, daß er viele Jahre überlebte und seine Seele sättigte sich des Gutes nicht und bliebe ohne Grab; von dem spreche ich, daß eine unzeitige Geburt besser sei, denn er.

Fortgesetzte Schilderung des zweifelhaften Werthes des Reichthums, in der als neues Moment nur noch die Ehre dazu genommen ist. Was hilft aller Reichthum, das ist der Gedankengang, wenn der, der ihn hat, ihn nicht genießen kann oder, wenn er ihn genießt, ihn mit Sorgen und Aengsten genießt, oder, wenn auch das nicht, ihn doch bald wieder verliert, so daß ihm am Ende nicht einmal so viel bleibt, daß er sich ein ehrliches Begräbniß verschaffen kann? An einem Dinge, das so ungewiß ist, wie der Reichthum, kann wahrhaftig das Glück nicht haften. Eine unzeitige Geburt bezeichnet das Schwache, Unvollkommene, Unansehnliche, Unwürdige, Nichtige; und doch dies Nichtige ist noch mehr als das, was etwas sein will und doch nichts ist, wie das Geldglück.

V. 4. 5. Denn in Eitelkeit kommt er (kam sie) und in Finsterniß fähret er dahin (fuhr sie dahin) und sein (ihr) Name bleibet in Finsterniß bedeckt, wird der Sonne nicht froh (sie sah die Sonne nicht und kannte sie nicht) und weiß keine Ruhe Weder hier noch da (: die hat Ruhe vor jenem.)

Nicht von dem Reichen ist hier die Rede, wie es nach der Lutherschen Uebersetzung scheinen könnte, sondern von der unzeitigen Geburt; so nichtig sie ist, sie ist doch noch besser daran, als der Mensch, der alles Heil vom Reichthum erwartet, denn sie braucht sich nicht mit seinen Sorgen zu plagen.

V. 6. Ob er auch zwei tausend Jahre lebte, so hat er nimmer keinen guten Muth: Kommt es nicht Alles an Einen Ort?

Besser gar nicht leben, das ist der Sinn, als sein Leben in der unnützen Sorge des ungewissen Reichthums aufreiben. Wie das: „Es fähret Alles an Einen Ort“ zu verstehen ist, betrachteten wir schon bei der Erklärung der gleichlautenden Stelle 3, 20. Alles, was stirbt, fährt in die Todtenwelt.

V. 7. Einem jeglichen Menschen ist Arbeit aufgelegt nach seiner Maaße; aber das Herz kann nicht daran bleiben.

Das Herz wird davon nicht voll, heißt es eigentlich, die Begierde nach Höherem wird dadurch nicht gestillt. Jeder hat Arbeit nach seinem Maaß d. h. nach Verhältnis) seiner Kräfte. Gott giebt Jedem so viel zu thun, als er leisten kann. Wenn es Gott so macht, sollen es Menschen nicht anders machen, sollen z. B. Herrschaften ihrem Gesinde nicht Ueberlast thun und sie nicht vom Morgen bis zum Abend jagen wie ein gescheuchtes Wild. Es ist aber für das erste Glied unseres Verses auch die Uebersetzung möglich: Alle Mühe des Menschen ist für seinen Mund, so daß dann der Sinn des Ganzen wäre: Arbeiten macht wohl satt, aber nicht selig; der Mensch lebt nicht vom Brot allein.

V. 8. Denn was richtet ein Weiser mehr aus, weder (als) ein Narr? Was unterstehet sich der Arme, daß er unter den Lebendigen will sein?

Weisheit und Thorheit, Reichthum und Armuth sind ohne Gottesfurcht gleich nichtig, gleich eitel. Im zweiten Kapitel war das näher ausgeführt.

V. 9. Es ist bester, das gegenwärtige Gut gebrauchen, denn nach Anderem gedenken. Das ist auch Eitelkeit und Jammer.

Es ist ein eitles, windiges Streben, in die Ferne zu schweifen, während das Gute so nahe liegt. Genieße froh, was dir beschieden; entbehre gern, was du nicht hast. Bei vielen Menschen besteht das Kreuz, über das sie klagen, einfach in ihrer eignen Unzufriedenheit. Ein Christ soll immer genügsamer werden und immer zufriedner, daß er mit dem gottseligen Spitta singen kann:

Wohl werden unsre Wünsche kleiner.
Und kleiner wird um uns die Welt;
Doch wird auch unsre Freude reiner
Und nicht von Bitterkeit vergällt;
Wir werden stille und bescheiden
Im Glücke, voll Geduld im Leiden,
Wir sind des Heilands Eigenthum,
Und das ist unser höchster Ruhm.

V. 10. 11. Was ist es, wenn einer gleich hochberühmt ist, so weiß man doch, daß er ein Mensch ist und kann nicht hadern mit dem, der ihm zu mächtig ist. Denn es ist des eitlen Dinges zu viel; was hat ein Mensch mehr davon?

In wörtlicher Uebersetzung: Was auch Jemand sei, vorlängst ist sein Name genannt und es ist bekannt, daß er ein Mensch ist und daß er nicht kann rechten mit dem, der stärker ist, als er. Fürwahr, es giebt viele Dinge, die die Eitelkeit vermehren; was hat der Mensch davon? Die bittere Wurzel aller Qual und Unruhe des Menschen ist die Vergeßlichkeit. Der Mensch vergißt so leicht, daß er ein Mensch ist, seitdem die alte Schlange das verführerische Wort gesprochen: Ihr werdet sein, wie Gott! Gott aber sucht den Menschen durch die Eitelkeit der Dinge, die eine Folge des Sündenfalls ist, wieder und immer wieder zu erinnern, daß der Mensch ein Mensch ist und zwar ein gefallner Mensch. Je mehr der Mensch sich erinnern läßt und sich selbst erkennt in seiner zeitlichen Nichtigkeit und in seiner Ewigkeitsbestimmung, in seiner Abhängigkeit von Gott und in seiner Zugehörigkeit zu Gott, desto mehr wird er auch inwendig frei werden von den vielen Dingen, die nur die Eitelkeit erhöhen, und das Eine suchen, was noth ist. Seele, was ermüdst du dich in den Dingen dieser Erden, die ja doch verzehren sich und zu Staub und Asche werden. Suche Jesum und sein Licht, alles Andre hilft dir nicht. Der Herr helfe uns, daß wir uns selbst und die Dinge dieser Erde immer gründlicher kennen lernen, so werden wir auch unser Wohl und Heil immer unbedingter suchen einzig und allein in dem Erbarmen Gottes in Christo. Amen.

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