Quandt, Carl Wilhelm Emil - Maleachi - Dritter Abschnitt.

Quandt, Carl Wilhelm Emil - Maleachi - Dritter Abschnitt.

Kap. 2, 10-16. - Göttliche Rüge der Zerrüttungen des heiligen Ehestandes in Israel.

Kap. 2, Vers 10. Denn haben wir nicht alle einen Vater? Hat uns nicht Ein Gott erschaffen? Warum verachten wir denn Einer den Andern und entheiligen den Bund, mit unsern Vätern gemacht?

Nachdem der Prophet im Namen Gottes sich im ersten Abschnitt vorzugsweise an das Volk und im zweiten vorzugsweise an die Priester gewandt hatte, richtet sich in diesem dritten Abschnitt seine Rede an Priester und Volk zusammen, an alle israelitischen Bundesgenossen und erinnert dieselben zunächst daran, daß sie berufen sind zu Einer einzigen Gottesfamilie. Auf's Gröblichste wird der Sinn dieses Verses verschoben und verzerrt, wenn man aus demselben den Begriff eines Allvaters der Menschheit herausliest, so daß der Sinn auf jenen Unsinn herausliefe, der sich den kräftigsten Ausdruck in dem bekannten Reim gegeben hat: „Wir glauben all' an Einen Gott, Christ, Jude, Türk' und Hottentott.“ Niemals wird in der Schrift Gott Vater aller Menschen genannt um der Schöpfung willen und hier am allerwenigsten. Gottes Vatername beruht nach biblischer Anschauung nicht auf der Schöpfung aller Menschen, sondern auf besonderen Bündnissen, welche er mit einem Theile der Menschheit geschlossen. Wie im neuen Testamente Gott der Vater derer heißt, die im Glauben an Jesum Christum gerecht geworden sind, Ev. Matth. 13, 43; Ev. Matth. 6, 9, aller derer, die da Kinder sind im Glauben an Jesum Christum Ephes. 3, 14. 15, so heißt im alten Testamente Gott nie und nirgends der Vater der Heiden, sondern nur der Vater Israels als des Volkes, das sich Gott selber zur Gerechtigkeit im Glauben an Jesum Christum erziehen wollte 5. Mose 32, 6. Jes. 63, 16 u. a. a. O. So bezieht sich denn auch das Erschaffen, das in unserm Verse Gott zugeschrieben wird, von ferne nicht auf den ersten Ursprung aller Dinge, auf das in's Leben Rufen des Weltganzen, sondern auf das Erschaffen Israels zum Bundesvolk - „hat uns nicht Ein Gott erschaffen?“ - in solchem engeren Sinne wird das Wort schaffen vielfach im alten Testamente schon gebraucht z. B. Jes. 43, 7: „die ich geschaffen habe zu meiner Herrlichkeit, nämlich Alle, die mit meinem Namen genannt sind;“ Psalm 51, 7: „Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz.“ Wir sind, will Maleachi sagen, Eines und desselben Gottesbundes Glieder, Eines und desselben Gottes Kinder als Israeliten, und als solche müßten wir nun auch unter einander uns in brüderlicher Liebe begegnen, Herz und Herz vereint zusammen - warum verachten wir denn Einer den Andern und entheiligen (durch solche Verachtung) den mit unsern Vätern gemachten Bund? Diese selbe wehmüthige Frage, die hier Maleachi an das alttestamentliche Israel richtet, richtet der fromme Sänger Bernstein an das neutestamentliche Israel in dem bekannten Liede: „Ihr Kinder des Höchsten, wie steht's um die Liebe? Wie folgt man dem wahren Vereinigungstriebe? Bleibt ihr auch im Bande der Einigkeit stehn? Ist keine Zertrennung der Geister geschehn? Der Vater im Himmel kann Herzen erkennen, wir dürfen uns Bruder ohn' Liebe nicht nennen, die Flamme des Höchsten muß lichterloh brennen!“

