Quandt, Emil - Der Brief St. Pauli an die Philipper - XIII. Der Name, der über alle Namen ist.

Quandt, Emil - Der Brief St. Pauli an die Philipper - XIII. Der Name, der über alle Namen ist.

Am Sonntag vor Himmelfahrt.

Kap. 2. 9.

Darum hat ihn auch Gott erhöht, und hat ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist. Amen.

So kurz dieser Text ist, so will ich ihn doch für unsere heutige Andacht noch verkürzen. Ich werde nur über die eine Hälfte des Textes predigen, nämlich darüber, dass Gott dem Herrn Jesus einen Namen gegeben hat, der über alle Namen ist. Dagegen wollen wir das andere, dass Gott den, der sich erniedrigte und gehorsam ward bis zum Tode am Kreuz, erhöht hat, im Anschluss an unsere gemeinsamen Weihnachts- und Karfreitagsbetrachtungen über Phil. 2, will's Gott, am Himmelfahrtsfeste als am Feste der Erhöhung betrachten. Heute versenken wir uns einzig und allein in die Worte: „Er hat ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist.“ Ich bin der guten Meinung, dass der Name, der über alle Namen ist, wohl eine besondere, erbauliche Betrachtung verdient. Ich glaube auch, dass es unserer demnächstigen Himmelfahrtsandacht nur zu Gute kommen kann, wenn wir die Herrlichkeit des Namens Jesu, die Phil. 2 in ihrer besonderen Beziehung zur Erhöhung des Herrn geschildert wird, vorher ohne diese Beziehung betrachten.

Der bekannte Einwand, dass es nicht wohlgetan sei, bedeutende Worte der Bibel aus ihrem Zusammenhang loszulösen, ist hinfällig. Wir modernen Prediger dürfen nicht klüger sein wollen als Christus und seine Apostel. Als der Heiland in der Synagoge von Nazareth über Jes. 61 predigte, da erläutert er nicht erst den Zusammenhang der prophetischen Worte, sondern predigte frisch weg: Heute ist diese Schrift erfüllt vor euren Ohren. Als Paulus seine milesische Abschiedspredigt hielt, kam er auf das Wort des Heilandes: „Geben ist seliger, denn Nehmen“ zu sprechen; aber in welchem Zusammenhang der Heiland dies Wort gesagt hat, darüber schweigt der Apostel, und wir wissen es bis heute nicht, aber wir danken Gott, dass wir das köstliche Wort des Herrn Jesu haben, und denken oft demselben nach. Denke, es schenkt dir jemand einen schönen Blumenstrauß, und du. hast deine helle Freude daran, und du löst nun eine Blume los von dem Strauß und erfreust dich vorweg am Dufte dieser einzelnen Blume - wer will es dir verdenken?

Nur in einer Hinsicht bedarf allerdings der Name, der über alle Namen ist, für eine Einzelbetrachtung noch einer kurzen Erläuterung aus dem Zusammenhang. Nicht von einem neuen, ungenannten und mit Menschenzunge unnennbaren Namen ist in dem paulinischen Bericht über die Erhöhung Christi die Rede was hatte ein neuer Name des Herrn Jesu, ein Name, den wir nicht kennen und nicht nennen können, denn auch für uns zu bedeuten? sondern von dem alten Namen Jesus ist die Rede, den der Heiland erhalten hatte, noch ehe er geboren war, und den er trägt auch nach seiner Erhöhung und tragen wird in Ewigkeit, nur dass sich durch die Erhöhung und seit der Erhöhung mit diesem Jesusnamen eine Majestät verband, die jedem anderen menschlichen Namen versagt ist.

Jesus ist der Name, der über alle Namen ist,

das ist heute unser Thema; und unsere Teile sind

1. Jesus ist der heiligste Name,
2. Jesus ist der tröstlichste Name,
3. Jesus ist der kräftigste Name.

Herr Jesu, dein Name ist wie eine ausgeschüttete Salbe. Ehr' sei dem hohen Jesusnamen, in dem der Liebe Quell entspringt. Amen.

1.

