Passavant, Theophil - Abraham und Abraham's Kinder - Psalm 25,14.
Wie kann ich Abraham verbergen, was ich thue? Sintemal er ein großes, mächtiges Volk werden soll, und alle Völker auf Erden in ihm gesegnet werden sollen. Denn. . . 1. Mos. 18,17. f. - Und so vertraute Gott Seinem Freunde ein schweres Geheimniß Seiner Gerechtigkeit an, was sonst aller Welt verborgen, und keinem einzigen Menschen bekannt war, am Wenigsten aber denen, die das heilige Zorn-Gericht treffen sollte. - Wie es Gott doch so menschlich, so traulich mit Seinem Freunde thut, als wäre es ihm Bedürfniß, Erquickung Seines göttlichen Herzens, ihm sagen, der Freund dem Freunde, was in Seinem Herzen war! -
Und der Herr sprach: Es ist ein Geschrei zu Sodom und Gomorra; und es ist groß; und ihre Sünde, sie ist sehr schwer; darum will Ich hinabfahren und sehen, ob sie Alles gethan haben, nach dem Geschrei, das vor Mich gekommen ist, oder ob's nicht also sei, daß Ichs wisse. Und die Männer (die Engel) wandten ihr Angesicht und gingen gen Sodom; aber Abraham blieb noch stehen vor dem Herrn, und trat zu Ihm, und sprach: Willst du den Gerechten mit dem Gottlosen umbringen? Es möchten vielleicht fünfzig Gerechte in der Stadt sein; wolltest Du die umbringen, und dem Orte nicht vergeben, um der fünfzig Gerechten willen, die darinnen wären? Das sei ferne von Dir, daß Du das thust, und tödtest den Gerechten mit dem Gottlosen, daß der Gerechte sei wie der Gottlose; das sei ferne von Dir; der der Richter ist aller Welt, wird Der nicht Recht thun? V. 20 - 25.
So sprach Abraham zu Gott, und du weißt was die göttliche Antwort war: Der Herr sprach: Finde Ich fünfzig Gerechte zu Sodom in der Stadt, so will Ich dem ganzen Orte vergeben um ihrer willen. Und Abraham antwortete und sprach: Ach siehe, ich habe mich unterwunden mit dem Herrn zu reden, wiewohl ich Staub und Asche bin; es möchten vielleicht fünf weniger denn fünfzig Gerechte darin sein; wolltest Du denn die ganze Stadt verderben um der Fünfe willen? Er sprach: Finde Ich darin fünf und vierzig, so will Ich sie nicht verderben. Und er fuhr fort zu Ihm zu reden und sprach: Man möchte vielleicht vierzig darin finden. Und Er sprach: Ich werde es nicht thun um der vierzig willen. - Und so handelte und marktete der Freund Gottes noch weiter, und sprach von dreißig, dann von zwanzig, dann von zehn; - aber auch Die wurden in der Stadt nicht erfunden, sintemal Gott kennet die Leute, und Er auch weiß, was Er thut. V. 26 f.
Aber so spricht Er mit Seinen Freunden, und will ihnen alle ihre Rede und ihre Bitte gewähren; Er höret zu, höret und erhöret, wenn sie auch nur Staub und Asche sind; - das ist des Glaubens Vorrecht, der Lohn der Gläubigen, und dies Vorrecht ist groß, und der Lohn wird überschwänglich sein; so hoch hat Gott Seine Freunde gestellt.
Abraham glaubte, und im Glauben war sein Herz seinem Gotte offen; so war auch das Herz Gottes offen Seinem gläubigen Knechte; Seine Gottes-Gedanken, Seine Güter, Seine Gaben, Sein Trost, standen ihm aufgethan: ein ganzer Himmel voll Reichthum, Freundlichkeit und Güte; Gott war Vater, und Abraham war Sein Kind.
Wenn du glauben könntest! sprach Jesus, der große Glaubensheld, zu jenem betrübten Vater; - das heißt: wenn du kindlich, heilig und stille glauben und trauen könntest, wie sich's einem Freunde Gottes geziemet; - wenn du glauben könntest! Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt: Marc. 9, 23. Das Gebet des Glaubens dringt aus allen Enden der Welt bis zum Throne empor, und es trifft das Herz Gottes, und schaffet göttliche Hülfe, und bringet herab göttliche Fülle, und thut, was sonst keine Weisheit, noch Macht, noch Kraft vermag, was kein Mächtiger und Starker der Erde auswirket; - das Gebet freilich, wie es in einem Herzen wohnet und aus einem Herzen ruft oder schreit, oder flehet, das Gott in Allem gehorsam, Ihm in Allem und in Alles ergeben, nur will, was Gott will, nur verlanget und sucht, was Gott wohlgefällt; im tiefsten Grunde dieses kindlichen Herzens, in allem Gebete, an jedem Orte, zu jeder Zeit, das treue, stille Glaubens-Wort: Dein Wille geschehe. Matth. 6,10.
Mein Freund: Ich bin alt im Unglauben und alt im Glauben geworden, und muß mit jenem alten Manne sagen allezeit: Ich glaube, Herr, hilf aber meinem Unglauben. Marc. 9, 24. Doch hat mir mein armes Glaubens-Gebet oft Großes gewähret; ja, es hat mich Wunder lassen sehen; es hat mir gegeben Kraft in der Schwachheit, Licht in Finsternissen, in Sünden Vergebung, in Thränen einen überirdischen Trost, und Gottes Frieden in allen Stürmen. In diesem Glauben habe ich Berge von Sorgen und Traurigkeiten versetzet; habe Fülle gefunden in der Wüste, in der Irre einen Führer, in der Einsamkeit einen Freund, oft einen Himmel auf der Erde, im Tode das Leben. - Und ist doch all mein Glaube nicht, was Abrahams Glaube gewesen.