Quandt, Emil - Die biblische Lehre vom Heiligen Geist - VII. Die Sünde wider den Heiligen Geist

Quandt, Emil - Die biblische Lehre vom Heiligen Geist - VII. Die Sünde wider den Heiligen Geist

Wir können unsre mehr andeutenden, als ausdeutenden Betrachtungen über die biblische Lehre vom Heiligen Geist nicht schließen, ohne noch anhangsweise besondere Rücksicht zu nehmen auf diejenigen Schriftstellen, die von der Sünde wider den Heiligen Geist handeln. Es sind ja zwar auch in den früheren Betrachtungen Sünden wider den Heiligen Geist miterwähnt worden, das Widerstreben wider den Heiligen Geist seitens der Ungläubigen, die seinem Rufe nicht folgen, das Betrüben des Heiligen Geistes seitens der Gläubigen, durch die Sünden nach ihrer Bekehrung. Aber man unterscheidet auf Grund bestimmter Schriftstellen von diesen allgemeinen Sünden gegen den Heiligen Geist die besondere große Sünde gegen den Heiligen Geist, die nicht vergeben werden kann; und eben sie ist es, mit deren Wesen und Gestalt noch diese Schlussbetrachtung sich befassen soll.

Von alten Zeiten her hat sich die Neugier und die Angst mit der Lehre von der Sünde wider den Heiligen Geist viel zu schaffen gemacht: die Neugier, weil das Dunkle und Geheimnisvolle an und für sich für die meisten. Menschen mehr Reiz hat, als das Klare und Offenbare; die Angst, weil ernste Wahrheiten das Gemüt mit desto größerem Bangen erfüllen, je verschleierter sie auftreten. Es ist nun aber die Heilige Schrift mit all' ihren Geschichten und Lehren weder zur Befriedigung menschlicher Neugier, noch zur Erzeugung jener blassen Angst, die den Tod gebiert, geschrieben, sondern zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung und zur Züchtigung in der Gerechtigkeit. So ist klar, dass alle diejenigen, die an die Schriftlehre von der Sünde wider den Heiligen Geist mit Neugier oder mit Angst herangehen, sich von vorn herein selber untüchtig machen, in den vollen und wahren Sinn dieser Lehre einzudringen, und dass nur diejenigen hoffen dürfen, wie in alle Wahrheit, so auch in diese Wahrheit geleitet zu werden, die statt mit Neugier vielmehr mit Heilsbegierde, statt mit unklarer Angst vielmehr mit lauterer Gottesfurcht den Boden der Lehre von der Sünde wider den Heiligen Geist betreten. Der Herr schenke selber uns zur rechten Erwägung dieser Lehre die rechte Andacht und evangelische Nüchternheit.

Der Heiland redet zweimal, jedes Mal im Tone feierlicher Warnung von der Sünde wider den Heiligen Geist, das eine Mal zu den Pharisäern, seinen Feinden, das andre Mal zu den Jüngern, seinen Freunden. Zu den Pharisäern spricht er Matth. 12, 31. 32 und Marci 3, 28. 29 also: „Ich sage euch, alle Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben; aber die Lästerung wider den Geist wird den Menschen nicht vergeben. Und wer etwas redet wider des Menschen Sohn, dem wird es vergeben; aber wer etwas redet wider den Heiligen Geist, dem wird es nicht vergeben weder in dieser, noch in jener Welt.“ Zu seinen Jüngern aber spricht der Herr Luk. 12, 9. 10: „Wer mich verleugnet vor den Menschen, der wird verleugnet werden vor den Engeln Gottes. Und wer da redet ein Wort wider des Menschen Sohn, dem soll es vergeben werden; wer aber lästert den Heiligen Geist, dem soll es nicht vergeben werden.“ Wenn der Herr warnt, so warnt er nicht vor gemalten, sondern vor wirklichen Gefahren; wenn er sowohl seine Feinde, als auch seine Freunde vor der Sünde der Lästerung des Heiligen Geistes warnt, so ist zunächst außer Zweifel, dass die Möglichkeit in diese Sünde zu fallen für jene, wie für diese in gleicher Weise vorhanden ist. Es hätte daher der alte Streit, ob nur unbekehrte Menschen oder ob nur bekehrte Menschen die Sünde wider den Heiligen Geist begehen können, nie auftauchen können, wenn man genau in die Heilige Schrift geblickt hätte. Nach den Aussprüchen des Herrn ist die Sünde wider den Heiligen Geist sowohl eine Sünde, deren Ungläubige sich schuldig machen können, als auch eine Sünde, in die Gläubige fallen können; wo überhaupt der Heilige Geist nur weht, da kann auch gegen ihn gesündigt, bis zur Lästerung gesündigt werden.

