Quandt, Emil - Die biblische Lehre vom Heiligen Geist - VI. Der Tempel des Heiligen Geistes
Ein bekanntes Sprichwort sagt: Man sieht den Wald vor Bäumen nicht. Dies Wort ist schon bei Manchem eingetroffen, der der biblischen Lehre vom Heiligen Geist nachgedacht hat. Man versenkt sich in das Werk, das der Heilige Geist an den einzelnen Bäumen der Menschheit treibt, wie er sie aus dem Sumpfboden der Sünde in den gesunden Boden des Reiches Gottes verpflanzt, wie er jeden einzelnen umgepflanzten Baum mit göttlichem Saft und Kraft erfüllt, dass er blüht und knospt und Früchte trägt; aber man verliert über dem Betrachten des einzelnen Baumes den Blick auf die Gesamtheit der Bäume, auf den großen heiligen Gotteswald, durch den das Wehen des Heiligen Geistes rauscht, dass seine Würze triefen. Es gibt Christen, die das Seligwerden der einzelnen Seele durch die Berufung, Erleuchtung, Heiligung und Erhaltung des Heiligen Geistes mit jauchzendem Anbeten als ein Wunderwerk Gottes des Heiligen Geistes preisen; aber von der Gesamtheit der Seelen, an denen der Heilige Geist sein Werk hat, kaum anders als im Vorbeigehen sprechen. Das heißt denn doch den Wald vor Bäumen nicht sehn, die heilige Christenheit vor den einzelnen Christen nicht, die heilige christliche Kirche vor den einzelnen gläubigen Seelen nicht.
Im dritten Artikel des apostolischen Glaubensbekenntnisses steht nicht umsonst im engsten und unmittelbarsten Zusammenhange: „Ich glaube an den Heiligen Geist, Eine heilige, allgemeine christliche Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen.“ Was der Heilige Geist an den Einzelnen schafft und wirkt, das schafft und wirkt er um der Gesamtheit willen; es ist ihm nicht darum zu tun, hier und da auf dieser armen Erde einen vereinzelten Gottesbaum zu schaffen, der einsam und verlassen dastände; es ist ihm vielmehr darum zu tun, einen großen, reichen Gotteswald von vielen, vielen berufenen, erleuchteten und geheiligten Menschenseelen zu schaffen, in welchem der ewige Gott wohnen und wandeln könne. Die Berufung, Erleuchtung, Heiligung und Erhaltung der einzelnen Seelen sind nur Mittel zum Zweck der Sammlung aller Gläubigen zu einem großen Ganzen, zu der Einen, heiligen, allgemeinen, christlichen Kirche der Gemeinschaft der Heiligen. Wenn wir bisher betrachtet haben, was und wie der gnadenreiche Heilige Geist an den einzelnen Sündern wirkt, so dürfen und sollen das nur Vorbetrachtungen gewesen sein für die Betrachtung der heiligen christlichen Kirche, der wir uns jetzt hingeben.
Ist es nun auch der Heiligen Schrift geläufig, die einzelnen Menschen als Bäume und zwar je nach ihrem Verhalten zum Heiligen Geiste die Einen, die ungläubigen, als faule Bäume, die Andern, die gläubigen, als gute Bäume, gepflanzt an frischen Wasserbächen, zu bezeichnen: so führt sie dieses Gleichnis doch nicht dahinaus, dass sie die Gesamtheit der Menschen, an denen der Geist sein Werk treibt, unter dem Bilde eines großen Waldes darstellte. Die Heilige Schrift hat zur Bezeichnung der gesamten Christenheit vielmehr andre Bilder, bessere insofern, als Bild und Wesen sich da vielfach wunderbar decken. Sie nennt die christliche Kirche den Leib Christi, eine treffende Bezeichnung; denn gleich wie der Leib des Menschen seine äußere Erscheinung ist, so soll die ganze Christenheit die äußere Darstellung Christi sein; sein Geist soll in ihr walten und regieren, sein Leben soll in ihr wirken und erscheinen; und alle Christen sollen mit ihrem Haupte Christus und unter einander in inniger Gemeinschaft stehen, wie die Glieder unseres eigenen Leibes mit ihrem Haupt und unter einander in Verbindung stehen. Die Schrift nennt die heilige Christenheit auch die Herde Christi; die einzelnen Schafe sind mit dem Hirten und