Vers 11. Denn Juda ist ein Verächter geworden und in Israel und zu Jerusalem geschehen Gräuel. Denn Juda entheiliget die Heiligkeit des Herrn, die er lieb hat und buhlet mit eines fremden Gottes Tochter. Die Namen Juda und Israel stehen hier ganz gleich bedeutend neben einander zu kraftvoller Bezeichnung des Volkes des Eigenthums Jehovas. Die Verachtung Gottes, die sich Juda zu Schulden kommen läßt, die Gräuel, die unter Israel geschehn, die Entheiligung des Heiligthums des Herrn, das er lieb hat (so ist genauer zu übersetzen) finden ihre Erklärung in den letzten Worten des Verses: Juda buhlt mit eines fremden Gottes Tochter. Es war das ein Grundschade des aus Babylon heimgekehrten Israels, daß sich das Uebel der gemischten Ehen zwischen israelitischen Männern und heidnischen Frauen von den Wassern Babylons nach Canaan mit eingeschlichen hatte. Das Gesetz Mosis wollte und sollte unter Israel einen moralischen Abscheu gegen das abgöttische Heidenthum nähren, und Israel sollte diesen Abscheu empfinden mit practischem, in's unmittelbare Privatleben gehendem Erfolg; daher waren dem Israeliten die Ehen mit heidnischen Weibern auf's Strengste untersagt 2. Mose 34, 16, 5. Mose 7, 3. Esra und Nehemia hatten daher ein Recht, mit strengen obrigkeitlichen Maßregeln gegen die gesetzwidrige Vermischung des jüdischen und heidnischen Blutes vorzugehn. Esra 10, 2 - 17, Nehemia 9, 2; 13,23 - 30. Dem Propheten aber kam es zu, mit dem Wort im Namen Gottes die obrigkeitlichen Maßregeln zu unterstützen. Eine Schändung des Heiligthums des Herrn nennt Maleachi die eheliche Verbindung mit Götzendienern, insofern Israel selber Gottes Heiligthum sein sollte und durch die eheliche Aufnahme heidnischer Weiber sich selbst verunreinigte. Als Buhlen mit der Tochter eines fremden Gottes bezeichnet er die eheliche Vermischung mit götzendienerischen Weibern, insofern die Töchter eines Volks die Töchter desjenigen Gottes waren, dem das Volk sich hingegeben; in demselben Sinne nennt der Gott Israels die Töchter Israels seine Töchter Jes. 43, 6, 2. Cor. 6, 18. „Die Ehe mit Un- oder Falschgläubigen ist höchst gefährlich und sehr zu widerrathen“, so viel mag auch ein Christ aus diesem Verse sich entnehmen und dabei auch Calvins goldne Worte beherzigen: „Soweit es angeht, sollen lieber alle Verbindungen gelöst werden, als daß wir uns in Annäherung zu Gottes Feinden uns durch derselben Lockungen von Ihm abziehen lassen; denn immer werden sie mit allen möglichen Künsten zwischen uns und Gott Zwiespalt anzurichten trachten. So lange wir unter den Ungläubigen leben, können wir dem gemeinen Verkehr nicht entfliehen; treten wir aber in nähere Gemeinschaft mit ihnen, so öffnen wir gewissermaßen dem Satan die Thür.“

Vers 12. Aber der Herr wird den, so solches thut, ausrotten aus der Hütte Jacobs beide, Meister und Schüler, sammt dem, der dem Herrn Zebaoth Speisopfer bringet. „Welche diese Gräuel thun, deren Seelen sollen ausgerottet werden aus ihrem Volke“, diesem Ausspruch Mosis 3, 29 bringt Maleachi seinem zeitgenössischen Geschlecht in's Gedächtnis;. Was Luther nach älterem Vorgange Meister und Schüler übersetzt hat, geben die holländische und andere Uebersetzungen wieder mit den Worten: Der, der da wacht, und der, der da antwortet, und es soll dies eine sprichwörtliche Redensart sein, die soviel bedeutet, als: jeder Lebendige, wie in demselben Sinne die Araber sagen: Kein Rufender und kein Antwortender. Vielleicht hat diese Redensart ihren Ursprung in dem nächtlichen Tempeldienst der Leviten (Psalm 134), da der eine Levit wachte und rief und der andere antwortete. Der dem Herrn das Speisopfer bringende ist der Priester, der ein ausländisches Weib hat; auch er soll um seines Gesetzesbruches willen, wie jeder andre Verächter, ausgerottet werden aus der Hütte Jacobs, d. i. aus der Familie Israels.

Vers 13. Weiter thut ihr auch das, daß vor dem Mar des Herrn eitel Thränen und Weinen und Seufzen ist, daß ich nicht mehr mag das Speisopfer ansehen, noch etwas Angenehmes von euren Händen empfangen. Wie die folgenden Verse lehren, ist hier das Weinen und Seufzen der Töchter Israels gemeint, die die Priester, auch hierin ein Unbild, statt ein Vorbild für die Gemeinde, verstießen, um heidnische Weiber, die ihnen besser gefielen, nehmen zu können. Die verstoßenen Töchter Israels benetzen den Altar Gottes mit den. Thränen ihres Schmerzes; wie könnte der Herr an dem Opfer ihrer Gatten Wohlgefallen haben?

Vers 14. Und so sprechet ihr: „Warum das?“ Darum, daß der Herr zwischen dir und dem Weibe deiner Jugend gezeuget hat, die du verachtest, so sie doch deine Gesellin und ein Weib deines Bundes ist. Gott, der die verborgensten Gedanken des Herzens kennt und ein gerechter Richter ist über alles Unrecht, das Menschen thun, zeugt wider die Schuldigen, die ihre israelitischen Frauen verstoßen. Es ist hier eine Zeugenschaft Gottes nicht bei der Schließung, sondern beim Bruch der Ehe angedeutet. Wenn auch die Ehe unter Israel rechtlich nur als eine Privatübereinkunft galt und nicht einmal, wenigstens nach den 5 Büchern Mose nicht, durch eine priesterliche Weihe eingesegnet wurde, so war sie doch religiös ein heiliger, vor und mit Gott geschlossener Bund; wie es hier von den Männern, die ihre Frauen verstoßen, heißet, daß sie die Weiber ihres Bundes verachten, so heißt es Sprüche 2, 17 von der Ehebrecherin, daß sie den Bund ihres Gottes vergißt; es ist gemeint das muthwillige Nichtbeachten dessen, was Eheleute sich und Gott gelobt haben. Die Ausdrücke „das Weib deiner Jugend“ und „deine Gesellin“ haben etwas Zärtliches; sie sollen die Pflichtvergessenen an die Zeit der ersten Liebe und an die innige Lebensgemeinschaft, darin sie mit den Verstoßenen standen, erinnern.

Vers 15. Also that der Einige nicht und war doch eines großen Geistes. Was that aber der Einige? Er suchte den Samen von Gott (verheißen). Darum sehet euch vor vor eurem Geiste und verachte Keiner das Weib seiner Jugend. Dieser Vers ist einigermaßen dunkel und ist in den verschiedenen Bibelübersetzungen auch verschieden übersetzt. Wie er in unserer deutschen kirchlichen Übersetzung lautet, legt er den Gedanken an Abraham nahe. Beruft euch, würde der Sinn dann sein, nicht auf den durch seine einzige, unvergleichliche Bundestreue ausgezeichneten Abraham, daß er gethan habe in eurer Weise, da er Hagar, die egyptische Magd zum Weibe nahm, ohne daß der große Geist, der ihn adelte, von ihm wich; Abraham hatte ja die unfruchtbare Sara nicht verstoßen, sondern mit ihrer Einwilligung sich zur Hagar gethan, nicht aus fleischlicher Lust, sondern um die von Gott ihm verheißene Nachkommenschaft zu erlangen. Es ist dies die gewöhnliche Auslegung unseres Verses, die doch etwas Gezwungenes hat und bei der man nicht recht begreift, wie Abraham zu dem Titel „der Einzige“ kommt. Nach der französischen, sowie nach der holländischen Uebersetzung lautet unser Vers also: „Fürwahr Er hat nur Einen gemacht, und doch war in Ihm eine Fülle des Geistes. Aber warum hat Er nur Einen gemacht? Darum weil er eine Nachkommenschaft Gottes suchte. Darum so sehet euch vor u. s. m.“ Dann ist der Sinn: Gott nach der Größe seines Geistes hat uns nur Einen Stammvater, den Jacob, gegeben, nicht viele Stammväter, und um deßwillen nur Einen, weil Er wollte, daß die von ihm Abstammenden Eine unvermischte Familie Gottes bilden sollten. Gegen diesen Geist, in welchem der ewige Gott selber den Bund mit Israel geschlossen, verstoßt ihr gröblich, wenn ihr eurem fleischlichen Geiste die Zügel schießen laßt und Mischehen eingeht mit Ausländerinnen, die nicht zu Israel gehören. Die Stelle bleibt auch bei dieser Uebersetzung schwierig. Es ist doch auch die Übersetzung möglich: So thut Einer nicht und die Uebrigen, in denen Geist ist. Was thut der Eine (nämlich Einer, in dem Geist ist)? Er sucht den Samen von Gott. Der Sinn, der sich bei dieser Uebersetzung ergäbe, will uns als der einfachste und zwangloseste erscheinen: So schnöde, daß Weib seiner Jugend zu verachten, ist nicht ein Zeichen des rechten, israelitischen Geistes; wer diesen Geist hat, der scheidet sich nicht von seinem unfruchtbaren israelitischen Weibe, sondern hält an mit Gebet und Flehen, ob Gott ihm nicht doch noch Samen von seiner Gattin geben wolle, wie einst dem Abraham von Sara, dem Elkana von Hanna. Darum werdet doch nur einmal mißtrauisch gegen den Geist, der eure Handlungen bestimmt; wenn das überhaupt noch Geist ist, so ist's doch sicherlich kein israelitischer Geist.