Wir denken zuerst demjenigen Ausspruch des Herrn nach, durch den er seine Feinde, die Pharisäer, vor der Sünde wider den Heiligen Geist warnt. Der Herr unterscheidet in dem Ausspruch Matth. 12 und Marci 3 die Sünde und Lästerung gegen Gott überhaupt von der Lästerung des Menschensohnes und von ihnen beiden die Lästerung des Heiligen Geistes. Der Herr redet von Sünde und Lästerung; offenbar will er durch das Wort Lästerung das Wort Sünde näher bestimmen, also dass wir an die Sünde zu denken haben, wie sie nicht bloß im Innern des Herzens schlummert, sondern wie sie sich auch in entschiedenem und entscheidendem Wort Ausdruck gibt. Der Herr teilt die Sünden ein in Sünden gegen Gott den Vater, Sünden gegen Gott den Sohn, Sünden gegen Gott den Heiligen Geist. In unsern Glaubenslehren und Katechismen werden die Sünden ebenfalls klassifiziert; man teilt sie einmal ein in Gedanken-, Wort- und Tatsünden, das andre Mal in Begehungs- und Unterlassungssünden, das dritte Mal in Schwachheits- und Bosheitssünden. Alle diese Einteilungen haben die Schrift für sich; aber es muss Wunder nehmen, dass nicht noch die vierte Einteilung in Sünden gegen den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist gemäß den Worten des Herrn dazu genommen und weiter ausgebildet worden ist. Es dürfte geboten sein, die drei Arten von Sünden nach dieser vierten Einteilung, die der Mund des Herrn selber gegeben, näher zu bestimmen. Die Pharisäer waren, wie alle Menschen, von Natur Kinder des Zornes und arme Sünder, die durch Undank, Unglauben, Unbußfertigkeit, Übermut, Selbstüberhebung, überhaupt durch Unrecht tun sich an Gott dem Vater versündigt und seinen heiligen Namen gelästert hatten. Sie waren aber im Sündigen noch weiter gegangen; Gott offenbart im Fleische, Christus Jesus, unser Herr, war vor ihnen aufgetreten mit Worten des ewigen Lebens, mit Wundern der ewigen Liebe, um sie durch seine Erbarmung von dem Fluche der Sünden gegen Gott den Vater zu retten: sie aber hatten seinen Worten nicht Gehör gegeben, sie hatten seine Wunder ignoriert oder bemängelt, ja so eben, da der Herr einen Besessenen, der blind und stumm war, also geheilt hatte, dass er redete und sah, hatten sie ihn gelästert und gesprochen: „Er treibt die Teufel aus durch Beelzebub, der Teufel Obersten.“ An diese ihre Lästerung des Menschensohnes knüpft der Heiland an mit seinem Worte: „Alle Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben, auch die Gotteslästerung, damit sie Gott lästern, auch wenn sie etwas reden wider des Menschen Sohn; aber die Lästerung wider den Geist wird den Menschen nicht vergeben.“ Ein Richterspruch, der besagen wollte, dass die Pharisäer die Sünde wider den Heiligen Geist schon begangen hätten, kann dies Wort dem ganzen Zusammenhange nach, in dem es steht, nicht sein; denn dies Wort ist ein Bruchteil einer längeren Rede, in welcher sich der Heiland in großer Langmut alle mögliche Mühe gibt, die Pharisäer noch eines Besseren zu belehren; diese Mühe wäre ja ganz unnütz gewesen, wenn der Herr die Pharisäer schon als der Sünde, die nicht vergeben werden kann, rettungslos verfallen angesehen hätte. Nicht ein Richterspruch, sondern eine Warnung ist das Wort, eine Warnung vor einer schrecklichen Gefahr, der die Pharisäer allerdings sehr nahe standen. Für ihre Sünden gegen Gott den Vater, für ihre Übertretungen und Missetaten, konnten sie Vergebung erlangen, sobald sie sich nur noch in dieser ihrer Zeit zu dem Heilande bekehrten. Desgleichen konnte auch ihre Lästerung des Menschensohnes noch Vergebung finden, wenn sie nur eben noch dem Zuge des Heiligen Geistes sich hingaben und bußgläubig zu Jesu kamen; er hat ja selbst vom Kreuz herab noch für seine Lästerer und Peiniger gebetet: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun. So geschah es z. B. an dem Pharisäer Saulus; er hatte gesündigt gegen Gott den Vater und Gott den Sohn, gegen den Vater durch seine Übertretungen des Gesetzes, gegen den Sohn mit Verfolgen, Schnauben und Drohen; aber alle diese Sünden sind ihm reichlich vergeben worden durch die große Barmherzigkeit Gottes in Christo, zu dem er sich bekehrte. Jene Pharisäer aber, die der Heiland vor sich hatte, sahen leider nicht danach aus, als ob noch viel Hoffnung vorhanden wäre, dass sie zur Buße und Bekehrung gebracht werden könnten. In ihrer Lästerung des Menschensohnes lag schon der Keim und Anfang zur Lästerung des Heiligen Geistes, die nicht vergeben werden kann. Der Heilige Geist trat den Pharisäern in Christo selbst gegenüber, der den Geist hatte ohne Maß. Der Heilige Geist bezeugte sich in der Wunderwirkung des Heilandes an dem Besessenen mit schlagender Unmittelbarkeit. In dieser großartigen Wundertat war die göttliche Geisteskraft einer gottmenschlichen Persönlichkeit mit Händen zu greifen; wären sie Israeliter rechter Art gewesen, fürwahr diese Glanztat Christi, aus der der Heilige Geist unverhüllt hervorbrach, hätte sie zu Jesu Füßen beugen müssen. Es stand für diese Pharisäer das Wunder Christi an dem Besessenen auf derselben Linie, auf der nachmals für den Pharisäer Saulus das Lichtwunder auf dem Wege von Damaskus stand: Die göttliche Gnade des berufenden Heiligen Geistes gab sich dort wie hier ihren erschöpfenden Ausdruck. Saulus, der große Sünder, der Lästerer des Menschensohnes, widerstand dem rufenden Heiligen Geiste nicht; er bekehrte sich vielmehr, so entging er der Sünde, die nicht vergeben werden kann. Aber die Pharisäer von Matth. 12 bewiesen durch ihren Ausruf: „Er treibt die Teufel aus durch Beelzebub“, dass sie anfingen, auch wider den schärfsten Stachel der berufenden Gnade zu löcken. Indem sie den heiligen Gottesgeist, der sich ihnen in dem Wunder des Menschensohnes bekundete, als Teufelsgeist verhöhnten, machten sie Miene, den empfangenen Eindruck der an ihnen sich erschöpfenden Gnade Gottes mit aller Kraft zu unterdrücken. Noch war es möglich für sie, von dieser schiefen Ebene, die zum Verderben führt, schleunigst zurückzutreten, und offenbar will der Herr durch seine Warnung sie zu solchem schleunigen Rücktritt veranlassen, dass sie wie Saulus mit Zittern und mit Zagen sprächen: Herr, was willst du, dass wir tun sollen? Aber es war auch möglich, leider wahrscheinlich, dass sie nichts zurücknahmen, was sie in augenblicklicher Aufregung lästernd gesagt, dass sie mit kaltem Blute die Konsequenzen ihrer Lästerung zogen, dass sie ihre Abwehr der berufenden Gnade des Heiligen Geistes bis zum teuflischen Nichtwollen zuspitzten: dann vollendete sich bei ihnen die Sünde wider den Heiligen Geist. Dass sie bei dieser Sünde dann auf eine Vergebung nicht mehr rechnen konnten, dass sie vielmehr als Lästerer des Heiligen Geistes gleich den Verdammten in der Hölle alle Hoffnung lassen mussten, sagt ihnen der Herr ausdrücklich, und es versteht sich von selbst. Gott will ja freilich, dass allen Menschen geholfen werde; des Sohnes Blut ist zur Vergebung der Sünden aller Sünder ausreichend; des Heiligen Geistes Ruf: „Lasst euch versöhnen mit Gott durch Christum“ gilt Allen; aber mehr als seinen Gnadenwillen zur Tat werden lassen, das große Opfer der Weltversöhnung in seinem Sohne selber vollziehen und durch den Heiligen Geist auf das Dringendste laden und locken, an dies Opfer zu glauben, mehr kann der Allmächtige selber den Sündern gegenüber nicht tun, wenn seine Barmherzigkeit nicht seine ewige Gerechtigkeit aufreiben soll. Wer daher, wenn der Heilige Geist seinen allerschärfsten Pfeil versendet, um das Menschenherz zu treffen, dass es Buße tue und glaube, wer auch diesen letzten Pfeil von sich abprallen lässt; wer nicht nur die leiseren, sondern auch die lautesten Gnadenrufe seines Gottes verächtlich verschallen lässt: ja für den gibt es allerdings keine Vergebung, weil er sich selbst der Vergebung beraubt. Wer durchaus nicht leiden will, dass der Arzt ihm seine Wunden verbindet; wer alle Hilfe des Arztes weit von sich weist und all' sein Zureden mit Verachtung und bitterem Hohne lohnt, der muss sich freilich verbluten und elend umkommen; aber was kann der Arzt dafür? die Schuld trifft allein den Patienten mit seinem Unverstande.