Gott hat unserem Heiland einen Namen gegeben, der über alle Namen ist. Nicht in dem Sinne, als ob der aus fünf Buchstaben bestehende Name Jesus als Nennname nur der Person unsers Heilandes eigne und nach seinen Buchstaben an andere unübertragbar sei. Im Gegenteil, Jesus, das ist die griechische Form des Namens, der auf Hebräisch Josua lautet, ist ein Nennname wie viele andere, und viele andere Menschen trugen diesen Namen. Mancher Mann im alten Bunde hieß Josua; und wenigstens einen alttestamentlichen Josua kennt jedes Christenkind und auch jedes Judenkind, Josua den Nachfolger des Moses. Aus den Apokryphen ist uns Jesus Sirach bekannt, aus dem neuen Testamente Jesus Justus, der treue Missionsgehilfe Pauli in Rom. Aber an all' diese andere Jesusse und Josuas denken wir gar nicht, wenn der Name Jesu genannt wird; nicht die armen, gebrechlichen Sünder, die diesen Namen trugen, kommen uns in den Sinn, sondern wir denken allein an den einen einzigen makellosen, heiligen Träger dieses Namens; und weil er, dieser Einzige, den niemand einer Sünde zeihen kann, diesen Namen trug und trägt, darum ist uns der Name Jesu der heiligste Name und damit ein Name, der über alle Namen ist.

Es gibt ja viele andere Namen, die uns ehrwürdig sind und die wir mit Ehrfurcht nennen, weil in und mit diesem Namen gottselige Gestalten vor die Augen unserer Seele treten, Helden und Heldinnen im Reiche Gottes, Kinder des Lichts, leuchtend wie die Sterne immer und ewiglich. Solch' ein geweihter Name ist Maria; wo dieser Name genannt wird, erinnert er uns an die gebenedeite Jungfrau, an die Mutter voller Schmerzen, an die demütigste Magd des Herrn. Solch' ein frommer Name ist Johannes; wo wir ihn nennen, gedenken wir des liebenswürdigen Apostels der Liebe, des Freundes an der Brust des Menschensohnes, des Märtyrers auf dem pathmischen Eiland. Paulus, Augustinus, Luther, es sind drei Namen, die Millionen andere Namen überragen, denn sie nennen die drei größten Herolde des christlichen Glaubens in der Welt, die eines Hauptes höher sind, als alles andere Christenvolk. Und so könnte ich ja noch lange beim Aufzählen ehrwürdiger Namen verweilen, aber ich will nur sagen, heilige Namen sind sie alle mit einander nicht für uns. Wenn es die römische Kirche vergessen hat, so ist die evangelische Kirche dazu da, es der Menschheit immer wieder zu sagen: Auch Maria war eine arme Sünderin, und jedes Ave Maria ist selbst eine Sünde. Johannes aber sagt wie von uns, so von sich selber: „So wir sagen, wir haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.“ Und so umweben und umschweben die dunklen Schatten der Sünde auch die Namen solcher Lichtgestalten wie Paulus, Augustinus, Martinus. Es trifft bei allen Heil'gen ein, sieht man erst in ihr Buch hinein, dass sie voll vieler Sünde sein. Es gibt nur einen heiligen Mann und darum im strengsten Sinne des Wortes auch nur einen heiligen Namen. Der Mann ist Jesus; der Name ist Jesu; der Name Jesu ist der heiligste Name.

Jesus! Wen nennt dieser Name? Jenes wunderbare Wesen, das beim Vater war, ehe die Menschheit war, und das, dem Vater gehorsam und der gefallenen und durch den Fall unglücklich gewordenen Menschheit zu Liebe, in der Fülle der Zeit ein Glied der Menschheit wurde, wahrhaftiger Mensch vom Weibe geboren, nur ohne Sünde. Er war wie unser einer, ein Säugling, ein Kind, ein Jüngling, ein Mann; er arbeitete, so lange es Tag war, und schlummerte, wenn die Nacht kam, er aß, wenn ihn hungerte und trank, wenn ihn dürstete, er lächelte und weinte, er hatte Freunde und Feinde, er kam ins Leiden und ins Sterben. Und doch war er so anders wie unser einer. Seine Gedanken waren immer eins mit den Gedanken Gottes, und wo sie scheinbar auseinandergingen, flossen sie in das Gebet: Vater, nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe! Seine Worte, wenn er redete, waren Worte des ewigen Lebens, nie hat ein Mensch geredet, wie dieser Mensch; und wenn er schwieg, so war es ein heiliges Schweigen, da er nicht wieder schalt, wenn er gescholten ward, und nicht drohte, wenn er litt, und sich unschuldig strafen und martern ließ, wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer und seinen Mund nicht auftut. Seine Werke waren lauter Werke des Gehorsams, denn es war seine tägliche Speise, den Willen des Vaters zu tun, und Werke der Liebe, denn wo er jemals Not und Elend erblickte, war er mit Hilfe und Erbarmen nah. Die Menschheit hat keine Erinnerung, die der an das unscheinbare und doch so herrliche Leben und Wirken des Menschensohnes, auch nur von ferne gleich käme. Das Leben Jesu ist das heiligste Menschenleben, das auf Erden gelebt worden ist. Jesus! Das ist der Name des einzigen Heiligen auf Erden und darum der heiligste Name, in dem wir anbeten und sprechen: Heiligster Jesu, Heiligungsquelle, mehr als Kristall rein, klar und helle, du lauterer Strom der Heiligkeit!