durch den Hirten mit einander verbunden und genießen gemeinschaftliche Weide durch Gottes Wort und Sakramente. Die Schrift bezeichnet weiter die Christenheit als das heilige Volk die Christenheit redet Eine heilige Sprache, die Sprache Kanaans, hat Ein heiliges Gesetz, das neue Gebot der Liebe, Eine heilige Sitte, die des gottseligen Lebens. Wir übergehen andere Gleichnisse, unter denen die Bibel uns die Kirche anschauen lässt, und bleiben bei demjenigen Namen stehen, in welchem das Wesen der Kirche und die Wirksamkeit des an ihr arbeitenden Heiligen Geistes am tiefsten und klarsten, am schärfsten und reichsten in der Bibel uns vorstellig gemacht ist. Das ist der Name „Tempel“, „Tempel des Heiligen Geistes“. „Wisst ihr nicht, so redet St. Paulus die Korinther an 1 Kor. 3, 16, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“ und ähnlich 2 Kor. 6, 16: „Was hat der Tempel Gottes für eine Gleiche mit den Götzen? Ihr aber seid der Tempel des lebendigen Gottes, wie denn Gott spricht: Ich will in ihnen wohnen und in ihnen wandeln und will ihr Gott sein und sie sollen mein Volk sein.“ So seid ihr nun, spricht derselbe Apostel zu den Ephesern 2, 19-22, nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Bürger mit den Heiligen und Gottes Hausgenoffen, erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau in einander gefügt, wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn, auf welchem auch ihr miterbaut werdet zu einer Behausung Gottes im Geist.“ Petrus aber schreibt an die erwählten Fremdlinge hin und her in seiner ersten Epistel 2, 4-6: „Ihr seid zu Christo gekommen als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen ist, aber bei Gott ist er auserwählt und köstlich. Und auch ihr als die lebendigen Steine baut euch zum geistlichen Hause und zum heiligen Priestertum, zu opfern geistliche Opfer, die Gott angenehm sind durch Jesum Christum. Darum steht in der Schrift: Siehe da, ich lege einen auserwählten köstlichen Eckstein in Zion; und wer an ihn glaubt, der soll nicht zu Schanden werden.“
Es war nach den Ratschlüssen der heiligen Dreieinigkeit der Zweck der Weltschöpfung, dass Gott sich aus und in der Menschheit einen Tempel baue zur Wohnung seiner Majestät und Ruhe. Er, der von Ewigkeit in der Höhe und im Heiligtum thront, wollte sich durch ein Wunder seiner Allmacht, Liebe und Weisheit in lebendigen, nach seinem Ebenbild geschaffenen Kreaturen sabbatliche Wohnung stiften und legte dazu den ersten Adam in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit als Eckstein.
Auf diesem Eckstein sollte sich in sündloser, gottgefälliger Entfaltung die Menschheit zu einem geistlichen Hause erbauen, in welchem der Herr fort und fort wohnen und wandeln könnte, wie er in den Tagen Adams bei Adam im Paradiese wohnte und wandelte. Aber auf lebendige Steine, eben weil sie lebendig sind und darum voll Freiheit, gottgemäß oder gottwidrig sich zu entwickeln, kann die Allmacht selber nicht unter allen Umständen rechten; Adam, der Eckstein des ganzen Gebäudes der Zukunft, fiel in Sünde, und der gefallene Adam taugte nicht mehr zum Grunde eines Tempels Gottes, denn Gott ist nicht ein Gott, dem gottloses Wesen gefällt. Doch gibt der Herr nie auf, was Er beschlossen; was Er ihm vorgenommen, und was er haben will, das muss doch endlich kommen zu seinem Zweck und Ziel; und auch die Sünde der Menschen kann seine großen Zwecke und erhabenen Ziele ihm nicht zerstören. Gott beschloss den, auf den der Tempel der Menschheit von Anfang an als auf seinen Schlussstein angelegt war, seinen eingebornen Sohn in unserem Fleisch und Blut, den Herrn Jesum Christum als den zweiten Adam zum Eckstein des nun aus Sündern zu erbauenden heiligen Tempels zu legen. Vier Jahrtausende bereiteten