Es hat Lehrer der Kirche gegeben, welche lehrten, dass, was Matth. 12 von der Sünde wider den Heiligen Geist gesagt sei, auf weiter Niemand bezogen werden dürfe, als auf jene Pharisäer, die die Heilung des Besessenen vom Teufel ableiteten. Diese absonderliche Meinung ist jetzt allgemein aufgegeben und mit Recht; denn was zuvor geschrieben ist, ist Allen zur Lehre geschrieben. Das Wort des Herrn von der Sünde wider den Heiligen Geist trifft wahrlich nicht nur seine damaligen pharisäischen Widersacher; es greift vielmehr mit seinem schweren Ernste auch in unsre Zeit und in unser Leben hinein. Es ist diese Warnung des Herrn vor der Sünde wider den Heiligen Geist eben nichts mehr und nichts minder als die Warnung vor der Verstockung, die sich durch die ganze Bibel zieht. Ach, wie tut diese Warnung auch heutzutage so not! Dies Geschlecht, unter dem wir Leben, ist sehr ungläubig; man lästert Gott den Vater in dem Grade, dass Vielen sogar die Behauptung seiner Existenz lächerlich ist; man lästert des Menschen Sohn in dem Grade, dass man sogenannte „Leben Jesu“ schreibt und kolportiert und liest, in welchen man mit französischer Frivolität aus dem Herrn der Herrlichkeit einen exaltierten Volkshelden und frommen Betrüger macht. Wie nahe liegt da für Tausende unserer Zeitgenossen die Gefahr, sich immer entscheidender und entschiedener von dem Geiste Gottes loszureißen, das Herz immer fester gegen die Einflüsse des Heiligen Geistes zu verhärten und am Ende, indem man das ganze Christentum und die Religion überhaupt für ein Gaukelspiel erklärt, sich selbst um die Heilsgüter der Zeit und der großen Ewigkeit zu betrügen. Man soll und darf keiner einzelnen ungläubigen Person auf den Kopf im Tone eines Richterspruches zusagen: „Du hast die Sünde wider den Heiligen Geist begangen“; das hat nicht einmal der Herr getan, der doch wusste, was in des Menschen Herz war; viel weniger dürfen es seine Knechte tun, die nur sehen, was vor Augen ist. Wir sollen vielmehr die Hoffnung auf Bekehrung bei jedem einzelnen Ungläubigen festhalten, so lange es noch heute heißt. Aber warnen sollen wir dem Beispiele des Herrn Jesu gemäß unsre ungläubigen Zeitgenossen, warnen sollen wir sie vor der Sünde wider den Heiligen Geist, wie Mütter ihre Kinder vor dem Schierling warnen; warnen sollen wir sie und sagen: „Ihr steht der Gefahr, die Sünde wider den Heiligen Geist zu begehen, erschrecklich nahe“: ob sie erkennen möchten den Abgrund, an dessen Rande sie schweben, wenn sie Gott und Christum lästern; ob sie in sich gehen möchten wie Saulus und sich noch bekehren möchten in dieser ihrer Zeit, ehe die Türen auf der Gasse geschlossen werden und die güldene Quelle verläuft und das Rad des Lebens zerbricht.

Jetzt ist die Gnadenzeit,
Jetzt steht der Himmel offen;
Jetzt hat noch Jedermann
Die Seligkeit zu hoffen.

Doch wer die Zeit versäumt
Und sich zu Gott nicht kehrt,
Der schrei' Weh' über sich,
Wenn er zur Hölle fährt! 1)

Wir wenden uns nunmehr zu der andern Schriftstelle, die von der Sünde wider den Heiligen Geist handelt, zu der Stelle Luk. 12, wo der Herr seine Freunde, die Jünger, vor dieser Sünde warnt. Wohl ist die längere Rede, die der Heiland Luk. 12 hält, auch an das nach Tausenden zählende umherstehende Volk gerichtet, soviel dasselbe davon zu verstehen fähig war; zunächst aber redet der Herr darin ausdrücklich seine Jünger an. Er warnt seine Jünger vor der Heuchelei und vor der Menschenfurcht und ganz besonders vor der Verleugnung des Menschensohnes. Unmittelbar an seine Warnung vor der Verleugnung reiht dann der Herr den Ausspruch: „Wer da redet ein Wort wider des Menschen Sohn, dem soll es vergeben werden; wer aber lästert den Heiligen Geist, dem soll es nicht vergeben werden.“ Die Jünger sollen also darum zurückbeben vor jeder Verleugnung des Herrn Jesu, an den sie glauben, weil jede Verleugnung ein naher Schritt zur Sünde wider den Heiligen Geist ist, die nicht vergeben werden kann. Wie haben wir das zu verstehen?

Verleugnen heißt bewusster Weise etwas Vorhandenes und Bekanntes für nicht vorhanden und nicht bekannt ausgeben. Christum verleugnen können also nur diejenigen, die sich durch die Erleuchtung des Heiligen Geistes schon in die Gemeinschaft Christi haben versetzen lassen, die seine Herrlichkeit im Glauben schon gesehen haben, eine Herrlichkeit als des eingebornen Sohnes vom Vater voller Gnade und Wahrheit; und sie verleugnen ihn, wenn sie in den Vorhöfen der Welt, wo ihre Sprache sie verraten hat, wie Petrum, sprechen wie Petrus: Ich kenne des Menschen nicht! So lange dieses Verleugnen noch bezeichnet werden kann, als „ein Wort wider des Menschen Sohn reden“; so lange es nur der Ausdruck einer augenblicklichen Verwirrung und Verirrung ist, so lange ist noch Vergebung möglich; man kann noch, wie Petrus, hinausgehen und bitterlich weinen und die Gnade dessen, den man aus Schwachheit verleugnet hat, aufs Neue suchen und finden. Wenn aber aus der Schwachheit Bosheit wird, wenn man in der Verleugnung beharrt, trotz aller Gewissensbisse, trotz aller strafenden Einreden des Heiligen Geistes beharrt, dann fällt man in die Sünde des Judas, aus dem Glauben in den Missglauben, aus dem Missglauben in die Verzweiflung, aus der Verzweiflung in andre große Schande und Laster. Gewiss Judas, dies verlorene Kind, hat wenn irgend Einer die Sünde wider den Heiligen Geist begangen; freilich nicht die einzelne Tat des Verrats war die Sünde, wider den Heiligen Geist; so schauerlich die Sünde des Verrats ist, sie ist doch nur eine Abart der Verleugnung und konnte auch noch durch das Blut Jesu Christi abgewaschen werden; vielmehr hat Judas die Sünde wider den Heiligen Geist dadurch begangen, dass er die Sünde des Verrats zu seiner Lebenssünde machte, dass er, nachdem er an den Herrn geglaubt, dem Satan Raum gegeben und durch fortgesetzte Hingabe an den Satan sich alle Rückkehr abgeschnitten, so dass er nach dem Verrat auch trotz bitterer Reue keine Buße mehr tat und keine Vergebung mehr suchte, sondern sich selbst erhängte. Dass diese Sünde des beharrlichen Abfalls vom Glauben nicht vergeben werden kann, liegt in ihr selber. Die Quelle des Erbarmens im Herzen des ewigen Gottes fließt reichlich über alle Menschen und über die Gläubigen zumal; aber wer, nachdem er an Christum, in welchem das Erbarmen Gottes über die Sünder beschlossen ist, geglaubt hat, wieder abfällt und aller Zucht des Heiligen Geistes zum Trotz ein Abgefallener bleibt, der schleudert sich selbst frevelhaft heraus aus dem Gnadenstande und muss verloren gehen. Er fällt und fällt wie der Satan, der wie ein Blitz vom Himmel fiel, weil er seine Stätte nicht bewahrte.

Von der Lästerungssünde der Gläubigen wider den Heiligen Geist redet die Schrift nicht bloß Luk. 12 durch den Mund des Herrn, sondern auch an vielen andern Orten durch den Mund der Apostel. St. Johannes nennt diese Sünde die Todsünde und spricht 1 Joh. 5, 16: „Es ist eine Sünde zum Tode; dafür sage ich nicht, dass Jemand bitte.“ St. Judas nennt diese Sünde den Irrtum Bileams und sagt von ihr: „Es sind gottlose Leute, die die Gnade unsers Gottes auf Mutwillen ziehen und verleugnen Gott und unsern Herrn Jesum Christum, den einigen Herrscher.“ Noch ausführlicher reden Petrus und Paulus von dieser Sünde. St. Petrus sagt in seiner zweiten Epistel 2, 20-22: „So sie entflohen sind dem Unflat der Welt durch die Erkenntnis des Herrn und Heilandes Jesu Christi, werden aber wiederum in den selbigen verflochten und überwunden, ist mit ihnen das Letzte ärger worden, als das Erste. Denn es wäre ihnen besser, dass sie den Weg der Gerechtigkeit nicht erkannt hätten, denn dass sie ihn erkennen und sich kehren von dem heiligen Gebot, das ihnen gegeben ist. Es ist ihnen widerfahren das wahre Sprichwort: Der Hund frisst wieder, was er ausgespien hat, und die Sau wälzt sich nach der Schwemme wieder im Kot.“ St. Paulus lehrt Hebr. 6, 4-8: „Es ist unmöglich, dass die, so einmal erleuchtet sind und geschmeckt haben die himmlische Gabe und teilhaftig geworden sind des Heiligen Geistes und geschmeckt haben das gütige Wort Gottes und die Kräfte der zukünftigen Welt; wo sie abfallen und wiederum ihnen selbst den Sohn Gottes kreuzigen und für Spott halten, dass sie sollten wiederum erneuert werden zur Buße. Denn die Erde, die den Regen trinkt, der oft über sie kommt, und bequem Kraut trägt denen, die sie bauen, empfängt Segen von Gott. Welche aber Dornen und Disteln trägt, die ist untüchtig und dem Fluch nahe, welche man zuletzt verbrennt.“ Derselbe Apostel spricht Hebr. 10, 26. 27: „So wir mutwillig sündigen, so wir die Erkenntnis der Wahrheit empfangen haben, haben wir von nun an kein andres Opfer mehr für die Sünde, sondern ein schreckliches Warten des Gerichts und des Feuereifers, der die Widerwärtigen verzehren wird.“ Wir erkennen, die apostolische Lehre stimmt wie in Allem, so auch darin mit der Lehre des Heilandes überein, dass sie aufmerksam macht auf die Sünde eines in gehässigen Widerstand gegen den Heiligen Geist auslaufenden Abfalls vom Glauben als auf die Sünde, die notwendig die ewige Strafe und den ewigen Tod nach sich zieht.

Wie ist es aber möglich, so werden wir zu fragen gedrängt, dass Menschen, die einmal den Frieden in Christi Blut und Wunden gefunden haben, dass Menschen, die sich vom Heiligen Geist haben erleuchten und bekehren lassen, wieder abfallen und in ihrem Christentum den allerjämmerlichsten Schiffbruch erleiden? Kann denn der Gnadenstand, in welchem ein Gläubiger sich befindet, wieder verloren gehen? Gibt es denn keine sichere Befestigung im Gnadenstande für immer? Ist denn das Verslein nicht wahr, das in unsern Gesangbüchern steht: „Bis zum Schwören kann ich wissen, dass mein Schuldbrief ist zerrissen!“? Wir erinnern an das, was wir bei Betrachtung des Beistandes des Heiligen Geistes aus der Stelle 1 Petri 1, 5 lernten: Christen werden aus Gottes Macht durch den Glauben bewahrt zur Seligkeit. Was Gott anbetrifft, so steht seine Gnade ein für alle Mal fest bei denen, die in Christo Jesu sind; es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, unser Erbarmer. Aber nur durch den Glauben wird Gottes Macht zu unsrer Macht, in welcher wir den Bösewicht überwinden und die Welt und das Fleisch dazu, in welcher wir haben, was wir halten, dass Niemand unsre Krone rauben kann. Der Glaube aber ist nur dann recht, wenn er treu, bis ans Ende treu ist; glauben und treu sein das gehört zusammen; das griechische Wort, das Luther mit „Glaube“ übersetzt hat, heißt Glaube und Treue zugleich. Wer Glauben und Treue zugleich hat, von dem soll es wahrhaftig wahr sein: er ist aus Gott geboren, und er bewahrt sich, und der Arge tastet ihn nicht an. Wer den rechten treuen Glauben hat und hegt und pflegt, der kann wohl straucheln, aber nicht fallen, der kann den Heiligen Geist wohl aus Schwachheit des Fleisches betrüben, aber nicht in Bosheit fortgesetzt lästern. Aber nicht Alle, die gläubig sind, sind auch treu; nicht Alle, die Glauben haben, halten Glauben, sondern Viele treiben durch früheren oder späteren Unglauben Gottes des Heiligen Geistes bewahrende Macht von sich und gehen so des himmlischen Erbes verlustig. Wenn der Kranke zwar einige Zeit hindurch den Verband, den der Arzt um seine Wunden gelegt, willig getragen hat, aber hinterher mutwillens den Verband abreißt und ihn dem Arzt vor die Füße wirft, ja dann muss der Kranke ja freilich auch sich verbluten und elend umkommen, und es ist nicht des Arztes Schuld, sondern die des Kranken. Weil aber der Abfall vom Glauben den Beweis liefert, dass der Mensch von Anfang an nicht rechten Glauben, nämlich nicht stichhaltigen, treuen Glauben gehabt, so heißt es 1 Joh. 2, 19 von den Abgefallenen mit Recht: „Sie sind von uns ausgegangen, aber sie waren nicht von uns; denn wo sie von uns gewesen wären, so wären sie ja bei uns geblieben; aber auf dass sie offenbar würden, dass sie nicht alle von uns sind.“

Die Gefahr des Abfalls vom Glauben ist für alle Gläubigen aller Zeiten vorhanden, wenn sie nicht wachen und beten; und wenn man zuerst aus Schwachheit fiel, sei es in Leidensanfechtungen, wie Petrus, sei es durch Verführung der Lust dieser Welt, wie Demas, sei es durch Betrug falscher Lehre, wie die Galater: die Grenzen zwischen Schwachheit und Bosheit sind sehr fließender Art; und die Verleugnung des erfahrenen Heils in Christo geht oft fürchterlich schnell in bewusste und fortgesetzte Feindschaft über. Daher wie der Herr seine Jünger und wie die Jünger die Christen der apostolischen Zeit gewarnt haben vor der Sünde wider den Heiligen Geist, so sollen die Diener am Wort auch die Gläubigen unsrer Tage davor warnen, auf dass, wer steht, zusehe, dass er nicht falle und ein Jeglicher erzittere vor dem ersten Rückschritte.

Halt' ja deine Krone feste,
Halte männlich, was du hast;
Recht beharren ist das Beste,
Rückfall ist ein böser Gast. 2)

Fassen wir in ein kurzes Wort zusammen, was sich uns aus der Heiligen Schrift über die Sünde wider den Heiligen Geist ergeben hat, so werden wir dem alten Kirchenvater Augustinus Recht geben müssen, der die Sünde wider den Heiligen Geist erläutert als hartnäckige Unbußfertigkeit, nur dass wir hinzusetzen, dass die Gefahr, in hartnäckige Unbußfertigkeit zu geraten, sowohl für die Ungläubigen vorhanden ist, wenn sie dem Heiligen Geiste widerstreben, als auch für die Gläubigen, wenn sie den Heiligen Geist betrüben. Der Grund, weshalb die Sünde wider den Heiligen Geist nicht vergeben werden kann, liegt eben in der Sünde selbst; hartnäckige Unbußfertigkeit ist als solche beharrliche Abweisung der Sündenvergebung. Davor behüte uns, lieber himmlischer Vater!

Und damit könnten wir diese Betrachtung schließen, wenn es nicht auch eine eingebildete Sünde wider den Heiligen Geist gäbe, über die zur Beruhigung schwacher und ängstlicher Gemüter durchaus noch einige Andeutungen gegeben werden müssen. Es ist des Teufels größter Kunstgriff, die Schriftlehren zu verdrehen; solche Lehren, die der Herr zum Troste der Mühseligen und Beladenen gegeben hat, zur Einschläferung der Satten und Sicheren zu missbrauchen, und umgekehrt solche Lehren, die der Herr zur Aufrüttelung der Sicheren aus geistlichem Schlaf gegeben hat, zur Einschüchterung und Verdüsterung der Ängstlichen anzuwenden. Die Lehre von der Sünde wider den Heiligen Geist will nichts mehr und nichts minder sein, als ein Posaunenstoß, der den Sicheren ins Ohr und ins Herz dringen soll; der Teufel aber hat seine besondere Freude, diesen selben Posaunenton hinterlistiger Weise ängstlichen, frommen Seelen vorzublasen, dass ihnen die Ohren gellen und ihnen die Gebeine des inwendigen Menschen erzittern. Es gibt Christenleute, die, vom Satan angefochten, sich einbilden, die Sünde wider den Heiligen Geist begangen zu haben, und durch solche Einbildung in tiefe Schwermut, herzbrechende Angst und tödliche Traurigkeit fallen. Wir sind geneigt, für einen Mann solcher Einbildung auch den oft genannten Italiener Francesco Spiera zu halten, der zur Zeit der Reformatoren sich selbst beschuldigte, diese Sünde begangen zu haben, und sind der Meinung, dass wenn Einer, wie Spiera, an einer eingebildeten Krankheit stirbt, daraus noch nicht folgt, dass er die Krankheit wirklich gehabt hat. Wir halten uns nach der Heiligen Schrift für keinesfalls berechtigt anzunehmen, dass gerade solche Leute, die von sich behaupten, die Sünde wider den Heiligen Geist begangen zu haben, sie wirklich begangen haben; im Gegenteil, wer sich noch der Sünden anklagt, bei dem kann der Heiland noch im letzten Lebensmomente mit Vergebung eintreten, wie er dem Bußfertigen Schächer am Kreuze vergaß. „Wer zu mir kommt, den will ich nicht hinausstoßen“ dies Wort gilt für Jeden, auch für den, der sich einbildet, die Sünde wider den Heiligen Geist begangen zu haben; und wenn er kommt, zu Jesu kommt, so hat er die Sünde wider den Heiligen Geist nicht begangen. Darum spreche kein ängstliches Gemüt: „Meine Sünde ist größer, denn dass sie mir vergeben werde.“

„Ob bei uns ist der Sünden viel,
bei Gott ist vielmehr Gnade;
sein' Hand zu helfen hat kein Ziel,
wie groß auch sei der Schade“,

das sollen sich alle gesagt sein lassen, die auch nur noch ein Fünschen von Sehnsucht nach Gnade und Errettung haben. Die Sünde wider den Heiligen Geist, die nicht vergeben werden kann, so nahe sie allen sicheren und stolzen Leuten liegt, so fern liegt sie allen Ängstlichen und Zerschlagenen. Das hat einmal Ägidius Hunnius, der nachmals ein berühmter Lehrer evangelischer Gottesgelehrtheit wurde, nach schwerer Anfechtung zu reichem Troste an sich erfahren. Er war in seiner Jugend auf einer württembergischen Klosterschule. Da geschah es, dass die jungen Studenten eines Tages plauderten, und ein Wort gab das andere, und Einer fing an von der Sünde wider den Heiligen Geist zu reden, dass diese Sünde nicht könnte vergeben werden. Dies Wort drang in den jungen Ägidius, so erzählt er's selbst, als ein Todespfeil, so dass ihn große Angst und Not überfiel und Satan ihm zuflüsterte: Du hast die Sünde wider den Heiligen Geist begangen. Er sagte aber von dieser Anfechtung zu Niemandem etwas, sondern über die Maßen betrübt legt er sich zu Bett. Des Nachts aber im Bette weint er und betet und schreit zum barmherzigen Gott, dass er ihn trösten wolle. Unter solchem Weinen und Flehen hat er kaum ein Weniges geschlafen. Am andern Morgen begibt er sich traurig zum gemeinschaftlichen Gebet. Ebenso traurig geht er dann auch in den Unterricht und stellt sich dort an seinen gewöhnlichen Platz. Siehe da, da liegt gerade auf seinem Platz „die Perle“, ein geistliches Buch von Johannes Spangenberg aufgeschlagen, und sein Auge fällt da gleich auf eine Abhandlung: was die Sünde gegen den Heiligen Geist wäre? Rasch liest er's, und sieh, die Antwort aus des Kirchenvaters Augustin Munde steht gleich dahinter: Die Sünde wider den Heiligen Geist wäre eine beharrliche Unbußfertigkeit. Das tröstet ihm sein innerstes Gemüt und er wird fröhlich im Bußfertigen Glauben an seinen Heiland.

Die biblische Lehre von der Sünde wider den Heiligen Geist soll sichere Sünder erschrecken, nicht aber diejenigen, die ihre Seligkeit mit Furcht und Zittern schaffen. Dieselben sollen vielmehr im fröhlichen Vertrauen leben und sterben, dass Gott der Heilige Geist, nachdem er sie mit allen Gläubigen auf Erden berufen und erleuchtet hat, so auch heiligen und erhalten wird, also dass sie einst durch Gottes Macht bewahrt aus der streitenden Kirche in die triumphierende eingehen zur ewigen Seligkeit.

O Heiliger Geist, o heiliger Gott,
Du zeigst den Weg zur Himmelspfort',
Lass uns hier kämpfen ritterlich
Und zu Dir dringen seliglich.
O Heiliger Geist, o heiliger Gott!

O Heiliger Geist, o heiliger Gott,
Verlass uns nicht in Not und Tod;
Wir sagen Dir Lob, Ehr' und Dank
Jetzund und unser Leben lang.
O Heiliger Geist, o heiliger Gott!3)

Amen.

1)
unbekannt
2)
Johann Joseph Winckler
3)
Johannes Niedling
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