2.

Gott hat unserem Heiland einen Namen gegeben, der über alle Namen ist. Ist der Name Jesu schon als heiligster Name, der unter den Menschen genannt wird, von der weitreichendsten Bedeutung, so ist er doch für uns Menschen des Staubes und der Schuld noch bedeutungsvoller durch den Trost, den er in sich birgt. Der Name Jesu ist der tröstlichste Name.

Und zwar allerdings schon im buchstäblichen Sinne. Jesus, Josua heißt zu Deutsch: Jehovah ist das Heil oder Jehovah macht selig; und wir wissen aus Engels Munde, dass der Heiland gerade deswegen diesen Namen empfing, weil er sein Volk selig machen sollte und wollte von ihren Sünden. Alle anderen, die den Jesusnamen trugen, hießen nur Seligmacher, aber waren keine Seligmacher; Jesus Christus aber war, was er hieß, ist's und bis an das Ende der Tage, ist der Seligmacher der armen Sünder, der Retter der schuldbeladenen Menschheit. Bei ihm, wie bei keinem anderen Menschen, stimmt der Name völlig mit seinem Wesen und Werke überein; sein Name ist der Name, in dem wir selig werden, denn seine Person hat uns die Seligkeit erworben und schenkt sie fort und fort allen, die an ihn glauben. Darum ist der Name Jesu für den einzelnen Sünder und für die ganze Sünderwelt der tröstlichste Name.

Tröstet, tröstet, mein Volk, so tönte es von den Propheten zu den Aposteln hinüber. Gottes Volk im nächsten Sinne war das auserwählte Volk, das Volk Israel; darum trugen die Apostel zunächst zu den Juden den Namen des Herrn Jesu und bezeugten ihnen, dass, wer den Namen Jesu im Glauben anruft, selig wird. Aber auch die Heiden sollten Gottes Volk werden und der Trost Israels sollte auch ihr Trost werden. Darum trugen Paulus und seine Mitarbeiter den Namen Jesu zu den Heiden und zu den Königen und predigten ihnen das trostreiche Evangelium von dem Herrn Jesu, der um unserer Sünden willen gestorben und zu unserer Gerechtigkeit auferwecket ist. Und wie viele Juden und Heiden auch immer sich gegen die Kunde vom Heil in Jesu Namen verstockten, Hunderttausende und Millionen haben im Laufe der Zeiten gläubig das süße Wort von Jesu angenommen und in seinem Namen empfangen Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit. Wir sind im Christentum geboren und kennen den tröstlichen Namen Jesu von Kindesbeinen an. Wir wissen, wenn anders unserem Christennamen irgendwie unser Christenleben entspricht, aus mannigfaltiger Erfahrung, wie wunderbar das bange, unter dem Gefühl der Schuld erzitternde Menschenherz getröstet und gestärkt wird durch den Namen Jesu als den Namen dessen, der unsere Sünde in seinem Blut gesühnt. Wir rufen es jedem Bruder, der von einem Fehl übereilet ist, jeder trauernden Magdalene mit sanftmütigem Geiste zu: Jesus nimmt die Sünder an; er zerstößt nicht das zerbrochene Rohr, er löscht das glimmende Tocht nicht aus.

Und wie in dem großen Schmerz der Sünde, so ist auch in allen anderen Schmerzen, die das Leben auf Erden bringt, der Name Jesu der tröstlichste Name, Wenn das kranke Kind um Trost nach seiner Mutter ruft, so ruft der leidende Mann, die gebrochene Frau, so rufen sie nach ihrem Jesus; denn sie wissen, dass er seine Kreuzträger auf Erden tröstet, wie einen seine Mutter tröstet. Und sitzt hier heute irgendwo ein bekümmertes, sorgenvolles Menschenkind mit einem großen Herzeleid im Herzen, mein Bruder, meine Schwester, wirf Sorgen und Schmerz ins liebende Herz des mächtig dir helfenden Jesus! Ja, wenn es keinen Jesus gäbe, wenn der Name Jesu aus den Büchern der Menschheit ausgetilgt wäre, wer möchte in all dem Jammer, der eine Menschenseele treffen kann, dann noch trösten wollen, wer wollte sich dann noch trösten lassen! Aber Jesus lebt! Jesus Christus gestern und heute und derselbe in Ewigkeit. In seinem Namen liegt der Trost der Ewigkeit für alle Trübsale dieser Zeit. Der Name Jesu ist der tröstlichste Name.