die Sünderwelt vor auf den neuen Tempelbau des Herrn; Weissagungen und Vorbilder verkündigten zuvor. „Es wird kommen zu seinem heiligen Tempel der Herr“, und insbesondere war der aus toten Steinen gebaute Tempel Jehovas im alten Testamente ein Sinnbild des Tempels, den der Herr sich im neuen Bunde aus lebendigen Steinen auf dem Eckstein Christus zurichten wollte. Als dann die Zeit erfüllt war, da sandte Gott seinen Sohn, geboren von einem Weibe und unter das Gesetz getan, dass er der Eckstein wäre für Grundlegung des neuen Tempels. Als wahrhaftiger Mensch von der Jungfrau Maria geboren war dieser Eckstein gleichen Stoffes mit den andern Steinen, aus denen der Tempel gebaut werden sollte; als wahrhaftiger Gott von Gott in Ewigkeit geboren war er stark genug, die ganze Last des mächtigen Baues zu tragen, dessen Zinnen bis in den Himmel und in die Ewigkeit der Ewigkeiten reichen sollten. „Und dieser Stein“, wir bedienen uns hier der Worte eines geistgesalbten englischen Predigers, „wird in Blut gebettet; der Eckstein darf nirgend anders liegen, als in seinem eigenen geronnenen Herzblut; auf dem Purpurkitt, der aus seinen eigenen heiligen Adern stammt, muss er festlagern; so liegt er da, der erste Stein des heiligen Gebäudes.“ Wir nennen diese Legung des köstlichen Ecksteins die Welterlösung: Die Welt war nun erlöst von der durch den Sündenfall heraufbeschworenen Gefahr, in ewige Trümmer zu zerfallen. Es war nun ein neuer Adam da, der in seinem Blute die Sünde gesühnt hatte und auf dem sich durch den Glauben der Tempel einer wiedergeborenen Menschheit erheben konnte. Damit aber zu dem lebendigen Ecksteine Christus ein lebendiger Stein nach dem andern käme und der neue Tempel sich erhöbe, ward der Heilige Geist ausgegossen reichlich; es ist des Heiligen Geistes göttliches Geschäft und Werk, durch Heiligung der Menschheit in Jesu Christo einen Tempel herzurichten, erbaut aus lebendigen Herzen, alle schlagend in heiliger Liebe, einen Tempel, in welchem der Allmächtige Freudigkeit haben kann zu wandeln und zu wohnen, wie weiland im Paradiese. Weltschöpfung, Welterlösung, Weltheiligung, sie haben dasselbe Ziel: die Erbauung eines Tempels des Herrn aus den lebendigen Steinen der Menschheit.
Der Heilige Geist begann sein großes Werk der Erbauung mit Grund legender Arbeit. Aus den Marmorbrüchen des heiligen Landes brach er zwölf Grundsteine aus, die zunächst an den köstlichen Eckstein gefügt und in Verbindung mit ihm ein für alle Mal den festen Grund des heiligen Tempels bilden sollten. Das sind die Apostel und Propheten des neuen Testamentes, arme Sünder, aber durch den Heiligen Geist vor allen andern Sündern in reichstem Maße erleuchtet: sie wurden durch ihr mündliches Wort und Bekenntnis die Gründer der ersten Christengemeinden; sie sind durch das schriftliche und gedruckte Wort ihrer Evangelien und Episteln die geistigen Gründer aller Christengemeinden aller Zeiten und aller Orten. Das apostolische Zeugnis der heiligen zwölf Boten ist das Fundament der heiligen christlichen Kirche, und ein andres Fundament kann Niemand legen. Wohl kann menschlicher Irrtum und Anmaßung den Schutt einer zweifelhaften Tradition und die Dekretalien fälschlich sogenannter Stellvertreter Christi als ebenbürtige Grundsteine ausgeben; aber das ist menschlich erdachter, hinfälliger Grund, auf dem sich wohl die Kirche des Papstes, aber nicht der Tempel des Heiligen Geistes erbaut; dieser Tempel lässt sich einzig und allein erbauen auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist.
Der Kirche Grund soll Jesus sein,
Der liebte die Gemeine,
Und dass sie unbefleckt und rein
Ihm dargestellt erscheine,
Hat er, mein Gott, durch eignes Blut
Sich als sein Eigentum und Gut
Die Kirche selbst erworben.
Er sandt hierzu sein reines Wort
Und der Apostel Lehre
An jedes Volk, an jeden Ort,
Dass alle Welt es höre.
Wo nun die Gnadenmittel sind,
Wo man sie rein und lauter find't,
Da ist die wahre Kirche.
Auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, baut nun seit dem Tage der Pfingsten der Heilige Geist seinen Tempel. Überall wo auf der weiten Erde Sünder wohnen, ist Baumaterial für den göttlichen Baumeister vorhanden; jeder lebendige Stein wird gefragt, ob er sich auf das heilige Fundament legen lassen will, und jedes Menschenherz, das sich zu Jesu Christo bringen lässt, ist würdig und wohlgeschickt, in den heiligen Tempel eingefügt zu werden. Dem Einfügen toter Steine in einen toten Tempel geht das Behauen, Glätten und Polieren voran, bei lebendigen Steinen herrscht Leben und darum Freiheit; die einen werden allerdings auch zuvor behauen und geglättet und dann erst eingefügt, die andern aber werden erst eingefügt und hinterher geformt. So rau, so hart, so unförmlich, wie die Steine in der Erde gefunden werden, ist ja ihrer keiner brauchbar; wir sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhms, den wir vor Gott haben sollten. Da muss eine Veränderung vorgehen; der Heilige Geist meißelt mit dem scharfen Gesetz an den Steinen umher, und wenn er sie durch das Gesetz klein und fügsam gemacht hat, dann kommt er mit dem glättenden Polierstahl des Evangeliums: und also werden die unförmlichen Steine zu richtigen Bausteinen. Solches tut der Heilige Geist auf den Missionsgebieten, ehe er die Menschen in den Tempel Gottes einfügt; da werden die Seelen erst zur Buße und zum Glauben gerufen, und wenn sie Bußgläubig geworden sind, alsdann heißt es: Siehe, da ist Wasser, was hindert es, dass sie getauft werden? In den Gebieten der alten Christenheit aber werden die Menschen schon am Morgen ihres Lebens in ihren Säuglingslagern durch die heilige Taufe auf den auserwählten und köstlichen Eckstein Jesus Christus gegründet, und die Arbeit des Behauens und Glättens folgt hinterher, und es ist recht also, denn der lebendige Eckstein hat selber gesprochen: „Lasst die Kindlein zu mir kommen und wehrt ihnen nicht, denn solcher ist das Reich Gottes.“ Der Arbeit des Heiligen Geistes, durch welche die einzelnen Bausteine zugerichtet werden, haben wir in den früheren Betrachtungen über Ruf und Licht und Frucht und Beistand des Heiligen Geistes nachgedacht; hier, wo wir das Ganze, den Tempel, ins Auge fassen, fesselt vor Allem das Einfügen der Bausteine in den ganzen Bau unsre Aufmerksamkeit. Mag die Bekehrung zum Bußglauben durch Gesetz und Evangelium vorangehen, mag sie nachfolgen, das Einfügen selbst geschieht allemal durch die heilige Taufe. Wer geboren wird aus Wasser und Geist, tritt ein in das Reich Gottes; wer die Taufe, das Bad der Wiedergeburt, empfängt, empfängt damit einen Platz im Tempel Gottes. Er kann seine Stelle im Tempel des Herrn wieder verlieren, und er verliert sie sicherlich, wenn er die Entwickelung des Glaubenskeimes mutwillig verhindert oder aus dem Glauben wieder in beharrlichen Unglauben fällt; denn ohne Glauben ist's unmöglich Gott gefallen, und nur wer da glaubt und getauft wird, wird selig werden. Aber keinem Menschen auf Erden steht das Recht zu, einer getauften Christenseele, und wenn sie in den gefährlichsten Wegen der Lehre und des Lebens wandelte, allen Glauben für immer abzusprechen oder ihr die Möglichkeit einer gründlichen Bekehrung in dieser Gnadenzeit abzustreiten; auf dieser Erde gehören alle Getauften zum Tempel Gottes, und erst, wenn die Gnadenzeit verronnen ist und der Gerichtstag begonnen hat, werden die untauglich gebliebenen oder durch Unglauben wieder untauglich gewordenen Steine zu dem Trümmerhaufen der ewigen Verdammnis geworfen. Den Tempel des Heiligen Geistes auf dieser Erde bildet die Gesamtheit aller getauften Christen; Alle, die auf den Namen des dreieinigen Gottes getauft sind, machen die heilige christliche Kirche auf Erden aus. Es heißt, den Tempel des Heiligen Geistes willkürlich verkleinern, wenn man eine Scheidung macht zwischen der christlichen Kirche und der Gemeinschaft der Heiligen; wenn man letztere ausschließlich als die Gemeinschaft der bekehrten Christen fasst und dieser dann, und nicht der Kirche, den Namen des Tempels Gottes gibt. Das ist gegen Geist und Buchstaben des dritten Artikels. Dass die Gemeinschaft der Heiligen völlig dasselbe ist, was die Kirche ist, nämlich die große Menge der vom Heiligen Geist durch die Taufe auf den Eckstein Christus Eingefügten, bezeugt schon das lateinische Wort communio, das mit Gemeinschaft verdeutscht ist. Luther fand das Wort vor und ließ es, bemerkte aber dazu: „Das Wörtlein Kirche heißet eigentlich nichts anders, denn eine gemeine Sammlung. Darum sollt's auf recht Deutsch und in unsere Muttersprache heißen eine christliche Gemeine oder aufs allerbeste und klarste eine heilige Christenheit. Das Wort communio, das daran gehängt ist, sollte nicht Gemeinschaft, sondern Gemeine heißen. Und es ist nichts anders, denn die Glosse oder Auslegung, so Jemand hat wollen deuten, was die christliche Kirche heiße; dafür haben die Unsern, so weder lateinisch, noch deutsch gekonnt haben, gemacht Gemeinschaft der Heiligen, so doch keine deutsche Sprache so redet, noch versteht. Aber recht Deutsch zu reden, sollt' es heißen eine Gemeine der Heiligen oder noch klärlicher eine „heilige Gemeine.“ Man wendet freilich gegen die Ausdehnung des Namens „Tempel des Heiligen Geistes“ auf die Gesamtheit der getauften Christenheit ein, dass die Mehrzahl der Getauften in falsche Lehre oder falsches Leben verstrickte Menschen seien, auf die unmöglich die Bezeichnung „heilige christliche Kirche“ angewendet werden könne. Allein heilige Leute im gewöhnlichen Sinne des Wortes sind ja auch die Bekehrten nicht; es trifft bei allen Heil'gen ein, sieht man erst in ihr Buch hinein, dass sie voll vieler Sünde sein. Nicht darum heißt die Kirche heilig und eine Gemeine der Heiligen, weil alle einzelnen Glieder rein gewaschen wären von ihren Sünden, und in allen Geboten und Satzungen des Herrn untadelig wandelten, sondern darum weil Christus Jesus, in den sie durch die heilige Taufe eingepflanzt sind, sich selbst für sie gegeben hat, dass er sie heiligte. Der Tempel Gottes ist heilig, weil der Eckstein heilig ist und die Kraft hat, alle andern Steine zu heiligen, die sich im Glauben mit ihm verbinden. Das ist der Christen Heiligkeit, dass ihr Herr und Heiland heilig ist. Wohl ist es das Ziel des Heiligen Geistes bei Einfügung der einzelnen Christen in den Bund mit Christo, dass endlich eine Gemeine dargestellt werde, die nicht habe einen Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen, sondern die da selber heilig sei und unsträflich. Aber so fest es steht, dass dies Ziel einst erreicht werden wird, so fest steht es auch, dass es nicht erreicht wird im gegenwärtigen Weltlauf; auf Erden ist der Tempel Gottes ein heiliger Tempel nur um des Ecksteins willen, und die Steine, die gläubigen sowohl wie die ungläubigen, sind heilig um desselben Ecksteins willen, mit dem sie durch die heilige Taufe zusammenhängen; erst wenn beharrlicher Widerstand des Unglaubens das sakramentale Band gesprengt hat, fallen die ungläubigen Seelen heraus aus dem Tempel Gottes und fahren an ihren Ort, wie Judas.
Der Heilige Geist aber fügt die einzelnen Steine nicht bloß ein in den Bau, er fügt sie auch zusammen.
Dein Wort, o Herr, bringt uns zusammen,
Dass wir in der Gemeinschaft stehen;
Es lässt an uns die süßen Flammen
Des Glaubens und der Liebe sehn.
Wir wallen mit verbundnen Herzen
Durchs Tränental ins Vaterland;
Versüßen uns die bittern Schmerzen,
Eins reicht dem andern seine Hand. 1)
Erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, soll der ganze Bau ineinander gefügt wachsen zu einem Tempel im Herrn. Im apostolischen Jahrhundert zeigt sich uns, Dank der Arbeit und Weisheit des Heiligen Geistes, die heilige Christenheit als ein einiges wundervolles Gefüge, in welchem die verschiedenartigsten Bausteine mit einander in innerer und äußerer Verbundenheit stehen. Es waren die gewaltigsten Vorurteile zu überwinden, um die Christen aus den Juden mit den Christen aus den Heiden in eins zusammenzuführen; aber der Heilige Geist überwand die Vorurteile. Es war St. Petro ein ungewohntes Ding, sich zu tun oder zu kommen zu einem heidnischen Fremdlinge; aber der Heilige Geist zeigte ihm, keinen Menschen gemein oder unrein zu heißen. Und als die Gläubigen aus der Beschneidung sich entsetzten, dass auch auf die Heiden die Gabe des Heiligen Geistes ausgegossen ward, sprach er: „Mag auch Jemand das Wasser wehren, dass diese nicht getauft werden, die den Heiligen Geist empfangen haben, gleichwie auch wir?“ St. Paulus war ein Pharisäer gewesen, also ein Glied derjenigen jüdischen Sekte, die mit besonders großer Verachtung auf die Heiden herabsah, aber in Kraft des Heiligen Geistes wurde er der Apostel der Heiden und predigte, dass Christus Jesus sei der Friede, der aus Juden und Heiden eins gemacht hat und abgebrochen den Zaun, der dazwischen war in dem, dass er durch sein Fleisch wegnahm die Feindschaft. Eine große, reiche Mannigfaltigkeit von Gaben war über die apostolische Kirche ausgeschüttet, aber die mancherlei Gaben würden von dem Einen Geiste harmonisch zusammengefügt und geeinigt. Der Teufel feierte nicht, sondern versuchte von Anfang an die Glieder der jungen Kirche zu mancherlei Spaltungen; aber in der Macht des Heiligen Geistes wurden dieselben immer wieder überwunden. Die Christen wurden allerdings gemahnt, aber sie ließen sich auch gerne mahnen, fleißig zu sein, die Einigkeit im Geist zu halten durch das Band des Friedens; und gleichwie sie berufen waren zu einerlei Hoffnung ihres Berufes, so freuten sie sich, Ein Leib und Ein Geist zu sein, Einen Herrn zu haben, Einen Glauben, Eine Taufe und Einen Gott und Vater Aller, der da ist über allen und durch alle und in allen. Gab es auch je einen so lieblichen Bau, wie den Tempel des Heiligen Geistes im Morgenrote des neuen Bundes? Die von Justinian erbaute Sophienkirche2) in Konstantinopel wurde von Schmeichlern als ein Meisterwerk gepriesen, das an Pracht und Herrlichkeit auch den Tempel Salomos überrage, und Justinian sprach mit Stolz: Ich habe dich besiegt, o Salomo! Aber das Meisterwerk Justinians ist Stückwerk gegen den Tempel, den der Heilige Geist im apostolischen Jahrhundert aus Menschenseelen erbaute; nicht ein armer irdischer Kaiser, wie Justinian, wohl aber der große göttliche Baumeister hatte Salomo besiegt. Auf dem Ecksteine Christus ruht das Ganze, ein Stein stützt sich auf den andern und trägt des andern Last; geheiligte Liebe, herzliche Bruderliebe ist der Kitt, der die lebendigen Steine unter einander verbindet. Ein Tempel, aus lauter schlagenden Herzen erbaut und in jeglichem Teile durchgeistet von dem Geiste des Glaubens und der Liebe!
Aber nun welch' ein Abstand zwischen der Kirche Jesu Christi von damals und der von heute! Wohl ist der Tempel Gottes äußerlich und in die Weite und Breite gewachsen; aus etlichen tausend Christen sind viele, viele Millionen geworden; aber welche Risse und Spalten sind in dem heiligen Gebäude, und wie viele Steine haben sich zu besonderen Tempelchen abgesondert und behaupten ein jedes für sich der wahre Tempel des Heiligen Geistes zu sein! Der größte Riss entstand in den Tagen der Reformation, da sich von der katholischen Kirche die lutherische und die reformirte Kirche abtrennte. Wer aber zählt all' die christlichen Sekten und Denominationen, die sich außerdem zu besonderen Kirchlein abgegliedert haben, die sich zum Teil untereinander bitter befehden! Ach, hat der Heilige Geist die Arbeit des Zusammenfügens der Steine zu Einem Bau, die er im apostolischen Jahrhundert so eifrig und so erfolgreich getrieben, in den späteren Zeiten aufgegeben? Oder hat seine Kraft abgenommen, dass ihm heute nicht mehr möglich ist, was ihm vor achtzehnhundert Jahren möglich war? O nein, weder sein Eifer, noch seine Kraft hat abgenommen, der ewige Gott wird nicht matt, noch müde, und der Heilige Geist ist Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit; aber wo ein Baumeister mit lebendigen Steinen zu tun hat, da hängt das Zusammenfügen nicht von ihm allein ab, auch wenn er der ewige Gott selber ist; die Christen der nachapostolischen Zeit haben dem Heiligen Geiste bei seiner Arbeit des Zusammenfügens größeren Widerstand geleistet. Es liegt an der Sünde der Christen, dass die heilige Christenheit im Laufe der Zeiten so zerrissen und zerspalten ist. In der Maienzeit der Kirche da „blieben sie Alle in der Apostel Lehre, in der Gemeinschaft, im Brotbrechen, im Gebet“. Aber gar bald ward von Vielen der Apostel Lehre versetzt mit Menschenlehre; da sonderten sich diejenigen, die die reine Lehre behalten wollten, ab von denen, die Göttliches mit Menschlichem vermengten; diese Absonderung geschah erst im Stillen und Verborgenen, wurde aber offenbar und welthistorisch in den Tagen der Reformation. Wohl klagten die Katholiken die Evangelischen an, dass sie das ökumenische Band zerrissen; die Evangelischen aber antworteten: Wir zerreißen es nicht, sondern ihr treibt uns von euch durch eure falsche Lehre. Die Evangelischen schieden sich selbst wieder unter einander in Lutherische und Reformirte nach ihrer verschiedenen Auffassung der Sakraments- und Erwählungslehre. Außer ihnen aber waren seit Alters aufgetaucht und tauchen bis auf unsre Tage auf alle Arten von christlichen Sekten, indem sie irgendeine besondere Auffassung einer christlichen Heilslehre betonen. Es ist jedem Einsichtigen ohne Beweis klar, dass keine dieser Kirchen und Sekten göttliches Recht hat, sich die alleinseligmachende zu nennen; da der Mensch selig wird durch Berufung, Erleuchtung, Heiligung und Erhaltung des Heiligen Geistes, der Heilige Geist aber in der Taufe ausgegossen wird reichlich und durch die ganze getaufte Christenheit weht, so ist die Möglichkeit selig zu werden in jeder Kirche und Sekte, die das Band mit Christo durch den Geist überhaupt noch aufrecht erhält, die noch christlich ist, vorhanden. Aber es müsste für jeden Einsichtigen auch ebenso klar sein, dass in derjenigen äußeren Kirchengemeinschaft das Seligwerden für den Einzelnen am leichtesten wird, wo der biblische Weg zur Seligkeit am schriftgemäßesten, lautersten und reinsten gewiesen wird, das heißt in der Kirche der Reformation, in der evangelischen Kirche. Wenn die evangelische Kirche sich auch von Anfang an in zwei Abteilungen gespalten hat und die wohlgemeintesten menschlichen Versuche, sie zu verschmelzen, bisher mehr oder minder misslungen sind, so arbeiten doch nicht bloß Menschen, sondern auch der Heilige Geist an ihrer Vereinigung, und was Menschen nicht oder schlecht gelungen ist, wird ihm gelingen, wenn seine Stunde gekommen ist. Man muss nur festhalten, dass alles Zusammenfügen der lebendigen Bausteine in ein Gefüge weit über menschliche Vernunft und Kraft geht; es ist Gottes des Heiligen Geistes Amt und Werk. Der Geist aber wirkt schon jetzt und zwar ganz besonders in unserer Zeit, je mehr menschlich gemachte Unionen des Bekenntnisses scheitern, göttlich gefügte Unionen der Tat. Die Mission, die äußere und die innere, und der Kampf gegen den modernen Unglauben verbindet und verbündet diejenigen immer mehr, die Christum lieben, ob auch ihre Weise ihn zu lieben noch so verschieden sein mag. Und wer mag die Zusammenfügungsmacht der Zukunft ermessen, wenn erst das Missionsnetz alle Völker umspannt und aus dem Kampfe gegen den Unglauben der Kampf gegen den Antichrist geworden ist? So lange aber die Spaltungen und Risse im Tempel Gottes währen, wollen wir uns trösten mit dem Troste, dass Gott der Herr, auch was die Sünde schlecht macht, durch seine Gnade zum Guten lenkt. Es gibt ja allerdings Kirchen, in denen das reine Evangelium so verdeckt ist, dass sein goldener Glanz nur kümmerlich durch den aufgetragenen Schutt hindurchschimmert. Aber es gibt doch auch verschiedene Kirchlein, die wie dazu verordnet erscheinen, verschiedene einzelne Wahrheiten recht hervorzuheben; und in der Regel ist das Entstehen einer neuen Sekte eine Bußpredigt für die Kirche, aus der die Sekte hervorgegangen, weil die Kirche irgendeine Schriftwahrheit, die die Sekte besonders hervorhebt, besonders vernachlässigt hat. Durch all' die verschiedenen Kirchen und Kirchlein aber mit ihren besonderen Einrichtungen und Gebräuchen kommt eine gar mannigfaltige Bildung in die einzelnen Teile des großen Ganzen; ein Teil wetteifert mit dem andern und lernt von ihm - und besser als eine tote Einerleiheit ist denn noch immer eine lebendige Mannigfaltigkeit.
Einst aber wird der Heilige Geist alle Teilung und Trennung, auch allen Unglauben, welcher der Trennung bittere Wurzel ist, abtun. Die sich beharrlich verstockt haben, werden als unnütze Bausteine herausgenommen werden; alle falsche Lehre wird überwunden sein, der Grund der Apostel und Propheten wird alle Steine durchleuchten. Die lebendigen Steine werden durch den Tod zur Auferstehung und zu neuem Leben verwandelt sein die Sünde wird nicht nur vergeben, sondern auf ewig vertilgt sein Dann wird der Tempel des Heiligen Geistes strahlen in einer Vollkommenheit und Herrlichkeit, wie ein Engel nur es träumen, Menschenherz nicht fassen kann. Das wird auf der neuen Erde unter dem neuen Himmel sein. Dann wird der Heilige Geist sprechen, wie der Sohn Gottes am Karfreitag sprach: Es ist vollbracht, das große Werk der Heiligung der Menschheit ist vollbracht! Hat aber die Heiligung der Menschheit ihr Ziel erreicht, so sind damit auch Schöpfung und Erlösung zum Zweck und Ziel gelangt. Die ganze im Glauben vollendete, durch Jesu Blut selig gewordene, verklärte Menschheit auf der neuen Erde unter dem neuen Himmel wird dann der Tempel Gottes sein, und Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und Er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein.
Ist aber die Christenheit des Heiligen Geistes Tempel, herrlich schon in der Zeit, tausendmal herrlicher noch in der großen Ewigkeit welch' eine Mahnung für alle, die durch die Taufe auf den Eckstein Christus Jesus gelegt sind, dass sie Fleiß tun ihren Beruf fest zu machen und sich als die lebendigen Steine fort und fort zu erbauen auf dem Grunde, da sie die Gnade des Heiligen Geistes gegründet hat! Welch' eine Mahnung, die Sünde zu hassen und zu lassen und sich zu bewahren in Christo Jesu, damit nicht durch Besudelung eines Steines der ganze Bau entstellt werde! Der Heilige Geist, der uns berufen, mit feinen Gaben erleuchtet und gesammelt hat, wolle uns heiligen und erhalten, dass er uns einst mit allen Gläubigen in Christo dem Vater und dem Sohne darstellen könne zur ewigen Behausung Gottes im Geiste. Amen.