Vers 16. Wer ihr aber gram ist, der lasse sie, spricht der Herr, der Gott Israels, und gebe ihr eine Decke des Frevels von seinem Kleide, spricht der Herr Zebaoth. Darum so sehet euch vor vor eurem Geiste und verachtet sie nicht. Erst das Christenthum hat die Frauen zur ganz gleichen, vollen Würde mit den Männern erhoben; die Frauen in Israel, obwohl sie nie in einer so entwürdigenden Abhängigkeit lebten, wie ihre Schwestern im heidnischen Morgenland und selbst in Griechenland, konnten doch nach 5. Mose 24, 1 auf immer von ihren Männern mit einer Scheideschrift weggeschickt werden „um etwa einer Unlust willen“, wie Luther übersetzt d. i. wenn ihre Männer etwas Triftiges an ihnen meinten aussetzen zu können. Diese mosaische Anordnung nahm auf die Herzenshärtigkeit Israels Rücksicht; daß Moses selbst die Ehescheidung mit ungünstigen Augen ansah, liest man zwischen den Zeilen, und die Propheten hatten auch keinen Gefallen daran, sondern ließen es nur geschehen, um größeres Uebel und Unheil abzuwenden. Von allen Propheten ist der letzte Prophet am kräftigsten gegen die leichtsinnigen Entlassungen der Frauen aufgetreten und zwar eben in diesem unserm Verse: „Wer - so ist genauer zu übersetzen - seiner Frau gram ist, der lasse sie fahren, spricht der Herr, der Gott Israels; aber der Frevel wird sein Kleid bedecken, spricht der Herr Zebaoth.“ Ihr habt, so sagt damit Maleachi, den Buchstaben des auf eure Herzenshärtigkeit Bezug nehmenden Gesetzes ja für euch, wenn ihr eure Weiber, weil sie nicht mehr Gnade finden in euren Augen, verstoßt und ihr euren Schutz entzieht; aber ihr habt dann auch euren Lohn dahin und ihr habt dann das eheliche Schutzgewand, womit ihr die Gattin hättet schützen sollen (Ruth 3, 9) mit Frevel bedeckt, mit Frevel vor Gott und Menschen. Darum lasset euch warnen und sehet euch vor; irret euch nicht, Gott läßt sich nicht spotten.

So weit geht der dritte Hauptabschnitt, ein Kapitel für Eheleute, enthaltend eine göttliche Rüge der Zerrüttungen des heiligen Ehestandes in Israel und zwar einmal eine Rüge der Mischehen mit götzendienerischen Frauen und sodann eine Rüge der schnöden Scheidungen von israelitischen Frauen. Christen thun wohl, nach der Betrachtung dieses prophetischen Abschnittes den neutestamentlichen Abschnitt von der Ehe Ev. Matth. 19, 1 - 12 nachzulesen; dieser Abschnitt lehrt uns, daß nicht Alles, was den Juden im alten Testament noch erlaubt gewesen, darum auch den Christen erlaubt ist, und daß für den Mann ebensogut, als für die Frau der Satz feststeht: Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden. Die Bibel beider Testamente hält hoch von dem h. Ehestand, so hoch, daß ihr derselbe zum Gleichniß wird für die Verbindung zwischen dem Herrn und seiner Gemeinde. Wo die Ehen geheiligt sind in einem Volk, da steht es auch immer mit dem ganzen Volkswesen gut; mit der entheiligten Ehe dagegen öffnen sich alle Thore des menschlichen Elends und des nationalen Verfalls. Beten wir für dieses unser Geschlecht, daß Gottes Barmherzigkeit den unglücklichen Ehen steure und solchen Ehen Raum schaffe, davon der Vers Spitta's gilt: „O selig Haus, wo man dich aufgenommen, du wahrer Seelenfreund, Herr Jesu Christ, wo unter allen Gästen, die da kommen, du der gefeiertste und liebste bist, wo Aller Herzen dir entgegenschlagen und Aller Augen freudig auf dich sehn, wo Aller Lippen dein Gebet erfragen und Alle deines Winks gewärtig stehn. Amen.

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