3.

Gott hat unserem Heiland einen Namen gegeben, der über alle Namen ist. Wir dürfen um unserer selbst willen über der Heiligkeit und der Trostesfülle dieses Namens nicht die Kraft vergessen, die in dem Namen Jesu liegt. Der Gefahr einer weichen, in Gefühlen zerfließenden Gläubigkeit gegenüber, die im Namen Jesu sich immer nur trösten lässt oder sich selber tröstet, aber dabei nie einen Schritt vorwärts, geschweige aufwärts kommt, ist es sogar mit Nachdruck zu betonen, dass der Name Jesu auch darum der Name über alle Namen ist, weil er der kräftigste Name ist. Doch kann ich diesen biblischen Gedanken zum Schluss heute nur noch streifen.

Alle, die den Namen des Herrn Jesu im Geist und in der Wahrheit anrufen, strecken sich nach dem Himmel, aber sie sind noch nicht im Himmel. Sie strecken sich nach dem Himmel; zum Himmel ist ihnen Jesus vorangegangen, den Himmel hat er ihnen geöffnet; zum Himmel ruft er sie, zum Himmel treibt er sie, zum Himmel zieht er sie mit mächtiger Kraft; sie wären nicht wert, Jesu Namen zu nennen, wenn sie sich nicht nach dem Himmel streckten. Aber sie sind noch nicht im Himmel, ihre Füße wandeln noch im Wüstensand auf rauer Bahn, sie werden älter und erfahrener, gewiss aber auch schwächer und langsamer, denn unterwegs verlieren sie die Kräfte. Wenn einer ein rüstiger Zionspilger war, dann war es Paulus; und doch wie matt und schwach wurde er im alternden Leben oft, dass er in seiner unnachahmlichen Weise über den Pfahl in seinem Fleische klagte und über den Engel des Satans, der ihn mit Fäusten schlug. Aber ist Paulus jemals seiner Schwachheit unterlegen? Nein. Er rief den Namen des Herrn Jesu an und ließ sich an der Gnade Jesu genügen und erfuhr die Kraft des Herrn Jesu so gewaltig in seiner Schwachheit, dass er in kühnem Widerspruch jauchzen konnte: Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark. Im Namen Jesu empfing er immer wieder neue Kraft, dass er ausfuhr mit Flügeln wie ein Adler, dass er den guten Kampf bis zu Ende kämpfte, dass er Glauben hielt und den Lauf vollendete, „verdrängt, verjagt, besiegt und ausgefegt und doch ein Held, der ew'ge Palmen trägt.“ Brüder und Schwestern, auch für uns liegt in dem Namen Jesu die Kraft, die wir nur zu benutzen brauchen, aber auch täglich benutzen müssen, um trotz aller eigenen Schwachheit täglich vorwärts zu kommen, täglich aufwärts zu fahren. Im Namen Jesu sollen und können wir unsere Nervosität geistlich heilen, unsere Empfindlichkeit töten, unsere Eitelkeit begraben, unsere Freunde besser behandeln, unsere Feinde wahrhaftiger lieben, das Kreuz williger tragen, täglich besser werden und täglich demütiger werden, täglich der Heiligung nachjagen, bis wir sterben. Und wenn es dann gestorben sein muss, wer weiß wie nahe unser Ende, dann sei der letzte Name, den wir sprechen: Jesus; der letzte Blick vor dem Brechen unserer Augen, der Blick auf Jesus; der letzte Seufzer: O mein Jesus, trage mich Ohnmächtigen durch deine Macht über den dunklen Strom des Todes in dein lichtes Paradies! Wird er es tun? Ja er wird's tun! lässt auch ein Haupt sein Glied, welches es nicht nach sich zieht?

Der fromme Hofacker hat einmal gesagt: Wenn der ganze Himmel, so weit er ist, Papier wäre, und man schriebe lauter Sprüchlein von unendlicher Liebe darauf, so könnte man den Namen Jesus nicht ausschreiben. Nein, das kann man auch nicht. Es ist der heiligste Name, der tröstlichste Name, der kräftigste Name. Es ist der Name, der über alle Namen ist. Amen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/q/quandt/philipper/quandt_philipper_13.txt · Zuletzt geändert:
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain